von mia.winchester
Sian Somerset fragte sich, ob sie die Einzige war, die sich dafür interessierte, weswegen der unheilvoll leuchtende Totenkopf gestern Abend über dem Verbotenen Wald geschwebt hatte. Alle im Schloss redeten darüber, selbst die Lehrer unterhielten sich über diese unheimliche Sichtung, aber niemand machte Anstalten, herauszufinden, was die Quelle jener Erscheinung war.
Aber Dinge wie diese herauszufinden war Sians größte Leidenschaft. Sie kannte nichts, das ihr mehr Spaß bereitete, als durch die Geheimngänge von Hogwarts zu schleichen, immer auf der Suche nach einem neuen Abenteuer, und dabei geriet sie nicht selten in Gefahr. Sie hatte bereits einen Süßigkeitendiebstahl im Honigtopf beobachtet und den maskierten Täter, einen dicken Hufflepuff aus dem vierten Jahr, gestellt, sowieso mehrere bösartige Streiche verhindert oder deren Verursacher nach wochenlangem Spionieren gefasst. Früher war es für sie eine Art Spiel gewesen. Bis zum vierten Schuljahr hatte ihre beste Freundin Molly Prewett ihr bei ihren Abenteuern zur Seite gestanden. Man hatte die Mädchen an ihren aufgeplatzten Knien, blauen Flecken und rundum glücklichen Gesichtern erkannt.
„So sollten Kinder sein.“, hatte Professor Binns stets zu ihnen gesagt. „Frech und immer auf der Suche nach neuen Abenteuern.“
Doch seitdem sich Molly mit dem älteren Arthur Weasley traf, hatte sie kaum noch Zeit für Sian. Und das, wo sie gerade jetzt ihre Hilfe benötigt hätte.
Denn Sian war einer wirklich üblen Sache auf der Spur. Und das schon seit geraumer Zeit. Gestoßen war sie darauf, als sie eines Tages im frühen Winter das wenig besuchte Mädchenklo im ersten Stock benutzen wollte.
Dort hatte sie den Geist eines Mädchens getroffen, der laut schluchzend seinen eigenen Tod beklagt hatte. Weil dieser Geist ihr furchtbar einsam erschien, und Sian sich, ohne ihre beste Freundin, gut in die Lage des toten Mädchens hineinversetzen konnte, war sie von diesem Tag an öfters in die Toilette der Maulenden Myrte gegangen. So nannten sie die anderen Schüler. Sian selbst hatte aber Mitleid mit Myrte und beließ es dabei, sie bei ihrem Vornamen zu nennen. Sie freundete sich mit dem Geist an und bald verriet Myrte ihr, worauf Sian schon lange zu erfahren gehofft hatte. Den Grund ihres Todes.
„Ich bin auf die Toilette gerannt, um zu weinen. Wie so oft.“, hatte Myrte geheult. „Olive hat mich mal wieder geärgert. Dann habe ich einen Jungen reden hören. Hier, in der Mädchentoilette! Kannst du dir das vorstellen? Er redete ganz komisch. Wie eine Eidechse oder eine Schlange. Ich war so wütend!“
„Und dann? Hat er dich umgebracht?“, hatte Sian gefragt.
„Nein.“, hatte Myrte erwidert. „Da war etwas Anderes. Ich ging also aus meiner Kabine, um ihm mal kräftig die Meinung zu sagen. Und dann sah ich neben ihm nur ein großes Paar gelber Augen. Das war das Letzte, was ich gesehen habe, bevor ich tot war.“
Sian hatte diese Geschichte derart gefesselt, dass sie nachts sogar davon geträumt hatte. Die anderen Gryffindor-Mädchen hatten schon begonnen, sie Albtraum-Sian zu nennen, weil sie nachts stets laut keuchend aus Träumen von gelben Augen, Monstern und Jungen, die wie Schlangen sprachen, aufwachte und damit alle Anderen weckte.
