von Xaveria
Der Morgen von Bill und Fleurs Hochzeit begann windig und warm. Hermine war bereits vor dem Großteil der anderen auf den Beinen, auch wenn sie etwas Geklapper aus der Küche hören konnte und vermutete, dass es Mrs. Weasley war. Ginny schlief noch immer, ihr Mund war leicht geöffnet und sie schnarchte leise im Bett neben ihr, ihr Brautjungfernkleid hing stolz an der Tür. Hermine zog ihre Liste unter der Matratze hervor und überprüfte sie ein letztes Mal. Ihre Eltern waren versteckt. Der Ghul war verwandelt und bereit, in Rons Zimmer gebracht zu werden. Harrys Sachen, genauso wie ihre und Rons waren in ihrer Tasche untergebracht. Sie hatten ein Zelt; all die Zusatzvorräte, die Fred und George entbehren konnten; all ihre Bücher, von denen sie glaubte, dass sie noch nützlich sein würden, genauso wie das seltsame Kinderbuch, welches Dumbledore ihr hinterlassen hatte; und all ihre Medizin und Ausgangsstoffe für Zaubertränke. Sie war so bereit, wie sie nur sein konnte, genau wie Snape es ihr aufgetragen hatte. Sie stopfte die Liste in ihre Tasche. Aus irgendwelchen Gründen war sie überzeugt, dass sie dieses Zimmer nicht noch einmal betreten würde.
Sie kletterte aus ihrem Bett und Ginny rührte sich.
„Wie spät ist es?“, fragte sie verschlafen.
„Noch früh. Du kannst noch ein paar Minuten liegen bleiben.“
Hermine nahm ihren Zauberstab vom Nachttisch und änderte die Farbe ihres Kleides von Grün in lila. Irgendwie konnte sie sich nicht dazu überwinden es so zu tragen, wie sie es getan hatte, als sie mit Snape auf Slughorns Feier getanzt hatte. Sie drehte sich um und schaute die Tasche grübelnd an. Letztendlich hob sie ihren Zauberstab und verwandelte sie in eine kleine, mit Perlen besetzte Handtasche, die zu ihrem Kleid passte. Sie würde sie heute wohl kaum zurücklassen und man durfte sie nicht sehen, wie sie mit einem Lederbeutel herumlief.
Sie beugte sich vor und zog die schmale Phiole mit Vita Secundus unter ihrem Kissen hervor. Während des Tages ruhte es an ihrem Herzen in der Tasche, die sie dafür extra in ihre Kleidung gemacht hatte. Nachts schlief sie mit umschlossener Faust damit. Sie schielte schnell zu Ginny, um sicher zu sein, dass sie auch ihre Augen geschlossen hatte; dann öffnete sie ihre Hand, um den Trank dort zu bestaunen. Für einen Moment glaubte sie so stark an das Leben, welches das kleine Fläschchen enthielt, dass es schon fast in ihrer Hand pulsierte, als ob es einen eigenen Herzschlag besitzen würde. Zwei winzige Dinge hatte er ihr gegeben: Einen Pergamentfetzen und eine Phiole mit einem Trank, die nicht größer als ihr kleiner Finger war und dennoch zog sie eine enorme Kraft daraus. Sie fühlte sich auf eine Weise bewaffnet, die sie noch nicht einmal mit ihrem Zauberstab erreichen konnte.
Vorsichtig arbeitete sie daran eine Naht in ihrem Kleid zu öffnen und steckte die Phiole hinein und versteckte sie innerhalb des Stoffes. Sie fühlte sich am sichersten, wenn sie es an sich spürte. Obwohl sie wusste, dass es wirklich nur ihre eigene Körperwärme war, mochte Hermine es, dass der Trank eine Wärme hatte, die sie durch ihre Kleidung spüren konnte. Sie schloss die Naht und richtete ihren Zauberstab auf ihre Haare.
