von Xaveria
Er überprüfte seine Hände.
Noch immer unsichtbar.
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Er hörte Hermines Schritte im Flur, das Knarren in der Diele, als sie sich hinkniete und der Katze eine gute Nacht wünschte.
Er stand auf und öffnete die Tür– plötzlich innehaltend, als er Hermines Nähe erkannte.
Sie blickte zu ihm auf. „Ich wollte gerade ins Bett gehen“, sagte sie, stand auf und fuhr mit einer Hand durch ihr Haar.
Das Straßenlicht fing die Bewegung durch das Wohnzimmerfenster ein, ein schemenhafter Kontrast zu dem warmen Licht, welches durch ihre Tür weiter den Flur hinunter strömte. Sein Blick fuhr zu ihrem Kinn, dem sanften Rosa ihrer Lippen. Er hob seinen Blick zu ihren Augen.
Sie waren seinem Spiegelbild gegenüber unschuldig und er zwang sich, nicht weiter an seinen Traum zu denken.
Mimi blinzelte sehnsüchtig hinauf zu Severus.
„Sie hat vor Ihrer Tür geschlafen.“
„Ich muss mit Demetrios sprechen“, sagte er abrupt.
Hermine riss ihre Augen auf, aber ihr Blick war ruhig als sie nickte. „Soll ich Sie alleine lassen?“
„Ich... nein. Es wäre am besten, wenn Sie die Verbindung herstellen würden.“ Er verstummte kurz. „Wir wurden natürlich noch nicht einander entsprechend vorgestellt.“
Für einen Augenblick sah sie verwirrt aus, dann streifte Verständnis, dann Neugier ihre Züge, aber sie unterließ es zu fragen, wessen Namen er benutzt hatte, als er sie gestrigen Abend gerufen hatte. „Selbstverständlich.“
Einige Momente später und Demetrios Stimme hallte durch den Kamin.
„Hermine, was für eine freudige Überraschung.“
Mimis Haare standen ab und sie erstarrte, doch dann streckte sie sich zu den Flammen hin und versuchte daran zu schnuppern.
„Guten Abend, Demetrios. Irgendetwas Interessantes zu Ihren Piraten?“
„Ein Mühlrad rollte vor nicht allzu langer Zeit aus ihrem Schiff.“
„Ein Mühlrad?“
„Mmm, ja, ein noch recht Großes dazu. Es rollt noch immer drüben bei den ehemaligen, französischen Piraten herum – sie schienen ziemlich erfreut darüber zu sein, besonders die Surrealisten... Also sagen Sie mir, meine Liebe, was verdanke ich diesem Vergnügen?“
Severus bewegte sich, raschelte mit seinem Mantel.
Mimi näherte sich den Flammen und Hermine scheuchte sie wieder zurück. „Professor Snape möchte gerne mit Ihnen sprechen.“
„Ah, natürlich.“ Die Flammen schienen sich auf Severus zu richten. „Sehr klug von Ihnen, nicht durch den Kamin zu kommen. In der Tat, sehr klug.“
„In meiner derzeitigen Verfassung schien es leichtsinnig“, betonte Severus.
„Richtig, richtig. Mein lieber Junge – oh, es tut mir leid, aber in meinem Alter, nun – trotzdem... was Sie für uns alle, für die Welt getan haben ist... unglaublich großzügig.“
„Unglaublich, das ist auch das Mindeste.“
Demetrios lachte. „Das natürlich auch. Nun, die Wege, die Sie verfolgt haben, waren schrecklich widersprüchlich, nicht wahr? Darf ich Ihnen meine Bewunderung dafür aussprechen, dass Sie es so lange vermieden haben, die Pfade paradox werden zu lassen?“
Hermine blinzelte. „Paradox?“
„Ja, meine Liebe. Ihr Professor bekleidete... nun ja, in Analogie dazu, haben Sie jemals mit Magneten als kleines Kind gespielt?“
„Natürlich.“
„Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hat er einen großen Teil seines Lebens zwischen zwei von ihnen verbracht, meine Liebe – einmal fast zerrissen von ihren gegenseitigen Polenund dann wieder dem sich ergänzenden Druck der beiden widerstehend. Bin ich dicht dran, Severus?“
Severus nickte einmal und Mimi hüpfte zu den Flammen.
