von Xaveria
„Draco Malfoy“, flüsterte Minerva.
„In der Tat. Und jetzt muss ich Sie wohl um einen Gefallen bitten.” Snape atmete tief durch. Er wusste, dass das, was er drauf und dran war zu tun, alles ändern würde. Er wusste, dass er jetzt zugeben müsste, dass er direkt Befehle missachtete, den Plan änderte.
„Was ist es?“
„Ich hoffe Sie verstehen die Bedeutung dessen es für sich zu behalten?“
„Selbstverständlich.“
„Ich werde Ihr absolutes Schweigen erwarten? Selbst dem Orden gegenüber?“
„Ja.“
„Gut. Ich will Sie wirklich nicht mit einem Vergessenszauber belegen, Minerva. Es gibt da jedoch jemanden, dem möchte ich, dass Sie es ihm erzählen.“
„Wen?“
„Dobby.“
Ihr Gesicht war schon fast komisch. „Sie müssen mich nicht wie eine Erstklässlerin anstarren. Das waren sicherlich nützliche Informationen und ich danke ihnen. Aber da gibt es Dinge, um die ich mich augenblicklich kümmern muss. Ich werde von hier in meinen Vorratsraum gehen und dann in meine alten Gemächer im Kerker. Wenn Dobby zur Einsicht kommt, wenn er mir vertrauen wird, schicken Sie ihn dort hin.“
Sie zog leicht ihre Augenbrauen hoch. „Es gibt noch andere Elfen, wissen Sie. Andere, die dazu verpflichtet sind Ihnen zu dienen.“
„Ich habe bereits genug Herren gedient, um zu wissen, dass ich niemals einen Sklaven haben möchte“, sagte er bestimmt und schritt zur Tür. Er blieb an der Schwelle stehen.
„Und, Minerva?“
„Ja?“
„Sie wissen schon, dass ich Sie jetzt in Verlegenheit bringen muss…“
Etwas wie ein Lächeln zeichnete sich auf ihren Mund ab und sie nickte. Es war ein Blick, den sie oft getragen hatte, als sie noch Hauslehrer von zwei sich bekriegenden Häusern waren, einen Blick den er mit Neckereien über Quidditch und dem Hauspokal verband. Er zog eine Augenbraue hoch und versuchte es zu erwidern. Dann hob er seinen Zauberstab und beendete den Schweigezauber. Er holte einmal tief Luft, um sie anzubrüllen.
„Glauben Sie etwa, dass Ihre erbärmlichen Sorgen es rechtfertigen mich durch das halbe Schloss in Ihr Büro zu schleifen? Kommen Sie gar nicht erst auf den Gedanken zu glauben, dass Sie irgendwelche Sonderprivilegien besitzen. Denn ich versichere Ihnen, das tun Sie nicht. Disziplinarverfahren gehen durch mein Büro – keine Ausnahmen! Ich habe Ihnen das Privileg erlassen Hauspunkte zu verteilen. Bis jetzt. Aber da Sie ja gezeigt haben, dass man Ihnen nicht mit einem Mindestmaß an Verstand zu handeln vertrauen kann, muss ich darauf bestehen Ihnen--“
„Ich bin Gryffindors Hauslehrerin--“, begann sie jetzt gleichermaßen zu schreien, ihr Blick leuchtete vor ihm. Sie durchquerte den Raum und presste ihn den Deluminator in seine Hand.
„Ruhe!“, bellte er, legte die Schutzzauber ab und öffnete die Tür. „Von jetzt an sind Sie auf Bewährung. Ich werde Sie jetzt ganz genau im Auge behalten, Minerva. Achten Sie darauf nicht die Grenzen zu überschreiten. Ich mag gar nicht dran denken, was mit Ihnen passiert, sollte ich Sie feuern.“
Er drückte sich durch den Haufen von Professoren, die draußen vor der Tür standen. „Kommen Sie gar nicht erst auf dumme Gedanken“, knurrte er. „Ich wäre nur allzu glücklich Sie alle aus dem Schloss zu schmeißen.“
Er jagte durch die Halle und die Treppen zum Kerker hinunter. Drei schnelle Wendungen und er stand vor der Tür seines ehemaligen Labors. Er presste seine Finger gegen die Tür und trat schnell ein, verschloss und versiegelte die Tür hinter ihm. Von hier aus konnte er seine alten Gemächer betreten.