***
Später, im Grimmauldplatz, kam es Hermine so vor, als ob sie sich kaum an die Hochzeit erinnern konnte. Als sie versuchte sich daran zu erinnern, war alles, was sie sehen konnte, Fleur, wie sie am Arm ihres Vaters zu Bill geführt wurde. Ihr Gesicht war erleuchtet vor Freude und es war deutlich in ihrem Blick zu sehen, dass Fleur den größten Traum ihres Lebens lebte. Hermine war erneut bewegt von Fleurs großartiger Geste Harry zu verkörpern, gewesen. Sie hatte nicht nur ihr Leben riskiert, was schon schwierig genug war zu messen, sondern auch diesen Wunsch, der bereits in Fleurs Gedanken wahr geworden war. Hermine hatte sich gewünscht, dass sie Fleur irgendein Brautgeschenk hätte geben können. Vielleicht wenn der Krieg vorbei war, würde sie etwas Angemessenes finden, etwas, was Fleur daran erinnern würde, wie sie sich an diesen Tag gefühlt hatte.
Vorausgesetzt, dass sie den Krieg überlebte, fügte ihr Verstand grausam hinzu. Vorausgesetzt, dass du den Krieg überlebst. Sie hatte diesen Gedanken unterdrückt. Das hier war eine Feier, und obwohl sie wusste, dass es von Schmerz und dämmernder Verzweiflung ergriffen war, so war sie und alle Anwesenden, entschlossen diesen einen Tag von allen anderen abzusondern; einen letzten Moment von Frieden und Glück zu genießen; zu glauben, wenn auch nur für einen flüchtigen Augenblick, dass die Dinge so verliefen, wie sie es sollten.
Hermine hätte gedacht, dass sie eifersüchtig auf die Feier sein würde, ihre eigenen Wünsche für eine richtige Hochzeit waren schon vor langer Zeit in Dumbledores Büro zerstört worden. Stattdessen hatte sie eine tiefe Verbindung und Sehnsucht nach Snape verspürt, wo auch immer er jetzt stecken mochte. Und als der kleine Zauberer, der die Zeremonie geführt hatte, all diejenigen, die bereits verheiratet waren, eingeladen hatte, ihre eigenen Schwüre zu überdenken, hatte sie aufrichtig gedacht: ‚ Von diesem Tage an wird mein Blut dein Blut sein; mein Heim dein Heim sein; mein Leben dein Leben sein.‘ Mit Moody war jede Möglichkeit gestorben, so gering sie vielleicht gewesen sein mag, ihre Ehe wieder rückgängig zu machen und obwohl sie sich zutiefst schuldig fühlte, dass es Snape in noch mehr Gefahr brachte, so war sie auf bedenkenlose und undeutliche Weise dankbar, dass sie diese Entscheidung nicht mehr treffen musste. Ihn zu verlieren war schon undenkbar genug. Sie glaubte nicht, dass sie fähig war, ihn aufzugeben.
Als Kingsleys Patronus aufgetaucht war, da wusste sie, dass ein Teil von ihr nur darauf gewartet hatte. Seine Worte waren nur gering und entsetzlich.
„Das Ministerium ist gefallen. Scrimgeour ist tot. Sie kommen.â€
Eine seltsame Ruhe hatte sich über sie gelegt, als alle anderen um sie herum in Panik gerieten. Harry stand zu ihrer linken und sie nahm seine Hand fest in ihre eigene.
„Wir müssen Ron finden“, schrie über den Lärm und die Verwirrung.
„Ich glaube, ich habe ihn drüben bei der Bowle gesehen“, sagte er und sie hatte in seiner Stimme dieselbe ruhige Sicherheit gehört, dass all dies passieren sollte. Sie duckte sich und kämpfte sich zusammen mit Harry, den sie hinter sich herzog, durch die Menge aus Hexen und Zauberern, die alle verzweifelt damit beschäftigt waren ihre Lieben zu sammeln, bevor sie disapparierten.