„Oh, wie interessant. Könnten Sie das vielleicht wiederholen?“
Hermines verwirrten Blick ignorierend, nickte er erneut, diesmal langsamer, während er Mimi mit seinem Zeh nach hinten zog.
„Die Flammen flackerten – entzückend.“ Demetrios schwieg einen Moment. „Mein Junge, seit Ihrem Tod, haben Sie da geschlafen?“
„Geister schlafen nicht.“
Demetrios lachte erneut. „Entweder schicken Sie Hermine aus dem Zimmer oder nicht, aber weichen Sie nicht meiner Frage aus. Sie haben geträumt, nicht wahr?“
„Das war der Grund meiner Antwort. Geister träumen auch nicht.“
„Alle Träume sind bedeutend, Severus, besonders die, die uns auch noch nach dem Erwachen erhalten bleiben. Und selbstverständlich bin ich mir sicher, dass Hermine Sie bereits darüber informiert hat, dass Sie kein Geist sind. Sie sind eine Apraxie. Das bedeutet...“
„Meee!“
„Ich weiß, was es bedeutet“, knurrte Severus.
Die Flammen flackerte etwas und Mimi war wie verzaubert. „Aber dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass dieses zauberhafte Kätzchen äußerlich anhänglich Ihnen gegenüber ist.“
„Scheint ganz so.“
„Dann sind Sie nicht ganz tot, zumindest nicht Ihre Seele. Ich – nun, ja, ich war es. Ich war nicht wütend, als ich gestorben bin. Nein, ganz im Gegenteil.“ Demetrios lachte leise. „Ich war hoffnungsvoll. Aber ich musste nichtsdestotrotz ein Urteil fällen. Auch ich hatte einen Traum und es hat meine Apraxie beendet – ich habe gewählt, eine Münze geworfen und hier bin ich.“
Severus' Ton war neutral. „Sie haben Ihr Urteil dem Zufall überlassen?“
Demetrios erfreutes Lachen füllte Hermines Wohnzimmer. „Also, warum nicht? Es war immerhin mein Urteil und am Ende bin ich zurück in die Bibliothek gegangen, um sie zu retten.“
Severus runzelte die Stirn. „Wen?“
„Meine Eule, mein Junge, meine Eule.“
„Die Münze“, flüsterte Hermine, als Demetrios bereits fortfuhr: „Sobald ich die wertvollsten Rollen vom Feuer gerettet habe, bin ich wieder zurückgegangen – aus diesem einen letzten Grund.“
„Eine Münze, geprägt von einer Göttin, hätte sicherlich ein Feuer überlebt“, bemerkte Severus.
„Selbstverständlich – aber ich nicht, verstehen Sie.“
Hermine starrte die Flammen an. „Aber das Feuer hätte einem Zauberer nicht geschadet, außer... Sie sind freiwillig gestorben?“
„Aber natürlich bin ich das.“ Demetrios kicherte. „Tod durch die Bibliothek. Ziemlich erfreulich.â€
Ungewollt streckte Hermine ihre Hand zum Kamin aus und Mimi rieb sich dagegen. Als sie Mimi gegen ihre Brust drückte, fragte sie: „Aber warum?“
„Ich habe es Ihnen doch gesagt, Liebes. Liebe.“
„Aber...“ Sie runzelte ihre Stirn und versuchte seinen Selbstmord ganz zu erfassen. „Aber Sie können niemanden lieben, wenn Sie erst einmal tot sind.“
Severus' Mantel raschelte.
