von terese
Am nächsten Mittwoch blieben die Schüler, die zu Professor Flitwicks Chor gehörten, nach dem Abendessen in der Großen Halle. Sie standen in den Gängen und im vorderen Teil der Halle, wo der Lehrertisch stand, herum und den Hauselfen im Weg, die das Geschirr abräumten und die Halle putzten. Nach und nach setzten sie sich alle auf die Haustische, weil ihnen am Boden ständig selbsttätige Schrubber und Putzlappen gegen die Füße fuhren.
Endlich erschien Professor Flitwick und begrüßte sie strahlend. Er brachte einen riesigen Stapel Notenpergamente mit, die er mit einem Schwebezauber trug und auf das Kopfende des Gryffindortisches niedersinken ließ. Mit einem Schlenker seines Zauberstabs beförderte er den Lehrertisch und die Stühle an die Wand, wo sie sich ordentlich aufreihten.
„Mr. Malfoy, würden Sie so freundlich sein und die Anwesenden abzählen?“ bat er Lucius, der neben einem dünnen blonden Mädchen auf dem Slytherintisch saß. Lucius ging an den Tischen entlang und zählte die Schüler ab. „Siebenunddreißig sind wir, Professor“, sagte er und setzte sich wieder zu der dünnen Blonden. „Nun, ich werde mal vierzig Stühle bestellen, vielleicht kommt ja noch jemand“, sagte Professor Flitwick munter. Er richtete seinen Zauberstab auf den Platz, wo der Lehrertisch gestanden hatte, rief „ Accio vierzig Stühle!“, und die angeforderten Stühle stiegen vom Boden herauf. Nach einem weiteren Zauberspruch stellten sie sich in zwei Reihen auf.
„Platz nehmen, meine Herrschaften!“ rief Professor Flitwick und klatschte in die Hände. Die Schüler stiegen von den Tischen, stolperten über nasse Putzlappen und mussten aufpassen, dass sie auf dem feuchten Boden nicht ausrutschten, aber schließlich hatten sie es zu den Stühlen geschafft. Die Mädchen setzten sich in die erste und die Jungen in die zweite Reihe, und Severus konnte den Platz hinter Lily erobern. „Nun, wer ist heute zum ersten Mal hier?“ fragte Professor Flitwick freundlich. Fünf Finger hoben sich. Sie gehörten Lily, Severus, dem dünnen blonden Mädchen, einem dunkelhaarigen Jungen mit einem Mopsgesicht und einem mageren braunhaarigen Jungen aus ihrer Klasse, von dem Lily wusste, dass er ein Freund von diesem James Potter war, der Severus immer ärgerte. Aber weil er jeden Monat ein paar Tage im Unterricht fehlte, wusste sie noch nicht einmal seinen Namen.
Professor Flitwick nickte ihnen lächelnd zu. „Also Kinder, Applaus für unsere Neuen!“ Der Chor klatschte, und alle sahen die neuen Mitglieder freundlich an. Lily grinste verlegen nach allen Seiten, und Severus wurde rot. „Nun, unser Konzert wird am
12. Juli stattfinden, und wir werden sechs Lieder singen. Wer noch keine Noten kann, soll sie bitte nach und nach lernen. Ich habe euch ein paar Lehrpergamente mitgebracht.“
Bei diesen Worten kam der Notenstapel vom Gryffindortisch herübergeschwebt und ließ sich neben Professor Flitwick nieder. „Nanana, nicht ungeduldig werden!“ Professor Flitwick tätschelte den Stapel und lächelte seine Schüler an. „Sie können es schon gar nicht mehr erwarten, gesungen zu werden. Noten haben eine Seele, müßt ihr wissen. Ich schlage also vor, wir richten uns nach ihnen und fangen schon einmal an. Die allgemeinen Informationen kann ich euch auch noch später geben.“ Er deutete mit dem Zauberstab auf den Notenstapel und rief: „Canticum dispone!“ Aus dem Stapel lösten sich achtunddreißig Blätter. Siebenunddreißig davon flogen auf die Schüler zu und in ihre Hände und eines zu Professor Flitwick.
Lily sah sich die Noten an und erstarrte. Du lieber Himmel! Da waren Noten mit komischen Fähnchen, Noten, die mit einem Balken verbunden waren, Noten mit einem Strich nach oben, sonderbare Zeichen auf den Linien, die wie kleine Klötzchen aussahen … sie drehte sich verzweifelt nach Severus um. „Glaubst du, dass wir das schaffen? Ich verstehe nur noch Bahnhof!“ flüsterte sie. „Pssst!“ zischte die große Blonde neben ihr. Severus zuckte die Achseln und starrte düster auf das Notenblatt.
„Zuhören, ich gebe euch den Ton an!“ rief Professor Flitwick und berührte mit seinem Zauberstab die erste Note. Sie begann zu klingen, wie ein Ton auf dem Klavier. Die älteren Schüler summten die Note nach. Severus und Lily schwiegen vorsichtshalber, und die Blonde stieß Lily in die Seite. „Du musst mitsummen“, forderte sie Lily flüsternd auf. „Bitte auf vier einsetzen! Eins, zwei, drei -!“ Professor Flitwick gab den Einsatz. Die Schüler begannen zu singen, während Professor Flitwick seinen Zauberstab als Taktstock benutzte. Die Mädchen sangen eine andere Melodie als die Jungen, aber es passte gut zusammen. Lily hörte erst einmal zu. Ihr gefiel das Lied, und sie fand den Gesang sehr schön. Sie beschloss, sich die Melodien einfach so oft anzuhören, bis sie sie nachsingen konnte. So brauchte sie keine Noten mehr zu lernen.
