von Blue
Auch hier: Tut mir echt Leid, dass ich sooo lange weg war! Hoffe, euch gefällt's. ^^
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Hermine wusste nicht, wie lange sie noch auf dem schwarzen Parkett gekauert hatte. Jedenfalls waren die schüchternen Sonnenstrahlen, die durch die Sprossenfenster, an dem schwarzen Flor vorbei in den Salon gefallen waren, verschwunden.
Langsam und etwas benommen erhob sie sich und wischte sich ihre letzten Tränen von den Wangen.
Ihre Füße kribbelten unangenehm und ihre Beine waren eingeschlafen. Zugleich spürte sie einen stechenden Schmerz in ihrem Kopf. Müde rieb sie sich die pochenden Schläfen und blinzelte ein paar Mal, während sie das, was heute passiert war, revu passieren ließ.
Sie war entführt worden. In ihrer Wohnung. Von einem Mann, der sechs Jahre mit ihr nach Hogwarts gegangen war, ohne das sie ihn auch nur ein einziges Mal bemerkt hatte. Langsam kamen all die Informationen, die sie über ihn und ihre jetzige Situation bekommen hatte zurück und prasselten nun wie strömender Regen auf sie ein.
Sein Name war Rafael de la Vega, er war ein Slytherin, er hatte einen Bruder, über den er nicht gerne zu sprechen schien, warum auch immer, und er wusste anscheinend mehr über sie, als ihr lieb war.
Hinzu kam noch, dass er sich überaus merkwürdig verhielt und, dass er (leider) unverschämt gut aussah.
Hermine schalt sich innerlich für diesen Gedanken!
Er konnte aussehen, wie er wollte. Er hätte Brad Pitt persönlich sein können, was nutzte es ihr?
Rafael hielt sie hier gefangen und nicht nur, dass es ihn nicht zu stören schien, dass sie gar nicht hier sein wollte. Nein, er gab ihr auch noch Regeln, an die sie sich halten sollte!
Nicht in den Kerker gehen!
Er hatte etwas von „dein Heim“ und, dass er sie „bei sich haben wollte“ gefaselt und nun trieb er sich hier irgendwo in diesem alten, staubigen Gemäuer herum und scherte sich einen Dreck um sie!
Fantastischer Geburtstag! dachte Hermine bei sich.
Da fiel es ihr wieder ein: Ihre Eltern!
Sie wollte heute um 18 Uhr bei ihnen sein, zum Essen.
Hektisch blickte sie sich nach einer Uhr hier im Saal um, doch hier war keine. Genervt und wütend ging sie zu jedem einzelnen der Sprossenfenster, schob bei jedem den Flor zur Seite und versuchte, sie zu öffnen. Sie drückte die Klinken herunter, zog daran, drückte dagegen.
Sie arbeitete sich vor bis zum ersten Fenster, neben der großen Flügeltür.
Doch auch dieses war, wie all die anderen, verschlossen.
Ungeduldig rüttelte Hermine noch einmal an dem Henkel, gab dann aber schließlich auf und schaute nach draußen in den Garten.
Der Himmel verriet ihr, dass es bereits nach 18 Uhr sein musste.
Am dunkelblauen Himmel stand der weiße Halbmond und um ihn herum lauter funkelnde Sterne. Tausende von kleinen, tröstenden Lichtern.
Sie zwinkerten ihr zu, als wollten sie sagen: „Komm zu uns. Komm herauf zu uns.“
Sehnsüchtig weitete sie die Augen und wünschte sich einfach, bei ihren Eltern zu sein. War das denn zu viel verlangt?
Nach dem langen, anstrengenden Krieg wieder mit der Familie beim Abendessen zu sitzen und zu lachen? Sich willkommen und heimisch zu fühlen?
Plötzlich stutzte Hermine.
Komisch, ihr kam es vor, als wären heute Nacht mehr Sterne am Himmel, als sonst.
Ja, es waren viel mehr! Die dunklen Flecken dazwischen waren am Grimmauld Platz viel größer als hier.
Mehr Sterne?
Sie schüttelte den Kopf. Offenbar war sie ziemlich müde, wenn sie schon „Sterne sah“. Verächtlich schnaubend trat sie vom Fenster weg und ging mit verschränkten Armen in die Einganshalle. Noch immer lagen unzählige, voll gekritzelte Pergamentstücke auf dem Parkett verteilt.