Sie wälzte Bücher und alte Tagespropheten, die sie von ihrem Vater, der als Redakteur arbeite, aus dem Archiv mitgebracht bekam, bis sie auf die Geschichte der sogenannten Kammer des Schreckens stieß. Diese war eine angeblich von Salazar Slytherin eingerichtete Geheimkammer in den Tiefen von Hogwarts, die eine Bestie beherbergte, welche die Schule von unreinem Blut säubern sollte, um Slytherins Werk zu vollenden. Sian, die selbst ein Halbblut war, hatte diese Legende nicht nur gekränkt, sondern auch in furchtbare Panik und helle Aufregung versetzt. Schon morgens früh kribbelte ihr Bauch beim Gedanken daran, dass sie ihre Jagd nach der Legende am Nachmittag fortsetzen würde. Sie fragte Myrte nach dem Jahr ihres Todes und fand heraus, dass genau um diese Zeit die Gerüchte von der Öffnung der Kammer des Schreckens im Schloss umher gingen. Also hatte Sian für sich festgelegt, dass das, was Myrte getötet hatte, die Bestie aus der Kammer war. Diese war, wie Sian geschlussfolgert hatte, ein Basilisk.
Sian fragte sich, warum niemand je über diesen Vorfall sprach. Wo er doch schon immer wie ein dunkler Schatten auf der Geschichte von Hogwarts gelegen hatte. Es hieß, das las Sian in einer inzwischen bereits überarbeiteten Ausgabe von „Hogwarts, Hogwarts“ nach, dass nur der wahre Erbe Slytherins die Bestie im Inneren der Kammer kontrollieren konnte.
In einem wirklich winzigen Abschnitt eines alten Tagespropheten las Sian nach, dass ein Schüler verantwortlich gemacht worden und der Schule suspendiert worden war. Wer das gewesen ist, war nicht herauszufinden.
Es war aber nicht nur die Geschichte aus der Vergangenheit, die Sian beschäftigte. Auch das, was seit kurzem im Schloss vor sich ging, beunruhigte sie. Die Slytherins Bellatrix Black, Rodolphus und Rabastan Lestrange, Lucius Malfoy und noch einige Andere, deren Namen Sian nicht kannte, hingen immer öfter in einem Pulk zusammen und taten auf Geheimnisvoll.
Und weil das Sian alles sehr suspekt vorkam und sie, entgegen der Worte ihrer Freunde, die ihr sagten, dass „Slytherins nun mal so sind“, ihnen einmal hinterher gegangen war, sie belauscht und dabei etwas über einen gewissen Dunklen Lord aufgeschnappt hatte, bestand für sie kein Zweifel daran, dass sich die Mitschüler einem gewissen Kult angeschlossen hatten.
Das war nicht weiter schlimm, weil viele Schüler zu Vereinen und Clubs gehörten. Sian selbst war sogar Mitglied des Slug-Clubs, weil Horace Slughorn sie für eine der gerissensten und mutigsten Schülerinnen hielt, denen er je begegnet war. Allerdings machten die Slytherins ein so großes Geheimnis aus der Sache, dass es äußerst verdächtig wirkte. Vor allem, weil Sian sie im Winter eines Nachts bei Vollmond zusammen in den Verbotenen Wald hatte schleichen sehen. Natürlich war Sian nicht die Einzige, die mitbekam, was da vor sich ging. Sowieso waren die Black-Schwestern, insbesondere eben Bellatrix, schon immer eines der Lieblingsthemen der gesamten Schülerschaft gewesen. Doch jetzt schien diese sich mit ihrer jüngeren Schwester Andromeda auch noch aus einem unerklärlichen Grund überworfen zu haben. Alle redeten darüber, aber keiner konnte sich einen Reim darauf machen. Die Schwestern darauf anzusprechen, das wagte sich erstrecht niemand. Auch Sian nicht. Andromeda war ihr stets als äußerst freundlich erschienen und eine Weile hatte sie sogar durch Mollys Brüder mit ihr zu tun gehabt, aber seitdem sie sich offensichtlich mit Bellatrix zerstritten hatte, glich Andromeda einem Geist, der mit niemanden sprach und nicht angesehen werden wollte. Sian kam diesem Wunsch nur zu gerne nach. Die Black-Schwestern hatten sie stets fasziniert, ihr aber gleichermaßen Angst eingejagt. Ihr Onkel Charlus war mit der Familie der Schwestern verschwägert und erzählte bei seinen seltenen Besuchen dann und wann vom fürnehmen und gar alten Haus der Blacks. Die schönen Schwestern hatten alle Mädchen im Schloss stets in Neid versetzt und auch Sian hatte sich nicht selten dabei erwischt, ihre nussbraunen Haare dunkler zu zaubern zu versuchen, um dass sie den herrlichen Locken von Bellatrix ähnlicher waren. Was dabei heraus kam, hatte sie in Form einer violett gefärbten Löwenmähne vier Wochen lang auf dem Kopf tragen müssen. Bevor sie also zu Albtraum-Sian geworden war, war sie lange Zeit Regenbogen-Sian gewesen. Eine deutlich nettere Bezeichnung, die Sian trotzdem geärgert hatte. Sowieso hatten die Leute ständig neue Spitznamen für sie. Vielleicht verstand sie sich deshalb so gut mit der Maulenden Myrte, weil sie sich eben wirklich gut in ihre Lage versetzen konnte.
