von *Luna*15
Meine Vorfahren waren alle schon reinblütige Zauberer gewesen und darauf waren diese auch mächtig stolz. Es gab nur noch wenige reinblütige Familien, doch wenn eine Familie reinen Blutes war, waren die Mitglieder meistens sehr stolz über ihre Abstammung. Ich war in meiner Familie so ziemlich die einzige, die am liebsten gar keine magischen Vorfahren hätte. Und dann war dieser bescheuerte Brief gekommen. Natürlich war mir klar gewesen, dass er kommen musste, doch ich hatte es irgendwie geschafft das bevorstehende Übel zu verdrängen. Seit meinem sechsten Lebensjahr ging ich auf eine „Muggelschule“ wie sie meine Mum abwertend nannte. Ich war froh, neue Freunde zu finden und mich ganz normal fühlen zu können. Ich hatte die Magie noch nie genutzt und hatte es eigentlich auch nicht vor. Ich hasste die Magie so sehr, dass ich es kaum beschreiben kann.
Mittlerweile hatte meine Mutter schon so ziemlich alles für mich gekauft und ich stand nun bei Madame Malkin‘s, die mir einen Umhang an den Armen absteckte. Gelangweilt und leicht angewidert blickte ich mich im Laden um und dachte darüber nach, was auf mich zukommen könnte.
Schon lange waren Gerüchte im Umlauf. Auch ich hatte gehört, dass Harry Potter wohl in diesem Jahr in Hogwarts eingeschult werden würde, auch wenn ich versuchte alles um die Zauberschule zu ignorieren. Schon als Kind hatte ich von Harry Potter gehört und nun soll er bei einer ganz normalen Familie leben und noch nie etwas von Zauberei vernommen haben. Ich hatte zwar keine Ahnung ob das stimmte und ich fragte mich, wer wohl die Gerüchte in die Welt setzte aber ich…AUU! Eine Nadel, die mir die Schneiderin in den Arm gesteckt hatte riss mich aus den Gedanken. „Au! Was soll das?“ rief ich leicht verärgert. Ich blickte mich um. In Gedanken versunken hatte ich nicht bemerkt wie ein anderer Kunde den Laden betreten hatte und Madame Malkin sich diesem zugewandt hatte, da sie mit mir fertig war. Meine Mum hatte sich, um sich bemerkbar zu machen eine Nadel hervorgezaubert und mich damit in den Arm gestochen. Ich funkelte sie böse an, doch sie blieb komplett unbeeindruckt. Schnell zog ich den Umhang aus und stopfte ihn in eine Tüte, damit wir endlich den Heimweg antreten konnten. Zum Glück hatte auch meine Mutter nach fünf Stunden „shoppen“ genug und wollte nicht noch eine Kleinigkeit im tropfenden Kessel essen. So machten wir uns wieder auf dem Weg zu dem Riesenkamin um wieder in unserem Wohnzimmer zu landen. Auf dem Weg dorthin versank ich wieder in Gedanken.
Wo war ich stehen geblieben? Ach ja. Obwohl ich nicht wusste ob die Gerüchte stimmten beneidete ich Harry Potter um sein Leben bei normalen Menschen. Ich hatte mir trotz der Tatsache, dass ich erst elf war schon Gedanken darüber gemacht abzuhauen. Ich wollte mich genauso fühlen, wie meine Freunde in der Schule. Wenn ich mit ihnen zusammen war fühlte ich mich zwar wie einer von ihnen, doch manchmal kam doch das Gefühl auf, welches mich von den anderen unterschied. Ich musste meine Gefühle sehr gut unter Kontrolle haben, um meine magischen Fähigkeiten nicht zum Vorschein zu bringen. Aus diesem Grund war ich für mein Alter auch schon disziplinierter als all meine Klassenkameraden. Schon früh hatte ich wahrgenommen, dass Wut oder Freude, ebenso wie Trauer ungeahnte Nebenwirkungen, die durch meine Kräfte verursacht wurden, haben konnten. Nach dem Abend, den ich seit sechs Jahren nicht mehr vergessen konnte, hatte ich mir geschworen, meinen Gefühlen nicht nachzugeben. Vor allem Wut würde nur Probleme bereiten, was ich mit eigenen Augen gesehen hatte.