Als sie Ron erreicht hatten, schnappte sich Hermine seinen freien Arm und wirbelte auf den Punkt, verfrachtete sie alle mitten auf die Tottenham Court Road. Es war der erste Ort, an den sie hatte denken können, der frei von irgendwelchen Zauberern war – eine Muggel-Einkaufsmeile mit vielen Elektrogeräten, für die die Zauberer keine Verwendung hätten. Sie hatte viele Tage hier mit ihren Eltern verbracht, um für den Urlaub einzukaufen.
„Weitergehen, einfach weitergehen“, keuchte Hermine. „Wir müssen irgendetwas finden, wo ihr euch umziehen könnt.“ Harrys Tarnung schien langsam zu schwinden, was im Moment nicht ihr geringstes Problem war, da sie alle drei noch ihre Festkleidung trugen. Obwohl viele der Muggels auf der Straße selbst etwas ungewöhnlich waren, hielt es sie nicht davon ab, auf die drei seltsam gekleideten Jugendlichen zu starren, die die Straße hinunter eilten.
„Hermine, wir haben nichts anderes zum Anziehen“, raunte Ron leise.
„Schon gut. Ich habe den Umhang und ich hab Klamotten für euch beide.“
Sie verschwanden in der nächsten Seitenstraße. Hermine begann eifrig, ihre Tasche zu durchwühlen. Es war für sie am logischsten gewesen, als sie gepackt hatte, dass das Zelt griffbereit war. Jetzt stieß sie es zur Seite – es ertönte ein lautes Hallen, als ihr Kessel darüber fiel – und griff nach den Jeans und Pullovern für die Jungen.
„Wie zum Teufel noch mal ...?“, begann Ron.
„Unaufspürbarer Ausdehnungszauber“, sagte Hermine und betete, dass keiner von ihnen fragte, wo sie so etwas gelernt hatte. „Warum glaubt ihr wohl, habe ich euch ständig nach euren Klamotten und Büchern gefragt? Für meine persönliche Sammlung?“
„Wann hast du das alles gemacht?“, fragte Harry, während Ron seinen Festumhang abstreifte.
„Ich habe dir doch im Fuchsbau gesagt, dass ich die wichtigsten Sachen schon seit Tagen gepackt hatte … es war nur ein Gefühl …“
„Du bist echt irre“, sagte Ron und reichte ihr seinen zusammengeknüllten Umhang.
Sie warf Ron ein dünnes Lächeln zu. „Wir müssen etwas finden, wo wir uns hinsetzen und neu organisieren können. Wir müssen einige Pläne machen.“ Harry zog den Umhang über und sie scheuchte sie aus der Gasse, die Straße hinunter. Vor ihnen sah sie ein Café, was genau richtig war. Es war gut beleuchtet und von der Aufmachung einfach nur für Muggel. Niemand würde auch nur im Traum daran denken, hier nach ihnen zu suchen.
Als sie die Tür zum Café aufzog, läutete eine kleine Glocke über ihnen. Hermine führte Ron und Harry zu einer Sitzbucht. Die Jungen glitten auf die Bank und ließen ihr den Stuhl auf der anderen Seite mit dem Rücken zur Tür. Ihre Nackenhaare begannen zu kribbeln. Sie mochte es nicht, wenn sie nicht sehen konnte, wer hereinkam. Snapes Stimme diktierte in ihrem Kopf. Seien Sie immer wachsam. Lassen Sie sich niemals in die Ecke drängen.
Sie bestellten Kaffee und begannen sich darüber zu beraten, wo sie als Nächstes hingehen sollten. Beide Jungen wollten so schnell wie möglich in die Zauberwelt zurückkehren. Sie wusste, dass sie beide krank vor Angst um die waren, die sie auf der Hochzeit zurückgelassen hatten, aber sie mussten auch verstehen, dass eine Rückkehr bedeutete, die anderen in nur noch größere Gefahr zu versetzen. Die Todesser wollten jetzt Harry. Wo er hinging, würden sie verfolgt werden.