„Es hilft, wenn sie auch tot sind, Hermine, Liebes“, murmelte Demetrios, „aber es ist nicht nötig.“
„Meee“, erklärte Mimi.
Es lag keinerlei Spur von Bedauern oder sogar Trauer in Demetrios Stimme. Nein, sie leuchtete wie immer und Hermine runzelte verwirrt ihre Stirn.
„Oh, Liebes – also, ich vermute, es hört sich wie eine traurige Geschichte an, aber ich versichere Ihnen, das ist sie nicht. Und es könnte sogar hilfreich für Sie sein... nun, vielleicht. Dürfte ich?“
„Bitte“, antwortete Severus.
„Wissen Sie, ich bin als Zweiter und nicht als Erster verstorben. Und als meine Geliebte starb, entschied sie weiterzugehen und ich blieb alleine zurück. Oh, die Welt war für meine Trauer zu klein, zu klein für meinen Verlust, aber das war nur die Hälfte der Geschichte, ehrlich... es war dunkel... ja, ziemlich...“ Demetrios hielt für einen Moment inne, und Severus und Hermine schwiegen. „Aber schließlich winkten mir meine Ideen zu, flüsterten mich aus meiner Trauer und ich lebte und... welch entzückende Ideen ich hatte. Ich schulde ihnen so viel, so unglaublich viel...“
Mimi kletterte aus Hermines Arme und schlich vorsichtig zu den Vorhängen, um festzustellen, ob die Flammen es bemerken würden.
Das schien nicht der Fall zu sein.
„Nach einem Jahrhundert oder so, erkannte ich, dass der Tag, an dem ich mich meiner Ewigkeit stellen muss, immer näher rückte – die Dinge sind politisch geworden. Nun, schwierig und nach einigen Ermordungsversuchen, wusste ich, dass es wirklich nur noch eine Frage der Zeit war. Aber ich war hin und her gerissen – ich war mir nicht sicher, ob ich eine Ewigkeit ohne den Wissensdurst leben konnte, aber genauso wenig wollte ich sie aufgeben...“
„Ein ziemliches Dilemma“, murmelte Hermine.
„Durchaus, meine Liebe. Durchaus. Und wer weiß schon, was kommt, wenn man sich entscheidet, weiter zu gehen? Ich habe den Gedanken an die Möglichkeit von einem ewigen Nichts verabscheut – keine Liebe, keine Neugierde – oh, ich zittere selbst jetzt bei den Gedanken daran. Oh je, wo war ich stehen geblieben?“
„Ihre... Eule“, antwortete Severus gedehnt und schaffte es irgendwie seine Pause mit einer gesamten Abhandlung über die Frage von Demetrios geistiger Verfassung zu füllen.
Demetrios fuhr unberührt fort. „Oh, danke, mein Junge. Ich bin vielleicht ein Jahrzehnt vorher über sie gestolpert und sie war recht nützlich bei Anschaffungen. Die Weisheit zu erlangen, verstehen Sie. Viel zu oft erkennen die Menschen nicht die Wichtigkeit ihrer eigenen Kräfte...“ Die Flammen flackerten von der einen Seite auf die andere.
Die Vorhänge zuckten.
„Einige Monate zuvor, als ich mich mit einer besonders schwierigen Passage aus einer elend gealterten Rolle beschäftigte – ich wurde einfach nicht aus ihr schlau – da kam mir der Gedanke, dass es doch entzückend sei, nun, über die Schulter des Schriftstellers zu blicken.
“
„Wen?“, fragte Hermine fast ungewollt.
„Pythagoras, Liebes. Aber unmöglich, nicht? Dennoch war ich aufgeschmissen, also warf ich frustriert die Münze und...â€
„Sie reisten zurück durch die Zeit und trafen natürlich Pythagoras“, schnaubte Severus.
