von Xaveria
Hermine packte ihre letzten Gewänder in ihre Truhe, oben auf befanden sich die Bücher über Horkruxe, die sie aus Dumbledores Büro gerufen hatte. Sie hatte nicht erwartet, dass der Zauber funktionieren würde. ‚Accio Horkruxbücher‘ erschien etwas weit herbeigeholt, aber sie waren durch ihr geöffnetes Fenster geflogen, schon fast so, als ob Dumbledore es so geplant hatte. Was, wie sie vermutete, er auch getan hatte. Sie schloss ihre Truhe und sah sich ein letztes Mal in dem Zimmer um, welches, seitdem sie ängstlich und eifrig vor sechs Jahren das erste Mal nach Hogwarts gekommen war, sie ihr Eigen nennen konnte. Lavender und Parvati eilten noch immer im Zimmer herum, schmissen Dinge planlos in ihre Truhen und stritten sich darüber, wer den Sommer über die Haarnadeln mit den Schmetterlingen behalten durfte. Hermines Teil des Zimmers war geräumt, so als ob sie nie dort gewesen war. Verschwunden waren die Bücherstapel, die immer neben ihrem Bett gestanden hatten. Verschwunden waren die Federn und die halbgeleerten Tintenfläschchen, die ihren Schreibtisch bedeckt hatten. Verschwunden waren die Muggelfotos ihrer Eltern, die sie immer zu Beginn jedes Jahres auf ihren Nachttisch aufgestellt hatte. Sie berührte den purpurroten Stoff, der ihr Bett bedeckte, bevor sie den Vorhang schloss. Sie sehnte sich danach den Spiegel über der Anrichte zu berühren, um über jede der Schubladen zu streichen, in der sie immer ihre Kleidung gelegt hatte. Sie wollte ihre Hände gegen die kalte Steinwand pressen und sich von jedem der vertrauten Gegenstände verabschieden, die niemals bemerkt, aber doch immer dort waren.
Ihre Truhe würde von den Hauselfen zum Zug gebracht werden. Es gab nichts mehr für sie zu tun, als sich von den Mädchen zu verabschieden und Ron und Harry im Gemeinschaftsraum zu treffen.
„Lavender, Parvati“, begann sie. Sie würgte leicht. Diese Mädchen, sie waren nicht direkt ihre Freundinnen, aber sie waren ihre Zimmergenossinnen gewesen. Und sie hatten auch ihre schönen Zeiten gehabt, nicht wahr? Abende, wenn sie mal ihre Bücher zur Seite gelegt und ihnen geholfen hatte, winzige Herzen in ihren Nagellack zu zaubern; der Abend vor dem Weihnachtsball, als Parvati einen riesigen Behälter SLEEKEAZY mit ihren Zauberstab Hermines Frisur gezaubert hatte. Es hat Zeiten gegeben, ja, da waren sie fast so etwas wie Schwestern gewesen, sich darüber streitend, wer im Schlaf zu viel Krach machte, wer wieder einmal die Roben auf den Boden liegen gelassen hatte.
„Ich hoffe, ihr habt einen schönen Sommer“, sagte Hermine, da sie sich nicht vernünftig von ihnen verabschieden konnte. Es durfte keinen Hinweis darauf geben, dass sie sich vielleicht nicht mehr wieder sehen würden.
Parvati drehte sich um und sah sie scharf an. „Hermine, weinst du etwa?“
„Nein—nein, natürlich nicht.“
Lavender kam zu ihr hinüber und berührte sie leicht am Arm. „Natürlich weinst du“, sagte sie. „Wir sind alle schrecklich traurig wegen dem Schulleiter.“
Hermine nickte, als ob das genau der Grund ihrer Tränen sei.
„Aber wir haben den Sommer, um uns damit abzufinden. Bevor du es weißt, werde ich dich bei Ron sehen. Und dann werden wir wieder hier sein, genauso wie wir es immer waren. Und du wirst überall auf deinen Roben meine Haare finden und Parvati wird uns beiden sagen, dass wir schnarchen und Krumm wird sich wieder überall verstecken … genauso wie immer. Genieße die Ruhepause“, sagte sie.