Ich und meine Mum hatten unser Wohnzimmer erreicht und anstatt meine gerade erworbenen Schulsachen auf mein Zimmer zu tragen, wie von meiner Mutter angeordnet trabte ich ohne eine der vielen Tüten auch nur anzusehen die Treppen nach oben. Vielleicht konnte meine Mutter mich zwingen das Zauberinternat zu besuchen, doch ich würde bis dahin keine Dinge mit mir herumtragen, die mich auch noch daran erinnerten. Das wäre ja als ob ich mein eigenes Grab schaufeln würde oder mein Kreuz mit mir herumtragen würde, bis ich daran gekreuzigt würde. Nun hatte ich erst recht keine Change mehr mich dagegen zu wehren. Also stellte ich mich nicht vor den Spiegel um mich selbst überzeugen zu wollen, sondern lies mich gleich auf das Bett in der hinteren Ecke des Raums fallen. Mit den Händen auf den Augen dachte ich ungewollt an diesen einschneidenden Abend zurück.
Ich sah die Szene wie eine weitere Person, die einen Schleier vor Augen hatte. Ein kleines Mädchen, wie ich genau weiß war es fünf Jahre alt. Heute kam es mir so vor, als ob es einen ewig langen Flur entlang lief, obwohl es damals eindeutig ein nicht halb so langer Gang gewesen war. Das Mädchen hatte Angst. Sie hatte ein schlechtes Gefühl gehabt als sie einschlafen wollte. Ihr war ihre Freundin erschienen, die sich in der Nähe des Hauses aufhielt.
Ich schüttelte die Erinnerung aus meinen Gedanken und hörte wie meine Mutter mich rief. Ich wollte schon herunterrufen, dass ich auf keinen Fall die Tüten auf mein Zimmer tragen würde, doch dann hörte ich eine zweite Person, die sich schon die Treppen hinauf wagte. Um diese willkommen zu heißen riss ich die Tür auf. Meine beste Freundin, stapfte gerade die letzten drei Stufen der Treppe nach oben und lachte mir schon mit ihrem perfekten Gesicht entgegen. Sie war ganz und gar perfekt. Sie war schlank und hatte lange dünne Beine. Ich hatte mich früher gefragt ob sie ebenfalls magische Fähigkeiten besitzen konnte, doch es war nie etwas geschehen, auch wenn sie sehr wütend war und das passte nun einmal gar nicht in das Bild einer Hexe passte. Ich ließ sie vor mir mein Zimmer betreten. „Es ist echt nervend, dass ihr kein Telefon habt. Ich kann ja nicht wissen wann ihr da seid und wenn nicht und dann habt ihr kein Telefon“ predigte sie zum tausendsten Mal. „Ich freu mich auch dich zu sehe Sue“ erwiderte ich sarkastisch. Immer wenn sie zu mir kam musste sie sich über unser nicht vorhandenes Telefon aufregen und wenn sie einmal richtig angefangen hatte, kam sie vom Telefon auf den Fernseher, den es bei uns nicht gab und zerbrach sich dann den Kopf warum meine Mutter etwas gegen diese Dinge. Bevor es so weit kam fragte ich schnell, was sie denn wolle. „Naja, du hast dich nicht gemeldet die ganzen Ferien lang also fragte ich mich was mit dir los ist und wer kann mir diese Frage wohl besser beantworten als du?“ Sie setzte sich ohne zu Fragen auf mein Bett und legte ihren Kopf, mit ihren langen braunen Haaren, die sich leicht wellten, auf meiner Bettdecke ab. Als ich nicht antwortete, stemmte sie sich auf ihre Unterarme und schaute mich fragend und ungeduldig an. Ich hatte es die ganze Zeit vor mir hergeschoben, meinen Freundinnen zu erzählen, dass ich nach den Ferien nicht mehr auf die gleiche Schule gehen würde wie sie. Nächte lang hatte ich wach im Bett gelegen um mir Ausreden einfallen zu lassen. Nun war die Zeit gekommen meine beste zu erzählen und zwar so glaubwürdig wie möglich und das Beste war, dass es auch noch ein wenig von der Wahrheit enthielt. „Also meine Eltern haben beschlossen…“begann ich langsam und wurde dann unschön von meiner Freundin unterbrochen. „Wieso sagst du immer deine Eltern? Du lebst bei deiner Mum und dein Dad ist nie zu Hause. So etwas nennt man nicht Eltern. So etwas nennt man alleinerziehende Mutter!