von Xaveria
Als sie am nächsten Morgen ihr Zimmer verließ, fand sie Harry und Ron ängstlich im Gryffindor-Gemeinschaftsraum wartend.
„Hermine!“, sagte Ron und ging in großen Schritten auf sie zu, als sie die Treppe hinunter kam. „Wo warst du? Du bist nie aus Dumbledores Büro zurückgekehrt. Wir haben hier bis Mitternacht auf dich gewartet!â€
Harry sah sie zögernd an. Sie wusste, dass er sich fragen musste, ob Dumbledore ihr tatsächlich Informationen gegeben oder ein Privileg eingeräumt hatte, das er nicht besaß. Sie wusste, dass sie Mitleid mit ihm haben sollte; armer Harry, der niemanden außer dem alten Zauberer hatte, der ihn führte und er beschützte seine Beziehung zu Dumbledore mit Eifersucht. Aber im Moment hatte sie für niemanden Mitleid übrig. Harry konnte sich seine Eifersucht sonst wo hinstecken. Er hatte keine Ahnung, was man von ihr verlangt hatte.
Sie seufzte. „Tut mir leid. Professor Dumbledore wollte mich ausgerechnet wegen einem Muggel-Kreuzworträtsel sehen. Er hat Geschmack an ihnen gefunden und hatte sich gedacht, dass es mich freuen würde, wenn ich ihm etwas helfen könnte. Er schien zu denken, dass dies eine Art von Geburtstagsgeschenk war. Es war schon ziemlich spät, also durfte ich durch den Kamin zurück zum Turm. Ich war so fertig, dass ich sofort eingeschlafen bin.“
Im Grunde, nachdem sie jegliche Götter gedankt hatte, dass Lavender und Parvati schliefen, als sie zurückgekehrt war, hatte Hermine die halbe Nacht wach gelegen und ist in ihrem Kopf immer wieder ihren Abend in den Gemächern von Professor Snape durchgegangen und hatte versucht mit einer Entschuldigung aufzukommen, die so einfach und langweilig war, dass Harry und Ron nicht weiter nachfragen würden. Sie hatte letztendlich entschieden, dass Kreuzworträtsel akademisch genug waren, um sie fernzuhalten und zu sehr Muggel, damit es außerhalb ihres Interesses lag und etwas war, was Dumbledore lieben würde. Als sie um drei Uhr morgens noch immer hellwach gewesen war, war sie durch die Korridore der Schule zur Eulerei geschlichen und hatte dem Schulleiter eine Eule mit ihrer Nachricht, in der sie die Geschichte erklärt hatte, geschickt.
Harry lachte und erzählte ihnen wieder von Dumbledores neuem Interesse an Strickmustern, von der er erfahren hatte, als sie die Ferien über Professor Slughorn besucht hatten, als ob er zeigen wollte, dass auch er die vertraulichen, ungewöhnlichen Interessen des Schulleiters kannte. Hermine seufzte. Zumindest hatten sie ihr die Geschichte abgekauft.
**
Während des Frühstücks erhielt Hermine eine weitere Eule von Dumbledore. Sie löste das Pergament von dem Bein des Überbringers und bot ihr als Gegenleistung ihr Toast an. Sie hatte keinen besonderen Hunger.
Sehr geehrte Miss Granger,
vielen Dank für Ihre Hilfe gestern Abend bei dem Kreuzworträtsel. Sie waren unerlässlich gewesen. Ich sollte mich mal mit den Werken des Muggel Goethe, die Sie vorgeschlagen haben, beschäftigen, da es mir das Zitat in dem Rätsel angetan hat, „Laut dem Autor von Faust, was ist eine endlose Verpflichtung, welche nur durch die Ewigkeit gelöst werden kann – 3 Buchstaben“ (für den Fall, dass Sie es vergessen haben sollten). Ich wäre nie alleine auf die Antwort gekommen. Ich werde für immer in Ihrer Schuld stehen, meine Liebe.
Albus Dumbledore
Harry las die Nachricht über ihre Schulter hinweg. „Was bedeutet es?“, fragte er.