Er brauchte nur einen Moment, um das zu finden, was er brauchte, obwohl die Wände mit zahllosen Tränken und Salben bedeckt war. Seine Finger tanzten taub über die Möglichkeiten, Veritaserum, Schmerzmittel, Heiltrank und Traumloser Schlaf und steckte sie in die verschiedenen Taschen seiner Roben. Er fuhr mit seiner Hand über seine Arbeitsbank, welcher mit einer leichten Staubschicht bedeckt war. Wie er diesen Raum vermisste, diesen ruhigen Raum, wo er ohne Angst unterbrochen zu werden arbeiten konnte, wo er Sicherheit und Trost und Ruhe abgefüllt hatte. Aber er drückte sich durch den nächsten Durchgang, betrat den Raum, der einst mal sein Büro gewesen war und von dort aus ging es weiter in das Wohnzimmer.
Er setzte sich in einen Sessel vor dem leeren Kamin und wartete. Snapes Gedanken rasten noch immer, unkontrolliert, sortierte die Informationen, die ihm gegeben worden waren. Dumbledores Zauberstab… vermutlich mächtiger als andere Zauberstäbe, eine Bindung gewonnen nur durch Gewalt. Voldemort, der Lucius Zauberstab benutzte, weil er glaubte, dass nur ein anderer das Problem mit dem Zwillingskern lösen könnte. Diese Information war von Ollivander gekommen. War es möglich, dass Ollivander dem Dunklen Lord von dem Elderstab erzählt hatte?
Wo befand sich der Elderstab jetzt? Snape vermutete, dass Dumbledore mit seinem Zauberstab begraben worden ist, da es magische Tradition war, aber da es ihm nicht möglich gewesen war die Beerdigung zu besuchen, konnte er sich nicht sicher sein. Wenn Dumbledore gewollt hätte, dass er den Zauberstab bekäme, warum hatte er es dann nicht offenbart oder den Zauberstab irgendwo gelassen, wo er ihn finden konnte? Snape würde wohl kaum Dumbledores Grab aufbrechen, um ihn zu holen. Aber Dumbledore hatte Hermine Hinweise hinterlassen, die sie zu der Legende der Heiligtümer des Todes führte, also lag Minerva vielleicht doch richtig in ihrer Annahme, dass der Zauberstab noch eine Rolle spielte…
Ein großer Teil in ihm wollte augenblicklich hinauf in das Büro des Schulleiters stürmen, um von dem Porträt Antworten zu verlangen, aber Vorsicht und Verschwiegenheit erlaubten dies nicht. Nicht bis er es verstanden hatte. Nicht bis er wusste, was Dumbledore eventuell beabsichtigt hatte.
Dobby tauchte mit einem Knall neben der Tür auf und stand dort, nicht zitternd, wie er es sonst immer tat, sondern mit gehobenem Kinn da. Was machte der Elf jetzt schon hier?
„Schulleiter“, quietschte er.
„Dobby“, antwortete Snape vorsichtig. „Hast du mit Professor McGonagall gesprochen?“
„Dobby muss nicht Professor McGonagalls Erklrärung hören, Sir, doch Dobby war froh zuzuhören. Aber Dobby wusste schon, dass Professor Snape für Harry Potter arbeitete.“
Snape runzelte die Stirn. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich verstehe.“
„Dobby weiß seit letztem Jahr, dass Professor Dumbledore Pläne für Sie hatte.“
„Dumbledore hat dir gesagt, dass ich--“
„Nein, Sir.“ Dann griff er hoch und schlug sich klanghaft auf den Kopf. „Vergeben Sie Dobby für die Unterbrechung, Sir. Aber Dobby kann Ihren Ring sehen.“
Snape atmete hörbar durch. „Meinen Ring?“
„Miss Hermine Granger hat auch so einen. Dobby sah Professor Dumbledore verletzt und Sie haben für ihn gesorgt. Dann kam Miss Granger mit demselben Ring wie Ihren. Dobby wusste da, dass Professor Dumbledore uns verlassen würde und dass er Sie und Miss Granger zusammengebracht hat, um Harry Potter zu helfen, Sir.“
„Aber in meinem Büro – Weihnachten--“
Dobby nahm seinen Angriff auf seinen Kopf wieder auf. „Dobby tut es leid, Professor Snape. Die anderen Hauselfen, sie verbinden sich nicht mit Miss Granger. Sie sind wütend, dass sie versuchte sie zu befreien. Sie wissen nicht, was Dobby weiß. Dobby wollte nicht auf sich aufmerksam machen, Sir. Dobby glaubt nicht, dass er es wissen darf.”