“ wühlte sie ein ebenfalls zahlreich angesprochenes Thema auf. Ich stöhnte leise und setzte mich neben sie. „Ich hab es dir doch schon hundert Mal gesagt: Mein Vater ist zwar selten zu Hause, aber trotzdem ist er ab und zu da und zudem ist er immer noch mein Vater also würde ich es nett finden, wenn du nicht immer so tun würdest, als ob er ein gemeiner Mensch wäre, der seine Familie im Stich lässt.“ Sue vertrete die Augen. „Ich habe deinen Vater noch nie gesehen. Ich kenne dich seit wir sechs Jahre alt waren und ich habe manchmal wochenlang jeden Tag bei dir verbracht und nie, wirklich nie war dein Vater auch nur in der Nähe und anrufen kann er ja nicht. Mach die Augen auf Kind!“ Ich wusste wie das weiter gehen würde. Eigentlich würde ich jetzt etwas erwidern wie „er ist echt selten da und es ist purer Zufall, dass du nie da warst, wenn er einmal ein paar Tage da war.“ Darauf würde Sue etwas wie „Schicksal gibt es nicht!“ erläutern und das Ganze würde in einer mindestens halbstündigen Diskussion über dieses Thema enden. Da ich darauf keine Lust hatte ging ich einfach auf meine Freundin ein. „Ist ja in Ordnung“ murmelte ich gelangweilt um das Thema zu beenden. „Siehst du!“ sagte Sue, wie eigentlich am Ende jeder Diskussion, da ich nach einer Weile die Geduld verlor und immer nachgab. „Du wolltest etwas sagen?“ fragte Sue weiter. Ich verstand erst nicht was sie meinte, erinnerte mich aber wieder an die Lüge die ich ihr auftischen musste. „Ja also…“ begann ich zum zweiten Mal mit meiner Ausrede. „Meine Eltern… ähm, meine Mutter hat beschlossen mich auf ein Internat zu schicken. Das heißt, ich werde nach den Ferien nicht mehr mit dir auf dieselbe Schule gehen.“ Ungläubig starrte Sue mich an. „Es tut mir leid, aber du weißt ja wie meine Mutter ist. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann keiner sie mehr vom Gegenteil überzeugen.“ Ich machte mich auf einen riesen Vortrag gefasst, doch das was mich erwartete war noch schlimmer. Nach einigen Minuten, in denen meine Freundin mich entgeistert anstarrte, stand sie einfach auf und ging mit wütendem Blick zur Tür. Ich hatte das Gefühl, dass sie selbst nicht so recht wusste, was sie tun sollte, doch nach kurzem Zögern drückte sie die Türklinke nach unten und stürmte aus dem Zimmer. Kurz darauf hörte ich wie die Haustür zuschlug. Ich legte mich nach hinten und spürte wie warme Tränen über meine Wangen rannen. Ich fühlte mich schon immer schrecklich beim Lügen und nun hatte ich meiner besten Freundin die wohl größte Lüge meines Lebens aufgetischt. Ich hasste die Magie und nun war sie auch noch Grund dafür, dass ich die Person verlor, die mir am meisten das Gefühl gab normal zu sein. Wütend und mit Tränen in den Augen blieb ich noch bis in die Nacht hinein auf meinem Bett liegen. Als es dann dunkel war, und ich nur noch durch den Schein des Mondes die Umrisse meines Zimmers erkennen konnte richtete ich mich auf, um mir die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Ich erschrak, als ich mich selbst im Spiegel sah, denn ich hatte so verweinte Augen, wie noch nie. Nach dem ich mein Gesicht wieder einigermaßen in den Griff bekommen hatte und meine Kleider gegen ein T-Shirt und eine Jogginghose eingetauscht hatte stellte ich mich, bereit den „Kampf“ anzunehmen, wieder vor den Spiegel und sagte: „Ich komme Hogwarts! Aber glaube nicht, das ich lange bleibe!!!“
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