„Nein, Aristoteles.“
Severus schritt etwas zurück. „Und er hat Ihnen die fehlende Passage geliefert?“
„Mmm, zum Teil. Oh, er war natürlich nicht hilfreich in Bezug auf Pythagoras, aber da bin ich auch auf der falschen Spur gewesen, nicht wahr?“
Severus schnaubte. Verrückt.
Hermines Augen leuchteten und Severus schnaubte erneut. Doppelt verrückt.
„Nun ja, sicherlich können Sie bereits die Lösung sehen: Meine hübsche, kleine Eule hatte mich, in all ihrer Weisheit, mit einer möglichen Antwort auf meine größere Frage versorgt – ein Schlupfloch, eine Möglichkeit, wie ich den merkwürdigen Moment mit meiner Geliebten und die Ewigkeit mit meiner Neugierde verbringen konnte.“
„Aber... die Grenzen der Geschichte, Demetrios“, sagte Hermine, ihre Gedanken rasten. „Sie können nur einmal leben, nicht?“
„Also, ja, aber man kann eine Ewigkeit tot sein – das ist die Schönheit daran, verstehen Sie? Und – ja, Severus, ich kann Ihren Mantel rascheln hören, zügeln Sie Ihre Ungeduld – das ist der Punkt, wo die Münze ins Spiel kommt. Die Götter denken nicht in Momenten, sie denken in Äonen. Als Geist kann ich mit der Münze zurück in die Zeit gehen und... nun ja, ein Kompliment zollen, besprechen, was es zum Abendbrot gibt, oder die Qualität des Weines diskutieren.“ Seine Stimme war erfüllt mit einem Lächeln.
Severus erkannte, dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte. „Sie haben betrogen. Das Leben. Den Tod. Einfach alles.â€
„Nicht betrogen, mein lieber Junge, nur ein Kompromiss. Darin habe ich alles gefunden – alles Wertvolles.“ Demetrios lachte und wieder einmal begannen die Flammen in Hermines Kamin zu tanzen.
Mimi sprang hinter dem Vorhang hervor und stürzte sich auf den Kamin.
Augenblicklich beruhigten sich die Flammen wieder und Mimi setzte sich mit starrem Blick vor den Kamin. Ihr Schwanz zuckte leicht.
Als Demetrios wieder sprach, war seine Stimme ernster. „Mein lieber Junge, keiner kann wohl kaum von Ihnen erwarten, dass Sie Kompromisse würdigen. Nein... Sie verbrachten fast Ihr gesamtes Leben unter solchen absoluten Bedingungen... So schwer und so unglaublich unnatürlich. Die Götter mögen vielleicht das Absolute verlangen, aber wir Menschen sind weichere Kreaturen. Unter absoluten Bedingungen, genau, wie Sie sie erdulden mussten, werden wir vollkommen zusammenbrechen oder auseinandergerissen.“ Er seufzte erneut. „Nein, mein Junge. Leben... oder Tod, wenn Sie so wollen, benötigen keine Bedingungslosigkeit. Zumindest nicht die meisten Menschen unter normalen Umständen. Ihre Umstände waren unnatürlich...“ Demetrios seufzte. „Es ist schon erstaunlich – ein wirkliches Wunder – dass Sie dem Paradoxon widerstehen konnten.“ Er seufzte erneut. „Nein, es wundert mich nicht, dass Sie nicht die Stärke hinter einem Kompromiss erkennen können.“
„Kompromiss bedeutet Schwäche.“
„Ganz im Gegenteil. Unter natürlichen Umständen ist es Magie.“
Ein leises Knurren ertönte aus Severus Kehle und Mimi wiederholte es mit starrem Blick auf die Flammen.
„Denken Sie doch nach, mein Junge, denken Sie. Ohne Kompromiss, was ist Brot außer Mehl und Salz? Was ist Wein außer Weintrauben und... und...“
„Verschimmelte Weintrauben“, schnappte Severus.
