von Xaveria
Nach dem Abend, an dem sie nachsitzen musste, verlief das Leben in Hogwarts wie gewöhnlich, bis ihr dieser ganze Vorfall wie ein merkwürdiger Traum vorkam. Der Unterricht ging weiter – besonders hatte sie die Einleitung der Runen Dreiecksmethode in Arithmantik genossen und selbst Verteidigung gegen die Dunklen Künste verlief problemlos. Sie und Snape fuhren mit ihrem Schlagabtausch fort und sie wurde langsam geschickt in wortlosen Zaubern. Natürlich vermied sie Ron geflissentlich und war dankbarer denn je, dass sie … ah, dabei assistiert hatte … dass er dem Gryffindor Quidditch Team beitreten durfte und so waren er und Harry oft beim Training.
Professor Slughorns Versammlungen waren für sie ebenfalls eine Zuflucht, und auch wenn sie oft dachte, dass sie sterben würde, wenn sie noch ein Gramm von der kristallisierten Ananas essen musste, war sie dankbar für die Zeit, die sie mit Harry und Ginny verbringen durfte, ohne jedes Mal vor Rons Berührung zu flüchten. Im Grunde war der einzige Gedanke, den sie in letzter Zeit ihrer Situation abverlangen konnte, war der, dass sie hoffte, das Lavender sich etwas beeilen würde und endlich den ersten Schritt tat, damit auch der Rest ihres Lebens wieder in normalen Zügen verlaufen konnte. Sie vermisste die einfache Freundschaft zwischen ihr und Harry und Ron.
Eines Freitagabends, nach Astronomie, gingen die drei von der Küche zurück, wo sie sich einen abendlichen Nachtsnack gegönnt hatten, spürte sie, wie ihr Ring sich erwärmte und schließlich zu brennen begann. Sie verkrampfte ihre linke Hand zu einer Faust und sah sich um, wohin sie verschwinden konnte.
„Ich weiß nicht“, sagte Harry. „Er ist natürlich gut, aber ich wollte ihn nicht fragen, bevor ich es nicht mit dir abgesprochen habe … du weißt schon, er ist Ginnys Freund und …“
Ron blickte finster drein und hatte seine Hände in die Taschen seiner Robe gestopft. „Ich denke, dass es vollkommen egal ist“, antwortete er dunkle. „Ich meine, der Punkt ist doch die Slytherin zu besiegen … also, wenn du es musst … Auch wenn ich mir immer noch wünschen würde, dass du mich aus dem Team raus lässt.“
Plötzlich sah sie eine Antwort vor sich. „Hey, ihr beiden, geht ihr schon mal vor. Ich gehe noch mal schnell auf die Toilette“, sagte sie, bestrebt endlich den Ring von ihrem Finger zu entfernen. Sie fragte sich, ob magische Verbrennungen eine Narbe hinterlassen konnten.
„Wir sehen dich dann im Turm“, sagte Harry und wandte sich zurück an Ron. „Ich weiß, Mann, aber wir müssen es Malfoy zeigen, selbst wenn …“, seine Stimme verstummte, als sie die Tür hinter sich schloss. Sie eilte in eine Kabine, riss den Ring herunter und hielt ihn ins Licht.
Büro des Schulleiters. Allein. Beeilung.
Kälte floss durch sie hindurch. Nicht einmal in den letzten vier Wochen hatte Snape den Ring benutzt, um sie zu kontaktieren. Und wenn sie jetzt darüber nachdachte, dann hatte sie ihn … seit Montag? ... während den Mahlzeiten nicht in der Großen Halle gesehen. Panik begann in ihr aufzusteigen. Wo ist er gewesen? Sie steckte den Ring wieder an, eilte in Richtung des Büros des Schulleiters, lief zurück durch den Korridor für Zauberkünste, damit sie Harry und Ron nicht begegnete.
Als sie vor dem Wasserspeier zum Stehen kam, erkannte Hermine, dass sie das Passwort nicht wusste.
„Zischende Wissbies?“, fragte sie hoffnungsvoll. Ungerührt starrte der Wasserspeier sie ernst an.
„Verdammt“, fluchte sie und zog ihren Zauberstab aus ihrer Tasche. Sie berührte den Ring und dachte Passwort? mit all ihrer Kraft. Sekunden später erwärmte sich der unsichtbare Ring und sie schaute auf die Innenseite. Trotz ihrer Angst kräuselten sich ihre Lippen.
„Eismäuse“, sagte sie dem Wasserspeier und er sprang zur Seite.
Sie nahm gleich zwei Stufen auf einmal und preschte, ohne vorher anzuklopfen, durch Dumbledores Bürotür. Sie fand ihn über Professor Snape gebeugt, welcher bewusstlos über einen überfüllten Stuhl hing. Seine Roben waren getränkt mit Blut, auch wenn sie die Quelle nicht ausmachen konnte. Dumbledore hielt Snapes Ring in einer Hand und in der anderen seinen Zauberstab. Hermine erkannte, dass er den Ring benutzt hatte, um sie herbeizurufen, da Snape offenkundig zu schwer verletzt war, aber dennoch verspürte sie eine neugierige Erleichterung, als er den Ring zurück an Snapes Finger steckte.
