Er wollte sie beschützen.
Verwirrt stoppte er seinen Gedankenfluss. Er würde hier aufhören und erst dann weiter denken, wenn er alleine war. Oder was wahrscheinlich am Besten war: Er würde die ganze Sache verdrängen und sie einfach nur weiterhin als seine talentierte Lieblingsschülerin ansehen.
„Nun, wenn Sie doch einmal reden wollen, wissen Sie ja, wo ich zu finden bin.“
„Danke.“
„Miss Circeni.“
„Professor.“
Und damit verabschiedeten sie sich. Er wandte sich um und verschwand mit wehendem Umhang. Mina sah seufzend aus dem Fenster. Sie war alleine. Plötzlich merkte sie, dass sie gar nicht allein sein wollte.
Sie schloss das Fenster, wandte sich um und verließ die Bibliothek ebenfalls. Es war jetzt bald Zeit zum Mittagessen und da sie seit dem Aufstehen noch nichts gegessen hatte, zog es sie in die Große Halle.
Als sie die Treppe kurz vor der Eingangshalle betrat, betraten auch Potter, Weaselby, der noch immer gluckste und einige winzige Schnecken verteilte, und diese Granger von draußen herein.
Eine laute Stimme ertönte: „Da sind sie ja, Potter – Weasley.“
Professor McGonagall schritt mit ernster Miene auf die drei zu.
„Sie beide werden heute Abend ihre Strafarbeiten erledigen.“
„Was müssen wir tun, Professor?“, fragte Ron und versuchte hektisch, einen Rülpser zu unterdrücken. Mina musste Grinsen. Dieser zurückgeworfene Zauber amüsierte einen wirklich.
„Sie polieren das Silber im Pokalzimmer zusammen mit Mr Filch“, sagte Professor McGonagall. „Und keine Zauberei, Weasley – Armschmalz.“
Ron schluckte und für einen kurzen Moment hatte Mina sogar Mitleid mit ihm. Alle Schüler des Hauses hassten Filch. Was den „Armschmalz“ betraf, war das wahrscheinlich die beste Möglichkeit, einen weiteren zurückgeworfenen Fluch auf das arme Wiesel zu vermeiden. Schade, eigentlich.
„Und Sie, Potter, helfen Professor Lockhart dabei, seine Fanpost zu beantworten“, sagte Professor McGonagall.
„O n-, Professor, kann ich nicht auch ins Pokalzimmer?“, sagte Potter verzweifelt.
„Auf keinen Fall“, sagte McGonagall streng und zog die Augenbrauen hoch. „Professor Lockhart hat ausdrücklich nach Ihnen verlangt. Pünktlich um acht, Sie beide.“
Mina ging grinsend an den Dreien vorbei, als Professor McGonagall gegangen war.
Jetzt noch niedergeschlagener, schlurften die beiden Nachsitzer hinter ihr in die Große Halle.
Blaise warf die Arme in die Luft.
„Minchen! Da bist du ja! Ich wollte schon losgehen und dich holen.“
„Blaise. Nimm doch die Arme bitte runter“, sagte Daphne und zog Blaise wieder auf die Bank. Dann rückte sie ein Stück, sodass Mina sich neben sie setzen konnte.
„Warum grinst du so, Mina?“
„Hm. Oh … Pottyli muss bei Lockhart nachsitzen. Und Weaselby darf Schnecken spuckend mit Filch Pokale putzen.“
Blaise haute leicht mit der Faust auf den Tisch: „Och, Mist. Das würde ich zu gerne sehen …“
Mina und Daphne verdrehten die Augen: „Dann geh‘ doch.“, sagten sie und setzten ihre Kelche an die Lippen.
„Das geht nicht. Ich habe heute eine Verabredung mit Draco.“
Hustend und spuckend, taten Mina und Daphne ihre Meinung kund und konnten froh sein, dass niemand gegenüber von ihnen saß.
„Du tust was?“
„Ich gehe aus.“
„Mit Malfoy?“
„Ja, und?“
„Au, Mann.“
„Geht’s dir gut?“
„Ja. Warum?“
„Malfoy. Malfoy. Wir reden vom selben Malfoy, oder?“
„Es gibt in unserer Schule zur Zeit nur den einen.“
„Au, Mann.“
„Mir ist schlecht.“, erwiderte Daphne.
„Wie -“, weiter kam Blaise nicht, denn Eion landete vor ihm, tippelte über den Tisch auf Mina zu und legte einen Brief auf ihren Teller. Dann flatterte er auf ihre Schulter, als ob er wüsste, was darin stand.
Mina griff zitternd nach dem Brief und öffnete ihn.
Ein Bogen Pergament fiel ihr in die Hände. Sie erkannte die Schrift ihres Vaters, leicht verwischt, als ob er geweint hätte.
Sie begann zu lesen. Das Herz schlug ihr bis zum Halse und das Schlucken wurde schwer.
Liebe Mina…
Ich hoffe, dir geht es soweit gut in Hogwarts? Und ich hoffe, du hast jetzt jemanden an deiner Seite, der dich gut stützen kann.
Unwillkürlich hielt sie sich an Blaise fest.
Deine Mutter und ich hatten gestern einen sehr heftigen Streit. Ich würde dir die folgenden Zeilen gerne ersparen, aber ich weiß, dass ich es nicht kann, da du verstehen musst, warum es so kommt, wie es kommen wird. Glaub mir, mein kleiner Engel, es tut weh, diese Worte wiederzugeben, noch dazu an mein geliebtes Kind, das mir so viel bedeutet. Aber du sollst wissen, wie sehr ich mich in deiner Mutter geirrt habe.
Deine Mutter war die letzten zwei Tage bei einer Freundin. Du weißt schon. Diese Petunia Dursley, mit der sie sich so gut versteht. Und als sie nach Hause kam, war sie völlig verändert. Im Gegensatz zu den letzten Streiten, die wir hatten, war dies schon kein Streit mehr. Ich dachte, sie hätte sich in diesen zwei Tagen beruhigt und entspannt und habe sie herzlich begrüßen wollen, doch kaum, dass sie mich gesehen hat, ist sie total ausgetickt. Ich bin ehrlich. Ich hatte Angst vor ihr, so hatte ich sie noch nie zuvor gesehen.
Das halbe Haus ist in Schutt und Asche, so sehr hat sie gewütet, Ibarela und ich sind noch nicht fertig mit aufräumen.
Sie beschuldigte mich als einen Teufel, einen Boten direkt aus der Hölle und … ich möchte dieses Wort überhaupt nicht in den Mund nehmen, so schrecklich war es, dich beschuldigte sie als eine teuflische Missgeburt. Es hätte ihr schon viel früher auffallen sollen, immerhin habe kein normales Kind rote Augen, da könne es diese ja nur von einem Teufel wie mir haben und ich solle nun endlich meine wahre Gestalt zeigen.
Warum ich dich an eine Schule voller Teufel geschickt habe? Wolle ich auch, dass du ein Teufel wirst?
Ich habe noch versucht, sie zu beruhigen, sie zur Vernunft zu bringen, aber sie wollte überhaupt nichts hören, schmiss mit allem nach mir, was sie in die Finger bekommen konnte. Wenigstens konnte ich dein Zimmer retten, indem ich die Tür versteinerte.
Verflucht hat sie dich und gewünscht, sie hätte dich nie geboren oder du wärest tot.
Oh, Liebling, ich wünschte, ich könnte dir das Ausmaß dieses Leids ersparen, aber du sollst wissen, dass ich mit einer Frau, die meine geliebte Tochter so sehr beleidigt hat, nicht länger zusammenleben kann.
Ich werde mich von Susan trennen. Für immer.
Kannst du das akzeptieren?
Bevor ich nun zu einem Ende komme, möchte ich, dass du dir im Klaren darüber bist, dass keines der Worte das deine Mutter gesagt hat, wahr ist. Du bist das wertvollste Wesen auf diesem Planeten, egal, ob mit roten oder blauen Augen, egal, ob dick oder dünn, egal, ob Slytherin oder Ravenclaw und egal, ob Auror oder Todesser. Welchen Weg auch immer du gehst, du bist ein Plan Gottes. Einzigartig, wundervoll und meine Tochter!
Ich werde dich immer lieben und versuche als bald wie möglich, dich in Hogwarts zu besuchen um zu sehen, wie es dir geht.
Bitte sei nicht allzu traurig, denn nichts aus dem Mund dieser Frau entsprach der Wahrheit.
In Liebe,
Dad
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