von mia.winchester
„Wie sie den Herrn ansieht“, sagte Rabastan und schnitt damit zum gefühlten tausendsten Mal das lästige Thema um Bellatrix an, „das ist nicht normal.“
„Doch, das ist es.“, zischte Rodolphus. „So solltest du unseren Herrn auch ansehen, Rabastan, denn das ist ein Blick voll wahrer Treue.“
„Das ist kein Blick voll wahrer Treue, das ist ein Blick voll wahnsinniger Begierde.“, stellte Rabastan fest und zog seinen Pullover aus.
Die anderen Slytherins schliefen bereits. Die Brüder zogen sich leise aus, während sie im Flüsterton diskutierten.
„Du hast sie doch nicht mehr alle.“, erwiderte Rodolphus, obwohl er schon oft gedacht hatte, was sein kleiner Bruder nun aussprach.
„Nein, die hat sie nicht mehr alle.“, meinte Rabastan.
„Wag es ja nicht, so über Bella zu sprechen!“, bellte Rodolphus. Ein wenig zu laut vielleicht, denn Gavin Bagget brummte urplötzlich auf und rollte sich im Bett herum.
„Ich liebe Bella. Wie eine Schwester .“, legte Rabastan dar. „Aber du kannst mir nicht sagen, dass du dich nicht davor fürchtest, wie extrem das Mädchen in jeglicher Hinsicht geworden ist.“
Darauf wusste Rodolphus nichts zu antworten. Zu oft stritt er sich mit Rabastan. Dieser meinte, Bellatrix würde ihn am Ende nur verletzen. Er stellte Vermutungen an, dass sie früher oder später mit dem Dunklen Lord durchbrennen würde und sorgte sich um das dann gebrochene Herz seines Bruders. Rodolphus kam nicht umhin, das als furchtbar liebenswürdig von Rabastan zu erkennen, allerdings wusste er genau, dass selbst wenn Bellatrix, die ja eigentlich seine Freundin, oder zumindest etwas Vergleichbares für ihn war, es wollte, der Dunkle Lord sich nie auf etwas derart stupides einlassen würde. Man brannte doch mit der Person durch, die man liebte. Und nach aller Zeit mit ihm wusste Rodolphus, dass Lord Voldemort nicht im geringsten wusste, was Liebe ist. Vielleicht war es wirklich besser in ihren Kreisen, schwächende Gefühle wie eben Liebe einfach in sich einzusperren und so lange zu übergehen, bis sie verenden und nie wieder zurückkommen. Doch Rodolphus selbst konnte sich nicht gegen die Liebe wehren, die ihn ergriff, wenn er Bellatrix sah. Wenn er sie berührte und mit ihr sprach, dann fühlte er nichts von der Grausamkeit, die er in seiner Position als Todesser normalerweise ausübte und als alltäglich empfand, und das machte ihm Angst. Denn es machte ihn verletzlich, und am meisten vor Bellatrix selbst, denn die schien ebenfalls langsam zu vergessen, was Liebe war.
Rodolphus redete sich ein, dass es Liebe sein musste, wenn sie ihn küsste, er wollte glauben, dass es nicht bloß Begierde oder der Wunsch, ihn ganz einfach zu besitzen, war, der Bellatrix dazu veranlasste.
Doch nicht einmal mehr ihre Schwestern bedachte sie mit liebevollen Blicken, wie sie es früher noch getan hatte. Vor allem Andromeda schien sie sogar mit Abscheu zu betrachten. Dass zwischen ihr und Bellatrix etwas vorgefallen war, war nicht abzustreiten. Aber wenn Rodolphus Bellatrix danach fragte, wurde sie furchtbar wütend und gab ihm immer wieder die selbe schnippische Antwort: „Das geht dich nichts an, Lestrange.“
Doch lieber wollte Rodolphus sich dumm stellen und so tun, als glaube er wirklich, dass Bellatrix ihn liebte, oder überhaupt sonst irgendjemanden lieben konnte, als sich vor seinem Bruder einzugestehen, dass er einem Mädchen verfallen war, dass es fertigbrachte, ihn zu kontrollieren. Denn dafür schämte er sich.