„Professor Dumbledore … was …?“
„Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, Hermine“, sagte Dumbledore, trat hinter sie, um die Tür zu schließen. „Wie Sie sehen, wurde Professor Snape verletzt.“
„Hatte er … war es … Voldemort?“
„Ja. Professor Snape wurde am frühen Dienstagmorgen gerufen. Er ist jetzt gerade erst zum Schloss zurückgekehrt. Ich bin überaus dankbar, dass er es zum Schloss geschafft hat.“
„Warum ist er nicht im Krankenflügel? Soll ich Madam Pomfrey holen?“
„Das denke ich nicht“, sagte Dumbledore. „Madam Pomfrey ist eine ausgezeichnete Heilerin, aber sie hat keine Erfahrungen mit solch dunkler Magie – und der Cruciatus-Fluch ist unverkennbar in seiner Auswirkung. Sie wäre zu Recht alarmiert und würde einige Fragen stellen. Nein, für gewöhnlich kümmere ich mich um Professor Snape selbst.“
Hermine spürte, wie ihr ganzer Körper taub wurde, als er die Worte ‚Cruciatus-Fluch‘ gesprochen hatte. „Was ist es dann, Sir? Brauchen Sie Hilfe?“
„Ich befürchte, dass ich ziemlich viel Hilfe benötige. Ich muss für ein paar Dinge … die Harry betreffen, das Schloss verlassen“, sagte er und warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. „Es kann nicht warten. Ich muss Sie darum bitten, sich um Professor Snape zu kümmern.“
„Um ihn kümmern? Aber, wenn schon Madam Pomfrey nicht--“
„Ich habe absolutes Vertrauen in Sie“, sagte Dumbledore, ihren Protest vollkommen ignorierend. „Ich habe bereits rausgesucht, was Sie benötigen werden: Einige Heilungszauber, auch wenn ich mir sicher bin, dass Sie bereits mit ihnen vertraut sind; Diptam- und Murtlapessenz, um die Wunden zu heilen und zu beruhigen, aber seien Sie vorsichtig nicht zu viel von beiden aufzutragen, da sie manchmal unerwünschte Wechselwirkungen hervorrufen könnten; und der Trank für einen traumlosen Schlaf. Wie Sie sehen können, habe ich ihm bereits eine Dosis verabreicht. Sie müssen auf Schüttelfrost und Fieber achten. Zauber gegen Schüttelfrost schocken – halten Sie ihn warm mit seinen Gliedmaßen hochgehoben. Fieber deutet für gewöhnlich auf eine Infektion hin. Wenn er Fieber bekommt, dann setzen Sie das Murtlap ab und erhöhen das Diptam. Und Kältekompressen sind niemals verkehrt.“
„Aber Sir--“
„Hermine, ich würde Sie nicht darum bitten, wenn es nicht einer so großen Notwendigkeit bedarf“, sagte er bestimmt. „Der Cruciatus-Fluch manifestiert sich für gewöhnlich in Albträumen und Muskelkrämpfen. Seien Sie vorsichtig und massieren Sie jegliche Krämpfe, die auftreten könnten, aus seinen Muskeln.“
„Aber, Sir, die Verletzungen? Woher kommen sie?“
„Auspeitschungen-“, flüsterte Dumbledore, „der besonders widerwärtigen Sorte. Voldemort besitzt eine Peitsche, die die Qual für Stunden fortsetzt, selbst wenn die Schläge längst aufgehört haben. Er wird jeden Schlag noch einmal erleben, diesmal, als ob sie aus Flammen angefertigt seien. Das ist der Grund für den traumlosen Schlaf-Trank. Ich habe bisher noch kein Heilmittel für den Schmerz gefunden. Er wird schreien, also vergewissern Sie sich, dass Sie seine Gemächer isolieren.“
„Seine Gemächer?“
„Er braucht jetzt Bettruhe. Und wenn er in seinen eigenen Räumen ist, werden Sie beide nicht auf Harrys Karte zu sehen sein. Ich werde Ihnen dabei helfen, ihn durch den Kamin zu bringen, aber dann muss ich los.“
Hermine war fast starr vor Angst, aber sie wagte es nicht dem Schulleiter zu widersprechen, noch wagte sie es Snape in seiner Qual allein zu lassen, also legte sie seinen linken Arm über ihre Schulter, während Dumbledore den rechten nahm. Sie stolperte fast unter seinem Gewicht, aber sie stützte sich ab und trug ihn, Stück für Stück, zum Kamin.
Sie sah Dumbledore an, damit er das Netzwerk aktivierte, aber er schüttelte nur den Kopf und sagte: „Sie sind die Einzige, die es können.“ Ah ja. Ihr anderes Zuhause. Hatte er sie deshalb gerufen? Weil er Snapes Gemächer nicht ohne sie betreten konnte? Hermine verdrängte diesen merkwürdigen Gedanken aus ihrem Kopf. Was auch immer der Grund war, Snape war in einen katastrophalen Zustand und brauchte Hilfe.
Nachdem sie ihn in sein Bett gebracht hatten, drehte sich Dumbledore zu ihr um. „Bevor die Krämpfe beginnen, müssen Sie schnell die Wunden säubern und verschließen. Ich hoffe, morgen früh wieder zurück zu sein. Wenn er aufwacht, Hermine, dann könnte er eventuell blind sein. Versuchen Sie nicht in Panik zu geraten. Bisher ist es immer vergangen.“
„Professor Dumbledore — was ist mit Harry und Ron? Sie werden sicherlich nach mir suchen!“
„Ich werde mich darum kümmern, Miss Granger“, sagte er knapp. „Jetzt — ist es Professor Snape, der Sie braucht.“ Und damit trat er in den Kamin.