„Nur eine Redewendung der Muggel“, sagte Hermine und wandte sich von ihnen ab, da Tränen in ihre Augen stachen. Sie blinzelte sie weg.
„Ich habe noch nie davon gehört. Was ist die Antwort?â€
„Ehe“, flüsterte sie.
„Hermine, geht’s dir gut?“, fragte Ron. „Du siehst etwas blass aus.“
„Ich bin nur müde. Es war ein langer Abend gewesen“, sagte sie.
„Du scheinst nicht die Einzige zu sein, die eine lange Nacht hinter sich hat. Snape sieht noch schrecklicher aus als sonst“, sagte Harry, und deutete mit seiner Gabel auf den Lehrertisch. „Versteht dieser Mann eigentlich nicht, dass er auch mal duschen muss?“
Wut brodelte in ihrer Brust - wie konnte er es wagen? – Bis sie sich daran erinnerte, dass sie ebenfalls wütend auf den ehemaligen Zaubertränkelehrer war.
„Schleimiger alter Mistkerl“, sagte Ron liebenswürdig. „Da wir gerade davon reden, Hermine, da du jetzt dem Schulleiter mit seinen Hausaufgaben geholfen hast, könntest du dir noch mal meinen Aufsatz für Verteidigung ansehen?“
***
Flankiert von Harry und Ron betrat sie den Klassenraum für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Sie setzte sich, ohne aufzublicken, auf ihren gewohnten Platz zwischen den beiden und für einen weiteren Moment suchte sie vermeintlich in ihrer Tasche nach ihrer Feder. Alles, um nicht den Mann ansehen zu müssen, dem sie so voreilig zugestimmt hatte, zu beschützen, der sie noch am letzten Abend zu ihrem schamlosen Höhepunkt getrieben und sie dann ohne ein Wort des Rates oder Trost weggeschickt hatte.
„Ruhe“, sagte er den Unterricht einleitend.
Hermine sah sich schnell um und sah, dass es wie immer still im Raum wurde; alle Gesichter waren auf Snape gerichtet. Zögernd tat sie es ihnen gleich.
„Da so viele von Ihnen mehr als deutlich bewiesen haben außerstande zu sein, wortlose Zauber zu praktizieren, erscheint es nur vernünftig, dass wir unsere Zeit den Schildzaubern widmen.“
Die Klasse blieb ruhig, wartend.
„Der geläufigste Schildzauber ist natürlich der Protego. Jedoch gibt es noch zwei weitere Abwandlungen von dem Zauber. Ich nehme nicht an, dass irgendwer von Ihnen sie kennt?“
Hermine atmete einmal tief durch und streckte ihre Hand in die Luft. Er wollte Normalität? Dann würde er auch Normalität bekommen.
Snape vollführte eine übertriebene Darbietung sich in dem Raum umzusehen, bevor er seufzte und sagte: „Also schön. Miss Granger?“
„Die drei verschiedenen Arten des Protego-Schildzauber sind: der einfache Protego, Protego Horribilis und Protego Totalum.“
Er nickte ihr knapp zu.
Nun, das war weit von seinen sonstigen Beleidigungen entfernt, dachte sie, aber anstatt dankbar zu sein, war sie beunruhigt. Er wusste, dass es keine Abweichung von ihren normalen Verhalten geben durfte – das hatte er ihr selbst gesagt, dieser Mistkerl. Deshalb saß sie jetzt hier im Unterricht anstatt in ihrem Zimmer, um sich dort ihre Wunden zu lecken.
Ihre Hand schoss zurück in die Luft.
„Ja?“, schnappte er.
„Ich—ich--“, begann sie und legte noch ein kleines Zittern in ihre Stimme. „Ich dachte mir, dass Sie vielleicht noch wissen wollen, was jeder Einzelne macht.“
„Ich versichere Ihnen, Miss Granger, ich bin mir sehr wohl im Klaren über die einzelnen Zauber. Wohl wage ich zu behaupten, besser als jemand, der lediglich die Definitionen aus einem Buch verinnerlicht hat? Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich diese Klasse unterrichten lassen würden.“
Da. Das war besser. Ihre Wangen erröteten auf natürliche Weise, eine fast klassische Antwort auf seinen Zorn. Jetzt befanden sie sich wieder auf vertrauten Boden.