„Hör auf“, sagte Snape. „Hör auf dich selbst zu bestrafen.“
Dobbys Hand fiel schlaff an seine Seiten und er strahlte Snape an.
Die Elfe hatte es wegen Hermine gewusst. Eine leise Stimme meldete sich in seinem Hinterkopf wieder. Hatte Dumbledore dies geplant? Es gab in alle dem eine Ordentlichkeit, die ihn störte.
„Ich muss in die Keller von Malfoy Manor. Da befindet sich ein Gefangener, mit dem ich sprechen muss. Aber die Zauber dort sind schwer; und ich darf nicht entdeckt werden. Ich kann dort nicht ohne deine Magie hinkommen.“
„Dobby kennt diesen Keller sehr gut, Sir“, sagte die Elfe, als sie anfing zu zittern.
„Dann kennst du die Gefahr. Wenn du mich nicht dort hinbringen willst, dann verstehe ich das. Ich werde es dir nicht befehlen.“
„Harry Potter und Miss Granger sind Dobbys Freunde, Sir“, sagte er langsam. „Dobby möchte--“
Snape nickte.
„Dobby wird Sie hinbringen, Schulleiter“, sagte die Elfe und streckte Snape seine knochige, ledrige Hand entgegen.
Aus irgendeinen Grund und trotzt der Tatsache, dass dieser bizarre kleine Elf es deutlich gemacht hat, wie es anscheinend jeder tat, dass er in Auftrag Potters handelte, fühlte sich Snape durch das Gefühl diesen harten, sicheren Griff der Hauselfen, unglaublich berührt.
„Danke“, sagte er und der Knall von Dobbys Apparation rollte wie eine Peitschte durch ihn hindurch.
***
Es war so dunkel im Keller der Mallfoy, dass er absolut nichts sehen konnte, als er schwer auf seinen Füßen landete. Snape warf seinen leeren Arm nach vorne, besorgt, dass er stolpern und die Elfe, die ihn hergebracht hatte, zerquetschen würde. Die Dunkelheit war so vollkommen, dass sie ein Eigenleben zu haben schien, wie sie sich vor ihm verdrehte und seine Augen schmerzten in dem Versuch wieder zu sehen. Er hatte keine Wahl. Er würde seinen Zauberstab benutzen müssen.
Snape ließ Dobbys Hand los und zauberte einen stummen Schweigezauber. Sicherlich war jeder, der sich hier unten befand, durch ihre Apparation alarmiert worden, aber bisher hatte noch niemand aufgeschrien. Es war schon fast unmöglich sich vorzustellen, dass hier unten jemand in der Stille und eisigen Dunkelheit war, zumindest jemand lebendiges. Aber soweit Snape wusste, war Ollivander nie befreit worden.
Er wirbelte seinen Zauberstab durch die Luft, um Licht zu schaffen. Im Halbdunkeln, konnte er eine kleine, graue Figur zusammengerollt in der Kellerecke gegen die Steinwand gelehnt liegen sehen. Ollivander, dachte er und trat vor. Ob er lebte oder nicht, konnte Snape nicht genau sagen. Der Mann war vollkommen regungslos; es gab keine Anzeichen, dass er ihre Ankunft mitbekommen hatte, noch dass er das Licht sah; sicherlich das erste Licht, was er seit einer geraumen Zeit gesehen hätte.
„Ollivander?“, fragte Snape grob.