In nur einem Augenblick war er verschwunden und Hermine war wieder einmal alleine mit Snape in seinem Schlafzimmer. Denk nicht nach, sagte sie selbst. Handle einfach. Sie benutzte ihren Zauberstab, um einen Schweigezauber über seine Gemächer zu legen und entfernte mit einer schnellen Bewegung seine Kleidung und schnappte nach Luft, als sie das Ausmaß seiner Verletzung erblickte. Fast jeder Zentimeter von ihm war bedeckt mit geschwollenen, roten Striemen, aus denen zumeist noch Blut austrat. Er sieht aus wie eine Straßenkarte, dachte sie und schloss für einen Moment fest ihre Augen, nicht in der Lage sich die geschundene Abscheulichkeit, die die Haut ihres Professors – ihres Ehemannes – war, anzusehen ...
Hermine wappnete sich und zauberte eine Schale gefüllt mit Wasser und die weichste Kleidung, die sie bekommen konnte, an ihre Seite. Sie zauberte einen allgemeinen Säuberungszauber über seinen Körper und begann mit der Arbeit jede einzelne Wunde zu reinigen. Snape wimmerte leise, als sie sein geschundenes Fleisch berührte und das Geräusch, so leise es sein mochte, riss in ihren Ohren. Snape sollte keine Schmerzen haben – er sollte sie austeilen. Sie schielte hinüber zu Dumbledores Notiz, welche er auf den Nachttisch liegen gelassen hatte und vergewisserte sich, dass sie die Zauber kannte, bevor sie damit begann, die Wunden zu heilen.
Es war eine schmerzhafte Arbeit und sie wusste, dass ihr die Zeit davon lief. Die Wunden mussten vor den Krämpfen geheilt sein - nicht nur, weil er dann in Bewegung sein würde und sie sich nicht sicher war, ob sie ein bewegliches Ziel behandeln konnte, sondern weil das Risiko einfach zu groß war, das noch irgendwelche offenen Schnitte alles verschlimmern würden. Sie versuchte schnell zu arbeiten, drehte das Gefäß mit dem Murtlap in ihrer linken Hand auf, während sie ihn mit ihrer rechten heilte. Sie würde mit dem Diptam warten, bis es wirklich nötig war. Ohne irgendwelche Hilfe hatte sie Angst, irgendwelche Reaktionen hervorzurufen. Er gab ein leicht zischendes Geräusch von sich, aber Hermine wusste nicht, ob es vor Schmerzen oder Erleichterung war. So sanft, wie sie konnte, umfasste sie seine Schulter und seine Hüfte und rollte ihn herum.
Da schrie er auf und sie stammelte eine hastige Entschuldigung. Sie fand, wenn sie mit ihm sprach, es sie selbst beruhigte, also redete sie weiterhin mit ihm, als sie seinen Rücken bearbeitete, wo die Wunden noch länger und tiefer waren.
„Es tut mir leid, Professor Snape. Ich verspreche Ihnen, ich versuche Ihnen nicht wehzutun. Professor Dumbledore musste gehen; ich weiß, für gewöhnlich macht er das für Sie. Ich bin mir sicher, dass Ihnen das jetzt lieber wäre, als mich hier zu haben!“ Sie hielt inne und lachte schrill. „Auch wenn es da nichts gibt, was ich nicht schon gesehen habe. Ihren Körper meine ich, nicht diese Wunden. Ich habe noch nie zuvor solche Art von Wunden gesehen. Professor Dumbledore hat gesagt, dass Sie ausgepeitscht wurden. Ich kann kaum glauben, dass jemand - irgendjemand – so grausam ist und jemand anderen so etwas antun kann. Das haben Sie nicht verdient, Professor. Ich kann nur hoffen, dass ich Ihnen etwas von dem Schmerz nehmen kann.“
So redete sie weiter, ließ ihre Stimme wie Balsam arbeiten, ließ ihre Gedanken frei. Sie war so verängstigt, dass sie wusste, falls sie damit anfangen würde, die Situation genauer zu betrachten, sie dann nicht weitermachen könnte. Was, wenn sie ihm nur noch mehr Schmerz bereitete? Was, wenn er starb, bevor Dumbledore zurückkehrte? Was wenn, und dieser Gedanke erschreckte sie so sehr, dass sie ihn nicht geradewegs ausführen konnte, sondern immer nur um ihn herumtanzte, was wenn dies passiert war, weil Voldemort von ihr erfahren hatte?
Sie hatte kaum den letzten Schnitt geheilt, als seine Hände krampfhaft zu zucken begannen. Schnell wandte sie sich an ihn und legte ihre Wange auf seine Stirn, so wie es immer ihre Mutter getan hatte, als sie ein kleines Kind war, um seine Temperatur zu überprüfen. Warm und klebrig, danke Merlin. Ein Fieber würde heiß und trocken brennen. Also konnte er noch mehr von dem traumlosen Schlaf und Murtlap bekommen. Sie dosierte den Trank und setzte ihn an seine Lippen an, ließ ihn seine Kehle hinunter gleiten. Er hustete leicht, aber schluckte, als sie seinen Hals massierte.
„Ist schon gut“, flüsterte sie. „Ich bin hier und ich werde Sie nicht alleine lassen.“
Seine rechte Hand zuckte noch immer, also nahm sie sie in ihre eigene und rieb mit ihren Daumen darüber, um die Anspannung in seinen Muskeln zu lösen. Sanft arbeitete sie daran seine Finger zu öffnen, drückte jeden einzelnen und wärmte sie in ihrer Handfläche. Auch wenn sie jetzt sehen konnte, dass zwei seiner Knöchel gebrochen waren, verschwanden ein paar der tiefen Falten aus seinem Gesicht. Die Massage zeigte Wirkung. Sie würde die Knochen später richten.