Hermine lächelte. „Ja, ich denke, ihr beiden werdet es die nächsten paar Monate sicherlich nicht vermissen, dass meine Hausaufgabenplaner uns schreiend um sechs Uhr morgens wecken.“
„Nicht für eine Sekunde“, sagte Parvati, aber sie drückte Hermine kurz, bevor sie sich wieder an das Packen machte. „Pass auf dich auf.“
„Du auch. Ihr beiden. Passt gut auf euch auf”, sagte Hermine, drehte sich um und verließ das Zimmer.
Ihr war kalt, als sie die Stufen hinab ging, auch wenn es im Schloss nicht kälter als sonst war.
Ron und Harry warteten im Gemeinschaftsraum auf sie, und als sie erschien, kletterten sie schweigend durch die Porträtöffnung. Alle drei drehten sich noch einmal zur Fetten Dame um, als sie zurück an ihren Platz schwang.
„Geht weiter, Kinder, oder ihr verpasst noch den Zug“, sagte sie. Ihre Augen waren geschwollen vom Weinen. Hermine fragte sich, ob es nur wegen Dumbledore war oder ob sie immer etwas traurig war, wenn die Schüler verschwanden.
Harry und Ron drehten sich zu den Treppen um, aber Hermine stand noch immer gefesselt vor der Wächterin ihres Hauses.
„Wissen Sie, ich habe nie …“, begann sie, „Ich habe nie nach Ihrem Namen gefragt.“
„Brunhilde“, sagte die Fette Dame schluchzend.
„Auf Wiedersehen, Brunhilde.“
„Auf Wiedersehen, Besserwisserin.“
Gelächter brach aus ihr heraus, bevor sie darüber nachdenken konnte, es zu unterdrücken. Ihre Stimme schallte durch die stillen Korridore, hallte von den Steinwänden ab.
„Ich denke, das ist nur fair“, keuchte sie letzten Endes, und wischte sich Tränen aus ihren Augen. Harry und Ron betrachteten sie leicht alarmiert. Aber so war es viel besser zu gehen – das war das Hogwarts, das sie kannte, bis unter die Decke voll gestopft mit Schülern und ihrem Gelächter. Plötzlich dachte sie an Fred und George und ihr ruhmreicher Abschied von der Schule vor ein paar Jahren. Ja, es war richtig mit einem Lachen zu gehen.
***
Im Zug saßen sie und Ron im Abteil der Vertrauensschüler und verspürten nicht das Verlangen die Gänge zu patrouillieren, noch jemanden zu besuchen. Sie hatten vorher gesehen, wie Harry sich ein leeres Abteil am Ende des Zuges gesucht hatte. Es war offensichtlich für sie, dass es auf sie drei hinauslief. Die Welt würde sich auf die Gesichter ihrer eigenen Familien beschränken und ihrer blinden Entschlossenheit. Niemand würde sich während ihrer Aufgabe zwischen ihnen drängen können.
Sie starrte hinaus aus dem Fenster, beobachtete die vorbeiziehende Landschaft. Letztendlich drehte sie sich um und flüsterte.
„Du wirst es deiner Familie nicht sagen, oder?“
„Nicht wohin wir gehen werden. Aber ich werde ihnen sagen müssen, dass ich nicht zurück zur Schule gehen werde. Und du?“
„Nein, es ist viel zu gefährlich. Ich habe mich noch nicht wirklich entschieden, was ich mit meiner Familie machen soll. Es scheint so“, sagte sie mit einem beginnenden Zittern in ihrer Stimme, „als ob sie--“
„Hauptziele wären“, beendete Ron den Satz.
„Ja. Und auch deine Familie.”
„Blutsverräter sind wir. Ich weiß. Ich will sie nicht noch weiter gefährden. Nicht, dass sie es nicht verstehen würden, aber--“
„Ich weiß. Ich habe sehr viel über den Ghul auf deinen Dachboden nachgedacht”, sagte sie.
Sie zog ein paar gefaltete Pergamente aus ihrer Tasche und Ron antwortete mit einem übertriebenen Augenrollen, aber beugte seinen Kopf neben den ihren und die nächsten Stunden verbrachten sie damit einen Plan zu entwerfen, der ausgerechnet Pyjamas und Grieselkrätze enthielt.