„Der einfache Protego-Zauber“, sagte Snape, welcher Harry zu verspotten schien, da er natürlich darin bewandert war, „ist ein monostabiler Zauber. Es wehrt den Zauber ab, der auf ihn gerichtet ist, und verschwindet dann. Er hat ein paar bleibende Auswirkungen gegenüber körperliche oder Muggel-Attacken, aber da niemand von Ihnen dumm genug sein sollte auf einen Kampf zurückzugreifen, ist seine Brauchbarkeit begrenzt. Weit mehr angemessener sind die zwei anderen Varianten, Protego Horribilis und Protego Totalum.“
Harrys Hand war in der Luft. Hermine beobachtete ihn aus ihrem Augenwinkel heraus und bemerkte zufrieden, dass er wütend seinen Zauberstab umklammerte.
„Potter?“
„Sie haben nicht erwähnt, dass der Protego-Zauber einen Zauber so stark abwehren kann, dass er zurück auf den Angreifer geworfen wird“, sagte Harry. Sie wusste, dass Harry sich auf seinen niederschmetternden Okklumentik-Unterricht mit Snape bezog.
„Ich glaube kaum, dass Unfälle eine Notwendigkeit im Lehrplan finden“, sagte Snape. „Mir ist nicht bekannt, dass dieser Zauber durchweg dieses Verhalten an den Tag legt.“
„Vielleicht sind Sie einfach nur nicht gut genug“, murmelte Harry finster. Snape warf ihm einem mörderischen Blick zu, der Hermine sagte, dass er es sehr wohl gehört hatte.
„Sollen wir es dann versuchen, Potter?“, fragte er mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Harry stand augenblicklich auf, holte mit seinem Zauberstab aus, um einen Fluch zu werfen, aber Snape gluckste leise. „Oh nein. Sie haben doch nicht wirklich angenommen, dass ich es Ihnen erlauben werde, mich zu verfluchen? Wenn Sie so davon überzeugt sind, dass der Zauber das tun wird, was Sie gesagt haben, warum erlauben Sie es mir dann nicht Sie zu verfluchen?“
Harry nickte steif, bereitete sich darauf vor den Schildzauber zu zaubern.
Snape zuckte mit seinem Zauberstab in Harrys Richtung und Harry schrie: „Protego!“
Plötzlich flog Harry durch die Luft. Hermine beobachtete entsetzt, wie er auf den Kopf gestellt wurde, in der Luft an einem Fuß baumelte, seine Roben fielen über seinen Bauch.
„Vielleicht werden Sie wortlose Zauber jetzt etwas mehr schätzen, wo Sie doch aus erster Hand ihre Vorteile erfahren haben?“, lächelte Snape süffisant.
Gott sei Dank trug er Hosen, dachte Hermine wild, zog ihren eigenen Zauberstab heraus und schrie: „Liberacorpus!“ Ihre Gedanken schossen zu dem Zaubertränkebuch des Halbblutprinzen. Harry hatte diesen Zauber erst vor Kurzem gelernt.
„Miss Granger!“, rief Snape, als Harry kurzerhand auf den Boden fiel.
„Sir?“, fragte sie wütend.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, Ihnen die Erlaubnis erteilt zu haben, Potter zu erlösen.“
„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass das Verfluchen von Schülern zum Lehrplan von Hogwarts gehört“, erwiderte sie.
„Fünfzig Punkte Abzug von Gryffindor“, donnerte Snape, „und Nachsitzen in meinem Büro um acht Uhr, heute Abend.“
„Weil ich einen Fluch aufgehoben habe?“
„Hermine“, zischte Ron und legte eine Hand auf ihren Arm. Plötzlich schien Snape zusammenzuzucken und ein merkwürdiger Ausdruck streifte sein Gesicht. Er verschränkte seine Arme, vergrub seine Hände in den Falten seines Gewandes.