Hermine zuckte zusammen.
Die Flammen schienen zu springen, als ob Demetrios seine Hände in die Luft schmeißen würde.
Mimi sprang erschrocken zurück und krabbelte hinter Hermine, um sich bei ihr zu verstecken.
„Oh, Hermine, Liebes, Sie werden Ihre Hände voll mit ihm zu tun haben.“
Bevor Hermine reagieren konnte, ging Severus ruhig dazwischen. „Ihr Schlupfloch, so poetisch es auch sein mag, thematisiert nicht Ihren Traum.“
Demetrios lachte und Severus war sich ziemlich sicher, dass seine Ablenkung nicht unbemerkt geblieben war. Er schielte hinüber zu Hermine, aber konnte nichts in ihrem Gesicht sehen.
„Nun“, fuhr Demetrios fort, „Ich musste natürlich sicherstellen, dass meine schöne, kleine Münze auch mit mir in den Tod kommt. Und dann musste ich meine Theorie testen. Ich brauchte etwas Zeit, um den Mut dafür aufzubringen– es ist nicht unbedingt eines der Dinge, die man zweimal testen kann.
„Ich sah mich einer folgenschweren Wahl gegenüber, nicht? Und ich zweifelte für eine sehr lange Zeit und fürchtete mich sogar davor nicht zu wissen, was passierte. Die Münze zu werfen, riskierte alles, einfach absolut alles.“
„Und das von einem Selbstmörder“, murmelte Severus.
„Ich habe nur wenig mit meinem Tod riskiert. Nein, mein größter Test kam erst danach. Die Münze zu werfen, bedeutete meine geliebte Theorie zu riskieren – die Theorie, auf die ich meinen Tod gesetzt hatte. Natürlich zögerte ich... und ich zweifelte.“
„Feigheit.“
„Auch als Mut bekannt, mein Junge, und darüber wissen Sie doch etwas, hmm?“
Severus antwortete nicht. Mimi blickte blinzelnd hinter Hermines Ellbogen hervor.
„Na schön. Eines Tages, während ich schlief und träumte, wachte ich mit all dem auf, um eine Entscheidung zu treffen.“
Severus‘ Schnauben war ungewöhnlich eloquent. „Erst haben Sie es hinausgezögert und dann beeilen Sie sich aufgrund einer Halluzination. Töricht.“
Hermine konnte schon fast Demetrios Kopfschütteln sehen. „Ist ‚Zeit‘ nicht die letzte Zutat der meisten Zaubertränke, Severus? Mein Traum, auch wenn er mich zu Anfang verängstigt und verwirrt hatte, baute er doch meine Hoffnung wieder auf und meinen Mut, wenn Sie so wollen. Ich traf meine Entscheidung – als Geist zu bleiben.“
„Demetrios“, fragte Hermine flüsternd, „woher wussten Sie, bevor Sie gestorben sind, dass Sie als Geist die Münze halten können?“
„Oh ja, dieser Teil war ein Wagnis, nicht?“ Er kicherte. „Im Nachhinein war es vielleicht gerade das Aufschieben, der Grund gewesen, weshalb ich genug Substanz erhalten hatte, damit die Münze nicht durch meine Finger fiel– genug Seele für Magie. Ich konnte mir nie ganz sicher sein, aber wenn ich so sagen darf, hat alles klasse geklappt.“
„Wollen Sie damit sagen“, begann Hermine langsam, „dass Sie einfach nur Glück hatten?“
„Aber ja, meine Liebe.“
„Töricht“, murmelte Severus erneut.
„Sie sind gestorben, um alles zu besitzen“, hauchte Hermine, schüttelte dann mit dem Kopf und lachte dann erstaunt auf. „Noch nicht einmal so viel, sondern für die bloße Möglichkeit alles zu besitzen.“
„Natürlich.“ Die Flammen schienen noch mehr zu leuchten und Mimis Schnurrhaare begannen zu zucken. „Es gibt schlimmere Gründe zu sterben, meine Liebe. Viel Schlimmere. Fragen Sie nur den Mann, der hinter Ihnen steht.“
Severus schwieg.