***
Der Bahnhof war gefüllt mit Menschen, als sie und Ron den Zug verließen. Familien waren wie immer dort, aber diesmal gab es keine Willkommensschreie, keine Aufregung. Mütter und Väter traten einfach nur vor, schlossen ihre Kinder in besorgte Umarmungen, sammelten das Gepäck ein, nickten schweigend den anderen Familien zu und verschwanden dann. Ihre Eltern standen schweigend neben den Weasleys. Ihre Mutter umklammerte ein Stück Pergament in ihrer Hand; Hermine vermutete, dass es der Brief war, den sie ihnen geschrieben habe, damit sie sie früher vom Bahnhof abholten.
„Geht’s dir gut?“, flüsterte ihre Mutter, als sie Hermine fast erdrückte.
Es gab keine Antwort, außer zu weinen, sich selbst für einen Moment zu erlauben das Kind ihrer Mutter zu sein. Nervös tätschelte ihr Vater ihr den Rücken. Hermine brach aus der Umarmung und wandte sich an Ron.
„Ich werde bald da sein“, sagte sie.
Ron nickte und streckte seine Hand aus, um ihre zu drücken. Sie umarmte Ginny fest, schenkte Mr. und Mrs. Weasley ein wässriges Lächeln und folgte dann ihrer Familie zu dem Gepäck, wo sie sich ihre Truhe schnappten und weiter zum Auto gingen.
Das Auto schien voll gestopft und schwer mit den Dingen, die nicht gesagt wurden. Schließlich brach ihr Vater das Schweigen.
„Also, dieser … dieser dunkle Zauberer? Er war verantwortlich für den Tod des Schulleiters?“
Hermine überlegte. „Ja“, sagte sie schließlich.
„Ich dachte, du solltest in Hogwarts sicher sein!“, sagte ihre Mutter. „Ich dachte, dass Professor Dumbledore stärker war, als--“
„Das war er, Mum. Er hatte einfach nur Pech. Es wurden keine Schüler verletzt. Der Schulleiter hätte nie zugelassen, dass dies passierte.“
„Aber du wirst sicherlich nicht zurückgehen. Nicht wenn du eine … Muggelgeborene bist. Hast du nicht gesagt, dass dieser Wahnsinnige Muggelgeborene hasst?“
„Nein, ich werde sehr wahrscheinlich nicht zurückgehen“, flüsterte Hermine. Sie hatte bisher noch nicht ganz ausgearbeitet, was sie ihren Eltern sagen sollte, aber dies war eine genauso gute Erklärung wie jede andere.
Sie dachte, dass sie einen Blickaustausch zwischen ihren Eltern gesehen hatte und ihre Mutter schien unruhig auf ihrem Sitz herumzurutschen.
„Wie geht’s Harry?“, fragte ihr Vater.
„Ihm geht’s gut. Er … nun, körperlich geht’s ihm gut. Es ist ziemlich schwer für ihn.”
„Er plant doch wohl nicht es mit dem Zauberer aufzunehmen, oder? Ich weiß, dass … Voldemort … seine Eltern getötet hat, aber er wird ihm doch nicht alleine nachjagen?“ Selbst ihre Mutter, eine Frau, die nur sehr wenig über die Zauberwelt wusste, schien Schwierigkeiten zu haben Voldemorts Namen zu sagen. Aber da lag noch etwas anderes in ihrem Zögern. Sie hatten nach Harry erkundigt, aber Hermine dachte, dass sie im Grunde nach ihren Plänen fragte. Für einen Moment fühlte sie sich ziemlich offenbart, ziemlich geschätzt. Ihre Eltern schienen sie gut genug zu kennen, um zu verstehen, dass sie nicht einfach dabei zusehen und zulassen würde, dass dies mit ihren Liebsten geschah.
„Ich denke, wenn die Zeit kommt, wird Harry alles tun, um Voldemort aufzuhalten“, antwortete sie.
„Aber was kann das Kind schon Großartiges tun?“, protestierte ihre Mutter. „Wenn Voldemort stark genug ist, um Professor Dumbledore zu besiegen, dann--“
„Harry hat einiges von Professor Dumbledore gelernt“, flüsterte Hermine. Sie hatte noch immer das Gefühl, das sie nicht unbedingt von Harry sprachen.