„Setzen Sie sich, Miss Granger, bevor Sie für Ihr Haus noch mehr Punkte verlieren“, befahl er ihr, machte auf dem Absatz kehrt und durchquerte mit großen Schritten den Klassenraum.
Was war gerade eben passiert? Sie schaute zu Ron hinüber, aber er schien nichts Außergewöhnliches bemerkt zu haben. Harry stand von dem Boden auf und setzte sich zurück auf den Platz neben sie.
„Alles in Ordnung?“, flüsterte sie.
Er nickte, sein Blick starr nach vorne gerichtet. „Tut mir leid, dass du nachsitzen musst“, sagte er mit gedämpfter Stimme und sie nickte, als ob sie sagen wollte: „Mach dir keinen Kopf.“ Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf Snape, setzte ihren gewöhnlichen wütenden, aber dennoch interessierten Gesichtsausdruck auf.
Oh Gott, Nachsitzen. Welche perverse Art der Qual würde er sich unter diesen Umständen für sie ausdenken? Sie versuchte sich auf Snapes Vortrag zu konzentrieren, machte sich sogar ein paar Notizen zugunsten der Protego-Varianten, aber ihre Gedanken waren bereits in den Kerkern.
**
Prompt um acht Uhr klopfte sie an Snapes Bürotür. Bei ihrer Berührung öffnete sich die Tür. Mein Heim, ist dein Heim, dachte sie reuevoll, als sie den Raum betrat. Sie weigerte sich, sich ihm privat unterzuordnen, auch wenn sie es in der Öffentlichkeit tun musste.
Snape saß an seinem Schreibtisch, welcher übersät von Pergamentrollen war.
„Guten Abend“, sagte er ohne aufzublicken.
„Sir“, antwortete sie.
„Ich entschuldige mich, falls ich gestern Abend etwas grob mit Ihnen gewesen bin“, sagte er noch immer nicht aufblickend. „Ihre Darstellung heute war bewundernswert.“
„Danke, Sir. Obwohl es kaum eine Darstellung gewesen ist. Ich hätte Harry trotzdem von dem Fluch erlöst.“
„Ganz genau, Miss Granger. Hätten Sie mir gegenüber auch nur in irgendeiner Weise gezögert, hätten Sie mich … enttäuscht. Ich glaube, Sie verstehen jetzt, warum ich darauf bestanden habe, dass Sie den Unterricht beiwohnen sollten?“
„Haben Sie mich zum Nachsitzen hergeholt, damit Sie sich darüber erfreuen können?“ Bastard.
„Bestimmt nicht. Sie sind zum Nachsitzen hier, weil ich die Schüler zum Nachsitzen verurteile. Und weil die Kessel der Erstklässler Aufmerksamkeit benötigen.“
Hermine unterdrückte ein Lächeln. Zumindest war er ehrlich. „Verstehe. Darf ich Magie benutzen?“
„Selbstverständlich.“
Hermine machte sich daran, die Kessel zu säubern. Snape fuhr damit fort, die Pergamente auf seinem Tisch zu benoten. Sie war amüsiert zu bemerken, dass er leicht summte, während er arbeite. Es war weniger eine Melodie als ein permanentes Pulsieren von Missbilligungen.
Einige der Kessel waren fast vollkommen geschmolzen. Es erinnerte sie an Neville in ihrem ersten Jahr, wo er es noch nicht einmal schaffte, den einfachsten Zaubertrank zu brauen, ohne ein erschreckendes Ergebnis abzuliefern. Schweigend zauberte sie einen Stärkungszauber auf die schlimmsten Kessel, in der Hoffnung, dass ein paar der armen Schüler nächste Woche mehr Glück hatten.
„Sagen Sie, stärken Sie alle Gryffindor-Kessel oder nur Longbottoms?“
Sie zuckte zusammen, als Snapes Stimme die Ruhe durchschnitt. Als sie sich schuldig umdrehte, um ihn anzusehen, sah sie, dass er die letzte Pergamentrolle zusammengerollt hatte und bewegungslos in seinem Stuhl saß. Sie fragte sich, wie lange er sie schon beobachtet hatte.
