von LunaYazz
Ein Jahr war vergangen.
Ein leiser Windhauch umspielte die sattgrünen Blätter des alten, knorrigen Apfelbaums, der ein schmuckes Einfamilienhaus in einem kleinen Dorf nahe London in lange Schatten tauchte. An der Tür des Hauses hing ein metallenes Schild: „Hier leben Sweeney und Severus Snape“ Darunter hing ein weiteres Schildchen: „Schwul aber cool!“ Laute Stimmen dröhnten aus dem Haus. „Dieser Rollentausch war die beste Idee, die ich je hatte!“ rief Sweeney vergnügt. „Recht hast du, Recht hast du.“ Meinte Severus bemüht heiter und betrachtete sich im großen Wandspiegel. Eine schneeweiße Strähne durchzog schief und verschmiert seine fettigen Schnittlauchhaare. „Aber täusche ich mich oder ist das nicht ganz gleichmäßig gefärbt?“ „Ach Blödsinn, Liebling, das liegt nur an den Rosinen. Drück sie fester in die Augen und sieh es dir noch mal an, die Strähne ist perfekt!“ „Wenn du meinst“ sagte Severus resigniert und machte sich keine Mühe, die Rosinen fester zu drücken. „Aber du siehst auch super aus, Sweeney!“ „Da-a-an-keee-schö-ön!“ sang Severus´ Ehemann, der einen langen, schwarzen Umhang trug und eine eingeölte schwarze Perücke auf dem Kopf hatte. Selbst für jede seiner Rasierklingen hatte er einen schwarzen Umhang in Puppenkleid-Größe gestrickt. „Da-a-an-ke, mei-ein Bä-är-chen!“
„Aber sieh mal, Mäuschen…“ unterbrach ihn Severus. „Jetzt, wo ich als du verkleidet bin und du als ich, sieht man doch ganz klar, dass ich… nun ja…“ „Dass du?“ „Dass ich eine viel größere Nase habe.“ Er rieb sich peinlich berührt über seinen Zinken. „Aber Sev, das spielt doch gar keine Rolle, ich liebe dich!“ sagte Sweeney ernst. „Soll ich dir es beweisen? Ich mach wirklich Fortschritte, mit meinem Patronus… Sieh her! Expecto Patronum!“ Aus der Spitze von Sweeneys Zauberstab brach ein gestaltlicher Patronus hervor –eine silbrig schimmernde Fledermaus mit pickligen Krallen. „Das ist rührend“ meinte Severus. „Dass dein Patronus mich darstellt… Aber trotzdem, welche Schönheitspunkte gibst du meiner Nase, auf einer Skala von eins bis zehn?“ „ Eine glatte zehn natürlich…“ säuselte Sweeney. „Sweeney, ehrlich.“ „Okay, okay, ganz ehrlich? Neundreiviertel.“ „Danke!“ sagte Severus. Offensichtlich fühlte er sich geschmeichelt.
„Oh!“ stieß Sweeney plötzlich hervor. „Was?“ „Ich müsste doch schon längst bei der Arbeit sein! Dementoren-Dompteur ist wirklich ein viel besserer Job als Massenmörder…“ „Na, dann mal wieder viel Spaß!“ sagte Severus ausgelassen. „Lass dich von keinem Dementor anbaggern, du weißt ja, die küssen eh nicht gut.“ „Keine Grund zur Sorge, wenn die mich anmachen, kriegen sie es mit einer pickligen Fledermaus zu tun!“ sagte Sweeney mit grimmiger Entschlossenheit. „Mit mir!“ fügte Severus stolz hinzu. „Genau. Dann mal tschü-üß, bis heut A-beeend!“ sang Sweeney, dann zückte er abermals seinen Zauberstab und disapparierte mit einem lauten Knall.
Sowie Sweeney fort war, zuckte ein seltsamer Gedanke wie ein Blitz durch Severus´ Kopf und seine gute Laune ob Sweeneys Kompliment war augenblicklich verflogen. Er zog seinen Zauberstab und drehte ihn lange nachdenklich in den Händen, bis er sich einen Ruck gab und murmelte: „Expecto Patronum!“ Er seufzte traurig, als aus seinem Zauberstab nicht etwa plötzlich eine picklige Kakerlake hervorbrach, sondern eine wunderschöne, elegante –lilygleiche- Hirschkuh. Salzige Tränen -mit einem gewissen Rosinenaroma- stiegen brennend in ihm auf. Er liebte Sweeney nicht genug. Nicht so sehr, wie Sweeney ihn liebte. Trotz lustigen Partnerlook-Tagen, Frisierwettbewerben, liebevollem gegenseitigen Pickel-Eincremen und anderen tollen Sachen, die sie gemeinsam machten (Zum Beispiel kreativen Spielen wie „Wer schlägt sich in einer Minute am öftesten gegen den Kopf?“) Er vermisste nach wie vor Lily –die wundervolle Lily mit diesen bezaubernden, tiefgrünen, sauberen Augen. Doch daran durfte er nicht denken. Sweeney war ein guter Partner und zusammen waren sie weniger allein. Und so versuchte Severus, jeden Zweifel aus seinem Gehirn zu verbannen und lenkte sich mit seinen alltäglichen Hausfrau-Arbeiten ab.