„Aber das ist es ja—das ist nur das Lernen! Es ist gut und schön zu lernen, Hermine. Aber gewiss ist Harry nicht darauf vorbereitet, gegen solch einen Zauberer zu kämpfen. Er wird sich noch umbringen! Er hat doch auch eine Muggelfamilie, nicht? Warum verlässt er nicht für eine Weile die Zauberwelt – nicht für immer! Sieh mich nicht so an! – aber bis sich alles etwas gelegt hat--“
„Es wird sich nicht legen, Mum. Und ich werde die Zauberwelt nicht verlassen. Nicht jetzt – nicht wenn--“
„Da ist jemand im Haus, Hermine“, sagte ihr Vater angespannt und sie bekam das Gefühl, dass das der Grund war, warum ihre Eltern unnachgiebig wollten, dass sie ihren Zauberstab niederlegte. „Jemand, der dich sehen will.“
„Wer?“
„Ein Mann—ein Zauberer. Jemand, er behauptet dich aus der Schule zu kennen. Kurz bevor wir aufbrechen wollten, ist er aufgetaucht. In so einen kleinen Citroen, genauso gewöhnlich wie du und ich. Ist schon lustig – er sieht nicht magisch aus. Aber dann auch wieder tust du es ja auch nicht.“
Hermines Blut erstarrte. Sie erinnerte sich an Professor Snapes Worte zu Weihnachten. Gewiss haben Sie erkannt, dass Sie als eine Muggelgeborene und Freundin von Potter ein besonderes Interesse für den Dunklen Lord darstellen. Wen hatte er geschickt? Und warum hatte er nicht schon ihre Familie umgebracht, es sei denn er wartete darauf sie alle drei zusammen töten? Nun, es würde ihm noch leid tun, wenn es das war, was er vorgehabt hatte. Sie würde jedem Todesser einen Kampf liefern, an den er sich noch erinnern würde. Und warum hatten ihre Eltern einen unbekannten Mann alleine in ihrem Haus zurückgelassen, während sie sie abholten? Hatte er sie mit einem Imperius belegt? Sie kämpfte damit, ihre Mutter in ihre Augen zu sehen. Sie sah nicht verflucht aus, aber … in ihrem Kopf begann sie zu planen. Ein Anti-Apparier-Zauber würde ihn davon abhalten zu verschwinden, aber würde sie auch darin einfangen. Protego Horribilis natürlich für sich und ihre Eltern. Würde es bei Muggels funktionieren? Es gab keinen Grund, warum nicht … Sie zog ihren Zauberstab aus der Tasche ihrer Robe, die gefaltet neben ihr lag, und steckte sie in ihren Hosenbund.
„Wie sieht er aus?“, fragte sie und versucht gleichgültig zu klingen.
„Ein älterer Herr, ein wenig übergewichtig“, antwortete ihr Vater. Slughorn? Er hatte immer gesagt, er würde sich auf keine Seite schlagen, aber er war der Hauslehrer von Slytherin …
„Und hat er gesagt, was er wollte?“
„Alles, was er sagte, war, dass es dringend sei, dass er dich sehen müsste. Er schien zu denken, dass du bereits zu Hause seiest.“
„Hermine“, sagte ihre Mutter. „Ich weiß, dass du es magst … nun, dich in Dinge einzumischen. Und das ist gut, Schatz. Wir waren immer sehr stolz auf dich. Aber du bist doch nicht wohl Dumbledores Orden des Phönix beigetreten, oder? Denn ich denke wirklich--“
„Hat der Mann gesagt, dass er vom Orden des Phönix sei?“
Eine winzige Flamme der Hoffnung erwachte in ihrer Brust zum Leben. Hatte der Orden jemanden geschickt? Hatte Dumbledore doch noch Vorbereitungen für ihre Familie getroffen?
„Nein, er wollte nichts sagen, außer, dass er dich sehen muss. Wir haben ihn angeboten ihn mit zum Bahnhof mitzunehmen, aber er lehnte ab. Er schien nicht zu wollen, dass jemand davon erfuhr, dass er hier war – er hatte uns darum gebeten, es nicht in Kings Cross zu erwähnen. Hermine, bist du Dumbledores Gruppe beigetreten?“
„Nein, Mum. Der Orden nimmt niemanden auf, der noch in der Schule ist.“
„Nun, Gott sei Dank für kleine-“ begann ihre Mutter, als sie vor dem Haus hielten.
