von giveMEaREASON
Ich schloss meine Augen.
'Ich sterbe', sagte mein Verstand zu mir.
Ich ließ die Angst hinter mir. In der letzten Sekunde meines Lebens wollte ich ruhig sein.
Das hatte ich mir schon vorgenommen seit ich 9 war.
Als meine Großmutter starb (sie litt an Bauchspeicheldrüsen-Krebs) lag sie in den letzten Stunden in ihrem Bett und schloss seelenruhig mit ihrem Leben ab.
Sie sagte an diesem Tag zu mir, sie habe sich schon von ihrem Leben verabschiedet und es sei nur eine Vorbereitung auf das, was danach passieren würde, gewesen.
Damals hatte ich das nicht verstanden, aber war mir sicher, dass ich nun wusste was sie meinte.
Im Moment des Sterbens ist es ein Unterschied ob ich die Sekunde fürchte, die eines jeden Menschen Leben früher oder später ereilen wird, oder ob ich sie als Erlösung ansehe und sie akzeptiere.
Meine Gedanken galten meiner Familie, meinen Freunden, Gott.
Ich hatte noch nie strikt an Gott geglaubt, aber ich denke in solchen Momenten spricht jeder ein letztes Gebet.
Ryans Hände umschlossen noch immer meine Arme, ich konnte mich nicht wehren.
Mein Herz schlug langsamer, langsamer, langsamer...gleich würde es aufhören.
Ich spürte seinen festen Griff, es war das einzige was ich noch vollkommen wahrnahm. In meinen Gedanken versunken war der harte Waldboden, nicht mehr so hart wie er sein sollte. Alles war nicht mehr so intensiv. Ich konzentrierte mich nicht auf das was nun geschah.
Weg. Seine Hände umfassten nicht meine Arme, ich konnte seine Nähe nicht mehr spüren. Die Sonnenstrahlen, die sein Körper zuvor noch verdeckt hatten, strahlten nun erbarmungslos auf mein Gesicht und ich öffnete reflexiv meine Augen.
Das gleißende Licht brannte in meinen Augen.
Aber ich schloss sie nicht mehr. Ich lebe. Noch.
Mit einem Ruck schwang ich mich vom Boden, sodass ich aufrecht saß.
Ryan stand da. Er hatte seinen Körper an einen Baum auf der anderen Seite der Lichtung gepresst. Knapp 30 Meter von mir entfernt.
Vor ihm stand noch jemand. Ich identifizierte ihn als einen der Vampire, die Ryan auf seinem Jagdtrip begleitet hatten.
Er hatte entwaffnet die Hände erhoben. Vermutlich wollte er mir so sagen, ich bräuchte keine Angst zu haben.
Nein, natürlich nicht
Seine Stimme hallte quer über die Lichtung zu mir her.
'Hab keine Angst. Wir werden dir nichts tun. Aber wenn du wegläufst, werde ich dich einholen. Versuch es nicht.
Vertrau mir ich werde dir nichts tun.'
Eine kurze Pause voller Schweigen erfüllte den Wald. Kein einziger Vogel zwitscherte.
'Hast du mich verstanden?', fragte der Vampir ruhig.
Ich nickte einmal kurz.
'Gut. Ich möchte jetzt gerne mit dir reden. Ist es okay wenn wir ein paar Schritte in die Mitte dieser Lichtung machen? Dann müssen wir nicht über diese Distanz rufen.'
Ich zögerte, er bemerkte es.
'Dein Zauberstab liegt links von dir. Nimm ihn mit, wenn du dich damit sicherer fühlst, aber ich warne dich. Ich werde ausweichen wenn du mich angreifst und ihn dir wieder abnehmen.'
Meine Hand schnellte zum Zauberstab. Ich nickte.
'Gut, dann laufen wir jetzt los. Schritt für Schritt.'
Er schritt voran, betont langsam. Ich tat es ihm gleich.
Als nur noch 10 Meter zwischen uns lagen sagte er: 'Stopp!'
Ich verharrte augenblicklich. Mein Blick ruhte auf dem Vampir der mir beruhigend zuredete. Mein Misstrauen war nicht verschwunden. Ich hielt den Zauberstab fest, jederzeit bereit zu reagieren.
Erst jetzt konnte ich den Vampir richtig in Augenschein nehmen. Sein Haar war hellblond, mittellang und glatt.
Er hatte eine magere Statur, blaue Augen und einen breiten Mund. Er war keineswegs weniger attraktiv als Ryan, nur ein völlig anderer Typ.
Ein Blick zu Ryan verriet mir, dass er immer noch stocksteif an den Baum gepresst war, vollkommen bewegungslos.
'Ich bin Zane', stellte sich der blondhaarige Vampir vor.
'Was tust du hier?'
Spontan entschied ich mich für eine Lüge.
'Ich wandere hier bloß'
Zane lächelte überlegen. 'Du sollst mich nicht anlügen.'
Nur durch meine Selbstbeherschung gelang es mir den ausdruckslosen Blick zu behalten. In Wirklichkeit war ich geschockt darüber, dass er meine Lüge entlarvt hatte.
Sein Grinsen verschwand. Ernsthaft fragte er: 'Hat dir jemand diesen Ort hier beschrieben? Dir verraten wie du hier hin kommst?'
'Nein', antwortete ich einsilbig.
'Hast du mitgehört wie jemand diesen Ort erwähnt hat?'
'Nein.'
'Bist du jemandem gefolgt um diesen Ort zu finden?'
'Nein'
'Du lügst', sagte Zane anklagend.
'Ja', verbesserte ich mich. Ängstlich musterte ich ihn.
'Sag mir die Wahrheit, dann musst du dich nicht fürchten, dass ich dir etwas antue.'
'Okay'
Seine nächsten Fragen beantwortete ich einsilbig und wahrheitsgemäß.
'Du hast einen Verdacht gegenüber uns, nicht wahr?'
'Ja'
'Bist du dir sicher damit?'
'Ich weiß nicht', gab ich unsicher zu.
'Rate doch', forderte Zane mich auf.
'Ihr seid Vampire', sagte ich leise. Die Anspannung zerfraß meine Nerven. Ich hatte das Gefühl gleich in Ohnmacht zu fallen.
Zane klatschte in die Hände. Eine Windboe ließ sein Haar wehen. Das Klatschen hallte im Wald wieder.
Ich hielt meinen Zauberstab angespannt in der Hand.
'Ich bin beeindruckt', verkündete Zane, 'du hast unser Geheimnis aufgedeckt, Hermine.'
Als er meinen Namen aussprach, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Jetzt würde ich sterben. Spätestens jetzt.
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Uhhh, spannend! Bald gehts weiter! :)
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