Er begann seine Beine anzuziehen und Hermine konnte sehen, wie sich die Muskeln in seinen Waden zu Knoten verkrampften. Ein wehklagendes, flehendes Geräusch entfloh seinen Lippen und sie sammelte ihren letzten Willen, um es zu ignorieren und schnappte sich seinen linken Fuß und zog sein Bein entgegen seinem Protest in die Länge. Sie drückte ihren Handballen gegen seine Zehen, zwang dadurch seinen Fuß gerade zu liegen. Sie wusste, dass es schmerzen musste, aber es gab nur eine einzige Möglichkeit die krampfenden Muskeln zu bezwingen – sie musste sie gestreckt halten. Langsam brachte sie sein rechtes Bein in dieselbe Position, drückte seine Füße gegen ihre Rippen, als sie mit ihren Händen über seine Beine fuhr, um sie warm und geschmeidig zu halten. Als ihre Hände auf und ab über die Wundränder fuhren, die sie gerade verursacht hatte, dachte sie an diese Nacht zurück … ihre Hochzeitsnacht … und die Narben, die sie auf seinen Rücken gefühlt hatte. Wie lange musste er schon diese Qualen erleiden? Sie schämte sich, dass sie nie wirklich darüber nachgedacht hatte, wie das Leben eines Todessers wirklich sein musste. Oh, sie hatte gewusst, dass er sie und die anderen Schüler beschützte, aber vor genau was, daran hatte sie bisher keinen Gedanken verschwendet. Wie oft brach er in Dumbledores Büro zusammen? Wie oft hatte sie gelästert, wenn er bei den Mahlzeiten abwesend, wenn er in Wirklichkeit hier unten war, vor Schmerzen schreiend, gefoltert von einem unsichtbaren Meister, dessen Halt über ihn nie nachgab?
Sich zurück auf die Bettkante setzend, begann Hermine wieder bei seinen Händen, welche sich zu Fäusten verkrampft hatten, arbeitete sich langsam seine Arme zu seinen Schultern hoch. Sein Kopf wackelte ruckartig auf dem Kissen und sie wusste, dass er an den wohl weltweit schlimmsten Kopfschmerzen leiden musste. Sie hielt in ihrer Fürsorge lange genug inne, um das Wasser in der Schale aufzufrischen und eines der Handtücher darin einzutauchen. Sie rollte es auf und legte es auf seine Stirn, strich seine Haare aus seinem Gesicht. Oh Gott, auch seine Nase war gebrochen. Diese richtete sie schnell, weigerte sich das Geräusch zu hören, als sie sich wieder einrenkte. Sie dachte, dass anders als bei seinen Fingern, die Wahrscheinlichkeit, dass sie während der Prozedur noch einmal gebrochen wird, relativ gering war.
Letztendlich konnte sie nicht mehr mit der Geschwindigkeit seiner Krämpfe mithalten. Snapes Knie zogen sich zusammen, während sie noch immer mit seinen Nackenmuskeln beschäftigt war, seine Arme verkrampften und zogen sich zusammen, während seine Bauchmuskeln ihn in einen harten, zuckenden Ball zusammenrollen ließen. Er stöhnte vor Anstrengung und Schmerz. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Plötzlich schrie er auf und sein gesamter Körper schien zu erstarren, wappnete sich gegen einen Schlag, den sie nicht sehen konnte.
Nein, dachte sie. Nein. Nicht schon die Nachbeben. Ich bin dem nicht gewachsen.
Tränen traten aus seinen Augen, auch wenn er nicht weinte. Ihre Hände arbeiteten vergeblich über seine Beine; sie konnte sehen, wie seine Hände bereits wieder über dem Bettlaken zuckten, reduziert auf nutzlose Klauen. Frustriert streifte sie sich ihre Schuhe ab und streckte sich neben ihm aus, umschloss seine Füße mit den ihren, benutzte ihren Körper, damit er gerade liegen blieb. Sein Körper war kalt unter ihren Berührungen. Kalt-- Schock!, dachte sie und drehte sich um, griff nach ihrem Zauberstab und legte einen Wärmezauber über das Bett, seinen Körper, sogar über sich selbst. Sie konnte seine Gelenke nicht hochlegen, während er in diesem Zustand war, aber sie würde versuchen zu verhindern, dass er unterkühlte.
„Shhhh“, beruhigte sie ihn sinnlos. „Es ist jetzt vorbei. Sie sind in Ihrem eigenen Bett. Das sind nur die Nachbeben. Niemand verletzt Sie jetzt mehr.“ Es fühlte sich an wie eine Lüge. Jemand verletzte ihn ziemlich stark und abgesehen von den Schlägen, die sie in Vertretung erhielt, wollte sie zwischen ihm und der geisterhaften Peitsche stehen, um zumindest einen Teil für ihn zu ertragen.