Plötzlich wurde er am Knie gepackt und zu Boden geworfen, der harte Stein unter ihn sandte einen summenden Schmerz bis in seine Oberschenkel. Er zischte, als er sich wegdrehte. Wie konnte er nur vergessen haben den gesamten Raum zu überprüfen. Er hatte nur einen flüchtigen Eindruck von verfilztem blondem Haar, bevor er einen wortlosen Schockzauber warf, und den Angreifer kampfunfähig machte. Draco? Was sollte er hier unten in der Dunkelheit machen? Schnell überflog er den Kellerraum und sein Blick landete schließlich auf der Person neben sich, welche jetzt genauso regungslos, wie der Zauberer in der Ecke lag. Mit seinem Fuß drehte er den Körper um.
Luna Lovegood. Verdammt noch mal. Wie lange war sie schon hier? Und genauso beängstigend, warum hatte er nichts davon gehört? Er öffnete seine linke Hand und berührte mit seinen Zauberstab den Ring. Geh nicht zu Lovegood.
Snape fiel neben der Hexe auf seine Knie und tastete nach ihrem Puls. Er war schnell und flattrig, aber sie schien in keiner Gefahr zu sein. Sie war dünn und dreckig und selbst in seinem dimmen Licht, konnte der die Verletzungen auf ihrer blassen Haut sehen, aber ansonsten sah sie ganz aus. Er zog sie in eine sitzende Position gegen die Wand und nahm ein Fläschchen des Heilungstrankes aus seiner Tasche. Leicht legte er ihren Kopf zurück und tröpfelte die Flüssigkeit in ihren Mund, ließ sie ihren Hals hinunterlaufen. Es folgten drei Tropfen Schmerzmittel und dann zog er sich zurück, um zu der Person in der Ecke zu gehen.
„Ollivander!“, sagte er erneut, aber der Zauberer blinzelte nicht. Seine silbernen Augen starrten weiterhin leer gegen die Wand.
Zaghaft berührte Snape Ollivanders graue Papierhaut. Sie war warm, nachgiebig. Er schwang seinen Zauberstab über den Körper des Zauberers. Er lebte. Lebendig, aber vielleicht vergraben in seinem eigenen Verstand. „Ollivander“, flüsterte er. „Ich bin nicht hier, um Ihnen wehzutun.“
Immer noch rührte sich Ollivander nicht. Snape fuhr eine Hand unter den Kopf des alten Mannes und hob ihn vorsichtig vom Boden. Er hasste es, aber er musste es tun, um zu wissen, dass der Zauberer noch da war oder ob sein Verstand unwiderruflich zerbrochen war. „Legilimens“, flüsterte er.
„Wer ist da… mehr von euch? Lasst mich alleine… ich habe nichts mehr da… ich habe alles gesagt, was ich weiß… Tötet mich, bitte, tötet mich einfach. Ich bin von keinen Nutzen mehr… dieser Schmerz… diese Dunkelheit… bitte… Verschont Miss Lovegood. Sie hat nichts getan. Oh Merlin, bitte, lass es vorbei sein.“
Das Brennen seines Ringes rief ihn wieder zurück und er zog sich aus dem Kopf des alten Mannes zurück. Schnell zog er den Ring ab und hielt ihn an seinen Zauberstab. Habe es lebend geschafft. Müssen bald reden. Sie war schon bereits… Nein. Darüber durfte er jetzt nicht nachdenken. Sie lebte, sie hatte Neuigkeiten. Das war alles, was zählte. Er würde hier nehmen, was er kriegen konnte und dann würden sie reden.
Melde mich, sandte er zurück und steckte den Ring wieder an seinen Finger und wandte sich wieder Ollivander zu.
„Was tun Sie mit ihm?“
Snape wirbelte auf seinen Knie herum, um das Mädchen zu sehen, welche sich ihren Weg aus dem Schockzauber kämpfte. Er hob zögernd seinen Zauberstab. Sie rührte sich nicht, sondern beobachtete ihn einfach. „Sie haben mich geheilt“, sagte sie schließlich.
„Miss Lovegood“, begann er.