„Sir?“
„Ich frage mich, wie Weasleys Kessel seinen letzten Versuch des Schluckauf-Trankes überlebt hatte.“
Sich erinnernd, lächelte sie. Ron hatte die Nieswurz vor dem Sophienkraut hinzugefügt, wodurch der Trank instabil wurde. Als er die gepulverten Stachelschweinstacheln hinzugefügt hatte, hatte es eine fürchterliche Explosion gegeben.
„Ich war in der Annahme, dass Sie gesagt haben, dass da nichts zwischen Ihnen und Weasley ist“, sagte Snape und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
„Ist es auch nicht“, antwortete sie.
„Wirklich?“, sagte er gelangweilt. „Die meisten Menschen starren nicht verliebt in die Ferne, wenn die Namen derer erwähnt werden, die ihnen nichts bedeuten.“
„Ich habe nie gesagt, dass er mir nichts bedeutet. Ron ist einer meiner besten Freunde. Ich habe lediglich gesagt, dass wir keine … romantische … Beziehung haben.“
„Lügnerin.“
„Bin ich nicht! Offen gesagt verstehe ich nicht, was Sie das angeht.“
„Warum es mich sorgt, wenn Sie lügen? Weil mein Leben in Ihren Händen liegt. Ich muss Ihnen vertrauen können.“
Sie knurrte fast frustriert auf. „Sie können mir vertrauen. Ich verstehe nicht, was Sie meine Beziehung zu Ron angeht!“
„Weil ich es nicht mag, wenn die Leute meinen Besitz anfassen, Miss Granger.“
Sein Besitz? „Und was genau wollen Sie damit sagen?“
„Als er Sie heute im Unterricht angefasst hat, leuchtete mein Ring golden auf“, sagte Snape. „Für einen Moment war er sichtbar. Die Ringe sind gegen Untreue verzaubert, wie Sie sicherlich selbst erkannt haben mussten. Jeder, der Sie mit … amourösen Absichten … berührt, hebt den Zauber auf.“
Hermine war sprachlos. Ron … hatte Gefühle für sie? Er hatte sie mit amourösen Absichten berührt? Für einen Augenblick hüpfte ihr Herz in ihren Hals und dann krachte es durch ihren Brustkorb, als sie erkannte, dass es jetzt irrelevant war. All die Stunden, in denen Sie seine Arbeit nachgesehen, ihr Haar verzaubert hatte oder ihre Verabredung mit den albernen Viktor Krum – alles war jetzt wertlos. Sie hatte ihn für sich gewonnen und jetzt konnte sie ihn nicht haben. Sie schürzte ihre Lippen, spannte ihr Kinn an, gewillt nicht zu weinen.
„Ich werde Sie nicht belügen, Professor Snape. Da ist nichts zwischen Ron und mir und es ist auch niemals etwas gewesen. Ich — nun, war einige Jahre lang in ihm verliebt gewesen, aber er hatte nie meine Gefühle erwidert. Das ist alles.“
Snape setzte sich vor und einige der Falten auf seiner Stirn verschwanden. Ein Blick gefüllt von Scham kreuzte sein Gesicht und war so schnell wieder verschwunden, dass sie es ich auch nur eingebildet haben könnte.