Das war es! Ihr ging ein Licht auf. Die Anzahl der sichtbaren Sterne hing von der Höhe ab, auf der sich der Ort des Betrachters befand. Deshalb sah man in der Stadt auch immer weniger Sterne, als auf dem Land. Weil man da näher am Himmel war. Also musste sie sich hier irgendwo auf dem Land oder auf einem Gebirgspfad befinden. Immerhin ein kleiner Anhaltspunkt für ihren Aufenthaltsort.
Aber, wenn sie überhaupt nicht mehr in England waren?
Wenn Rafael sie während ihrer langen Ohnmacht beide außer Landes apperriert hatte?
Aber sie ruderte zurück. Sie wollte sich nicht das kleinste bisschen Hoffnung, das sie hatte, zunichte machen.
Ihr Blick blieb an zwei Pergamentstücken, direkt vor ihren Füßen hängen.
Neugierig bückte sie sich und hob sie auf.
Während Hermine die beiden Pergamente auseinander faltete, stellte sie sich neben einen der Kerzenständer, um besseres Licht zu haben.
Schwarze Tinte, allerdings derart unordentlich geschrieben und verschmiert, dass es Japanisch hätte sein können.
Hermine drehte das erste Stück ein paar Mal in ihren Händen und versuchte, etwas zu erkennen.
Und schließlich sah sie etwas. Eine Zeichnung, neben dem Geschmiere.
Es war ein viereckiger Kasten, an dessen Rahmen große Schrauben gekritzelt waren. Und in diesem Kasten war eine gewellte Linie, die Hermine auf Wasser tippen ließ.
Eine drittklassige Zeichnung, also.
Verwundert sah sie sich die zweite Seite an. Sie steckte die erste dahinter und verengte ihre Augen zu Schlitzen.
Hier war die Schrift schon besser, wenn auch nicht gut.
Sie konnte nur einige Worte lesen.
„Fessel“ „Wasser“ „Lunge“
„Kälte“
„Atem“ „Wasser“
Und mehrmals konnte sie die Zahl 7 erkennen.
7. Einfach nur 7. Ohne jeden Zusammenhang.
Mittendrin, an den Seiten, in verschieden Größen und Schriften.
Sieben? Hermine runzelte die Stirn. Wieso sieben?
Sie knickte die beiden Pergamente einmal in der Hälfte und bückte sich nach einem anderen Stück.
Doch hier war die Zahl 7 nur in verschiedenen Größen und ein paar Mal in Worten und dann noch zweimal in römischen Ziffern geschrieben.
Sieben 7
VII.
Hermine starrte auf den Pergamentbogen. Das alles wurde immer merkwürdiger.
Hier oben auf dem Dachboden war es nachts immer am kältesten. Rafael mochte die Kälte, das redete er sich zumindest ein. Aber heute war es egal, ob er sie wirklich mochte oder nicht, denn er spürte sie nicht.
Ihm war warm, um nicht zu sagen heiß. Der Gedanke, dass Hermine ganz in seiner Nähe das Schloss erkundete, ließ ihn nicht los. Sie war tatsächlich hier. Noch immer kam es ihm vor, wie einer seiner vielen Träume, die er von ihr gehabt hatte. Doch ab heute war es Wirklichkeit.
Er lächelte. Trotz der Angst in ihren Augen, wirkte sie beruhigend auf ihn. Friedlich, leicht und doch hatte sie Feuer. Ihr Herz war das einer Löwin. Durch und durch eine Gryffindor. Doch ihre Angst hatte ihn stutzig gemacht. Sah er denn so furcht einflößend aus?
Hatte sie solch eine Panik vor dem Schloss?
Was immer es auch war, in ein paar Wochen würde sie das vergessen. Ganz sicher. Hermine würde es vielleicht nicht bemerken, aber auch er würde sich in den nächsten Wochen verändern. Ob zum Guten oder zum Bösen, das wusste er nicht. Er wusste nur, dass danach alles anders sein würde. Nicht nur er, sondern auch das Schloss und die gesamte Umgebung würde sich verändern. Und das nicht nur, weil bald der Winter kommen würde.
Mit dem Schnee, der seine Wiese und das gesamte Schloss de la Vega weiß bedeckte, würde auch er von etwas bedeckt sein. Ein Fluch und zugleich ein Geschenk.
Ein Traum und zugleich ein Alptraum. Ein Wunsch und zugleich eine Angst.