Die Glocke läutete erneut auf und Hermine verdrehte ihren Hals und versuchte auszumachen, wer gerade gekommen war, aber sie konnte nicht alles über die hohe Rückbank ausmachen.
„Ich denke immer noch, dass wir zurück in die Winkelgasse gehen sollten – vielleicht sollten wir einen dieser sprechenden Patronus schicken, und sehen, ob wir eine Antwort bekommen – vielleicht sind sie auch schon verschwunden und es ist sicher--“
Hermine hörte auf zuzuhören und sah, wie Harrys Zauberstab unter seinen Umhang auftauchte. „Stupor!“, schrie er.
Hektisch wirbelte ihr Kopf herum. Wo war die Gefahr? Was tat er nur da? Dann sah sie zwei Männer an der Theke – einer von ihnen war offensichtlich Thorfinn Rowle. Warum hatte Ron nichts gesagt?
Harry traf direkt ins Ziel und Rowle rutschte von seinem Stuhl; jedoch war sein Begleiter unverletzt. Er war ein dunkelhaariger Zauberer mit einem hasenähnlichen Gesicht – er sah unglaublich untauglich neben dem bulligen Rowle aus, aber er war schnell. Magische Seile sprangen aus seinem Zauberstab und wickelten sich fest um Ron herum.
Hermine sprang rechtzeitig auf, um zu sehen, wie Harry aus versehen die Bedienung mit einem Schockzauber traf. Gut!, kreischte ihr Verstand. Weniger zu erklären.
„Petrificus Totalus!“, sagte sie und fällte den kleineren Todesser.
Hermine stand für einen Moment da, absolut unsicher, was sie als Nächstes tun sollte. Wie hatten die Todesser sie gefunden?
„Ähm, etwas Hilfe?“, fragte Ron und unterbrach ihre Gedanken.
Sie befreite ihn aus dem Fesselzauber und er gesellte sich zu ihr und Harry, wo sie auf die beiden Männer standen, die ihnen gefolgt waren.
„Das ist Dolohov“, sagte Ron, als Harry den kleineren von ihnen mit seinem Fuß herumdrehte.
„Ist doch egal, wie sie heißen!“, sagte Hermine ein wenig hysterisch. „Wie konnten die uns finden? Was sollen wir jetzt tun?“
„Wir müssen nur ihre Gedächtnisse löschen“, sagte Harry. „Das ist besser, es wird sie von der Fährte ablenken. Wenn wir sie umbringen würden, wäre es offensichtlich, dass wir hier waren.“
„Aber ich habe noch nie einen Gedächtniszauber ausgeführt“, sagte Ron.
„Ich auch nicht“, sagte Hermine, „aber ich kann es theoretisch.“
Ron drehte sich um und warf ihr einen sehr merkwürdigen Blick zu, wodurch sie nur rot anlief, aber Harry kümmerte sich nicht um sie, sondern ging nur aus dem Weg, damit sie anfangen konnte.
„Amnesia!“, sagte sie und Dolohovs Blick wurde sofort verschwommen und träumerisch. Sie vollführte den Zauber ein zweites Mal und befahl den Jungen aufzuräumen.
Ihr Verstand raste, als er versuchte mit einem Ort aufzuwarten, an den sie sich verstecken konnten. Wenn die Todesser sie in einem Muggel Café mitten in London finden konnten, dann konnten sie sie überall finden. Wenn Harrys Spur wieder aktiviert war, was die einzige Erklärung war, die für Hermine irgendeinen Sinn ergab, dann mussten sie irgendwohin, wo man sie nicht verfolgen konnte. Grimmauldplatz.
„Da kann Snape doch rein!“, sagte Ron, als sie es vorschlug.
Sie holte einmal tief Luft, das Argument bereits formuliert auf ihren Lippen. Aber sie hätte sich keine Sorgen machen müssen. „Sie haben Flüche gegen ihn in Stellung gebracht“, erwiderte Harry.