Als die untergehende Sonne ihre Strahlen über Sweeneys und Severus´ Haus warf und es in orangenen Glanz hüllte, klingelte es an der Tür. Severus, der gerade kehrte und -ein Tuch um den Kopf gebunden- lustige Putzlieder sang, sowie sich dabei im Takt gegen die Schenkel klopfte, machte inzwischen wieder etwas besser gelaunt auf. Sweeney stand in der Tür. Nach einer kurzen Begrüßung („Mausebärchen!“ – „Honigbienchen!“) fing Severus an zu bügeln, während Sweeney sich eifrig daran machte, seine Rosinen auszuwechseln, und dabei ununterbrochen von seinen lieben Dementörchen quasselte. Als er gerade dabei angelangt war, sich zu fragen, ob Dementopupsiwuschlis nicht doch manchmal ganz purzelig sein könnten und Severus währenddessen seine Pickel in bunten Farben anmalte, dachte er sich, wie zufrieden er doch eigentlich mit diesem Leben hier war. Ja, mit Sweeney. Bot dieser hübsche Mann nicht doch einiges her?
Da nahm sich Severus´ Lebenspartner plötzlich Make-Up und einen Lippenstift vom Wohnzimmertisch und rief fröhlich: „Darf ich dich jetzt schminken, Sev?“ „Klar“ entgegnete Severus. „Und darf ich dir danach auch deine hübschen Haare waschen?“ „Meinetwegen, wenn du unbedingt willst…“ meinte Severus zerknirscht.
Als der Zaubertrankmeister am nächsten Morgen vom leisen Gesang der Vögel aufwachte, hatte er immer noch pinke Schleifchen in seinen wuschigen Haaren, knallrot geschminkte Lippen und bonbonrosa Lidschatten. Verschlafen taumelte er in Richtung Bad, um sich endlich abzuschminken. Da hörte er eine schaurige, hohe, nur allzu vertraute Stimme: „Der Dunkle Lord erhebt sich …vom Klo!“ Dann eine Toilettenspülung, und gelassen spazierte, einen Comic unter den Arm geklemmt, niemand anderes als Lord Voldemort an Severus vorbei direkt ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch plumpsen ließ. Er schlug das Comicheftchen auf und blätterte darin herum, ohne auch nur Notiz von Severus zu nehmen. Der fühlte sich, als sei er zu einer Statue aus Eis erstarrt. Voldemort. Lilys Mörder. Hatte sich hier gemütlich in seinem Wohnzimmer breit gemacht. Was… hatte das zu bedeuten? Während er um Atem rang, gelangte er langsam wieder die Beherrschung zurück. War doch pupsegal. Von Bedeutung war nur, dass er ihn nun endlich töten würde. Hier und jetzt.
Am Rande seines Bewusstseins nahm Severus das herzhafte Gähnen von Sweeney wahr, das leise aus dem Schlafzimmer hallte. Sweeney! Er war wach! „Sweeney. Da ist jemand, den würde ich gerne umbringen.“ meinte Severus, mühsam um Fassung ringend. „Hilfst du mir?“ Augenblicklich war Sweeney auf den Beinen. Nur einen Herzschlag später stand er, im Teddybärchen-Pyjama, an Severus´ Seite, die Rasierklinge gezückt. „Natürlich helfe ich dir!“ rief er euphorisch aus. „Wer-?“ Er unterbrach sich. Vor Überraschung ließ er seine Klinge klirrend zu Boden fallen. „Der… echte Dunkle Lord!“ stieß er atemlos hervor. „Ja!“ zischte Severus in glühendem Zorn. „Ja, er ist es, der widerliche Mistkerl!“ Lord Voldemort sah Sweeney und Severus nur milde verdutzt an. „Hallo!“ lallte er und hob eine skelettartige Hand zum Gruß. Er zeigte auf Severus. „Biddu… Bist du nicht… ein Toooodesser?“ Offenbar war er schwer betrunken. Das ließ selbst Severus stutzen. Seit wann trank der Dunkle Lord etwas anderes als Schlangenmilch?