Er kämpfte für Stunden. Es gab kurze Perioden, wenn die brennenden Peitschenschläge abklangen und sie konnte damit fortfahren seine Nackenmuskeln oder die Muskeln in seinen Schenkeln zu massieren, als es plötzlich alles wieder von vorne begann und sie sich wieder einmal in der Rolle einer menschlichen Streckjacke wieder fand. Einmal sah sie ein neues Blutrinnsal auf sein Kissen tropfen und ihr Herz hörte fast auf zu schlagen, bis sie erkannte, dass es ihr eigenes Blut war. Er hatte mit seinem Kinn fest genug gegen ihre Augenbraue gestoßen, um sie aufzuschlagen. Sie wagte es nicht einen Heilungszauber auf eine Wunde, die sie nicht sehen konnte, auf sich selbst anzuwenden, also wischte sie das Blut aus ihrem Gesicht und presste eines der Kleidungsstücke darauf. Das musste ausreichen.
Sie schaute auf die Uhr. Vier Uhr früh. Wo zum Teufel war Dumbledore? Hermine war so erschöpft, dass ihre eigenen Muskeln zu zucken begannen. Ihre Haut spannte vor Müdigkeit und war taub und ihre Augenbraue begann dort, wo sie verletzt war, an zu brennen. Snapes Schreie ließen für einen Moment nach. Sie sah in sein Gesicht und seine Augen waren geöffnet.
„Professor“, flüsterte sie. „Sind Sie wach?“
Er antwortete ihr nicht, aber umklammerte sie fest und presste seine Augen erneut zu. Licht!, dachte sie und erinnerte sich an seine Kopfschmerzen. Schnell löschte sie die Lampen, was sie in Dunkelheit liegen ließ, und horchte auf seine Atmung, bis sich ihre Augen an das fehlende Licht gewöhnt hatten.
Snape schien sich zu guter Letzt beruhigt zu haben. Er bewegte sich, wie sie vermutete, um den Druck von seinen verwilderten Rücken zu nehmen und stöhnte leicht. Seine Atmung war flach aber gleichmäßig. Da begann Hermine zu schluchzen, endlich war sie von ihrer Pflicht, durch die Tatsache, dass er in einen normaleren Schlaf gefallen war, befreit.
Sie weinte, bis sie sich wie ein hohler Baumstumpf fühlte, und taumelte ihm dann reizlos nach in den Schlaf.
***
Als er aufwachte, hatte er keine Ahnung, wo er sich befand oder wie spät es war. Es war dunkel, aber das war absolut keine Garantie für irgendetwas, da er schon viel zu oft in der Dunkelheit aufgewacht war, nur um herauszufinden, dass er unter vorübergehender Blindheit, die dem Cruciatus Fluch folgte, litt.
Cruciatus, ja. Langsam kam es zurück. Er war an einem Dienstagmorgen verschwunden, herbeigerufen durch das höllische Brennen des Dunklen Mals. Er hatte von den letzten drei Tagen kein Gespür und er wusste nur, dass etwas nicht in Ordnung war. Voldemort hatte schon oft seine Todesser gerufen, einfach nur, um sie in Verlegenheit zu bringen. Er mochte den Gedanken, dass sie gezwungen waren alles stehen und liegen zu lassen, um für seine Bedürfnisse da zu sein. Er hatte die Zeit damit verbracht Zaubertränke für Voldemort zu brauen und sich über Erinnerungen des jungen Potters zu amüsieren. Aber am Freitag wurde Voldemort hinterhältig und missmutig, und Snape begann zu vermuten, dass er irgendwie mit dem widerwärtigen Zauberer aneinander geraten war.
„Ich habe darüber nachgedacht, dich aus Hogwarts zu entfernen“, hatte er gesagt, seine roten, reptilienartigen Augen hatten Snape vorsichtig bei seiner Antwort beobachtet.
„Wirklich?“, hatte Snape gelangweilt geantwortet. „Wenn Ihr nicht länger einen Spion in Hogwarts benötigt, würde ich dem keiner Träne nach weinen. Die neuen Schüler dieses Jahr sind besonders hoffnungslos.“
„Es ist nicht die Tatsache, dass ich keinen Spion in Hogwarts benötige, Severus“, zischte Voldemort. „Sondern, das ich mich anfange zu fragen, ob du überhaupt spionierst.“
„Ihr seid mit meiner Arbeit, die ich tue, unzufrieden, mein Herr?“
„Warum gibt es dann keine weiteren Neuigkeiten? Was planen sie für Potter? Warum höre ich nichts anderes außer dem Aufenthaltsort von dem Werwolf oder den Dingen, die der alte Narr Moody tut?“
„Weil sie töricht sind, mein Herr. Sie schmieden keine Pläne; sie vertrauen nur darauf mit ihren schwächlichen, kindlichen Gedanken die Euren zu erraten. Sie denken nur an die Sicherheit ihrer Mitglieder – wo man solche wie Lupin und Moody versteckt halten sollte – und verschwenden keinen Gedanken an den Krieg. Sie besitzen nicht Euer Talent für Macht und Herrschaft.“
Voldemort sah leicht besänftigt aus, aber dann hatte er plötzlich nach Snape gegriffen und sein Gesicht in seine leichenblassen Hände genommen. Rote Augen bohrten sich in schwarze, als er „Legilimens!“, zischte.
Die Mauern waren schon halb hochgezogen gewesen. Snape erschien niemals ohne einen elementaren Grundsatz an Okklumentik, wenn er vor den schlangenartigen Mistkerl trat. Aber Voldemort hatte ihn überrascht und er hatte seine Gedanken gegen das Eindringen geschützt, aber er wusste, dass einige geheime Räume bereits verletzt worden waren.
„Wer ist das Mädchen?“, fragte Voldemort.