Am Ende der Probe sagte Professor Flitwick: „So, diese Noten nehmt ihr schon mal mit und übt das Lied. Ich zeige euch jetzt, wie ihr euch die Melodie anhören könnt. Ihr zieht den Zauberstab einmal über alle Noten - so, seht ihr - und sagt „Sonare!“. Lily und Severus übten eifrig und es gelang ihnen, die Melodie zum Klingen zu bringen.
Als sie die Große Halle verließen, flogen ihnen zwei Notenblätter nach und schwirrten um ihre Köpfe. Lily und Severus ergriffen sie. Es waren Noten, Pausen und Zeichen zum Lernen darauf. „Mensch, sind die aufdringlich!“ stöhnte Lily. „Aber ich glaube, das Singen gefällt mir ganz gut. Weißt du, wie die dünne Blonde heißt, die neben mir sitzt?“ „Ach, das ist eine Cousine von diesem blöden Sirius Black“, sagte Severus. „Narcissa heißt sie. Sie ist die Freundin von Lucius.“ „Dann kann er sich auf etwas gefaßt machen“, knurrte Lily. „Die gibt so gerne Befehle, daran könnte sich Professor McGonagall noch ein Beispiel nehmen.“
Die Chorproben fanden nun jeden Mittwoch statt, und Severus und Lily übten fleißig. Im Laufe der Zeit konnten sie die Melodien mitsingen und bekamen mit, was anfangs so rätselhafte Dinge wie Halbtöne, Oktaven und Tonarten waren. Am besten gefiel Lily das Lied von einer jungen Hexe, die von einer bösen Nixe in eine Seerose verwandelt wurde. Ein junger Zaubererprinz verliebte sich in die schöne Seerose, nahm sie aus dem Wasser und setzte sie in den Seerosenteich bei seinem Schloss ein. In diesem Teich lebte ein alter Wassermann, der erkannte, dass die Seerose in Wirklichkeit ein Mädchen war und sie in ihre menschliche Gestalt zurückverwandelte. So konnte sie den Zaubererprinzen heiraten.
Eines Tages verkündete Professor Flitwick, dass das Vampyre String Quartet bei dem Konzert spielen und sie bei einigen Liedern begleiten würde. "Wow!" sagten ein paar ältere Jungen ehrfürchtig, und die Mädchen bekamen träumerische Augen. Lily konnte sich unter einem Streichquartett nichts vorstellen. Aber echte Vampire? Sie hatte noch niemals welche gesehen. Das würde interessant werden.
Auf der vorletzten Probe sangen sie alle ihre Lieder Professor McGonagall vor. Sie saß am Kopfende des Gryffindortisches und hörte ihnen aufmerksam zu. Ab und zu lächelte sie und nickte zufrieden. "Sehr schön habt ihr das gemacht, Kinder", lobte sie zum Schluss. "Ich glaube, das Konzert wird ein großartiger Erfolg werden. Die Weird Sisters konnten uns leider nicht mehr in ihrem Terminplan unterbringen, aber wir konnten die Rockin' Owls engagieren." Der ganze Chor brach in Begeisterung und lautes Klatschen aus, bis Professor McGonagall mehrmals mit der Hand auf den Tisch schlug. "Nun müssen wir uns aber mit der Kleiderfrage befassen", sagte sie energisch. "Ich möchte gerne, dass der Chor dem Anlass entsprechend in festlicher Kleidung auftritt, also bitte keine Schuluniform. Die Mädchen würde ich gerne in schwarzen Kleidern oder Hosen mit schwarzem Oberteil sehen und die Jungen in schwarzer Hose und schwarzem Hemd. Und dazu bitte weiße Handtücher und die Mädchen weiße Acessoires - Perlenketten, Armbänder oder Ähnliches. Sie kümmern sich darum, Filius, nicht wahr?" Professor Flitwick nickte eifrig. "Also, probt schön weiter!" Professor McGonagall verschwand durch den rechten Seiteneingang.
"Schwarze Kleider?" sagte Lily erschüttert, als sie aus der Halle gingen. "Mensch, Sev, ich habe überhaupt nichts Schwarzes bis auf Schuhe und Socken, und meine Freundinnen auch nicht. Was mache ich bloß?" Severus dachte nach. "Ganz einfach! Ich habe doch eine Menge schwarzer Sachen! Du kannst etwas von mir anziehen." Lily betrachtete nachdenklich seine abgeschabte Jeans und das ausgeleierte T-Shirt. "Ja, wenn du meinst - mir wird wohl nichts anderes übrigbleiben. Aber wo soll ich deine Sachen anprobieren? Ich darf doch nicht in euren Schlafsaal." "Ach, das ist kein Problem", versicherte ihr Severus. "Ich rede mit Lucius. Wenn der als Vertrauens-schüler Professor Slughorn um Erlaubnis bittet und ihm sagt, worum es geht, darfst du sicher mal für ein, zwei Stunden rein." "Und was ist mit den Jungen, die da hingehören?" "Die werden ausgesperrt", sagte Severus schlicht.
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