„Bist du sicher, dass du alleine klar kommst, Dad?“
„Natürlich. Das bisschen Kochen krieg ich schon alleine hin … und im Notfall frage ich Ibarela …“, verlegen kratzte er sich am Kopf.
„Dad … du kannst doch gar nicht kochen!“, sämtliche Alarmglocken schrillten in ihrem Kopf, als das Bild der Küche in ihrem Kopf aufstieg, als ihr Vater einmal, sie war wohl sechs Jahre alt gewesen, versucht hatte, zu kochen.
Genauso gut hätte man auf einen Schrottplatz gehen können und versuchen, eine perfekt funktionierende Waschmaschine zu kriegen.
Es hatte eine Woche gebraucht, die Küche wieder in Schuss zu bekommen und Mina vermutete, dass die arme Küche seitdem ein Trauma hatte. Es war ein Wunder, dass er damals in der Schule durch seine Zaubertrankprüfung gekommen war, ohne etwas in die Luft zu jagen.
„Dad, bitte, ich meine es Ernst. Wenn du Hilfe brauchst, frag Ibarela. Ich habe keine Lust, in den Weihnachtsferien nach Hause zu kommen und vor einem Trümmerhaufen, der einmal mein Heim war, zu stehen, um am Ende im Gartenhäuschen zu feiern. Das hatten wir bei Opa schon mal und es war grauenvoll, das weißt du ebenso gut, wie ich.“
Ralph lachte und fuhr sich durch das strubbelige Haar, das noch schlechter zu bändigen war, als das von Potter: „Machst du dir etwa Sorgen um mich, Mina?“
„Dad!“, vorwurfsvoll sah sie ihn an und stemmte die Hände in die Hüften. Sollte diese ganze Szenerie eigentlich nicht andersherum sein? Aber in ihrem Leben war ja derzeitsowieso alles absurd, was auch nur absurd sein konnte. „Ich mach mir immer Sorgen um dich. Anders kann man gar nicht mit dir zusammenleben.“
„Oh, ist es doch so schlimm?“
„Schlimmer.“
„Oh.“
Sie winkte ab: „Wie auch immer. Danke, dass du da warst, es hat gut getan zu wissen, dass es dir gut geht und dich einmal zu sehen.“
„Nein, Mina. Es hat gut getan, dich zu sehen, zu wissen, dass du Freunde hast, die auf dich aufpassen und selber zu merken, wie gut es dir geht.“
Sie fiel ihm um den Hals: „Ach Dad. Ich würde dich gerne noch bis Hogsmeade begleiten, aber ich darf ja nicht.“
„Macht nichts, Mina. Den Weg bis dorthin finde ich auch noch alleine.“, er lächelte sein schiefes Lächeln, das sie so an ihm liebte und strich Mina über das Haar: „Und schreib mir noch mal, wann du kommst und wann ich dich abholen soll. Und ob du Freunde mitbringst.“, er lächelte, sie umarmten sich noch einmal und dann verschwand er den Weg nach Hogsmeade herunter.
Sie sah ihm nach, bis er um eine Kurve verschwand und betrat die Eingangshalle.
Es war besser, ihm nichts von dem seltsamen Vorfall mit Mrs Norris zu erzählen. Ralph Circeni hätte sich nur unnötige Sorgen gemacht und sein Leben wäre noch mehr durcheinander geraten, als es das ohnehin schon war.
Sie sah auf ihre Armbanduhr und wandte sich der Großen Halle zu. Es würde bald Abendessen geben und auf einmal fiel ihr auf, dass sie den ganzen Tag kaum etwas gegessen hatte. Sie setzte sich an einen Tisch und klappte das ramponierte Zaubertrankbuch auf, das sie die ganze Zeit mit sich herumgetragen hatte.
Seite um Seite verschlang sie und sie merkte gar nicht, dass sich die Halle langsam füllte.
„Minchen, was liest du da denn schon wieder?“, fragte Blaise, als er neben ihr Platz nahm. Mina klappte das Buch zu.
„Was? Oh, das. Das hat Professor Snape mir letztens gegeben.“
„Sieht ja ziemlich mitgenommen aus das arme Ding.“, meinte Daphne während sie sich etwas Kartoffelpüree auf den Teller häufte.
„Ja, es ist schon etwas älter. Er meinte, der Vorbesitzer hat es sehr geliebt.“
Erstaunt stellte Mina fest, dass das Essen schon auf den Tischen stand und jeder Schüler begeistert zu schlug. Sie war zur Zeit aber auch echt neben der Spur. Konnte es noch schlimmer kommen?