„Dad, ich dachte du hättest gesagt, er sei in einem Citroen gekommen.“ Hermines Blick überflog die Straße. Sie konnte kein fremdes Auto sehen. Im Grunde standen dort überhaupt keine Autos.
„Das ist komisch“, sagte ihr Vater. „Nun, vielleicht ist er schon verschwunden und all die Aufregung war umsonst.“
Hermine versuchte sich einzureden, dass der Zauberer, der ihren Eltern so ein Unbehagen bereitet hatte, bereits verschwunden war. Aber ihre Unruhe wuchs, als sie von Haus zu Haus blickte. Die Straße hatte etwas Verlassenes an sich. Normalerweise würde sich das Gras bewegen oder irgendwo würde sich die Post stapeln … jemand kam gerade nach Hause oder ein Kind würde im Garten spielen.
„Kommt her“, sagte sie und führte ihre Eltern um das Haus herum, wo sie sich unter den Bäumen verstecken konnten, die vor ihrem Zimmer standen. Unbehaglich folgten ihre Eltern ihr.
„Hermine--“, begann ihr Vater.
„Mum, Dad, hört zu. Vielleicht habt ihr Recht und wer auch immer da war, ist verschwunden. Aber wie ihr schon gesagt habt – Muggels sind für Voldemort Ziele und ich will das Haus nicht betreten, bevor ich mir nicht sicher bin, dass ihr beschützt seid. Werdet ihr mir vertrauen?“
„Was hast du vor?“
„Nichts, was euch verletzten würde. Ich lege nur einen Schildzauber auf euch.“
Ihr Vater und ihre Mutter tauschten besorgte Blicke aus. Ihr Vater wollte etwas sagen, aber ihre Mutter unterbrach ihn. „Also gut.“
Hermine zog ihren Zauberstab unter ihrem Shirt hervor. „Protego Horribilis!“ Sie überlegte und entschied sich gegen die Anti-Apparier-Zauber. Es war ein winziger Teil in ihr, zu lächerlich, um anerkannt zu werden, der hoffte, dass es Snape war, der dort drinnen auf sie wartete und sie wollte ihn nicht in dem Haus einsperren. Leise schlich sie, gefolgt von ihren Eltern, zur Tür, ihren Zauberstab hatte sie in ihrem Eltern versteckt, aber bereit zu ziehen, wenn es nötig war.
Sie öffnete die Tür. „Hallo?“, rief sie. Es kam keine Antwort.
Sie wandte sich von dem Flur zum Wohnzimmer. Dort, auf der anderen Seite des Zimmers, stand ein kleiner, steifer Mann mit dicken, blonden Haaren. Ein Mann mit einer runden Nase und eine mit Sommersprossen überzogene Haut. Ein Mann mit harten, schwarzen Augen, die die ihre fingen und hielten, bevor sie sprechen konnte.
„Hermine?“, fragte ihre Mutter zögernd von der Türschwelle aus. Hermine hielt eine einzige Hand hoch, hielt ihre Eltern auf, aber sie konnte nicht reden. Ihr Blick war mit Snapes verankert.
„Wer war die vierte Person auf meiner Geburtstagsfeier?“, flüsterte sie.
„Alastor Moody“, antwortete er. Seine Stimme war etwas höher, aber sie trug dieselbe seidige Qualität, die sie kannte. „Was habe ich Ihnen zu Weihnachten geschenkt?“
„Die Enzyklopädie der Giftpilze“, sagte sie, ihr Blick verließ nie den seinen. Sie standen für eine Weile regungslos da und sie begann ihn, mit ihrem Blick abzutasten. Der Zauber würde die meisten Verletzungen verstecken, wenn es welche gab, aber die Art, wie er stand … schien er unverletzt zu sein.
„Geht’s Ihnen gut?“, würgte sie schließlich hervor und endlich begann er, auf sie zuzugehen.
***
Für einen Moment war er wie erstarrt, unsicher, wie sie ihm empfangen würde. Aber ihr Blick hatte sofort den seinen gesucht und er sah, dass sie ihr Versprechen gehalten hatte. Ihre rechte Hand lag noch immer auf ihrem Zauberstab, wo er unter ihrem Ärmel hervor lugte, aber sie machte keine Anstalten ihn herauszuziehen. Als sie sprach, wusste er, dass er nicht gezwungen war, sie zu verhexen. Als er einen Schritt vortrat, wurde er von einer Dankbarkeit erfüllt, die stärker war als alles, was er kannte, schon fast eine schwindelerregende Erleichterung und doch stach ihr eine augenblickliche Welle der Übelkeit entgegen. Was hatte er ihr nur angetan, dass sie ihn noch immer mit solch einem Vertrauen ansehen konnte?