„Tun Sie ihm nicht weh.“
„Das ist nicht meine Absicht. Wie lange ist Mr Ollivander schon in diesem Zustand?“
„Vor zwei Tagen hat er aufgehört zu atmen. Nach seinem letzten Besuch.“
„Verstehe. Wurde er gefoltert?“
„Zuerst vielleicht. Ich bin noch ganz so lange hier“, sagte sie in ihrer seltsamen Stimme. „Das letzte Mal, als er… Was in aller Welt tun Sie da?“
Scheiße. Wer wusste schon, was noch von dem Verstand des Mannes übrig war, wenn Voldemort darin herumgestochert hatte. Wenn der Dunkle Lord dachte, dass Ollivander etwas versteckte, dann würde er ihn zerreißen und zwingen, bis er es hat.
„Ich habe Legilimentik angewendet, Miss Lovegood“, flüsterte Snape. „Ich wollte wissen, ob Mr Ollivander noch… irgendwie Hirnfunktionen hat.“
„Hat er?“
„Ja. Er hat sich zurückgezogen, aber zumindest oberflächlich ist sein Verstand aktiv.“
„Ich bin froh, dass zu hören. Ich vermisse ihn. Man hat hier unten nicht besonders viel Gesellschaft“, sagte sie unbekümmert, als ob sie über das Wetter reden würde.
„Nein“, sagte Snape, da er darauf keine passende Antwort hatte. Sie schien keine Angst vor ihm zu haben und machte keine Anstalten ihn anzugreifen. Und doch war er vorsichtig und sprach mit ihr, wie er mit einem fremden Hund reden würde. „Ich will ihm keinen Kummer bereiten, aber es ist notwendig, das ich mit Mr Ollivander rede. Ich muss wieder seinen Kopf betreten.“
„Aber Sie tun ihm nicht weh?“
„Ich werde so behutsam sein, wie möglich.“
„Und werden Sie ihn auch heilen?“
„Werde ich.“
Sie nickte, offenbar zufrieden. „Sie haben Dobby mitgebracht.“
„Dobby hat mir geholfen hierher zu kommen.“ Die Elfe beugte sich leicht. Auf Lunas Gesicht war kein Schock zu sehen, aber sie drehte sich um und sah Snape fragend an.
„Miss Lovegood?“, sagte er, auch wenn ihr verstörender, starrer Blick ihn nicht verließ. „Werden Sie mir helfen?“
„Ich habe keinen Zauberstab.“
„Ein Zauberstab wird nicht nötig sein. Wenn Sie ihn etwas hochheben könnten, damit er sich in einer sitzenden Position befindet?“
Das Mädchen streckte sich lange, als ob sie nicht sicher war, ob ihre Gliedmaßen ihr auch gehorchten. Dann krabbelte sie über den Steinboden, bis sie neben Ollivander kniete. Snape dachte, dass er ihr helfen musste, da der Mann schlaff und schwer war, selbst in seinem abgemagerten Zustand, aber Luna hakte ihre Arme unter Ollivander und sie zog ihn hoch, umarmte ihn gegen seine Brust. Als sie arbeitete, redete sie in ihrer lustigen Sing-Sang-Stimme.
„Ist schon gut, Mr Ollivander. Ich bin’s nur. Luna Lovegood. Ich werde Ihnen nicht wehtun. Sie müssen nur für einen Moment so sitzenbleiben. Ja, das ist es. Das ist sehr gut. Professor Snape ist hier, Mr Ollivander, aber ich glaube nicht, dass er Ihnen was will. Er hat mir einen Heilungstrank gegeben und er hat mir gesagt, dass er Sie auch heilen wird. Ja, genau so, Mr Ollivander. Legen Sie einfach nur Ihren Kopf gegen meine Schulter.“
Als sie ihn gerichtet hatte, blickte sie zu Snape auf. „Ist das gut so?“
„Sehr. Sehr gut, Miss Lovegood. Danke.”