Hermine öffnete ihren Mund, aber Harry fuhr fort. „Und was soll’s? Ich schwöre, mir wäre nichts lieber, als Snape zu treffen.“
Hermines Herz raste weiterhin. Sie betete, dass Snape tatsächlich nicht dort sein würde, wenn sie auftauchten.
„Aber …“, begann Ron.
„Hör mal, Snape ist nur ein einzelner Todesser. Wenn ich die Spur noch immer auf mir habe, dann sind die scharenweise hinter uns her, ganz gleich, wo wir sonst hingehen.“
Hermine warf Ron einen Blick zu, der so viel sagte, dass sie widerwillig überzeugt war. Grimmauldplatz würde sicher sein. Und eine leise Stimme in ihrem Kopf flötete, dass sie von da aus auch das Porträt bekommen könnte. Ron sah noch immer verängstigt aus, aber nickte. Dann zählte Harry bis drei, sie lösten die Zauber von ihren drei Opfern … und Harry, Ron und Hermine hatten sich auf der Stelle gedreht und waren in der drückenden Dunkelheit verschwunden.
Die drei eilten zu dem Haus, welches nur sie sehen konnten. Hermine blickte von der einen Seite zur anderen, hielt nach irgendjemand Ausschau, der nicht hätte dort sein sollen, aber sie konnte nichts außergewöhnliche sehen. Einmal im Inneren verharrten sie alle, zusammengepresst im Eingang.
„Sollten hier nicht eigentlich Flüche gegen Snape sein?“, fragte Ron und gab ihren Widerwillen weiterzugehen eine Stimme.
„Also, vielleicht sind sie ja nur für Snape“, sagte Harry und entschlossen einen Schritt vor. Hermine folgte ihm dicht gefolgt.
Moodys körperlose Stimme sandte eine Eiseskälte durch ihr Herz und ihre Lungen. „Severus Snape?“, fragte er.
Als sie wieder atmen konnte, war Hermine zutiefst erleichtert. Wenn Moody derjenige gewesen war, der die Flüche gesetzt hatte, dann gab es hier nichts, was Snape wirklich verletzen konnte, wenn er sich mal hierher zurückziehen musste.
Als sie noch einen weiteren Schritt vortrat, rollte sich ihre Zunge unangenehm in ihrem Mund zusammen. Sie konnte Ron husten und röcheln hören, als der Zauber sich löste.
„Schon okay“, sagte sie. „Das war nur ein Zungen-Fessel-Fluch.“
Aber dann erschien ein Geist am Ende des Flurs, der sie dermaßen erschreckte, dass sie aufschrie und Mrs. Black aufweckte. Während das Porträt kreischte, kam ein entsetzliches Abbild von Dumbledore auf sie zu. Zorn verzerrte sein Gesicht, seine Zähne gefletscht …
„Nein!“, schrie Harry. „Nein! Wir waren es nicht! Wir haben Sie nicht getötet!â€
Die Gestalt explodierte und belegte sie mit einem seltsamen Staub. Mrs. Black schrie weiter, bis Hermine sie mit einem Schweigezauber traf und die Vorhänge vor dem Porträt zuzog.
Hermine zauberte Homenum revalio, um sicherzugehen, dass sich sonst niemand im Haus befand und dennoch schlichen die drei nahe beieinander durch den Flur, öffneten Türen und schielten mit fassbarer Angst und Beklemmung in die Räume. Hermine zuckte mehrmals bei dem Geräusch ihrer eigenen Schritte zusammen und schrie beinahe auf, als die Tür zu Sirius’ Schlafzimmer klemmte und dann knarrend auffiel, als Harry mit seiner Schulter dagegen haute.
Zufrieden, dass sich niemand im Haus befand, gingen die Drei zurück die Treppen hinunter. Unten im Erdgeschoss zu schlafen – und die Haustür hören zu können, falls sie sich öffnen sollte – schien weniger Angst einflößend, als sich nichts ahnend in den oberen Stockwerken aufzuhalten. Nicht, dass Hermine sonderlich große Erwartungen an eine Nacht mit Schlaf stellte.
