von minimuff
Kurz darauf kehren Sirius und Remus zu den anderen beiden zurück, die noch tief und fest schlafen. Remus hat sich bereits zurückverwandelt und liegt in seiner menschlichen Gestalt auf dem Waldboden. Schnell greift Sirius nach James' Hand, um die letzten gemeinsamen Sekunden auszukosten. Gleich würden ihre Freunde wach werden, und dann müssen die beiden wieder auf Distanz zueinander gehen. Etwas wehmütig blicken die beiden sich an und lassen schnell voneinander ab, als Peter sich zu strecken anfängt. In Sekundenschnelle setzt Sirius eine fröhliche Miene auf: "Na, du Langschläfer, auch mal wach? Wir warten schon seit einer Ewigkeit!", ruft er ausgelassen und muss grinsen, als Peter sich angesichts der Lautstärke die Ohren zuhält. Nun wird auch Remus langsam wach. Noch im Halbschlaf setzt er sich auf und fährt mit der Hand an den Striemen entlang, die er sich in der letzten Nacht zugefügt hat. Seine Miene verfinstert sich, noch bevor er richtig wach ist. James geht auf ihn zu und redet leise und beruhigend auf ihn ein. Das ist mittlerweile Routine; kurz nach Vollmond ist Remus immer so missmutig wie sonst nie. Tröstend streicht James seinem Freund mit dem Finger über die Wunden. Sirius durchfährt es wie ein Blitz. Warum muss James ihn unbedingt anfassen? Reicht es nicht, wenn er mit ihm spricht? Und offene Wunden soll man doch sowieso nicht berühren.
Anscheinend spürt James den anklagenden Blick in seinem Rücken, denn er dreht sich kurz um. Als er Sirius' halb verärgerte, halb verletzte Miene sieht, hebt er spöttisch und kaum merklich eine Augenbraue. Eifersüchtig?, fragt die Augenbraue. Sirius errötet. Wie albern von ihm. Verlegen beißt er sich auf die Lippe. James grinst und zwinkert ihm zu, wohl wissend, wie sehr Sirius diese Geste an ihm liebt. Wieder wird er rot und blickt zu Boden. Dann hilft er Peter, seine Sachen einzusammeln. Remus indes blickt neugierig zwischen James und Sirius hin und her. Natürlich, der merkt auch alles, denkt Sirius leicht genervt und drängt die anderen zur Eile, bevor noch mehr verräterische Blicke ausgetauscht werden können.
* * * * * *
Wieder im Schloss, machen sich die vier gleich auf zum Unterricht. Das Frühstück haben sie zu Sirius' Leidwesen verpasst, und mit knurrenden Mägen rennen sie in die Kerker, wo die Zaubertrankstunde stattfindet. Das Letzte, worauf Sirius jetzt Lust hat, ist eine Doppelstunde Snape, aber schon wieder schwänzen kann er sich einfach nicht leisten. Immerhin sind sie pünktlich. Wie immer lassen sich James und Sirius an einem Doppeltisch nieder und holen ihre Bücher hervor. Remus und Peter machen es sich hinter ihnen gemütlich. Snape ist schon da und wirft ihnen einen giftigen Blick zu, aber das kümmert Sirius herzlich wenig. Snape geht hinüber zur Tafel und beginnt zu reden, und bereits nach wenigen Sekunden sinkt Sirius' Kopf auf die Tischplatte. Er schließt die Augen und erinnert sich an letzte Nacht, versucht, James in Gedanken zu spüren. Aber das Original ist einfach besser. Unauffällig schiebt er seinen Arm zu James rüber, so dass sich ihre Ellbogen berühren. James' Mundwinkel verziehen sich zu einem Grinsen. Damit verbringen sie einen Großteil des Unterrichts: Sich gegenseitig so unauffällig wie möglich berühren. Diesmal ist Sirius aber lieber vorsichtig, weil Remus hinter ihnen sitzt und alles mitbekommt. Er vertraut seinen Freunden zwar, aber jeder Mitwisser birgt auch ein neues Risiko.
Es sind schon fast zehn Minuten des Unterrichts vorbei, als plötzlich die Tür auffliegt und Lily Evans mit wehendem Haar das Klassenzimmer betritt. Sie geht zu Snape und gibt irgendeinen Grund für ihr Zuspätkommen an. Sirius bekommt nicht mit, was sie sagt. Aber dass James sie beobachtet, merkt er sehr wohl. James' Augen wandern an Lilys schmalem Körper hinab, und Sirius würde am liebsten den Raum verlassen. Woher kommt nur diese verfluchte Eifersucht? Weil du außer James niemanden hast, flüstert eine gemeine Stimme in seinem Kopf. Sirius legt den Kopf wieder auf den Tisch, lässt aber seinen Freund nicht aus den Augen. Er sieht Snape vorne nicken, und Lily sucht nach einem Platz. Schließlich lässt sie sich auf dem letzten freien Stuhl genau vor Sirius' und James' Tisch nieder. Sirius verflucht die Welt im Allgemeinen und die Sitzordnung im Speziellen. Er weiß genau, was gleich passieren wird. Richtig... James' Blick wandert an dem Mädchen hinunter und blickt ihr genau auf den Hintern.