Er hob seinen Zauberstab. „Legilimens.“
„Snape, hat das Mädchen gesagt, Snape! Weiß sie es denn nicht? Wie konnte sie es nicht wissen? Snape! Seine rechte Hand, gekommen… Lass mich alleine. Verschwinde! Er hat genommen, was er brauchte. Da ist nichts mehr--”
Snape tauchte zwischen die oberflächlichen Gedanken; er brach wie durch einen dünnen, öligen Film durch die Oberfläche hindurch.
„Der Zauberstab… er weiß von dem Elderstab… ich habe versucht ihn aufzuhalten, ihn zu blocken, versucht zu vergessen, aber er hat es sich dennoch genommen. Jetzt sendet er seine Lakaien; jetzt ist er hier, um auch noch den Rest meines Verstandes zu nehmen--“
Sehr behutsam, sehr sanft, begann Snape mit Ollivander zu sprechen. „Ich bin nicht für Voldemort hier.“
„Lügen… Lügen…“
„Die Wahrheit, Ollivander. Ich bin wegen der Wahrheit über den Elderstab hier.“
„Der Elderstab! Ich wünschte, ich hätte nie davon gehört… ich weiß nichts mehr! Ich habe ihn nie gesehen, ihn nie berührt!“
„Aber Sie kennen seine Macht?“
„Sie suchen den Elderstab? Sie wünschen aufzusteigen, vielleicht über den Dunklen Lord selbst? Selbst zu regieren…“
„Nein. Ich bin nur hier, um zu verstehen.”
„Wenn Sie von dem Stab wissen, dann kennen Sie auch die Geschichten… da gibt es nichts mehr, was ich Ihnen geben kann, Snape. Nichts.“
„Ich habe Veritaserum, Ollivander. Zwingen Sie mich nicht Sie zum Reden zu bringen.“
„Das ist nicht wichtig. Sie täuschen Höflichkeit vor, aber Sie sind nicht anders wie der Dunkle Lord. Sie werden sich das nehmen, was Sie wollen, ob ich es Ihnen gebe oder nicht.“
„Ich werde sie trotzdem heilen. Ich werde nicht noch mehr verletzen, als bereits verursacht, Ollivander. Sie haben die Wahl mir zu helfen. Aber Sie haben Recht: Ich werde mir das nehmen, was ich bekommen kann.“
Ollivander seufzte lange in seinem Kopf und für einen Moment herrschte Stille. „Fragen Sie wegen dem Sie hier sind.“
„Ist es wahr, dass der Elderstab nur durch Blut weitergegeben werden kann?“
„Der Elderstab ist nicht wie andere Zauberstäbe; das ist wahr. Er kann nicht aus freien Willen übertragen werden; es muss gewaltsam sein.“
„Durch Mord?“
„Ich weiß es nicht mit Sicherheit, da ich den Zauberstab nie selbst untersucht habe. Aber ich glaube nicht. Ihn zu erobern sollte ausreichen.“
„Was meinen Sie mit ‚zu erobern‘?“
„Blutvergießen ist nicht unbedingt… erforderlich. Der Herr des Zauberstabes muss wehrlos gemacht werden, ihn unter seiner Gnade zu halten.“
„Verstehe. Und wird der Zauberstab für jemanden, der ihn nicht gemeistert hat, auch funktionieren?“
„Nicht gut. Nicht so gut vielleicht, selbst als schlechtes Gegenstück, einen Zauberstab, der nicht seinen Zauberer gewählt hat. Ich glaube, das ist der Grund, warum so viele zurückgegangen sind, um den Zauberer, von dem sie ihn gestohlen haben, zu töten… wie in dem Fall von Godelot und Hereward… und Loxius und Livius. Der Zauberstab wird nicht funktionieren, bis er gewonnen wurde.“
„Der Zauberstab erkennt Macht?“
„Oh, ja. Der Zauberstab ist mächtig und es durstet nach Macht. Aber noch mehr als Macht, will der Zauberstab Herrschaft.“
„Sie glauben der Zauberstab ist empfindsam?“
„Alle Zauberstäbe sind empfindsam, Snape. Ihr eigener Zauberstab hat Sie vor alle den Jahren in meinem Geschäft, erkannt. Es wählt seinen Partner. Aber der Elderstab will nicht nur einfach einen Partner. Nein, sein Verlangen, seine Forderungen sind größer. Er will beherrscht werden. Er ersehnt… Zerstörung.“
„Dann in Voldemorts Händen--“
„Da herrscht eine grausame Symmetrie, ja. Ich gestehe, dieser Gedanke besitzt… Macht.”