Snape wusste, dass es keinen Punkt mehr gab, etwas vorzutäuschen. Wenn Voldemort interessiert war, dann hatte er mehr als nur ein Gesicht in einem Klassenraum gesehen.
„Potters Freundin“, sagte er neutral.
„Was hatte sie in deinen Gemächern zu suchen?“
„Ich hatte den Eindruck, dass Ihr wollt, dass ich spioniere“, sagte Snape ruhig. „Ich spionierte.“
„Crucio!“, zischte Voldemort. „Ich werde solche Dreistigkeit nicht tolerieren. Erkläre dich.“
Als Snape wieder sprechen konnte, stammelte er: „Sie ist Potters Freundin, mein Herr, und sie glaubt, dass ich vertrauenswürdig sei. Ich habe ihr erlaubt, mich als ein Mitglied des Ordens zu sehen. Sie wird Neuigkeiten haben, Neuigkeiten, die vielleicht sogar wertvoller sind, als von denen, die Angst haben, in meiner Gegenwart zu reden. Ich habe mich in ihre Gunst geschlichen.“
„In ihre Gunst geschlichen, sagst du? Für wie lange, Severus?“
„Seit Beginn des Schuljahres, mein Herr.“
„Und warum höre ich erst jetzt zum ersten Mal davon?“
„Ich dachte — ich wollte sehen, was ich von ihr erfahren könnte und es Euch als Geschenk überbringen.“
„Deine Aufgabe ist es zu spionieren – was du dabei herausfindest, ist kein Geschenk, sondern deine Pflicht.“
„Ja, mein Herr.“
„Ich muss dich bestrafen, Severus. Ich kann nicht zulassen, dass du meine Pläne durch dein dummes Herumschnüffeln ruinierst.“
„Ja, mein Herr.“
„Aber du darfst mit dem Mädchen weitermachen, solange es nicht mit deinen anderen Aufgaben kollidiert. Ich erwarte einen vollständigen – und sofortigen – Bericht über alles, was sie weiß, was für uns von Interesse sein könnte.“
Snapes letztes „Ja, mein Herr“, ging in einem Schrei unter, als Voldemort ein weiteres Mal den Cruciatus-Fluch auf ihn richtete.
Er war kaum bei Bewusstsein, als Voldemort als Nächstes seine Kleidung von seinem zuckenden Körper entfernte und mit der verfluchten Peitsche begann.
Danach war nichts mehr. Aber die Tatsache, dass er in einem Bett lag und sich leicht bewegen konnte, ohne zu schreien, sagte ihm, dass er es irgendwie zurück nach Hogwarts geschafft hatte. Er konnte rechts neben sich ein leises Atmen hören. Sein Zustand musste bedenklich gewesen sein, wenn Dumbledore die Nacht bei ihm geblieben war.
Plötzlich wurde er von Feuer erfasst, ein schreckliches, beißendes Brennen, welches von seinem Gesäß über seinen Rücken fuhr. Er schnappte nach Luft und rollte sich von dem Schmerz weg, trat nach jeglicher Quelle, die es sein könnte. Es ist die Peitsche, dachte er. Spar dir deine Kräfte, aber es biss erneut zu, diesmal in seine rechte Schulter und er konnte nur in die Luft schlagen, verzweifelt seinem feurigen Angreifer zu entkommen. Seine Faust traf auf etwas Weiches und Schreiendes, etwas, das schrie und in ihm stieg der Triumph auf – da war etwas da! Er würde es schlagen – er würde es töten!
Er spürte, wie sich das weiche Ding von ihm entfernte, aber dennoch stoppte das Brennen nicht. Jetzt schlug es auf seine Beine, seine Fußsohlen; jetzt seinen Nacken und seine Brust. Er riss an seiner Haut, an seinen Schädel, in dem Versuch das Feuer herauszureißen; seine Fäuste schlugen auf sein Bett ein. Schmerz! Wo kam es her? Warum konnte er es nicht aufhalten? Der Raum löste sich vor ihm auf, wurde übernommen von Flammen und Qualen. Hilflos versagte er, als er dem Delirium erlag.
Nach Stunden? ... Minuten? ... er konnte es nicht sagen, spürte er, wie Eisplättchen sanft in seinen Mund geschoben wurden und feuchte Finger über seine Lippen fuhren. Wasser. Ja. Wasser. Gierig saugte er daran und verschluckte sich, als seine Kehle zu verkrampfen begann.
„Shhh“, sagte eine weibliche Stimme. „Langsam. Ich möchte, dass Sie etwas davon schlucken, bevor es wieder anfängt. Sie sind dehydriert.“
„Lily?“, krächzte er, aber war schon wieder abgedriftet, befleckt von dem Geräusch seiner eigenen heiseren Stimme. Das Feuer war mit voller Kraft zurückgekehrt, auch wenn er dachte, dass sanfte Hände seine Haut kneteten und die winzigen Stücke des Schmerzes vertrieben.
Das nächste Mal, als er aufwachte, war jemand bei ihm. Er konnte nicht richtig sehen, aber er konnte einen dunklen Schatten über sich gebeugt sehen.
„Albus?“ Aber das konnte nicht stimmen. Er roch Pergament und Honig unter dem Schweiß und der Angst. Es war merkwürdig vertraut.
„Nein … ich bin es … Hermine.“
„Miss Granger“, flüsterte er und der dunkle Schatten, der Hermine war, nahm seine Hand in die ihren und sank auf die Knie neben seinem Bett.