Er war wie erschlagen bei dem Anblick ihrer Mutter, die hinter ihr stand, sich aber bereits zwischen sie beide stellte. Hermine war ihrer Mutter so ähnlich, dass es schon fast nervtötend war. Snape hatte das Gefühl, dass es ihm erlaubt war, irgendwie auf die Frau zu sehen, zu der Hermine mal werden würde und einige unbekannte Gefühle zogen an ihm, bis ihre Mutter zu sprechen begann.
„Hermine, kennst du diesen Mann?“, fragte sie scharf. Genauso wie Hermine … und die Frage, warum das Mädchen nach Gryffindor sortiert worden war, wurde schnell gelöst. Ihre Mutter, nur eine Muggel, schritt schon fast wie eine Jägerin auf sie zu.
Hermine streckte ihre Hand aus und umfasste den Arm ihrer Mutter. „Ist schon in Ordnung, Mum. Er ist mein Professor.“ Ihr Blick suchte nach seiner Erlaubnis, die er ihr mit einem leichten Nicken gab. „Es ist Professor Snape.“
Ihr Vater betrat den Raum. Er war ein unscheinbarer Mann mit einem dicken, grauen Schnurbart. „Aber ich dachte Professor Snape sei … nun, du hast ihn immer beschrieben als … was ich sagen will, warum haben Sie uns nicht gesagt, dass Sie Hermines Professor sind?“
„Ich entschuldige mich, dass ich mich Ihnen aufgedrängt habe, ohne mich ausführlich vorzustellen. Wie die Dinge im Moment in der Schule stehen, sind wir alle daran gebunden, uns gegenseitig erfolgreich zu identifizieren, bevor wir miteinander reden können.“ Er wusste, dass ihre Eltern vermuten würden, dass er durch einen magischen Zwang zum Schweigen verurteilt wurde und er ermutigte diesen Gedanken. Im Grunde war er sich überhaupt nicht sicher gewesen, ob Hermine nicht die Auroren alarmieren würde, wenn sie von seiner Gegenwart in ihrem Haus erfuhr. Und er hatte Zeit gebraucht, um die Ablenkungs-Zauber zu platzieren, damit sie ungestört miteinander reden konnten.
„Entschuldigt“, sagte Hermine. „Ich weiß nicht, wo meine Manieren geblieben sind. Mum, Dad, das ist Severus Snape, Professor für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Professor Snape, das sind meine Eltern, Helen und Richard Granger.“
„Mr und Mrs. Granger, es ist mir eine Freude Sie kennen zu lernen. Ich bin mir sicher, dass Sie bereits wissen, was für eine außergewöhnliche Tochter Sie haben. Sie ist eine der klügsten Schülerinnen, dessen Vergnügen ich hatte, unterrichten zu dürfen. Ich danke Ihnen, dass Sie mich in Ihr Haus gelassen haben. Ich will Ihnen nicht schon wieder zur Last fallen, aber ich muss mit Hermine alleine sprechen.“
Ihre Mutter zog daraufhin eine Augenbraue hoch, aber Hermine drehte sich um und sagte: „Ist schon okay, Mum“, und die Frau trat einen Schritt zurück. Hermine führte ihn in ein kleines Zimmer am Ende des Hauses und schloss die Tür, verschloss und schützte sie.
„Muffliato“, sagte Snape. Es war, als ob der Zauber sie erlöst hatte. Wie eine Todesfee sprang sie ihm entgegen, ihre Stimme grob und kreischend.
„Wie konnten Sie es mir nicht erzählen? Sie können sich nicht vorstellen, wie ich mich gefühlt habe! Es waren Tage, bevor ich mir absolut sicher war und ich--“
Er griff nach ihren Fäusten, welche mit einer außerordentlichen Kraft auf seine Brust eingeschlagen hatten.