„Sie stehen und schweben nicht?“
„Genau.“
„Meee!“, meinte Mimi und fuhr damit fort ihre Schnurrhaare zu putzen, als ob damit das Thema abgeschlossen sei.
„Und Sie haben noch Magie?“
„Habe ich.“
„Ah...“, sagte Demetrios. Dann: „Viel Glück, Hermine, Liebes.“
„Mein Traum“, sagte Severus.
„Ist es denn nicht offensichtlich? Ihr Traum deutet darauf, dass Ihre Urteilsverkündung begonnen hat.“
„Meine Urteilsverkündung?“
„Ja. Ich denke schon, dass Sie in nicht allzu langer Zeit Ihre Wahl treffen werden.“
Hermine warf einen überraschten Blick in Severus ungefähre Richtung. Sie ging dazwischen. „Wir haben vorhin unsere Möglichkeiten besprochen, Demetrios... und... nun, es steht mir nicht zu, darüber zu reden.“
„Nein, Liebes, denn sie gehen mich auch nichts an.“
Severus fand seine Stimme wieder. „Eine praktische Frage, wenn Sie noch die Zeit hätten?“
„Die Ewigkeit.“
Kann die Münze einen Zaubertrank von der Gegenwart in die Vergangenheit transportieren?“ Severus tat so, als ob er Hermines scharfen Blick nicht bemerken würde.
„Einen Zaubertrank? Nun, nein, nicht körperlich natürlich, aber... hmm...“
„Aber?“, wiederholte Severus.
„Entschuldigen Sie mich einen Moment.“
Aus dem einen Moment wurden einige und Severus verlagerte sein Gewicht.
Die Flakes kratzten über den Tisch und schrieben: „Mantel!“, einen Bruchteil einer Sekunde, bevor Mimi lossprang.
Severus hob sie hoch.
„Er geht einen Verweis nach“, murmelte Hermine und beobachtete, wie die Katze vor ihr zu schweben schien. „Er hatte diesen Ton.“
„Wie ich vermutet habe.“ Er kratzte die Ohren der Katze und für eine lange Minute schwiegen alle drei von Ihnen, jeder versunken in seinen eigenen Gedanken.
Schließlich verlagerte Severus erneut sein Gewicht. „Er gedenkt auch, noch zurückzukommen?“
„Normalerweise braucht er weniger als eine Stunde.“ Sie lächelte ihn entschuldigend an. „Normalerweise.“
Es dauerte jedoch nur ein paar Minuten, bevor das Rascheln von Papieren Demetrios Rückkehr ankündigte. „Ja, hier ist es. Entschuldigen Sie, wir haben einen weiteren Befall von Kobolden unter dem Stockholm-Torbogen, und ich brauchte einen Moment, um alles zu regeln... den Moment, in dem ich die Passage gefunden habe...“ Einen Augenblick geflüstertes Gemurmel. „Ja, es scheint so, als ob meine kleine Eule vielleicht, zumindest theoretisch, so etwas wie die Essenz eines Zaubertrankes transportieren kann.“
„Die Essenz?“, fragte Hermine.
„Die Seele“, murmelte Severus.
„Meee?“
„Nicht du“, korrigierte Severus sie.
„Ja, meine Liebe, die magische Seele eines Zaubertrankes. Es ist möglich– nur möglich in der Theorie.“ Weiteres Rascheln von Papieren.
„Der Stockholm-Torbogen“, überlegte Hermine, als sie zu Severus blickte. „Nobelpreisgewinner.“
„Natürlich“, murmelte er.