Vielleicht also mag Sian Somerset ein wenig verrückt gewesen sein, aber eines war sie auch: Ehrgeizig. Und mutig. Eine waschechte Gryffindor. Und, was die Leute viele, viele Jahr später von ihr sagten, wenn sie sich daran erinnerten, dass die einst so abenteuerlustige, übermütige Sian Somerset mit dem berühmten Auserwählten Harry Potter verwandt gewesen war, eine waschechte Potter. Aber dass man daran zurückdachte, passierte eher selten.
Denn ehe Sian sich einen Namen in der Zaubererwelt hätte machen können, wurde sie ermordet.
Als sie den Tagespropheten am Mittag nach der Sichtung des unheilvollen Zeichens über dem Dunklen Wald beiseite legte, fiel ihr Blick sofort auf den Tisch der Slytherins, wo Bellatrix und ihre Freunde die Köpfe schon wieder dicht zusammengesteckt hatten.
„Es ist das selbe Zeichen, das sie über dem Waisenhaus gesehen haben, das vor kurzem abgebrannt wurde.“, erklärte August Hannigan. „Ich tippe auf einen Serienmörder.“
„Ganz klar.“, stimmte Melody Wyatt mitein. „Was anderes kann ich mir nicht vorstellen. Was meinst du, Sian?“
„Hättest du bloß nicht gefragt...“, murmelte August, denn sofort wirbelte Sian herum, bereit, Melody in die Theorie, die sie seit Kurzem hatte, einzuweihen, in der Hoffnung sie dazu begeistern zu können, Sian bei ihrer Suche nach der Wahrheit zu unterstützen.
„Nun.“, begann Sian leise. „Ich bin der festen Überzeugung, dass es sich hier nicht um einen Einzeltäter handelt, sondern um eine Gruppe von Zauberern, die ein ganz bestimmtes Ziel verfolgen. Was natürlich auffällig ist, ist, dass das Waisenhaus überwiegend von Zaubererkindern mit sogenanntem unreinen Blut bewohnt wurde. Also nehme ich schon einmal an, dass es sich um eine rassistische Vereinigung handelt.“
„Davon gibt es viele.“, sagte Melody. „Slytherins Anhänger.“
„Ja, natürlich. Aber die sind nicht so radikal und stolzieren umher und brennen Waisenhäuser ab.“, entgegnete Sian. „So etwas gab es noch nie.“
„Vielleicht irrst du dich aber, Sian. Das habe ich dir schon tausendmal gesagt.“, stöhnte August gelangweilt.
„Wie oft habe ich mit meinen Vermutungen falsch gelegen?“, zischte Sian empört.
„Nie.“, gab August zu. „Aber du bist hier ein bisschen zu voreilig. Außerdem ist das weitaus mehr als ein Süßigkeiten stehlender Fettsack. Das sind Mörder. Du solltest dich da nicht einmischen.“
„Du hast mir gar nicht zu sagen, wo ich mich einmische und wo nicht.“, entgegnete Sian und rollte den Tagespropheten zusammen. „Es macht mich einfach stutzig.“
„Mich auch. Aber deswegen lasse ich mich davon nicht so verrückt machen.“, sagte Melody mit gespielter Ruhe in der Stimme.