„Professor Snape, danke Gott“, sagte sie und zog seine Hand zu ihrem Gesicht hoch. „Danke Gott, dass es Ihnen gut geht.“ Der Schmerz war rasant und ausgezeichnet – er würde ihr sagen müssen, dass zwei seiner Finger gebrochen waren – aber da war noch ein anderer Schmerz, etwas, das noch tiefer stach, als die Peitsche: ihre Tränen. Er spürte, wie sie über seine Hand glitten und ihr Atem kam in kurzen Stößen, kühlte die Feuchtigkeit auf seiner Haut. „Ich hatte solche Angst; ich dachte, Sie würden nie wieder aufwachen. Was kann ich tun? Was brauchen Sie?“
Er konnte nicht reden. Es schien so als habe man sein Herz aus seiner Brust entfernt und es erdrosselte ihn. Sie erschien so ehrlich, aufrichtig in ihrer Sorge. Hatte sie wirklich befürchtet, dass er sterben würde? Hätte sie nicht seinen Tod willkommen geheißen, da sie doch dann befreit gewesen wäre?
„Bitte, sagen Sie es mir, Sir. Ich habe bereits zu lange nur geraten und ich habe solche Angst, dass ich Ihnen Schmerz zugeführt habe. Was soll ich tun?“
Irgendwie fand er seine Stimme wieder, rostig und gebrochen von seinen Schreien. „Meine Finger, Miss Granger.“
„Oh!“, rief sie, ließ seine Hand los und er wünschte sich, dass er nie etwas gesagt hätte. „Es tut mir so leid! Als die Nachbeben angefangen haben, habe ich es vollkommen vergessen.“ Sie stand auf und nahm wieder seine Hand, diesmal mit einem anderen Druck. „Sir, ich hasse es ihnen noch mehr wehzutun, aber bevor ich Ihre Knochen verschmelze, muss ich Ihre Finger richten.“
Er nickte flüsternd: „Seien Sie bitte vorsichtig. Es ist meine Stabhand.“
„Ich weiß und Sie brauchen Ihr Geschick für die Zubereitung für Zaubertränke. Ich verspreche Ihnen, dass ich es so schnell und sauber machen werde, wie ich kann.“ Damit zog sie einmal fest und er wimmerte, als sich seine Knochen wieder richtig anordneten.
„Gut gemacht“, sagte er, als sie eine Beschwörung murmelte, um den Bruch zu heilen.
„Was kann ich Ihnen gegen den Schmerz geben? Wollen Sie noch mehr traumlosen Schlaf?“
„Ja. Aber zuerst, warum sind Sie hier? Wo ist Dumbledore?“
„Er wurde weggerufen“, sagte sie. „Er meinte, es würde um Harry gehen.“
Natürlich, dachte er bitter. Dann: „Wie lange sind Sie schon hier?“
„Fast zwei Tage.“
„Er hat Sie bereits seit zwei Tagen hier gelassen?“ Großer Gott, was musste sie gesehen haben.
„Er hat mir nicht gesagt, wie lange ich bleiben sollte – und ich hätte Sie nie und nimmer so alleine gelassen. Auch wenn ich nicht weiß, ob ich Ihnen überhaupt irgendwie geholfen habe.“
„Sie haben genug getan. Ich bin noch immer hier“, sagte er einfach.
„Wird es Ihnen gut gehen? Können Sie sehen?“
„Mir wird es gut gehen, Miss Granger. Wann waren die letzten … Nachbeben, haben Sie sie genannt?“
„Vor einer Stunde. Ich denke, dass Sie seitdem geschlafen haben.“
„Das war dann vermutlich der Letzte. Ich kann bereits wieder Licht und Schatten sehen. Es wird besser sein, nachdem ich mich etwas ausgeruht habe.“
Er hörte, wie sie sich bewegte und spürte, wie sich ein Löffel an seine Lippen setzte. „Das ist der traumlose Schlaf, Professor.“
Er zögerte einen Moment und dachte erneut über die Tatsache nach, dass ihr Leben jetzt dem seinem nicht mehr unähnlich war. Sie führte jetzt auch ein separates, geheimes Leben, gefüllt von Schrecken, wie die, die sie die letzten zwei Tage miterlebt hatte. Binnen kurzer Zeit würde sie als Spionin fungieren, eine Überträgerin von Nachrichten zwischen den jeweiligen Seiten. Wie sehr er sich doch wünschte, ihr zu vertrauen. „Werden Sie bleiben?“, fragte er.
„Natürlich.“
Er schluckte den Trank und ließ sich von Vergessenheit übermannen.
***
„Professor?“ Eine zaghafte Hand rüttelte an seiner Schulter. Miss Granger. „Professor?“
„Ja?“, fragte er. Er hatte das Gefühl von dem Grund eines sehr dunklen Sees aufzutauchen. Er hörte sie vor Erleichterung seufzen.
„Professor Dumbledore ist zurück. Er hat gerade durch das Netzwerk Bescheid gegeben. Ich werde ihn jetzt holen. Es tut mir leid, Sie geweckt zu haben, aber ich wollte nicht, dass wenn Sie aufwachen, Sie dann alleine sind.“
„Danke“, sagte er knapp. Er hatte noch nicht seine Augen geöffnet. Er hörte, wie sie den Raum durchschritt, bevor er wieder untertauchte.
***
„Er sieht gut aus, Hermine. Sie haben gute Arbeit geleistet.“ Snape konnte Dumbledores Stimme aus weiter Ferne vernehmen.