Als sie den Flur hinab ging, als letzte in ihrer Reihe, suchte sie die Wände nach dem Porträt von Phinas Nigellus Black ab. Woher sollte sie wissen, welches es war? Aber ihre Frage wurde nur einen Augenblick später beantwortet, als ein blasser, hakennasiger Zauberer in einem Gemälde darauf wartete, dass die Jungen an ihm vorbeigingen und dann einen Finger hob, um damit direkt auf sie zu zeigen.
Sie nickte knapp dem Porträt zu und folgte den Treppen.
***
„Harry Potter ist im Haus meiner Vorfahren angekommen“, berichtete Phineas Nigellus plötzlich von seinem Porträt an der Wand aus.
„Wirklich?“, fragte Snape gelangweilt. „Und die anderen?“
„Weasley und das Schlammblut sind bei ihm.“
„Benutzen Sie nicht dieses Wort.“ Snape setzte sich auf, starrte das Porträt mit einem harten Blick an.
„Also schön. Das Granger-Mädchen.“
„Und konnten Sie in Verbindung mit ihr treten?“
„Ich habe sie daraufhin gewiesen, dass ich mir ihrer Anwesenheit bewusst bin.“
„Gut.“ Und dann, etwas verspätet, fügte er hinzu. „Danke.“
Phineas Nigellus schnaubte antwortend.
Snape drehte sich um und begutachtete das Büro des Schulleiters. Er war erleichtert gewesen zu sehen, dass Dumbledore, als er das Büro betreten hatte, nicht in seinem Porträt gewesen war. Er war sich nicht sicher, wie ihre Vereinigung ablaufen würde, da er sich auf dem Astronomieturm fast sicher war, dass Dumbledore gewusst hatte, was er hervorgerufen hatte, um den Avada Kedavra auszuführen.
Obwohl er bereits seit fast einem Jahr wusste, dass er diese Räume einnehmen würde, entsetzte es ihn noch immer, seine Sachen in den Gemächern des Schulleiters auszupacken. Ein Teil von ihm wollte, dass alles so blieb, wie es war und doch wusste er, dass er für den Anschein den gesamten Raum einnehmen musste. Er zuckte mit seinem Zauberstab und verbannte alle blutroten Gryffindor-Spuren aus dem Zimmer.
Für gut eine Stunde war er Dumbledores Büchersammlung durchgegangen und entfernte die Bücher, die er nicht behalten wollte, und ersetzte sie mit seinen eigenen, welche die Hauselfen in Stapeln brachten, die über ihren Köpfen schwebten. Einer dieser Elfen trottete durch den Raum, beladen mit Bänden, als Snape eine Stimme hörte, die ihn in der Stille erschreckte.
„Ah, so schnell rotten Sie mich aus, Severus?“, kicherte die Stimme.
Dumbledore. Sein Herz pochte, aber er erhob sich mit seinem gewöhnlichen Grinsen.
„Ich kann mir wohl kaum einen Nutzen vorstellen, warum Sie Gärtnerarbeiten mit Muggels haben sollten“, sagte Snape, als er das besagte Buch hochhielt und es bestimmt auf den aussortierten Stapel legte.
„Ich mochte es ein breites Spektrum an Informationen zu haben“, antwortete Dumbledore mit einem wahnsinnigen funkelnden Blick.
„Verstehe“, antwortete Snape in einem Ton, der verdeutlichte, dass er es nicht tat. „Ich denke, ich werde wählerischer in meinem Geschmack sein.“
„Durchaus. Es gehört Ihnen und Sie können damit machen, was Sie wollen.“
Das war der Vorwurf auf den Snape gewartet hatte. Er hatte es gewusst, er hatte es gewusst, dass wenn es vorbei war, Dumbledore ihn dafür hassen würde. „Ich habe es nie gewollt“, schnappte er.