Das ist zu viel für Sirius. Er springt auf, nimmt sein Buch und seine Tasche und marschiert an Snape vorbei aus der Klasse. Das schneidende "Mr. Black!" überhört er ganz einfach. Sein Herz schlägt schnell vor Wut und Enttäuschung, und tief in ihm tut etwas sehr weh. Er rennt einfach weg, so schnell er kann, weit weg von James und seiner verdammten Lily Evans. Weil er nicht weiß, wohin er sonst gehen soll, läuft Sirius in den Schlafsaal und lässt sich auf James' Bett fallen. Er vergräbt das Gesicht in den weichen Kissen, die so angenehm nach James riechen, und fängt an zu weinen. Wenn das die anderen sehen könnten- der große Sirius Black in Tränen aufgelöst in dem Bett seines heimlichen Geliebten. Aber darüber kann er gerade nicht lachen. Schluchzend klammert er sich an das Kissen. Er steht auf sie, geht es ihm immer wieder durch den Kopf, er steht auf Frauen. Er will überhaupt nichts von mir. Unsere Beziehung oder Affäre oder was auch immer ist nur ein Spiel für ihn, genauso wie all seine Freundinnen, die er früher hatte, nur ein Spiel für ihn waren. Ein Zeitvertreib, mehr nicht. Was hat sich Sirius da überhaupt eingebildet, von wegen James würde ihn lieben!
Sirius ist so in sein Selbstmitleid vertieft, dass er gar nicht mitbekommt, wie die Tür zum Schlafsaal sich öffnet. Erst als sich jemand vorsichtig auf sein Bett setzt, schreckt er zusammen und blickt hoch. Neben ihm sitzt Remus Lupin und blickt ihn mit dunkel umschatteten Augen an.
"Wa- was machst du... wieso bist du nicht im Unterricht?", stammelt Sirius. Das Ganze ist ihm unglaublich peinlich. Er will nicht, dass Remus ihn weinen sieht. Das darf niemand, außer James.
"Ich wusste, dass es dir nicht gut geht. Da habe ich mich krank gemeldet", antwortet Remus mit ruhiger Stimme. Sirius ist gleichzeitig sehr dankbar und ziemlich genervt. Dass sich Remus immer überall einmischen muss... Aber vielleicht täte es ihm wirklich ganz gut, mal mit jemandem darüber zu reden.
Remus sagt nichts, drängt ihn nicht zum Sprechen, blickt ihn nur stumm und abwartend an. Und plötzlich bricht es aus Sirius heraus.
"Moony- ich bin so unglücklich! Hast du gesehen, wie er sie angesehen hat? Hast du gesehen, wie er ihr auf den Arsch gestarrt hat?" Zorn wallt in ihm auf. Remus zögert.
"Wenn du James und Lily meinst... ja, das habe ich gesehen", meint er vorsichtig. "Aber das muss nichts heißen. Das hast du doch selber schon oft genug getan. Und außerdem- das kann dir doch völlig egal sein, oder nicht?" Fragend schaut er ihn an, und Sirius wird klar, dass Remus eine ganz eigene und unglaublich effektive Art hat, etwas aus anderen Leuten herauszubekommen. Wieder einmal wird ihm klar, wie viele Gedanken sich Remus um andere macht und wie weit er damit kommt, auch ohne viel Aufheben darum zu machen.
"Das ist mir nicht egal- das kann mir nicht egal sein, weil... Moony, kannst du ein Geheimnis bewahren?" Remus nickt leicht, obwohl er natürlich schon jetzt genau weiß, um was es geht. Er lächelt ihn aufmunternd an, und Sirius legt los:
"Ich bin schwul. Ich bin schwul, Moony. Eine richtig echte kleine Schwuchtel. Und ich bin in James verliebt, und eigentlich war er auch in mich verliebt, das hat er zumindest behauptet. Und jetzt- und jetzt-" Wieder fängt Sirius zu weinen an. Er ist völlig verzweifelt. Wenn James sich nun tatsächlich für Lily entscheidet... das könnte er nicht ertragen.
Ganz sachte legt Remus einen Arm um Sirius, wiegt ihn ein bisschen hin und her und summt ein paar beruhigende Töne. Sirius atmet tief ein und aus und kommt langsam wieder zur Ruhe.
"Schau mal, Tatze", Remus sucht nach den richtigen Worten, "dass er andere Leute- auch Frauen- ansieht, das ist doch völlig normal. Hast du nicht letztens noch dieser Hillary aus Ravenclaw hinterhergeschaut?"
Sirius rollt mit den Augen: "Jaah, aber das-"
"Wärst du gern mit ihr zusammen?", unterbricht ihn Remus. Sirius blinzelt verwirrt.
"Nein", sagt er abwehrend, "ich will James!" Remus lächelt zufrieden.
"Siehst du. Du hast ihr einfach nur nachgeschaut, vielleicht weil sie schlank ist oder ein schönes Lächeln hat oder was weiß ich. Du hast ihr nicht nachgeschaut, weil du in sie verliebt bist."
Langsam wird Sirius klar, worauf sein Freund hinauswill.
"Das ist doch was ganz anderes", meckert er, obwohl er weiß, dass Remus recht hat. Remus weiß das auch und muss lächeln.
"Denk einfach mal darüber nach", meint er und erhebt sich vom Bett. "Wenn du willst, kann ich auch noch mal mit James sprechen. Und übrigens-", er dreht sich noch einmal schnell um, "auf mich brauchst du nicht eifersüchtig zu sein. Ich will garantiert nichts von deinem James. Vertrau mir."
Beschämt blickt Sirius zu Boden. "Woher weißt du, dass..." Amüsiert blickt Remus ihn an: "Deine Blicke sprechen Bände!" Damit verlässt er den Schlafsaal, und Sirius ist mit sich und seinen Gedanken allein.
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