„Und dann tauchen Sie hier einfach auf! Und Sie sehen noch nicht einmal aus wie Sie! Hier, bei meinen Eltern! In all der Zeit habe ich nicht ein Wort von Ihnen gehört! Ich hatte Angst Sie zu kontaktieren--“
„Würden Sie sich besser fühlen, wenn ich die Maskierung aufhebe?“, fragte er flüsternd. Seine Stimme war so leise und weich, dass sie erkannte, wie übergeschnappt sie sich anhören musste. Für einen Moment sah es so aus, als ob sie sich zusammenreißen würde, aber dann zog sie ihren Zauberstab aus ihrem Ärmel, richtete ihn auf Snape und schrie: „Finite Incantatem!“
Dort stand er vor ihr, regungslos und schweigend, bekleidet mit Muggel-Kleidung, die jetzt unglaublich unpassend waren. Seine blassen Fußknöchel wurden unter den viel zu kurzen Hosenbeinen offenbart und seine Weste hing locker um seine Mitte.
„Oh, Professor“, sagte sie. „Sie sind verletzt. Warum haben Sie es mir nicht gesagt?“
„Mir geht’s gut. Es ist schon einige Tage alt und es war bei Weitem nicht das Schlimmste, was ich bisher erleiden musste. Und ich weiß nicht, wann genau Sie von mir erwartet haben, dass ich es Ihnen hätte sagen sollen. Hätte ich es zwischen all den Flüchen quetschen sollen?“
Sie sah leicht beschämt aus und dann wieder wütend. „Oh nein, nicht so. So leicht kommen Sie da nicht raus. Warum haben Sie es mir nicht gesagt? Sie können sich nicht vorstellen, wie schlecht mir, wie verwirrt ich war, als ich es gehört habe. Ich dachte – ich meine – bei all dem, was wir – ich dachte einfach nur, dass Sie vielleicht etwas mehr--“
„Sie wissen ganz genau, dass der Schulleiter nicht gewollt hatte, dass Sie davon erfuhren--“
„Schwachsinn!“, schrie sie. „Ich weiß es doch jetzt! Und ich bin noch genauso sehr, wie in Hogwarts gefährdet, gefangen genommen zu werden, also kommen Sie mir jetzt nicht mit diesem ‘Doppelblind-Mist’! Warum haben Sie mir nichts erzählt?“
„Weil ich geglaubt habe, dass, wenn Sie es wüssten, Sie versucht hätten mich aufzuhalten.“ Er sah sie ununterbrochen an. Es war die einzige Möglichkeit diesen merkwürdigen Sturm so direkt und ruhig wie möglich zu halten.
„Ich--“, stotterte sie. „Ich—nun, ich gebe zu, dass ich das vielleicht anfangs getan hätte. Aber nur zu Anfang! Etwas mehr Anerkennung hätte ich schon erwartet – ich habe an Sie und Dumbledore geglaubt! Und denken Sie nicht, dass ich nicht sehe, was dies Harry angetan hat?“
„Die alleinige Tatsache, dass ich hierhergekommen bin, sollte Ihnen sagen, wie viel Anerkennung ich Ihnen gebe, Miss Granger. Und da mir Potter, seitdem er versucht hat, mich auf dem Gelände zu verfluchen, noch nicht unter die Augen gekommen ist, weiß ich nicht, was, wie Sie sagten, ‚dies Harry angetan‘ hat.“
Sie starrte ihn an. „Oh, jetzt machen Sie aber mal einen Punkt. Wenn ich Harry gewesen wäre, hätte ich auch versucht Sie zu verfluchen. Genau genommen, wenn ich Harry gewesen wäre, wäre es mir gelungen, Sie zu verfluchen.“
Er konnte nicht anders, seine Mundwinkel zuckten nach oben. Er versteckte es schnell in einem spöttischen Lächeln. Ihr antwortendes Halblächeln sagte ihm, dass die Gefahr vorbei war.
„Harry ist entschlossener als ich ihn je gesehen habe“, flüsterte sie. „Er ist bereit.“
„Aber Sie sind es noch nicht“, sagte er.
„Wie bitte?“
„Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass der Dunkle Lord an Ihnen interessiert ist.“
Sie nickte, wieder bleich und er stählte sich, fortzufahren. „Er hat mich darum gebeten … das heißt, er hat mir befohlen … ich bin hier, weil er mir befohlen hat, Ihre Familie zu töten, Miss Granger.“
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