„Ah, aber Sie haben es, mein lieber Junge und jetzt müssen Sie das Beste daraus machen. Da wir gerade davon sprechen, wie geht es Miss Granger?“
„Jetzt ist sie also ‚Miss Granger‘? Waren Sie es nicht gewesen, der sich das Recht herausgenommen hatte ihren Vornamen zu verwenden?“
Dumbledore nickte langsam und stülpte seine Finger, diese alte Geste, die Snapes Blut zum Brodeln brachte. „Hermine dann also. Wie geht es Hermine?“
„Miss Granger hat ihren Teil der Vereinbarung eingehalten“, sagte Snape in einen kurz angebunden, neutralen Ton. Er beobachtete, wie sich die gemalte Hautfarbe von Dumbledore zu verdunkeln schien, um es mit reichhaltigen, wärmeren Pigmenten zu füllen. Der Mann war erleichtert, erkannte er, auch wenn er es niemals zugeben würde.
„Natürlich, natürlich. Und haben Sie Neuigkeiten, wo sie sich aufhält? Wo Harry ist?“
„Soweit ich weiß, befinden sie sich momentan im Grimmauldplatz. Die Hochzeit der Weasley war heute. Sie wurde unterbrochen“, sagte Snape mit derselben undurchschaubaren Stimme. „Das Ministerium ist gefallen. Dennoch befinden sich alle drei, laut Phineas Nigellus, im Hauptquartier. Ich habe noch nicht persönlich mit ihr gesprochen.“
„Verstehe“, sagte Dumbledore. „Haben Sie es vor?“
„Fragen Sie mich, ob ich plane, dem Hauptquartier einen Besuch abzustatten? Ich kann mir kaum den Empfang vorstellen, den ich von Potter erhalten werde.“
„Ah, aber sicherlich können Sie doch Schulleiter Black fragen als Mittelsmann zu agieren“, sagte Dumbledore.
„Ja“, antwortete Snape knapp. „Obwohl ich mir sicher bin, dass es Schulleiter Black schnell zur Last fallen wird, zwischen uns Nachrichten zu übermitteln. Das Mädchen, wie Sie sich vielleicht erinnern können, ist bestenfalls weit ausholend.“
Dumbledore lächelte nachsichtig. „Phineas Nigellus Black ist an den Eid des Schulleiters gebunden. Es gibt nichts, was Sie sagen könnten, was er nicht ohne Ihre Erlaubnis berichten darf.“
„Ich bin mir dessen bewusst, danke.“
„Aber er kann natürlich, anders als die Lebenden, an zwei Orten auf einmal existieren.“
„Wovon reden Sie da nur, alter Mann? Ich weiß wie die Porträtmalerei funktioniert! Schulleiter Black ist entweder hier oder er ist dort.“
„Hören Sie“, sagte Dumbledore.
Snape hörte Gemurmel, entfernte Geräusche von erhobenen Stimmen und ein kratzendes, kreischendes Geräusch, bei dem er an das Verrücken von Stühlen auf den Steinboden denken musste.
„Was ist das?“
„Gerichtssaal Zehn im Ministerium für Zauberei.“
Snape starrte ihn an. „Erklären Sie das.“
„Mein linker Fuß befindet sich dort im Gemälde“, sagte Dumbledore. Snape betrachtete den Zauberer vorsichtig und sah, dass sich Dumbledores Fuß tatsächlich außerhalb des Rahmens befand.
„Aber“, stotterte Phineas Nigellus, „ich bin seit fast achtzig Jahren ein Porträt in diesem Büro! Wie kommt es, dass ich noch nie ..."
„Ich hätte es nie von selbst entdeckt, wenn Dilys nicht so eine ruhelose Schläferin wäre“, antwortete Dumbledore. „Eines späten Abends hörte ich die unverkennbare Stimme eines Zauberers in der Aufnahme von St. Mungos, dessen Kopf aus versehen in einen Teekessel verwandelt worden war. Dilys war aus ihrem Stuhl gerutscht und ihr linkes Bein fehlte bis zum Knie.“
„Da fragt man sich, was sie in St. Mungos gesehen hatte“, sagte Phineas Nigellus garstig.