„Was…?“ hauchte Sweeney nur. „Nuuuun…“ begann Voldemort nuschelnd zu erklären. „Ich… suche meine… wie heißt es noch gleich… Todesser, genau. Todesser. Die noch übrig sind. Ich plane nämlich eine Rückkehr, gell? Berührte ´n Dunkles Mal. Das von der guten Alecto. Die ist mir noch treu, das Herzchen. Hat mich gesucht und gefunden, als ich mich selbst schon aufgegeben hatte. Alle Todesser kamen. Ganz schön wenige. Und da dachte ich mir…“ Er gähnte. „Da dachte ich mir: „Wo ist denn der eine –Wie hieß er noch gleich– Schniefelus oder so. Der ist doch auch noch nicht verreckt. Den könnten wir gut gebrauchen, ja. Und ich habe dich gefunden!“ Er klatschte glücklich in die Hände, dann wurde seine Miene plötzlich ernst. „Aber sag mal… Warum bist du nicht gekommen, du Schwein? Hast du kein Dunkles Mal? Du bist doch Todesser?!“
Severus konnte sich noch zu gut daran erinnern, wie Sweeney darauf bestanden hatte, dass Severus sein Dunkles Mal bei einem professionellen Tattookünstler entfernen ließ. Stattdessen sollte er sich die Worte eintätowieren lassen: „Niemals vergessen, niemals vergeben –Sweeney kommt!“ Aber diese Story musste er Voldemort nicht auftischen. Nein, stattdessen wäre jetzt der ideale Zeitpunkt für die Wahrheit. Danach würde es zum Kampf kommen, das war Severus klar. Aber dass er den sturzbesoffenen Voldemort besiegen konnte, dass traute er sich wirklich noch zu.
„Nein, ich bin kein Todesser!“ sagte Severus mit fester Stimme. „Ich…“ Er unterbrach sich. Das war doch nicht möglich! Da war Voldemort doch tatsächlich innerhalb des kurzen Augenblicks, in dem Severus gezögert hatte, einfach eingeschlafen! Aber das ließ Severus nicht mit sich machen. Er wollte, dass Voldemort die Wahrheit erfuhr, erfuhr, dass es der dümmste Fehler seines Lebens gewesen war, Lily umzubringen. Bevor er starb. „Aguamenti!“ Ein harter Strahl eiskaltes Wasser spritzte dem Dunklen Lord ins Gesicht und er schreckte panisch aus dem Schlaf. „Was is´n? Was ist hier los?“ japste er. „Und warum bin ich so nass? Hab ich mir… in die Hose gepinkelt?“ „So ist es.“ sagte Severus trocken. Und Voldemort ließ sein kaltes, schauderhaftes Lachen erklingen. „Der Dunkle Lord bepisst sich!“ rief er theatralisch. „Versteht ihr den Witz? Du-weißt-schon-wer hat die Hosen voll!“
„Das ist ja alles schön und gut.“ meinte Severus sarkastisch. „Aber ich wollte Euch eigentlich gerade sagen, dass ich kein Todesser mehr bin. Schon seit vielen Jahren nicht mehr. Ihr dachtet es, ja, aber ich tat bloß noch so, als sei ich auf Eurer Seite, um Euch auszuspionieren. Für Dumbledore. Auch sein Tod war geplant. Ich wollte nicht mehr für Euch arbeiten, seit Ihr Lily ermordet habt. Ich liebte sie!“ Ein kurzer Moment der Stille, dann fing Voldemort abermals an, schallend zu lachen. „Der war gut! Wirklich gut!“ lallte er. „Das meinte ich ernst!“ sagte Severus gekränkt. Voldemort lachte nur noch herzhafter. „Ich. Meinte. Es. Wirklich. Ernst.“ Knurrte der Zaubertrankmeister hasserfüllt. Seine rosinengespickten Augen funkelten zornig, und da wurde der Dunkle Lord hellhörig. „Ehrlich?“ „JAAAA! VERDAMMT NOCHMAL, ICH SCHWÖRE ES!“
„Scheiße!“ sagte Voldemort plötzlich deprimiert. „Scheiße! Scheiße! Scheiße! Ich bin ein blödes Schaf, wirklich! Und du auch, Schniefelus, jaah! Du bist auch ein blödes Schaf, weißt du? Wenn mein Zauberstab mir nicht eben in den Gully gefallen wäre, wärst du jetzt schneller tot, als du piep sagen könntest!“ Er sah trotzig zu Boden. „In den Gully gefallen?“ wiederholte Severus vergnügt. „Das heißt Ihr …könnt Euch nicht verteidigen?!“ Voldemort blickte resigniert drein. „Zauberstaab – im Guuuully!“ Severus sang nun auch, und einen Herzschlag später brüllte er, seinen Stab auf Voldemort gerichtet: „Avada-“ „Nein! Expelliarmus!“ Sweeney hatte sich vor Voldemort geworfen und Severus blitzschnell entwaffnet. Severus konnte seinen Ehemann nur dümmlich anstarren. Warum…? Die ganze Zeit über hatte Sweeney sich nicht in die Diskussion zwischen Severus und Voldemort eingemischt. Sich auch nicht auf Severus´ Seite geschlagen. Der hatte gedacht, Sweeney wäre von der ganzen Situation einfach vollkommen überfordert. Doch nun wurde ihm schockartig klar, dass sein Mann vielleicht gar nicht auf seiner Seite stand. „Sweeney …Was-?“
„Töte ihn nicht, bitte, Sev!“ flehte Sweeney verzweifelt. „Wenn du ihn umbringst, macht das Lily doch auch nicht mehr lebendig!“ Das sagte ja der Richtige. „Sweeney, ich verstehe das nicht!“ entgegnete Severus wütend. „Wirklich nicht? Sieh ihn dir doch an, es wäre so schade um ihn! Der Dunkle Lord, er ist so …unbeschreiblich cool. Und dazu sieht er… wirklich hübsch aus und irgendwie auch …richtig sexy!“ „Sexy?“ fragten Severus und Voldemort wie aus einem Mund ungläubig. „Du findest mich sexy?“ plapperte Voldemort munter weiter. „Echt?“ „Natürlich“ erwiderte Sweeney erstaunt. „Hat dir das denn noch nie jemand gesagt?“ „Nein…“ meinte Voldemort etwas deprimiert. „Aber du bist doch so wunderschön…“ säuselte Sweeney. „Wunderschön und blass… nur leider kein blondes Haar… aber was soll´s, trotzdem bildhübsch!“ Voldemort stutzte, sah an sich herunter, betrachtete seine knochigen Hände und seine spindeldürre, unmenschlich wirkende Gestalt, und murmelte dann in eitlem Ton: „Ja, bin ich auch!“ „Meine Rede!“ sagte Sweeney zufrieden. Severus glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, und vor allen Dingen wollte er seinen Augen nicht trauen. Sweeney sah Lord Voldemort fast schon andächtig an mit demselben verliebten Funkeln in den Augen, das sonst nur in ihnen aufblitzte, wenn er von Lucy redete. Selbst ihn hatte er noch nie so einer Liebe im Blick angesehen.
Dann platzte Sweeney plötzlich heraus: „Oh, mein Dunkler Lord! Ich dachte immer, ich hätte meine wahre Liebe gefunden. Endlich gefunden, nachdem ich meine geliebte Frau schon verloren habe. Aber da kannte ich dich ja noch nicht! Es hat mich voll erwischt, in der ersten Sekunde, in der ich dich gesehen habe!“ Die seltsame Vertrautheit dieser Worte bohrten sich wie eine eiskalte Klaue in Severus´ Herz. Und ohne ein weiteres Wort riss Sweeney den vollkommen perplexen Voldemort an sich und küsste ihn. Severus war wie zu einem Denkmal seines Selbst erstarrt. Er wurde betrogen. Direkt vor seinen Augen. Mit Lord Voldemort.
Und einen Herzschlag später erwiderte Voldemort zögernd den Kuss. Nein. Das hätte Severus nicht für möglich gehalten. Niemals. Aber Sweeney konnte eben niemand wiederstehen, selbst der Dunkle Lord nicht. Tränen stiegen in Severus´ Augen. Niemand wollte ihn eben wirklich. Da knutschte Sweeney keinen halben Meter entfernt mit dem besoffenen Voldemort herum und nahm gar keine Notiz mehr von ihm, als wäre er Luft. So wurde Severus immer schon behandelt. Immer schon. Er hielt das hier keine Sekunde mehr länger aus. Er stürzte zur Tür und lief hinaus in den Garten. Erst der markerschütternde Knall, als Severus disapparierte, ließ Sweeney überrascht aufschauen.
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