„Also, mir kann das eigentlich alles egal sein.“, sagte Rabastan und schlüpfte unter seine Bettdecke. „Aber ich will am Ende kein Geheule hören, wenn sie dich wegen dem Dunklen Lord sitzen lässt.“
„Du bist so respektlos.“, spie Rodolphus aus und stellte sich an das Bett seines Bruders. Mit all seiner Autorität, die er als Älterer von Beiden besaß, blickte er auf ihn hinab. „Pass auf, was du sagst, Rabastan.“
„Rodolphus mal ehrlich. Ich sehe zwar, dass sie ständig an dir hängt, aber glaubst du wirklich, dass das so etwas wie Liebe ist?“, entgegnete Rabastan seelenruhig. Er war zwar der Jüngere und weitaus naiver und impulsiver als sein Bruder, allerdings hatte er auch um einiges mehr an Selbstbewusstsein als Rodolphus.
„Na dankeschön.“, zischte dieser. „Es ist also unmöglich, mich zu lieben. Idiot.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und warf sich auf sein Bett.
„Benehme dich nicht wie ein Mädchen.“, lachte Rabastan. „Ich glaube, es ist für Bellatrix unmöglich, jemanden zu lieben. Zumindest ist das mit der Zeit so geworden. Außer vielleicht Voldemort.“
Rodolphus ließ sich diese Worte durch den Kopf gehen. Jedoch gingen sie nicht wirklich. Sie rannten. Mit lauten, harten Schritten, die in seinem Kopf widerhallten, und sie raubten ihm den Schlaf. Auch Rabastan blieb wach. Stundenlang lagen die Brüder stumm in ihren Betten.
Als schon der Morgen graute, zischte Rabastan: „Sag mal, Dolph, du und Bella, habt ihr eigentlich,-“
Rodolphus wirbelte herum und sah, wie sein Bruder eine obszöne Handbewegung machte.
„Na warte!“, bellte er und zückte seinen Zauberstab. „Dir stopfe ich das dreckige Maul!“
Rabastan lachte nur. „Schon gut, schon gut.“, sagte er und hob die Hände als Geste der Ergebung. „Ich wollte ja nur mal fragen. Ich dachte, Brüder erzählen sich so was.“
„Wir haben nie wirklich über solche Dinge geredet.“, stellte Rodolphus fest. „Und ich habe es auch nie vermisst. Also warum jetzt damit anfangen?“
Rabastan biss sich auf die Unterlippe. Was sein Bruder sagte, stimmte. Sie hatten nie wirklich über solche Dinge gesprochen. Als er ihm damals von dem Kuss erzählt hatte, war das für ihn eine Offenbarung gewesen. Seitdem hatte Rabastan versucht, öfters über vertrauliche Dinge mit ihm zu sprechen. Er hatte kaum Respekt vor Anderen, warum also sollte er seinen Bruder wie einen Fremden behandeln und nicht grob mit ihm über sein Leben sprechen? Immerhin teilten sie Blut und Name.
„Ich weiß nicht.“, sagte er dennoch. „Ich hab mich nur gefragt, ob ihr...“ Wieder lachte er.
„Verdammt, Rabastan.“, zischte Rodolphus. „Du weckst noch alle auf.“
„Entschuldigung.“, feixte Rabastan.
Stille trat ein.
„Ja.“, sagte Rodolphus plötzlich.
Rabastan richtete sich auf. „Ehrlich?“ Ihm stand der Mund offen und ein weiteres, noch lauteres Lachen konnte er sich nicht verkneifen. „Und?“
„Nichts und!“, keifte Rodolphus. „Schlaf jetzt endlich, in einer Stunde müssen wir zum Frühstück runter.“
„Als ob ich jetzt noch schlafen kann. Nach dieser Nachricht. Wie war es?“
„Sei leise.“
Rodolphus drehte sich um, sodass sein Bruder sein Gesicht nicht mehr sehen konnten. Nachdem er eine Weile so verharrt war und Rabastan sich wieder in die Kissen gegraben hatte, sagte er schließlich: „Wahnsinnig.“
Und dann lachten die Brüder. Sie lachten so laut und ausgelassen, dass es gar nicht zu ihren übrigen Gefühlen passen wollte, und sie weckten alle anderen Jungen im Schlafsaal. Diese schimpften und bewarfen sie mit Kissen, aber sie hörten nicht auf, zu lachen.
Und für diesen Moment waren alle Sorgen vergessen und sie benahmen sich, wie sich Geschwister eben benehmen sollten.