Dilys Derwent, die bisher vorgegeben hatte zu schlafen, schnaubte damenhaft.
„Da es sich so anhörte, dass der arme Mann kurz davor stand überzukochen, bezweifle ich außerordentlich, dass sie dem Porträt der ehrenhaften Schulleiterin Derwent Aufmerksamkeit geschenkt haben“, antworte Dumbledore.
„So faszinierend dies zweifelsohne alles ist“, sagte Snape, „habe ich diesen Abend noch einiges zu erledigen. Wenn Sie mich dann entschuldigen würden ...“ Innerlich rasten seine Gedanken. Würde er wirklich eine Möglichkeit bekommen, vernünftig mit Hermine zu reden? Ihre Stimme zu hören? Er hatte nicht erkannt, wie einsam er geworden war, von der Welt in Spinners End abgeschnitten, und er hatte seine Zeit nur mit den Leuten verbracht, in dessen Nähe er vorsichtig sein musste. Selbst wenn es nur für einen kurzen Augenblick war, würde es gut tun mit ihr zu reden. Wenn er sie nur sehen, ihren Mund dabei zusehen könnte, wie sie sprach und ihr dabei in die Augen sehen könnte. Sei dankbar, dass du überhaupt mit ihr reden kannst, sagte er sich. Dann, Lächerlich dass du so viel Wert auf ein siebzehnjähriges Mädchen setzt.
„Ich habe für den heutigen Abend noch eine letzte Bitte.“
„Aber bitte doch“, sagte Snape in einem lang leidenden Ton, als er seine Augenbraue hochhob.
„Das Schwert von Gryffindor. Es muss versteckt werden. Das Ministerium, glaube ich, wird schon bald danach suchen. Sie werden eine Kopie – eine sehr gute Kopie – für sie brauchen.“
Snape warf dem Porträt einen fragenden Blick zu. „Welches Interesse sollte das Ministerium am Schwert von Gryffindor haben?“
„Schlechthin glaube ich, dass sie verhindern wollen, dass es in Harry Potters Hände gelangt. Jedoch müssen Sie dafür sorgen, dass er es sicher erhält. Und der erste Schritt ist es, es zu verstecken. Ich denke, hinter meinem Porträt ist bestimmt ein sicheres Versteck. Ich vermute, ich werde die armen Ministeriumsangestellten in meinem Tode noch genauso einschüchtern, wie ich es lebend getan habe.“
Snape schnaubte leise, aber nickte.
„Also schön, Severus. Halten Sie mich auf den Laufenden.“
Plötzlich erkannte Snape, dass selbst, wenn es ihm möglich war, direkt mit Hermine zu sprechen, dass es immer noch sechs Hexen und Zauberer gab, die ihn hören konnten. Selbst, wenn er sich einreden konnte, dass Black nicht mehr zwischen ihnen war, würde es ihm unmöglich sein vor Dumbledore frei mit ihr zu reden. Was war es noch gleich, was er gesagt hatte? Gewiss vertrauen Sie sich dem Mädchen nicht an? Ich will nicht, dass Sie eine Zuneigung entwickeln, die Ihrer Loyalität in den Weg kommen könnte.
„Ich sehe nicht, wie ich irgendwas anderes tun könnte. Sie scheinen, wie gewöhnlich, inmitten der Dinge zu stecken.“
Dumbledore kicherte. „Ganz genau.“ Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss seine Augen, wie es alle ehemaligen Schulleiter pflegten zu tun, und dennoch hegte Snape nur geringen Zweifel, dass er weiterhin den Raum aufmerksam beobachten würde.
Wie sollte er ihr nur sagen, dass sie weiterhin ihre Rollen spielen mussten, selbst hier, wo sie ungestört schienen?
Es war einige Stunden später, als sich Phineas Nigellus Black in seinem Porträt aufsetzte und laut verkündete: „Schulleiter Snape, das Granger-Mädchen ruft mich.“
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