Rafael schloss die Augen und atmete tief ein und aus.
Er hustete ein paar Mal, als die kalte Luft in seine Lunge stach. Seine Gedanken waren bei seiner Besucherin.
Wo sie jetzt wohl gerade war?
Hermine hatte die drei Pergamentstücke eingesteckt und sah sich nun weiter um. Sie ging zu der großen Wendeltreppe, die sie heute morgen noch herunter gestiegen war und blickte nach oben.
In weiter Ferne konnte sie die Decke erkennen. Weiß.
Verwundert legte sie den Kopf schief.
Wieso weiß? Hier drin war bisher alles schwarz.
Kurzerhand stieg sie auf die Stufen, fest entschlossen, sich das mal genauer anzusehen.
Doch dann blieb sie abrupt stehen.
Aus dem Augenwinkel hatte sie etwas gesehen, das nun ihre Aufmerksamkeit erregte.
Hinter beziehungsweise unter der Treppe, in der Wand der Eingangshalle, war eine kleine Holztür.
Neugierig stieg Hermine rückwärts von der Treppe und ging dorthin.
Sie konnte sehen, dass die Tür nur angelehnt war. Doch der Spalt zwischen Tür und Wand war schwarz.
Als sie die Tür ein Stück aufstieß, wurde ihr Verdacht bestätigt. Es war dunkel.
Hermine sah sich um. Sie brauchte Licht. Da fielen ihr die Kerzenständer ins Auge.
Vorsichtig und langsam schlich sie kurze Zeit später mit einer schwarzen, brennenden Kerze in der Hand eine düstere Treppe hinunter. Die Flamme gab kaum Licht, sodass sie die Hand vor Augen kaum sehen konnte.
Die Treppe war nass und glitschig, irgendwo hörte sie es tropfen. Plötzlich kam ein kalter Luftzug von unten auf sie zu und die Kerze flackerte gefährlich. Hermine fröstelte.
Es erinnerte ein wenig an die Kerkerstufen in Hogwarts, allerdings ging es hier nicht so tief hinab.
Am Ende der Treppe stand Hermine nun und sah vor sich einen Raum (soweit der Kerzenschein reichte).
Da kroch ihr der Geruch von Öl in die Nase.
Vorsichtig leuchtete sie vor sich her und schnupperte ein paar Mal. Da entdeckte sie ein längliches Becken neben sich, das an der Wand angebracht war.
Ein Ölbecken? Hermine runzelte die Stirn. Vorsichtig senkte sie die Kerze hinab, trat ein paar Schritte zurück und machte den Arm lang. Als die Flamme das Öl berührte, loderte sofort eine heiße Stichflamme auf.
Erschrocken ließ sie die Kerze ins Öl fallen und wich zurück. Ihr Herz machte einen Satz, als sich die Stichflamme über das gesamte Becken ausbreitete und langsam begann, den Raum zu erhellen.
Doch das Becken war wesentlich größer, als Hermine es sich vorgestellt hatte, denn plötzlich schien das Feuer einen Hacken zu schlagen. Ihr gegenüber fraß es sich nun an der Wand entlang, immer rascher, schneller.
Ehe sie sich versah war der gesamte Raum hell erleuchtet. Das Öl Becken ging an den Wänden entlang, einmal ganz rum. Nun konnte Hermine den Keller in Augenschein nehmen.
In der Mitte, ihr gegenüber stand ein alter, verrosteter Ofen. Und an jeder Wand hingen zwei oder drei Regale, darunter war eine Holzarbeitsfläche angebracht.
An manchen Plätzen standen ein paar vertrocknete Blumen in ihren Vasen. Sie waren schon mehr als braun, hatten nicht einmal mehr eine Funke Leben in sich.
Es sah aus wie eine alte Schlossküche, nur ohne Herd.
Neben dem Ofen ging es weiter in einen dunklen Gang.
Plötzlich kam von dorther ein kalter Windstoß.
Er traf Hermine mit voller Wucht, blies ihr die Haare über die Schultern nach hinten und ließ sie frösteln.
Sie schüttelte sich. Das Feuer um sie herum flackerte bedrohlich und sie hörte wieder diese geisterhaften, gespenstischen Geräusche. Fast wie Stimmen. Ein Flüstern. Doch sie musste wissen, was dort hinten war.
Zur Sicherheit blickte sie noch einmal hinter sich, ob auch niemand kam. Dann ging sie mutig weiter.
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