„Wie war es?“, erkundigte sich Narzissa bei ihrem besten Freund nach dem Treffen letzte Nacht. Sie hatten sich einen gemeinsamen Platz im Zaubertränkeraum gesucht.
„Spannend.“, sagte Lucius. „Guck mal hier.“
Er zog seinen Ärmel hoch und zeigte Narzissa die furchteinflößende Markierung an seinem Arm. Sie sog scharf die Luft ein. „Was ist das?“, fragte sie leise.
„Das ist so eine Art dunkles Mal. Der Herr hat es uns verpasst. Sieht schick aus, nicht?“ Lucius strich vorsichtig mit den Fingern darüber.
„Er sagt, man kann ihn damit rufen. Ich habe nur noch nicht raus, wie.“, erklärte er.
„Du willst ihn doch nicht etwa hierher rufen?“, stammelte Narzissa. Sie hatte mit der Zeit eine schreckliche Angst vor dem Dunklen Lord entwickelt. Das, was durch ihn mit ihren Schwestern passiert war, machte ihn in ihren Gedanken zu einem grauenvollen Monster, auch, wenn sie vielleicht mit dem einverstanden war, für was er kämpfte und diese Treffen der Todesser interessant fand. Sie selbst wollte einem solchen möglichst nicht beiwohnen.
„Nein, du dumme Nuss.“, lachte Lucius. „Hast du Angst vor ihm?“
Narzissa schüttelte mit dem Kopf.
„Gib's doch zu!“, lachte Lucius.
„Nein. Es ist nur...“ Für einen Moment überlegte Narzissa, ob sie Malfoy jetzt alles gestehen sollte. Das, was zu Hause vorgefallen war. Der Streit ihrer Schwestern, die Gewalttat ihres Onkels. So oft war sie schon kurz davor gewesen, sich Lucius anzuvertrauen, aber dann fragte sie sich immer, woher sie dieses Vertrauen in den Jungen nahm, den sie vor Monaten noch verabscheut hatte wie ein Schmutzfleck auf ihrem liebsten Kleid, und ließ es.
„Was...?“, hakte Lucius nach und auf seinem Gesicht zeigte sich wieder eine Fürsorge, die er nur für Narzissa empfand. Es war dieses Gesicht, diese Art, sie anzusehen, die ihr das Vertrauen in ihn gab.
„Schon gut.“, sagte sie dennoch. „Ist nicht so wichtig.“
„Nächste Woche haben wir ein paar Tage schulfrei, wegen dem Frühling.“, erklärte Lucius dann. „Ich fahre nach Hause.“
„Ich nicht.“, sagte Narzissa. Ganz bestimmt nicht.
„Das ist auch gut so.“, sagte Lucius.
Fragend blickte Narzissa ihn an.
„Na, ich wollte dich fragen, ob du mit zu mir kommen möchtest.“ Plötzlich wurde Lucius ganz rosa im Gesicht. „Wir haben ein Gästezimmer. Also eigentlich haben wir mehrere. Da kannst du schlafen, also in den Gästezimmern. Wie gesagt, wir haben eine Menge. Eines mit Blick auf den Wald, eines mit Balkon und so weiter. Du könntest dir eins aussuchen und außerdem haben wir-“
„Ist mir egal, Lucius.“, schnitt ihm Narzissa das Wort ab. Sein arrogantes Gesicht wurde plötzlich wieder kalkweiß.
„Oh. Na, wenn das so ist...“, stammelte er.
„Nein. Lucius. Es ist mir egal, in welchem Gästezimmer ich schlafe.“ Sie lächelte, ohne es wirklich so zu meinen. Ihn zu begleiten würde ihn um einiges mehr freuen, als sie selbst. Sie wusste nicht einmal, ob Bellatrix es ihr erlauben würde, denn eigentlich war geplant gewesen, dass die Schwestern zu dritt in Hogwarts blieben. Doch wegzukommen von diesem unerklärlichen Druck auf ihren Schultern, ausgeübt durch die Unsicherheit ihrer Schwestern bezüglich, war ihr durchaus Willkommen. Und sie war ohnehin neugierig auf Lucius' Familie.
„Heißt das, du kommst mit?“, fragte Lucius mit einem Leuchten in den Augen, das heller stahlte als der Vollmond der letzten Nacht.
„Ja. Gerne.“, sagte Narzissa und konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern. Und diesmal meinte sie es auch so.
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