„Anscheinend haben Sie sich geirrt“, flüsterte er. „Jedoch macht dies die Dinge schwieriger. Es kann nicht sein, dass jedes Mal, wenn Weasley Ihnen die Butter reicht, mein Ring sichtbar wird.“
Sie nickte. „Ich weiß, Sir. Ich werde — nun, ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich werde auf seinen Hausaufgaben herumreiten und mich weigern seine Aufsätze nachzusehen. Ich werde den Chudley Cannons verachten--“
Snapes Mundwinkel zuckten. „Ich befürchte, das wird nicht reichen. Wenn der Junge eine Schwärmerei für Sie entwickelt hat, dann wird er diese Dinge nur als eine Herausforderung ansehen. Nein, was Sie tun müssen, ist ihm jemand anderen zum Herumknutschen zu suchen.“
„Jemand anderen zum Herumknutschen?“
„Sicherlich wird es neben Ihnen noch ein paar Mädchen in Ihrem Jahr geben, die Mitleid mit ihm haben werden?“
„Ich weiß nicht, Sir. Aber ich werde mich umhören.“
„Tun Sie das. Und Miss Granger?“
„Ja?“
„Tun Sie es schnell. So wird es weniger wehtun.“
Sie sah ihn an, Verwunderung auf ihrem Gesicht.
„Sie können jetzt gehen“, sagte er knapp, sammelte seine Pergamente ein und stand von dem Tisch auf.
***
Als Hermine durch die Porträtöffnung kletterte, sah sie, dass Harry und Ron im Gemeinschaftsraum auf sie warteten. Auch wenn sie wusste, dass sie nur das taten, was sie immer taten, dem, der bei Snape nachsitzen musste, zu bemitleiden. Innerlich seufzte sie. Es wäre auch zu einfach gewesen, einfach die Treppen zu ihrem Schlafraum zu gehen, ohne die letzten eineinhalb Stunden noch einmal zu durchleben.
„Was hat er dich machen lassen?“, frage Harry augenblicklich, als sie sich zu ihnen setzte. Sie unterdrückte ein erschöpftes Lächeln. Was hat er mich eigentlich machen lassen?
„Nichts allzu Schlimmes. Ich durfte nur die Kessel der Erstklässler säubern.“
„Mit oder ohne Magie?“, fragte Ron.
„Ohne, natürlich“, sagte sie. „Und so wie es aussah, sind die Erstklässler ungefähr genauso talentiert im Brauen von Zaubertränken wie Neville. Aber wirklich, es hätte schlimmer sein können.“
„Ich kann es einfach nicht glauben!“, sagte Harry. „Mich einfach vor der ganzen Klasse zu verhexen — er hat das genausten geplant! Er wusste, dass ich nicht bereit sein würde.“
„Ich stimme dir zu, dass es falsch war“, sagte Hermine. „Aber es beweist schon irgendwie seinen Standpunkt in Bezug auf wortlose Zauber – der Ausführende hat wirklich einen Bruchteil einer Sekunde--“
„Das weiß ich doch!“, schrie Harry. „Denkst du etwa, ich tue es nicht, weil es mir egal ist? Ich kann es nicht.“
„Du kannst es, Harry“, beruhigte Hermine ihn. „Du hast nur noch nicht ganz den Dreh raus. Wir werden daran arbeiten. Ich lass dich sogar an mir üben.“
„Kann ich auch mit üben?“, fragte Ron und Hermine fragte sich, wie sie nur so blind sein konnte. Ron Weasley fragte nach zusätzlichem Unterricht? Es hätte offensichtlich sein müssen, dass er sich letztendlich in sie verliebt hatte. Wie lange ging das schon so? Sie musste schnell handeln, um seine Aufmerksamkeit abzulenken.
„Natürlich kannst du das“, sagte sie. „Vielleicht frage ich noch--“
Gerade in diesem Moment betraten Lavender und Parvati den Gemeinschaftsraum, sie rochen nach Weihrauch und kicherten wild.
„Wir kommen gerade von Professor Trelawney“, sagte Parvati. „Sie hat Lavender vorhergesagt, dass ein gut aussehender Quidditch-Star sie von den Beinen reißen wird.“
Harry sah sie unwohl an, eine leichte Röte kroch seinen Hals hinunter.
Lavender. Das könnte funktionieren. Sie war hübsch und temperamentvoll und genauso desinteressiert am Lernen – außer Wahrsagen, natürlich – wie Ron selbst. Natürlich stand Parvati nicht zur Debatte. Ron hatte seine Verabredung mit ihrer Schwester, Padma, in ihrem vierten Jahr auf dem Weihnachtsball so vermasselt, dass Parvati kaum mit ihnen sprach.