„Also ich finde, das Buch sieht genau nach Gegenteil aus.“, raunte Blaise.
„Ach ja? Blaise, mein Lieber, du weißt einfach nichts über Bücher.“
„Nein?“
„Nein.“
„Dann erklär’s mir.“
„Im Grunde genommen, ist das ganz einfach, weißt du? Warst du schon mal in einem Antiquitätenladen voller Bücher?“
„Ja?“
„Wie ist es da?“
„Staubig.“
„Ja, das auch, aber … hast du irgendwas besonderes empfunden?“
„Langeweile?“
„Ach Blaise. Der Geruch.“
„Geruch?“
„Der Geruch nach altem Pergament, nach dem Wissen von Jahrhunderten, dem Staub der Zeit … hast du das alles denn nicht bemerkt?“
„Nein.“
„Dann erkläre ich es anders. Je älter ein Buch ist, desto wertvoller und lebendiger wird es. Und je wertvoller es ist … desto … mehr liebt sein Besitzer es.
Das ist … im Grunde genommen ist das, wie deine Schokolade. Du liebst sie und hängst an ihr. Und deshalb … nutzt du sie so oft du kannst, für irgendwelche Zwecke.“
„Und …?“
„Naja, bei dem Vorbesitzer des Buches war es eben genauso. Je mehr er daran hing, desto … naja, desto öfter benutzte er es und … desto … abgenutzter wurde das Buch. Er wollte es nicht aus der Hand legen, weil er es so sehr liebte. Daher sieht es so aus.“
„Aber … eigentlich hat das Buch ja dann darunter gelitten oder?“, auf Blaises Gesicht zeigte sich die Anstrengung, das gesagte zu verstehen.
„Ich weiß es nicht. Das weiß nur das Buch selber. Vielleicht ist es … vielleicht ist es auch froh darüber, dass es seine … seine …Bestimmung erfüllen konnte. Also …“
„Willst du damit sagen, das Bücher leben?“
„Sie atmen, Blaise. Sie atmen. Geh nur einmal durch die Bibliothek und lausche.“
„Ich glaube, alles, was ich höre, wird das Atmen der anderen Menschen sein.“
„Du bist hoffnungslos.“
Daphne legte der betrübten Mina eine Hand auf die Schulter: „Mach dir nichts draus. Wir werden es schon schaffen, ihm irgendwas beizubringen. Und wenn nicht, ist das auch nicht so schlimm … Er ist … er ist einfach so … hier komm, iss was …“, sie schob Mina einen Teller voller Nudeln hin.
„Ich …“
„Darf ich mir das Buch mal anschauen?“
„Klar, ich denke … Aber … sei vorsichtig, bitte.“
Daphne lächelte fast liebevoll und griff nach dem Buch. Sie blätterte ein wenig darin herum, die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen. Schließlich landete sie auf der letzten Seite des Buches. Als eine der wenigen Seiten, war sie leer.
„Wer … wer … ist der Halbblutprinz?“, fragte sie schließlich verwirrt.
Mina ließ die Gabel fallen und beugte sich über Daphnes Schulter: „Wer ist wer?“
Daphne deutete auf eine Stelle unten rechts im Einband des Buches: „Hier: ‚Dieses Buch gehört dem Halbblutprinzen‘. Ist dir das nicht aufgefallen?“
Erstaunt betrachtete Mina den Schriftzug. Tatsächlich. Dort stand es. Es war erstaunlich, dass sie ihre Signaturen immer in genau dieselbe Ecke setzte. Einband ganz hinten, rechts unten.
Sie schüttelte den Kopf: „Nein. Nein, das ist es nie. Vielleicht ist es der Vorbesitzer des Buches … Ich meine … Ich weiß nicht, wer der Halbblutprinz ist und … bestimmt ist das hier einfach nur eine … Art … Pseudonym.“
„Vielleicht, … solltest du Professor Snape fragen, ob er …“
„Nein. Ich denke, das geht mich nichts an. Ich werde dem Vorbesitzer sein Leben lassen. Das ist das mindeste, was ich tun kann, wenn ich schon in seinen Notizen herumblättere.“
„Hat das was mit dem … Leben des Buches zu tun?“
Mina lächelte geheimnisvoll und strich sanft über den Buchdeckel: „Vielleicht, Daphne. Vielleicht.“
Blaise schüttelte den Kopf: „Um jetzt endlich von diesem leidigen Thema Bücher wegzukommen, Mädels, das ist nun wirklich kein Leben … Wie war es denn mit deinem Pappa?“
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