„Ach, Melody. Sian kann man nicht mehr verrückt machen.“, keifte August. „Das ist die schon, und zwar im schlimmsten Maße.“
Sian hätte sich gewünscht, etwas erwidern zu können, doch ihr fehlten die Worte. Gekränkt klemmte sie sich ihren Tagespropheten unter den Arm, stand auf und verschwand, um ihre Freundin Myrte zu besuchen.
Eigentlich hätte sie sich längst an den Spott gewöhnen müssen, doch es traf sie immer wieder hart, wenn jemand so gemein zu ihr war wie August.
„Was für ein widerlicher Junge!“, schimpfte Myrte, als ihre lebendige Freundin ihr erzählt hatte, was geschehen war. „Wieso hat er das gesagt?“
„Weil ich ihm erzählt habe, dass ich glaube, dass,-“, begann Sian, doch dann fiel ihr ein, dass Myrte gar nichts von dem Zeichen am Himmel und dem seltsamen Verhalten der Slytherins wusste. Wie die meisten Anderen würde sie sich sicherlich auch nicht weiter dafür interessieren, weswegen Sian beschloss, ihr nichts davon zu erzählen. Freundschaft hin oder her. Myrte war keine besonders vertrauenswürdige Person, wie sie hier im Klo hockte und tratschte.
„Was?“, hakte Myrte nach, doch Sian sagte „Schon gut“ und damit war die Sache erledigt. Beide begannen ein Gespräch über Knuddelmuffs, von denen Sian zu Hause drei hielt, als plötzlich die schwere Tür zur Toilette aufging.
Sian wollte nachsehen, wer dort hineinkam, denn sonst ließ sich hier wirklich kaum jemand blicken. Sie lugte um die Ecke und sah, dass es die jüngste Black-Schwester mit ihrem besten Freund Malfoy war. Aus einem Impuls heraus floh Sian lautlos in die nächste Kabine und schloss die Tür mit einem leisen Zauber, ehe die Beiden sie sehen konnten.
„Was ist?“, zischte Myrte, die sofort wieder neben Sian erschienen war.
„Psst!“, machte diese. „Sie dürfen nicht wissen, dass ich hier bin.“
„Aber ich werde ihnen doch wohl Hallo sagen dürfen, oder?“, fragte Myrte misstrauisch.
„Nein.“, bestimmte Sian. „Bitte nicht, Myrte.“
Und weil Myrte keinen Grund darin sah, sich Sian, die als einziger lebender Mensch wirkliches Interesse an ihr zu haben schien, zu widersetzen, gehorchte sie.
„Du bist mir aber nicht böse, wenn ich mich verziehe, oder?“, fragte sie ihre Freundin. „ Ich glaube kaum, dass das hier interessant wird. Die sind viel zu jung, um uns wilde Küsse bieten zu können.“
„Du bist widerlich, Myrte.“, witzelte Sian.
„Ich sehe mal im Bad der Vetrauensschüler nach, ob da nicht mehr los ist. Bis dann.“ Mit diesen Worten verschwand Myrte durch die Toilette. Ausnahmsweise mal ohne lauten Platscher, der das gesamte Klo überschwemmen würde.
„Ich freue mich so, dass du mitkommst.“, hörte Sian den jungen Malfoy sagen.
„Ich freue mich, dass ich von zu Hause weg kann.“, sagte Narzissa Black etwas leiser.
„Was ist eigentlich los, hm? Willst du wirklich nicht darüber reden?“, hakte Lucius Malfoy nach. Er schien sich Sorgen um das Mädchen zu machen, in seiner Stimme lag überraschend viel Zuneigung.
„Nein.“, antwortete Narzissa. „Ist schon gut.“
„Wieso hast du mich dann hierher gebracht? Ich dachte, du willst mit mir darüber sprechen.“
„Nein.“, sagte Narzissa wieder. „Ich wollte lediglich mit dir alleine sein und hier habe ich noch nie jemanden gesehen.“
„Kein Wunder. Laut Gerüchten treibt sich hier der hässliche Geist eines ermordeten Mädchens herum, dass alle belästigt, die eintreten.“, feixte Malfoy.
Sian ballte die Hände zu Fäusten. Gut, dass Myrte nicht hier war, um das zu hören. Jetzt wäre sie sicher wütend aus der Kabine gestürmt und hätte Malfoy mit einer Ladung Toilettenwasser und lauten Schimpfwörtern übergossen.
„Ih.“, machte Narzissa und lachte aus Anstand mit. Sian konnte in ihrer Stimme hören, dass sie den Jungen bei sich mochte.
„Also, wieso bin sind wir hier?“, fragte Lucius. Er war aufgeregt. Vielleicht hatte Myrte Unrecht gehabt und die beiden würden sich jetzt wirklich küssen. Sian kam sich plötzlich schäbig vor und war kurz davor, aus der Kabine zu treten und hinauszugehen. Sie würde so tun, als wäre sie bloß auf Toilette gewesen. Dass die verrückte Sian Somerset als einziges Mädchen die unbeliebte Toilette der Maulenden Myrte benutzte, würde niemanden wundern. Aber dann hörte sie, wie Narzissa sagte: „Ich will es nochmal sehen.“
„Was?“, fragte Malfoy. „Achso.“
„Das Dunkle Mal.“, zischte Narzissa.
Sians Neugier steigerte sich ins Unermessliche. Sie kletterte halb auf den Toilettensitz, halb auf die Türklinke und spähte über den Rand der Kabine in den Vorraum der Waschbecken, wo die blonden Drittklässler dicht beieinander standen.
Lucius streckte den linken Arm aus und schob mit dem Rechten den Ärmel seines Pullovers hoch. „Da.“, sagte er.
Und auch, wenn Sian weit weg war, konnte sie erkennen, was für ein Mal dort auf dem Unterarm des Jungen prangte. Es war das selbe Zeichen, das über dem Wald geschwebt hatte.
Feuerwerke zündeten in ihrem Kopf und das gleichermaßen erleichternde und ergreifende Gefühl der Erkenntnis machte sich in ihr breit.
Die Versammlungen der Slytherins und das ewig geheimnisvolle Getue stand im Zusammenhang mit dem Angriff auf das Waisenhaus. Und als das Zeichen gestern über dem Wald geprangt hatte, hatten sie sich bestimmt darunter versammelt.
„Es ist so gruselig.“, sagte Narzissa und fuhr mit den Fingern über den Arm des Jungen. Er war sichtlich angetan von ihrer Berührung und errötete augenblicklich.
„Geht.“, sagte er. „Ich finde es cool.“
„Wieso eigentlich eine Schlange?“, fragte Narzissa. „Ist das sein Wappen?“
„Sozusagen. Slytherins Wappen ist eine Schlange. Voldemort war ein Slytherin. Und er kann mit Schlangen sprechen.“, erklärte Malfoy.
„Ehrlich?“, fragte Narzissa.
In Sians Magen kribbelte es wie wild. Ein gewisser Voldemort, der mit Schlangen sprechen konnte? Sie erinnerte sich an ihre Albträume von früher, von dem Jungen, der wie eine Schlange geredet hatte. Mit der Bestie aus der Kammer des Schreckens. War dieser Voldemort es, welcher der Schule verwiesen worden war? Namentlich war der Verantwortliche nie genannt worden. Lediglich ein gewisser Tom Riddle, der ihn damals gefasst hatte, war in den alten Tagespropheten erwähnt worden. Tom Riddle war Sian ein Begriff. Er war ein berühmter und mächtiger Zauberer mit besten Ambitionen gewesen, ehe er sich vollkommen zurückgezogen hatte.
„Ja. Du müsstest es hören, es ist der Wahnsinn. Er hat immer diese riesige Schlange bei sich, wenn wir ihm im Wald treffen. Nagini. Und er redet mit ihr und behandelt sie wie ein Haustier. Sie ist gruseliger als er und das Mal zusammen.“, zischte Malfoy. „Ist auch wirklich keiner hier?“, fragte er dann und sah sich um. Sian duckte sich sofort. Er hatte sie nicht gesehen.
„Nein, glaub mir.“, sagte Narzissa.
„Ich fühle mich so beobachtet.“, sagte Malfoy und Sian wagte es kaum noch, zu atmen.
„Nein, hier ist niemand.“, sagte Narzissa.
„Gut. Dann kann ich dir ja auch das Geheimnis erzählen.“, fuhr Malfoy fort.
„Welches Geheimnis?“, drängelte Narzissa.
„Weißt du, warum Voldemort Schlangen so gern hat?“, fragte er.