„—Lavender!“
„Ja?“ , sagte die blonde Hexe und begutachtete Hermine skeptisch.
„Oh, ich habe gerade noch zu den Jungs gesagt, dass sie etwas Hilfe mit ihren wortlosen Zaubern brauchen könnten und ich habe mir überlegt, vielleicht könntest du ja mit uns zusammen üben?“
Argwöhnisch schaute Lavender von Harry zu Ron. Dann schien sie sich an Trelawney „Prophezeiung“ zu erinnern und ihre Miene hellte sich auf. „Sicher! Ich könnte auch noch etwas Übung gebrauchen!“
„Ausgezeichnet!“, sagte Hermine und ignorierte die fragenden Blicke von Harry und Ron.
„Nun, wir wollten gerade nach oben gehen“, sagte Parvati, offensichtlich mehr als bereit sich von Rons Gegenwart zu befreien.
„Ich komme mit euch“, sagte Hermine und sprang aus ihrem Sessel. Sie wusste, dass jeder in dem Raum einen ähnlich verwirrten Gesichtsausdruck tragen musste, also blickte sie niemanden an und eilte die Stufen zum Schlafraum der Mädchen hinauf.
„Also, was ist los, Hermine?“, fragte Lavender zögernd, als sie ihr Zimmer erreicht hatten.
„Nichts. Ich habe nur heute genug von ihnen.“ Sie seufzte schwer, als ob sie deutlich machen wollte, was für ein Ballast Harry und Ron sein konnten. Parvati schnaubte zustimmend. Beiß an, Lavender, dachte sie. Beiß an.
„Oh, aber ich denke, dass du Glück hast“, sagte Lavender. „Harry und Ron folgen dir einfach überall hin.“
Verkauft!, dachte sie triumphierend. „Nun, es wäre natürlich etwas anderes, wenn wir ausgehen würden“, sagte Hermine. „Aber so wollen sie nur, dass ich ihre Hausaufgaben korrigiere.“
Lavender nickte mitfühlend. Dann fragte sie: „Bist du … bist du in einen von ihnen verliebt?“
„Oh, nein. Ich bin noch immer mit Viktor zusammen“, log Hermine.
„Ich habe mich oft gewundert!“, rief Lavender. „Erzähl, ist er genauso dunkel und mysteriös, wie er ausschaut?“
Viktor? Dunkel und mysteriös? Nun, sie nahm an, dass es für jemanden so ausschauen musste, der nicht seit sechs Monaten damit gekämpft hatte ein Wort zu verstehen. „Ja, er ist sehr … stark“, sagte sie.
„Du hast ja solch ein Glück“, quietschte Lavender erneut.
Hermine senkte mit einem kleinen Lächeln ihren Blick und hoffte sie sah bescheiden und ergriffen aus. „Ja, gut, er macht mich glücklich. Aber wenn ich Viktor nicht hätte“, fügte sie hinzu, „denke ich, dass Ron ein ausgezeichneter Treffer sein würde.“
„Ron?“, sagte Parvati. „Ron ist der rücksichtsloseste Dummkopf, den ich kenne! Auf dem Weihnachtsball, da hat er--“
„Aber das ist schon Jahre her“, unterbrach Hermine sie. „Er ist … seitdem ziemlich erwachsen geworden …“ Sie verstummte, rief somit eine Menge von unangebrachten Dingen hervor, die wahrscheinlich gelogen waren.
„Wirklich?“, fragte Lavender. „Ich hätte eher gedacht, dass Harry--“
„Nein, nicht Harry“, sagte Hermine. „Harry ist zu beschäftigt, weißt du. Zwischen Du-weißt-schon-wem und Quidditch … nun, ich glaube einfach nicht, dass er der aufmerksamste Freund wäre. Und er ist auch etwas klein, findest du nicht?“, fügte sie mit einem verräterischen Gefühl hinzu.