„Ich bin mir nicht sicher, Sir. Ich befürchte, dass ich nicht genug für seinen Schmerz gemacht habe.“
„Unsinn. Ich weiß, dass Sie alles getan haben. Wenn Sie dann jetzt Ihre Sachen zusammensuchen würden, ich bin mir sicher, dass Harry und Ron bereits erpicht darauf sind, Sie zu sehen.“
„Was haben Sie ihnen erzählt, Sir?“
„Ausnahmsweise war die Zeit mal auf unserer Seite. Ich musste ihnen nicht besonders viel erzählen. Wie Sie sich erinnern können, hat gestern ein Quidditch-Spiel stattgefunden. Harry und Ron waren viel zu sehr damit beschäftigt gewesen. Gryffindor hat gewonnen, verstehen Sie. Und ich habe Harrys Stunden mit mir auf heute Morgen verlegt, also gibt es da vieles, über was er nachdenken muss. Ich bin mir sicher, dass er Ihnen einiges zu sagen hat, wenn Sie in den Turm zurückkehren.“
„Sie waren heute Morgen schon zurück?“, war alles, was sie sagte.
„Eher heute Nacht.“
„Verstehe.“
Snape öffnete seine Augen, um Dumbledore besser anstarren zu können. Er ist seit letzter Nacht zurück und er hatte dieses arme Mädchen hier gelassen, damit sie sich um einen Verrückten kümmern sollte, der nur von seinen Nerven gelenkt wurde? Dumbledores Verrat in Miss Grangers Vertrauen diente nur dazu, ihn daran zu erinnern, wie der alte Zauberer sie beide in diese Position getrieben hatte und wie achtlos es gewesen war, überhaupt etwas davon zu glauben.
Langsam konzentrierte sich sein Blick, betrachtete Albus und die geschrumpelte, schwarze Hand, die ihn immer wieder überraschte.
„Professor Snape“, flüsterte Hermine, als sie ihn bemerkte.
Grundgütiger Merlin, was ist mit ihr passiert? Er durchsuchte wild seine Erinnerungen. Hatte er sie aus irgendeinem Grund mitgenommen? Wurde sie gefoltert? Wer hatte in all dieser Zeit auf sie aufgepasst? Seine Gedanken stießen auf nichts. Er konnte an keinen Grund denken für ihre aufgeschlagene Augenbraue oder den bösen Blutergüssen, die ihren Arm und ihr Gesicht pflasterten. Ihr Haar war ein einziges Durcheinander, aber das war nichts Neues. Was allerdings neu war, war ihre merkwürdige Haltung, wie sie ihren linken Arm hielt und ihr Gewicht auf ihren rechten Fuß zu verlagern schien. Was in Gottes Namen war hier los?
„Miss Granger, was zum Teufel ist mit Ihnen passiert?“, flüsterte er.
Sie errötete und verlagerte etwas ihr Gewicht und sah zu gleichermaßen beschämt und entschlossen aus. „Nichts. Mir geht es gut. Ich bin mir sicher, dass Professor Dumbledore mich noch richten wird, bevor ich zurückkehre. Wie geht es Ihnen, Sir?“
Was verbarg sie? Warum wollte sie ihm nichts sagen? Sie konnte wohl kaum noch ein Geheimnis nach dieser … dieser Nacht … übrig haben. Dann begann sich, die Antwort in seinen Kopf zu schleichen. Er hatte es getan. Irgendwie hatte er ihr das angetan. Sie war töricht gewesen, ihm zu vertrauen, sich um ihn zu kümmern. Bisher hatte er es immer geschafft jeden zu zerstören, der es getan hatte. Selbst bewusstlos würde er sie in Stücke reißen.
„Sind Ihre Verletzungen die Folge meiner--?“, begann er steif.
„Es war meine Schuld“, sagte sie. „Sie befanden sich im Delirium; ich weiß, dass Sie mich nicht verletzten wollten. Ich habe versucht Sie davon abzuhalten sich selbst zu verletzen und ich — nun, ich war im Weg.“
„Sie waren im Weg? Von all den idiotischen – Miss Granger, ich hätte gedacht, dass Sie es besser wissen--“
„Es tut mir leid“, sagte sie und das schmerzte irgendwo mehr als das Wissen, dass er sie gegen seinen Willen verletzt hatte. Er hatte sie verletzt und dennoch entschuldigte sie sich. Wann würde sie es endlich lernen? Wann würde sie sich endlich selbst vor dem Schmerz, der ihr immer wieder von anderen Menschen zugefügt werden würde, schützen?
„Nehmen Sie sich Ihre Sachen“, sagte er grob.
„Sir?“
„Raus.“
„Severus“, begann Dumbledore.
„Nein. Sie haben mich in den Händen von jemandem gelassen, die noch nicht einmal auf sich selbst aufpassen kann. Ich will sie nicht mehr sehen.“
Sie sah ihn vollkommen offen an und beinahe hätte er es zurückgenommen.
„Es tut mir leid“, wiederholte sie und er rollte sich von ihnen weg, nicht in der Lage noch weiter in dieses offene Gesicht zu sehen.
„Sie werden mit niemandem darüber reden!“, schrie er, als er hörte, wie sie sich zurückzogen.
„Nein“, pflichtete sie ihm bei. „Gute Besserung, Professor Snape.“ Sie sagte es wie ein Gebet.
„RAUS!“
Sein Kopf sank zurück in seine Kissen. Sie würde ihm jetzt niemals mehr vertrauen.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel