von giveMEaREASON
Harrys Sicht
Ich hatte keine Ahnung, wann ich eingeschlafen war. An so etwas erinnerte man sich für gewöhnlich nicht. Vermutlich relativ früh, weil ich so schrecklich müde war, doch als Ron mich um 5 Uhr nachts weckte, damit ich meinen Wachposten als letzte Wache dieser Nacht einnehmen konnte, hatte ich das Gefühl, gerade erst zehn Sekunden lang eingenickt gewesen zu sein.
Als ich in das sommersprössige Gesicht meines besten Freundes blickte, fiel mir sofort das breite, selige Lächeln auf, das darauf prangte. In den letzten Tagen hatte er immer wieder eine miese Stimmung gehabt, doch jetzt war er anscheinend die Zufriedenheit selbst. Unfassbar, dass Hermine es mit einem Schlag oder besser gesagt mit einem Kuss geschafft hatte, jegliche schlechte Stimmung von Ron einfach wegzuzaubern.
Wehmütig wanderten meine Gedanken zu Ginny. In den letzten Tagen hatte ich mich selbst ermahnt, es nicht zu tun, aber wenn Hermine und Ron schon schliefen, verfolgte ich ihren Punkt auf der Karte des Rumtreibers und fragte mich, was sie jetzt tat. Ich hatte mich von ihr getrennt, also war sie nicht an eine Beziehung gebunden. Das Monster in meinem Bauch, dass mich schon im sechsten Schuljahr terrorisiert hatte meldete sich wieder grollend zu Wort und verwünschte jeden, der es wagte sich an Ginny ranzumachen. Auch wenn ich kein Recht dazu hatte. Besorgt hatte ich entdeckt, dass ihr Punkt mehrmals im Verbotenen Wald aufgetaucht war, doch an manchen Abenden blieb er wie von Zauberhand vom Erdboden verschluckt.
Wenn man den Zeitungen Glauben schenken durfte, unterrichteten die Todesser inzwischen Hogwarts und lehrten ihre brutalen Praktiken sowohl im Unterricht als auch als abschreckendes Beispiel, für diejenigen, die sich ihren Worten nicht fügten.
Und nie im Leben würde Ginny das tun. Sie würde sich mit allen Mitteln dagegen wehren, rebellieren und das war so schrecklich Besorgnis erregend.
Ich kroch aus meinem Schlafsack und nahm meinen Platz draußen in der eisigen Kälte ein. Als ich nichts mehr aus dem Zelt hörte, nahm ich die Karte zur Hand und starrte ihren Punkt an. Bewegungslos verweilte er im Gryfinndor Mädchenschlafsaal und -bei Gott- ich betete, dass es ihr gut ging.
Wusste sie, dass ich jetzt gerade in diesem Moment an sie dachte?
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Hermines Sicht
Der Übergang von Schlaf zu erwachen, war schleichend, flüssig und sanft. Rons Wärme neben mir war angenehm und machte den kalten Herbst weniger trist.
Es wäre logisch gewesen, wenn ich mich großatig gefühlt hätte. Fantastisch, toll, verliebt.
Aber das hier war ein verdammt schlechter Zeitpunkt um eine Beziehung zu starten. Krieg war nicht einfach. Liebe war nicht einfach.
Für mich war beides völlig neu.
Und ich war mir nicht sicher, was genau ich jetzt empfand.
Ich musste zugeben, der Kuss hatte mir gefallen. Es war genau das, was ich im Moment brauchte.
Ich brauchte alles an Ron. Seine Zärtlichkeit, sein bedingungsloses Vertrauen, sein Verständnis, seinen Humor und seinen Kampfgeist.
Er gab mir alles. Alles und noch mehr.
Doch ich scheute mich zu sagen, dass ich ihn liebte.
Wie sollte ich es auch?
So viel passierte im Moment. Am nächsten Tag könnten wir tot sein. Und ich teilte seine Meinung nicht, dass man die wichtigen Dinge lieber jetzt tun sollte, statt nie. Ich musste mir zuerst zu 100% sicher sein, bevor ich soetwas gewichtiges und vor allem etwas ihm so viel bedeutendes sagte.
Wenn ich mich irrte und mit der Beziehung nicht zurecht kam, bräche ich ihm sein Herz, dass schon genug aushalten musste. Dann sagte ich es lieber nie, als es zu überstürzen.
Dabei waren wir beide so jung. Wir beide waren erst siebzehn. Ein ziemlich frühes Alter um die Liebe seines Lebens zu finden, oder?
Deswegen erschien es mir so unüberlegt, wenn er sagte, dass er mich liebte. Ich fragte mich, wie er sich da so unendlich sicher sein konnte. Erkennt man sowas durch einen Blick?
Ich drehte meinen Körper zu ihm. Er lag neben mir und atmete ruhig.
Ich konnte nicht so offen sein wie er, und so spontan sagen, welche Gedanken in mir aufkeimten.
Seine Augenlider flatterten und er blickte mich intensiv an. Blau traf auf Braun.
Sollte ich es jetzt erkennen? Plötzlich? Ich erwiderte seinen Blick und sah seine feine, blaue Iris.
Ich sah...Ron. Der mich anstrahlte. Der Moment war wunderbar rein und unverfälscht.
Ron war wichtig für mich. Ich genoss seine Gesellschaft und vertraute ihm. Ohne ihn würde mir ein großer Teil fehlen. Sein Leid war auch für mich spürbar. Sein Lachen konnte mich leicht anstecken. Seine Wut brachte mich um den Verstand. Streit zwischen uns kränkte mich.
Das alles wusste ich über mich und Ron. Bedeutete das, dass ich ihn liebte?
Ich wusste es nicht.
Aber er hätte es verdient. Er hätte meine bedingunslose Liebe verdient. Das ist etwas, worin wir uns zweifellos einig sind.
Wie, als hätte er meine Gedanken gelesen, nahm er meine Hand und wir verschränkten unsere Finger zwischen die des jeweils anderen.
Du sollst mich wählen, sagten seine Augen.
Heute schon, sagten meine und ich lehnte mich an seine Brust.
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Rons Sicht
Der Kuss war perfekt gewesen. Wunderbar. Hermines weiche Lippen auf meinen. Wie sehr hatte ich auf diesen Moment gehofft.
Ich war glücklich. Glücklich genug um darüber hinwegzusehen, dass das keine Entscheidung war, sondern eine Bestätigung, dass ich ihr durchaus sehr viel mehr als ein Freund war. Dass ich durchaus ihr Liebhaber sein könnte. Dass sie mich durchaus auch lieben könnte, nur nicht heute, an diesem Tag.
Und ich konnte ihr dewegen doch nicht böse sein. Ich konnte es ihr nicht vorwerfen.
Ich konnte nur strahlen, ein feines Lächeln zierte mein Gesicht. Solange sie bei mir war, solange würde es mir erhalten bleiben. Wenn auch nur in Erinnerung.
Als der Morgen da war, war auch wieder unsere Aufgabe präsent. Die Entspannung wich einer Anspannung.
Ohne viele Worte zu verlieren gesellten wir uns zu Harry, der bereits in der Küchennische saß.
Unterhalb seines Kinns nachdenklich die Hände gefaltet während seine Ellbogen auf den Tisch aufgesetzt waren, blickte er uns an.
'Ich war heute früh in einem Dorf hier in der Nähe', verkündete er.
'Was? Ohne uns Bescheid zu sagen? Was, wenn dir etwas passiert wäre?', fuhr Hermine ihn an.
'Schon okay, mir ist ja nichts passiert. Schließlich hatte ich den Tarnumhang', versuchte er uns zu besänftigen.
'Das war unklug von dir', stellte ich kleinlaut fest.
'Jaah, aber darum geht's nicht.'
Als er Hermines unzufriedenen, vorwurfsvollen Blick bemerkte, setzte er noch schnell hinzu: 'Passiert nicht noch mal, versprochen.'
'Das will ich doch hoffen', erwiderte Hermine leise.
'Aber wie gesagt, darum geht es nicht.'
'Sondern?', fragte ich.
'Dementoren.'
'Außerhalb der Zaubererwelt?', fragte Hermine und ihre Stimme hatte einen besorgten, nervösen Unterton, während sie sich nachdenklich auf die Unterlippe biss.
'Offensichtlich schon. Die Muggel können sie zwar nicht sehen, aber definitiv spüren. Manche von ihnen hatten einen Gesichtsausdruck, als hätten sie eine Überdosis Du-scheißt-nie-mehr genommen.'
Eine lange Pause trat ein.
'War das nur Zufall?', fragte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte.
Sie stand greifbar im Raum.
Kopfschüttelnd machte Hermine sie deutlich.
Im Krieg wurde nichts dem Zufall überlassen.
Voldemorts Armee wuchs stetig an, jetzt kontrollierte er sogar einige Städte durch unterworfene Dementoren. Auf der Suche nach dem Jungen-der-überlebt-hat.
Am folgenden Abend, legte ich mich früher schlafen. Ich hätte nie gedacht, dass dieses ewige Nichts-Tun so ermüdend sein konnte, aber dem war doch so.
Als ich die Augen zumachte, sah ich nur noch Harry, der etwas glänzendes in der Hand hielt. Und es hasserfüllt anstarrte.
Schon halb im Traum, wurde mir erst bewusst, dass es das Medaillon war, welches Schatz und Fluch zugleich war.
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Ryans Sicht
Das elektronische Klingeln war so unnatürlich hier im Wald umgeben von Bäumen, dass ich erst nicht verstand was gerade geschah.
Der Laut durchschnitt die dämmrige Stille des Waldes, dessen Baumkronen, das glühend versinkende Licht der Sonne abschirmten und schien aus der Dunkelheit zu dringen.
Erst nach dem dritten Klingeln, wurde mir das Handy bewusst, dass in meiner Hosentasche war. Die Laute drangen daher.
Blitzschnell griff ich danach und blickte auf das Display. In blinkenden Lettern stand Bardem darauf.
Ohne groß zu zögern nahm ich den Anruf entgegen und meldete mich mit einem gehauchten 'Hallo'.
'Worth?', fragte eine kratzige Stimme.
'Äh, ja, Ryan Worth', antwortete ich und erkannte die markante, raue Stimme des Vampirjägers.
'Ich habe Damien gefasst.'
Stille.
'Tatsächlich?!', fragte ich aufgeregt. Ich konnte es gar nicht richtig fassen. Erst zwei einhalb Wochen war es her, dass ich den Antrag gestellt hatte. Mit dem Handy, das ich fest an mein Ohr gepresst hielt, tigerte ich aufgeregt zwischen den hohen Bäumen umher.
'Ich mache keine leeren Versprechungen', ertönte es dunkel vom anderen Ende der Leitung.
'Und was jetzt?'
'Wie, was jetzt? Das liegt selbstverständlich bei Ihnen.'
Er hustete stark, dann sprach er weiter.
'Ich muss ihn noch an einen sicheren, abgeschiedenen Ort bringen. Natürlich höchst diskret. Dann ruf ich wieder an und bringe Sie zu ihm, in Ordnung?'
'Ja, klar', antwortete ich und der Gedanke von Damien schoss mir durch den Kopf.
Dann hörte ich ein Knistern und der Hörer wurde aufgelegt.
Ich beendete ebenfalls das Telefonat per Knopfdruck und steckte das Handy in meine Hosentasche.
Damien war gefangen. Absurderweise entfuhr mir ein hysterisches Lachen.
Der Verdacht gegen Damien, hob meine Stimmung urplötzlich. Ich hatte ihn! Ich war einen riesigen Schritt weiter!
Vor Freude hätte ich eine Fantastilliarde Flick-Flacks machen können.
Jetzt musste ich nur noch warten, aber bald würde ich ihm in die Augen blicken können.
Diese blass-grauen Augen, die meiner Meinung nach geradezu verräterisch wirkten.
Die Bezahlung war natürlich ein anderes Problem.
Aber das trübte meine Laune nicht.
Denn obwohl ich mich freute, fühlte ich mich auch irgendwie abgeklärt.
Wenn Zane das nur sehen könnte!
Und das euphorische Gefühl beschlich mich, dass ich auf der richtigen Fährte war. Dies würde ein gutes Ende für mich nehmen.
Alles andere wäre nach diesen nervenaufreibenden Strapazen auch völlig unakzeptabel.
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Carolines Sicht
'Ja, hast du ihm das gesagt?', zischte ich in den Hörer.
'Ja, habe ich', versicherte mir die raue Stimme von Harvey Bardem am anderen Ende der Leitung.
'Gut, jetzt ruf mich nur noch mal an, bevor du ihn da hin bringst, okay?'
Er bejahte und ich legte auf ohne eine Verabschiedung zu murmeln.
'Alles geklärt?', fragte Cillian, der mit verschränkten Armen auf mich wartete.
'Ja, Damien wartet schon gefesselt auf Ryan. Wir müssen ihn nur noch hierhin in die alte Villa befördern. Dann haben wir den perfekten Köder.'
Ich lächelte diabolisch, Cillian erwiderte das Lächeln aber nur halbherzig. Nicht das es mich nicht interessierte.
Stattdessen wandte ich mich zu dem imposanten Gebäude um.
Abgeschieden zwischen den kleinen Bergen, die das Tal begrenzten, lag es am spiegelglatten Lake Mirror. Nur einen Steinwurf vom Ufer entfernt. Trotz den alten Bodendielen und dem langsam verfallenden Grundgerüst, war das ehemalige schottische Herrenhaus ziemlich robust. Und das etwas rustikal aussehende Gemäuer sprühte einen eigenen Charme aus.
Ich kannte die alte Villa schon lange und war deshalb sofort darauf gekommen, als Harvey mich fragte wohin er Ryan bzw. Damien lotsen sollte.
Hier gab es lange Flure und unertastete Winkel, die der perfekte Schauplatz für das waren, was ich vorhatte.
Cillian starrte nun auch auf die großzügig angelegte Villa.
'Mir wäre es lieber, wenn das Gebäude zu einem besseren Zweck dienen würde', seufzte er.
Ich antwortete nicht darauf, sondern betrachtete das Gebäude genauer.
Luke behauptete immer, dass das alte Haus einen fast schon sterbenden Eindruck auf ihn machte.
Wie ein ehemals fittes Wildschwein, dass durch einen mächtigen Speereinstich im Dreck verreckt.
Doch ich empfand es ganz anders. Das knarrende, morsche Holz und das ächzende Dach, dass sich dem Wind beugte machten auf mich einen lebendigen Eindruck.
Die zahlreichen, verrosteten Fenster starrten wie tausende Augen auf mich herunter.
Plötzlich sprang Luke aus den Baumkronen hervor.
Sein Grinsen war zu breit für sein Gesicht und reichte von Ohr zu Ohr.
'Frisches Blut', verkündete er und leckte sich vorfreudig die Lippen.
'Kein Bedarf, ich verzichte', murmelte Cillian abwesend.
'Nein, du musst was trinken. Deine letzte Ration ist schon eine Weile her', widersprach ich.
Er ließ die Schultern hängen.
'Ja, gut. Aber lassen wir das Fangspiel heute sein, okay?'
'Das ist doch das Beste daran', meinte Luke und war irgendwie enttäuscht, dass er auf die Jagd verzichten sollte, die sein Opfer fast um den Verstand brachte und er genoss.
Aber Cillian schüttelte nur den Kopf.
'Okay, lasst sie uns schnell töten', sprang ich Cillian zur Seite.
'Seit wann seid ihr solche Langweiler?', murrte Luke unzufrieden und kickte einen Stein beiseite, bevor er mit mörderischem Tempo in den Wald rannte. Gar nicht dran denkend, es schnell über die Bühne zu bringen.
Cillian und ich wechselten einen Blick.
Er nickte und auch wir stürmten elegant hinterher.
Und mit jedem Schritt, wurde der bitter-süße Geruch des Blutes intensiver.
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Sorry, dass ich so spät wieder schreibe, aber bei wenigen Kommentaren ist es schwieriger die nötige Laune aufzubringen.
So das war eine kleine Übersicht der verschiedenen Sichten zu diesem Zeitpunkt.
Ich hoffe ihr erkennt, dass sich im Moment vieles verändert.
Und ich verspreche mit großer Sicherheit, dass die nächsten vier oder fünf Kapitel sehr wichtig und sehr, sehr ereignisreich werden.
Actiongeladen, nervenaufreibend und mysteriös sowieso.
Im nächsten Kapitel geht es um jemanden, den ich persönlich immer interessanter werdend finde. Außerdem passiert in Hermine und Co's Situation eine Menge.
Ein paar Kommis bitte! BITTE!
LG
giveMEaREASON :)
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