„Nun …“, begann Lavender. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Und er geht auch nicht mit der Mode, oder? Ron ist da viel beständiger.“
„Ja“, stimmte Hermine ihr zu, verblüfft darüber, dass man sich eine Person darüber aussuchte, ob er modisch war oder nicht.
„Danke, Hermine!“ Lavender strahlte, als sie ihre Robe auszog. „Und du weißt ja, wenn du jemals einen Rat mit Viktor oder so brauchst …“
„Wirst du die Erste sein, die ich fragen werde“, sagte Hermine.
Hermine sank auf ihr Himmelbett, in ihrem Kopf jagten sich die Ereignisse gegenseitig. Also hatte sie Ron jetzt an Lavender überreicht. Es tat weniger weh, als sie gedacht hatte, auch wenn sie erkannte, dass sie es nicht genau wusste, bis sie sie zusammen sehen würde. Aber sicherlich hatte Snape Recht- es war am besten, wenn sie einfach weitermachen würde. Und wie seltsam das war, als er es ihr vorgeschlagen hatte. Er hatte einen solch … nostalgischen … Blick gehabt, als ob er einen Rat geben würde, den er sich hart erkämpft hatte. Tut er dir jetzt etwa leid, Hermine Granger?, dachte sie. Nachdem er Harry verhext und dich zum Nachsitzen verdonnert hatte … ganz zu schweigen von … nun … Aber, er war doch nicht so schlimm gewesen, oder? Er hatte sogar mit ihr gescherzt, auf seine Art und Weise, und hat ihr gesagt, dass er sie hat nachsitzen lassen, weil er selbst nicht die Kessel säubern wollte. Er macht dich weich, dachte sie scharf. Er macht dich weich, damit er das nächste Mal noch härter zuschlagen kann und das darfst du nicht zulassen.
Sie driftete mitten in ihren verwirrten Gedanken in den Schlaf.
***
Zurück in seinen Gemächern, ging Snape ruhelos von Zimmer zu Zimmer. Warum hatte er sie so viel von seinem Zuhause sehen lassen? Jetzt gab es keinen Ort mehr, wo er einfach nur sitzen konnte, ohne von Erinnerungen an ihre blassen, delikaten Händen und ihrem warmen, bereitwilligen Mund heimgesucht zu werden. Und diesen lächerlichen Busch, den sie Haare nannte, dachte er wild. Ganz zu schweigen von ihren Zähnen. Offenbar ist sie nicht so schlau, wie alle sagten, wenn sie noch nicht einmal erkannt hatte, dass Weasley hinter ihr her war.
Er ging ihre Nachsitzstunde in seinem Kopf noch einmal durch und versuchte sich damit zu beruhigen, dass er seinen Teil als den herzlosen Zaubertränkemeister so gut wie immer gespielt hatte. Wie ungewöhnlich ihr gemeinsamer Umstand auch sein mochte, konnte er ihr nicht erlauben, seine Darstellung zu durchdringen. Vielleicht hätte er härter mit dem Mädchen sein sollen. Es war einfach nur ein Trost für ihn, dass es da endlich noch jemand anderen in diesen Mauern gab, die ebenfalls ein Doppelleben führte. Jemand, der er vielleicht vertrauen konnte.
Du darfst dich nicht auf sie verlassen. Sie mag dir vielleicht vertrauen, sagte er sich ernst, aber sie wird nie deine Freundschaft oder sonst was von dir haben wollen. Es wäre für sie undenkbar. Und das war heute während ihrer Unterhaltung mehr als deutlich gewesen. Es war ihr noch nicht einmal in den Sinn gekommen danach zu fragen, wer ein Interesse für ihn hegen könnte, wer ihren verdammten Ring sichtbar machen könnte. Wer könnte schon Severus Snape lieben?, würde sie denken, wenn er es ansprechen würde. Niemand, anscheinend. Noch nicht einmal seine Frau. Aber was bedeutete es schon? Es würden noch ein paar Monate der Folter vor ihm liegen und dann die köstliche Stille der Unendlichkeit.
Endlich setzte er sich zurück an seinen Schreibtisch und begann mit seiner Arbeit.
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