„Demetrios, wessen Papiere haben Sie da?“
„Die Curies‘ – ein reizvolles Paar, passen hervorragend zusammen, außer dem Skandal natürlich.“
„Skandal?“
„Mmmm“, antwortete Demetrios abgelenkt. „Ich habe dem nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Sie war eine Studentin auf einem anderen College, es wehte dennoch rüber...“
„Essenzen“, erinnerte Severus ihn.
Demetrios lachte erneut und Severus‘ Blick verfinsterte sich. „Während eines ihrer Experimente mit dem Magnetismus haben sie unerwartet die Essenzen zweier Zaubertränke vertauscht und die körperlichen Ergebnisse waren...“ Noch mehr Rascheln. „Ach herrje.“
„Was ist passiert?“
„Sie haben ihr Labor in die Luft gejagt. Keine Sorge, das passierte recht häufig. Außerdem war es 1903.“
„Demetrios“, sagte Hermine plötzlich. „Gibt es irgendeine Garantie, dass wenn ich die Münze werfe, ich dann nicht zum Todeszeitpunkt von Professor Snape gebracht werde?“
„Nicht?“
Sie nickte. „Nicht.“
„Die einzige Garantie ist, dass die Münze Sie dorthin bringen wird, wo Sie Weisheit finden werden.“
Hermine brach in ein Lächeln aus. „Also dann kann es mich dort nicht sofort hinbringen.“
„Wie können Sie sich da sicher sein, Liebes?“
„Weil es äußerst unklug wäre, eine Theorie ohne vernünftige Kontrollgänge zu verfolgen, nicht wahr? Um weise zu sein, muss die Münze schon fast einen Testlauf garantieren.“
Ein reichhaltiges Lachen brach vom Kamin aus. „Oh, meine Liebe, er hätte Ihren Verstand so genossen.“
„Wer?“, fragte Severus.
„Aristoteles“, antworteten Hermine und Demetrios gemeinsam.
Severus zog eine Augenbraue hoch. „Natürlich.“ Absolut bekloppt die beiden.
„Meee?“
„Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, informierte er die Katze und setzte sie ab.
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Nachdem sie Demetrios gedankt und ihm eine gute Nacht gewünscht hatten, schloss Hermine die Verbindung. Mimi schnüffelte an dem leeren Kamin und trottete dann zurück in die Küche.
Hermine wandte sich an Severus. „Also, Ihre Frage wegen dem Zaubertrank... bedeutet das, dass Sie sich entschieden haben? Was Sie wollen, was ich tun soll, meine ich?“
„Habe ich.“
Hermines Blick suchte ihn vergebens und Severus wandte sich ab und schaute erneut auf die dunkle Fläche im Fenster.
Ihre Stimme, halb hoffend, halb verängstigt, unterbrach ihn. „Also?“
„Eine angebotene Chance auszuschlagen wäre flegelhaft.“
Ein nervöses Lachen. „Manieren? Sie entscheiden sich für das Leben aufgrund von guten Manieren?â€
„Formen müssen bewahrt werden.“
Sie starrte hilflos in die Richtung seiner Stimme.
„Miss Granger, ich bezweifle ernsthaft, dass dies irgendwas bringen wird. Ich habe mein Leben damit verbracht von der Geschichte umgarnt zu sein, durch meine eigene Wahl und die offenliegenden Geschehnisse. Ich bezweifle – ich bezweifle wirklich sehr, dass Sie meinen Tod verhindern können. Aber wenn Sie sich seit Hogwarts nicht grundlegend verändert haben, dann werden Sie erst dann zufrieden sein, bis Sie es versucht haben und...“
Sein unvollendeter Satz hing im Raum, nur durchbrochen von Mimis Jagdgeräuschen in der Küche. Er schaute lange in die Leere, wo eigentlich sein Spiegelbild hätte sein sollen.
Hermines Flüstern unterbrach ihn. „Und?“
Sein Blick glitt zu ihren Augen. „...genauso wäre ich es."
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