Hallo,
ich hoffe ihr genießt das schöne Wetter. Wer doch zu Hause vor'm PC hocken sollte, kann sich ja das letzte Kapitel von Special Needs durchlesen ;)
Ich bedanke mich bei Dr. S, Luma und Alex Potter für die Kommentare. Es freut mich, dass diese Geschichte euch gefallen hat und hoffe, dass ihr auch das Ende mögt.
Viel Spaß beim Lesen!
Besondere Bedürfnisse
Am Samstagabend, an dem die Ausgangssperre später angesetzt war, als an gewöhnlichen Wochentagen, machte sich Draco auf den Weg zum Bootshaus. Die Frühlingssonne ging gerade unter, tauchte die Ländereien in ein dunkles Orange. Mittlerweile war es recht warm geworden und Draco konnte die letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne sein Gesicht erwärmen fühlen. Vereinzelt saßen noch kleine Schülergruppen und Pärchen auf den Wiesen oder am Seeufer und genossen den schönen Abend.
Von weitem konnte er das Quidditchfeld sehen sowie mehrere kleine schwarze Punkte, die durch die Luft flogen. Anscheinend trainierte dort gerade eine Mannschaft. Sie waren zu weit entfernt, als dass Draco die Farbe ihrer Umhänge hätte ausmachen können, um zu erfahren, um welche Mannschaft es sich handelte. Vielleicht waren es sogar die Slytherins. Dieses Jahr musste Draco auf Quidditch verzichten und mit ein paar Galleonen hatte er ziemlich schnell einen Ersatz für sich gefunden, der nicht annähernd an sein Können herankam und dennoch machte es ihn traurig nicht mehr mitspielen zu können. Er war schon so lange nicht mehr geflogen, dass er schon gar nicht mehr wusste, wie es sich anfühlte, den Flugwind im Haar zu spüren.
Eine leise Stimme in seinem Kopf flüsterte, dass er womöglich nie wieder Quidditch spielen würde, wenn er seinen Auftrag vermasselte. Schnell riss er den Blick vom Quidditchfeld los und ging den Weg zum Bootshaus entlang. Es lag vom Schloss recht abgelegen und Draco konnte sich nicht erinnern hier schon einmal gewesen zu sein, abgesehen von seiner Ankunft in Hogwarts, nachdem er als Erstklässler in einem Boot den See überquert hatte. Er wäre auch gar nicht hierhergekommen, wenn man ihn nicht an diesen Ort bestellt hätte. Eine Eule hatte ihm vor einigen Tagen während des Abendessens einen Brief gebracht, der das Datum, die Zeit und den Ort für dieses Treffen beinhaltete.
Als Draco am Bootshaus ankam wartete der Absender dieses Briefes bereits auf ihn. Dracos Schritte wurden vom Gras gedämpft, doch als er den Steg betrat, knarrte das Holz unter seinen Schuhen, was den Jungen auf ihn aufmerksam machte.
„Da bist du ja endlich“, sagte Cormac mit einem Lächeln und kam auf ihn zu. Dracos Blick aber lag auf dem Gegenstand, den der Gryffindor in seinen Händen hielt: Einen Besen. Einen Rennbesen, um genau zu sein.
„Wofür ist der?“, fragte Draco misstrauisch. War er am Ende hierher gelockt worden um verprügelt zu werden?
Als würde Cormac seine Gedanken lesen können fing er an zu lachen. „Na, zum Fliegen natürlich.“
„Dafür bestellst du mich hierher? Damit ich dir beim Fliegen zusehe?“
„Nicht ich“, erklärte Cormac und drückte Draco prompt den Besen in die Hand. „Du sollst fliegen.“
„Ich?“ Überrascht starrte Draco abwechselnd vom Besen zu Cormac. Auf diese Idee war er ja noch gar nicht gekommen. Eben gerade hatte er sich noch gewünscht mal wieder Fliegen zu können und schon wurde ihm ein Besen in die Hand gedrückt.
„Wir können auch zusammen fliegen, wenn es dir lieber ist.“ Cormac setzte ein überhebliches Grinsen auf, welches Draco ihm am liebsten mit dem Besen aus dem Gesicht gewischt hätte. Sofort fühlte er sich an den Vorfall im Raum der Wünsche erinnert, was er bisher erfolgreich hatte ignorieren können.
„Das mache ich nicht einmal in deinen Träumen, McLaggen.“ Draco besah sich den Besen. Es war ein Komet, ein neueres Modell, aber noch lange nicht so ansehnlich wie sein mordsteurer Nimbus. „Warum hast du nichts gesagt?“, fragte Draco. „Ich hätte meinen eigenen Besen mitbringen können. Der ist nämlich um Längen besser, als dein Billigding hier.“
„Das hätte doch dann die Überraschung verdorben“, erklärte Cormac und ignorierte Dracos Beleidigung. „Na los jetzt, steig schon auf. Du weißt doch, wie man fliegt, oder?“
Das ließ Draco sich nicht zweimal sagen. War doch egal, dass das nicht sein Besen war und dass er seine Zeit eigentlich mit wichtigeren Dingen verbringen sollte, als mit sinnlosem Durch-die-Gegend-Fliegen. Tatsache war, dass er endlich mal wieder fliegen konnte! Draco nahm den Besen zwischen die Beine, hielt sich mit beiden Händen am Stiel fest und hob ab, hinauf in die Lüfte.
„Aber bring ihn mir heile wieder zurück!“, rief Cormac ihm noch besorgt hinterher, doch da hatte Draco schon die erste Wolkendecke erreicht. In wenigen Sekunden hatte er so viele Meter hinter sich gelassen, dass man das Bootshaus am Boden kaum noch erkennen konnte. Draco flog weiter über die Ländereien, mit diesem Besen ließ es sich wirklich gut fliegen, er gehorchte ihm, passte sich seinen Bewegungen an, wenn er sich in die Kurven legte. Mal sehen, wie schnell dieser Besen sein konnte. Draco beschleunigte aufs Höchste, der Wind klatschte ihm ins Gesicht und endlich spürte er seit langem mal wieder ein bisschen Freiheit. Das sollte er wieder öfter machen.
Nachdem Draco einige Flugmanöver über dem Verbotenen Wald gedreht hatte, flog er mehrere Meter über dem Quidditchfeld hinweg und erkannte unter sich blaue Umhänge, was darauf schließen ließ, dass es sich um Ravenclaws handelte, die gerade ihrem Quidditchtraining nachgingen. Wenig später nahm er wieder Kurs auf das Bootshaus am Seeufer und setzte mit einer perfekten Landung am Steg auf.
Während Dracos Flug hatte Cormac am Ende des Steges gesessen und dort gewartet, aber als Draco zurückkam, stand er auf und sah ihn erwartungsvoll an. „Na?“
„Das war klasse“, sagte Draco, das Gesicht vom Flugwind ganz rot und die Haare wild zerzaust. Sein Herz schlug schnell und pumpte Adrenalin durch seinen Körper, was dafür sorgte, dass er sich einfach fantastisch fühlte. „Willst du jetzt eine Runde drehen?“, fragte Draco, da der Besen, auf dem er saß, ja nicht ihm gehörte, doch bevor er von dem Kometen absteigen konnte, setzte Cormac sich einfach mit auf den Besenstiel und der Besen erhob sich wieder in die Lüfte.
„Was soll das?“, wollte Draco empört wissen und verrenkte sich beinahe den Hals, bei dem Versuch Cormac hinter sich ins Gesicht zu blicken.
„Zu zweit ist es doch viel gemütlicher.“
Gemütlich fand Draco es ganz und gar nicht. Ein Besen war nun einmal nicht für zwei Personen ausgelegt. Und Cormac war ziemlich groß, da war es beinahe ein Ding der Unmöglichkeit Körperkontakt zu vermeiden. Draco hoffte nur, dass Cormac ihn nicht runterdrängte. Aber wenn, dann würden sie wohl gemeinsam vom Besen fallen, denn Cormac klammerte sich richtig an Draco fest um an ihm Halt zu finden. Hoffentlich sah das keiner, dachte Draco, aber sie waren zu weit oben in der Luft, als das man sie vom Boden aus hätte erkennen können.
Sie flogen über den See, gingen weiter hinab, sodass sie nur noch wenige Meter vom Wasser entfernt waren. Draco konnte ihre verschwommene Spiegelung im See erkennen. Überall wo man jetzt hinsah, war Wasser unter ihnen. Dass der See so groß war, hatte Draco gar nicht gewusst. Das Schloss lag ganz weit entfernt und war kaum noch zu sehen.
„Ist doch schön, oder?“, fragte Cormac und zeigte auf die untergehende Sonne, die sich in der Wasseroberfläche des Sees spiegelte.
„Wundervoll“, sagte Draco sarkastisch und er hoffte, dass Cormac in der Lage war Sarkasmus zu erkennen. Nicht, dass der noch dachte, Draco meinte das ernst! Aber wenn Draco ehrlich zu sich war, dann war es wirklich ganz schön. Allein das Gefühl zu fliegen hatte er so sehr vermisst. So glücklich wie in diesem Moment war er schon sehr lange nicht mehr gewesen und er fühlte, wie all die Anspannung, der Druck und die Angst für eine kurze Zeit von ihm abließen, als würde der Flugwind diese Gefühle einfach davonwehen. Abgesehen davon war es doch gar nicht so unangenehm, nicht allein zu sein.
Der Gryffindor war zumindest eine nettere Gesellschaft als Crabbe und Goyle. Er lenkte ihn ab und das war ihm im Moment viel wert. Spätestens nachdem er Potter beim Quidditch vom Besen gehauen hatte, war Cormac ihm sympathisch geworden und außerdem hatte er gesagt, dass er sein Freund sein wollte. Die Tatsache, dass er ein Gryffindor war, ließ sich mit ein bisschen Mühe bestimmt verdrängen. Draco konnte im Moment einen Freund gut gebrauchen, vielleicht würde Cormac ihm ja in seiner misslichen Lage helfen können.
„Willst du wieder zurück?“, fragte Cormac. Seine Stimme war ganz nah an Dracos Ohr. Irgendwie machte der Gedanke, dass Cormacs Lippen zum Greifen nah waren, ihn ziemlich nervös.
Draco schüttelte den Kopf. Er wollte noch nicht zurück und diesen Moment noch ein wenig auskosten. Das Gefühl vom Fliegen musste er sich einprägen, für den Fall, dass er doch nie wieder in der Lage sein würde, Quidditch spielen zu können.
„Okay“, sagte Cormac und man konnte seiner Stimme anhören, dass er lächelte.
Das Bedürfnis, herauszufinden, wie nah Cormac wirklich war, gewann schließlich die Oberhand. Draco lehnte sich weiter nach hinten, drehte den Kopf zur Seite und sah über die Schulter in Cormacs Gesicht. Er hatte in die Ferne geschaut, während der Wind mit seinen braunen Locken spielte. Als er bemerkte, dass Draco sich zu ihm umdrehte, sah er ihn an und Draco blickte in strahlend grüne Augen. Er war ihm wirklich nah. Nur wenige Zentimeter waren die Lippen des anderen entfernt und zogen deshalb Dracos Blick auf sich. Er sah noch, wie sie sich leicht öffneten, als Cormac etwas sagen wollte, doch soweit kam es nicht, da Draco sich noch ein Stückchen zu ihm beugte und seine Lippen mit seinen eigenen verschloss.
Der Besen wurde langsamer, bis er irgendwann nur noch in der Luft zu schweben schien.
Draco dachte nicht nach, er handelte einfach und verstieß somit gegen das, was man ihm seit Kindheitstagen an eingebläut hatte: Er ließ sich von seinen Gefühlen leiten. Jetzt wollte er auch gar nicht nachdenken, über das, was er da grad tat, dafür fühlte es sich viel zu gut an.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.