Narzissa schüttelte mit dem Kopf. Wirklich interessieren tat sie die Lösung der Frage nicht.
„Er ist nicht bloß ein normaler Slytherin gewesen. Er war der Erbe Slytherins.“
„Das hat er euch gesagt?“, fragte Narzissa ungläubig.
„Ja.“, sagte Malfoy eifrig nickend. „Hat er. Ist das nicht irre?“
„Doch, schon. Aber was sagt mir das jetzt?“
„Hast du schon von der Kammer des Schreckens gehört?“, fragte Malfoy.
Narzissa nickte.
„Er hat sie geöffnet, als er hier zur Schule ging.“
Jetzt konnte Sian wirklich nicht mehr atmen. Ihr Kopf begann zu surren. Sie konnte nicht fassen, dass sie sich monatelang mit den beiden Geschichten befasst hatte und die Geheimnisse darin jetzt durch Zufall direkt vor ihren Augen von zwei Drittklässlern entwirrt worden. Das musste Glück sein. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit einem Mal war sie August dankbar dafür, dass er sie beleidigt hatte. Wahrscheinlich war es manchmal einfach so. Dinge passierten, weil sie passieren sollten. Es war Schicksal. Wahrscheinlich hatte ihre kleine Cousine Ynja, die Tochter einer der zahlreichen Schwestern ihrer Mutter, Recht, wenn sie sagte, dass alles, was man suchte, am Ende zu einem zurückkam. Und hier war es. Das, was Sian suchte. Die Wahrheit.
„Nicht wahr!“, stieß Narzissa aus. Jetzt fand sie doch großen Gefallen an diesem Geheimnis.
„Doch, doch. Weißt du was lustig ist?“ Malfoy lachte. „Damals haben sie diesen Idiot von Wildhüter verantwortlich gemacht. Hagrid.“
Sian konnte ein leichtes Stöhnen nicht unterbinden und hoffte, dass niemand es gehört hatte. Aber Hagrid konnte es doch nicht gewesen sein! Es war dieser Voldemort gewesen.
„Dumbledore hat das natürlich nicht geglaubt.“, fuhr Malfoy fort. Als er den Namen des Schulleiters sagte, klang dies eher wie ein Würgen als wie ein normales Wort.
„Aber Voldemort hat gewonnen. Dumbledore hatte ihn natürlich von da sozusagen im Visier. Deswegen kann er ihn auch nicht ausstehen. Eines Tages wird er ihn töten, da bin ich mir ganz sicher.“
„Wie konnte Voldemort umgehen, erwischt zu werden?“, fragte Narzissa.
„Alle Welt hat ihm geglaubt. Er hat den mutmaßlichen Täter selbst gefasst. Hat es aussehen lassen, als ob er Hagrid auf frischer Tat ertappt hat und selbst Hagrid kam nicht darauf, dass es eigentlich Lord Voldemort selbst gewesen ist. Dieser Idiot. Voldemort wurde verehrt, schon damals. Als er den Täter schnappte, wurde er gefeiert wie ein Held.“
Sian konnte es nicht fassen. Der Erbe Slytherins war ein gewisser Mann namens Lord Voldemort, der Slytherins und ein paar andere Schüler um sich scharte um Morde zu begehen. Jetzt, Jahre nachdem er in seiner eigenen Schulzeit die Kammer des Schreckens geöffnet hatte, war er wieder da. Oder er war nie wirklich weg gewesen. Denn Tom Riddle, was offenbar sein eigentlicher Name war, war Sian geläufig. Jetzt ergab alles Sinn. Sian zitterte und lächelte und konnte sich kaum noch in ihrer ungemütlichen Position zwischen Tür und Toilette halten. Das hier war der größte Geheimnis, dem sie je auf die Spur gekommen war! Aber es war ein grausames Geheimnis. Ihre Mitschüler unterstützten einen Mörder. Tom Riddle war zu einem grausamen, rassistischen Mörder geworden und rekrutierte so junge Leute für die Unterstützung seiner Taten. Er wollte sogar Dumbledore töten! Sian wusste, was zu tun war. Sie musste diesen Voldemort zur Strecke bringen. Das würde das Größte sein, was je eine Junghexe vollbringen würde.
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