„Würde er ihn wählen, wie es sein eigener Zauberstab getan hat? Würde er ihn wählen, selbst wenn er ihn nicht gewonnen hat?“
„Der Elderstab wird von seinen eigenen, einzigartigen Gesetzten regiert… aber nichtsdestotrotz Gesetzte. Ich glaube nicht, dass er wie ein gewöhnlicher Zauberstab wählen kann. Er war erschaffen, um Blut zu ziehen, um Zwietracht hervorzurufen. Wenn der Zauberstab sich in den Händen von demjenigen befindet, der ihn nicht gemeistert hat, dann sucht er… Das ist der Grund, warum es die Gerüchte gibt… der Zauberstab sucht seinen Meister. Gregorovitch hätte niemals mit dem Zauberstab geprahlt, wenn der Zauberstab ihn nicht dazu angetrieben hätte. Er besaß ihn nicht und der Zauberstab wollte besitzt werden…“
„Erzählen Sie mir, was Sie von Gregorovitch wissen… warum jagt der Dunkle Lord ihn?“
„Gregorovitch besaß den Zauberstab, oder hat es zumindest behauptet. Ich glaube, dass er es tat. Er war ein guter Mann, ein guter Zauberstabmacher. Er machte keine falschen Behauptungen. Ich glaube, dass er ihn geerbt hat, dass er ihm vielleicht von Baliclus, welcher als sein Meister starb, hinterlassen worden war. Das ist der Grund, warum ich glaube, dass er damit so geprahlt hat… er wollte nicht untersucht werden, vergessen in irgendeiner Sammlung liegen… Der Zauberstab suchte.“
„Und Grindelwald? Hat er den Zauberstab von Gregorovitch genommen?“
„Der Dunkle Lord… danach war er hier, nach dem er Gregorovitch ausgeweidet hat. Er war mein Konkurrent, und doch, kann ich mir die Welt nicht… ein schrecklicher Verlust für die Zauberwelt. Es gibt nur wenige fähige Zauberstabmacher. Aber der Dunkle Lord sagte, dass er, bevor er Gregorovitch getötet, seinen Verstand geraubt hat. Er meinte, ein junger, blonder Zauberer hat den Zauberstab genommen, dass er gesehen hätte, wie er einen unbewaffneten Gregorovitch angegriffen hätte… vielleicht war dadurch die Herrschaft in ihm wiedergeboren… ich gestehe… ich dachte Grindelwald. Und der Dunkle Lord wusste, dass ich es gedacht hatte. Dieser Zauberstab ist eine Bestrafung und ein Fluch für den Halter. Der, der ihn beherrscht, ist niemals sicher.“
Niemals sicher. Das war es, zu was Dumbledore versucht hatte ihn zu verdammen. „Würde er sich gegen seinen Herren richten? Würde der Dunkle Lord in der Lage sein ihn gegen seinen wahren-“
„Wieder kann ich nur raten. Aber ich glaube nicht. Ich denke – der Zauberstab will seinen Herren nicht zerstören. Er würde sich mit ihm verbinden wollen.“
„Aber wenn der Meister der schwächere von beiden wäre – wenn ein Kind die Herrschaft hätte und Voldemort den Zauberstab--“
„Ich weiß es nicht“, sagte Ollivander, aber Snape schmeckte den Untergedanken des Mannes. „Potter?“
„Aber Sie können raten.“
„Ich glaube, er würde es nicht. Der Zauberstab ist einfühlsam, ja, wie jeder andere auch, und es scheint einen ungewöhnliche Vorliebe für Macht zu haben, aber seine Bewertung… Kann ein Zauberstab bewerten? Kann es über die schwingende Vibration einer harmonischen Seele noch hinaus etwas spüren?“
„Ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich glaube, dass Sie der einzige Zauberer sind, der es vielleicht weiß.“
„Ich habe mein ganzes Leben lang mit Zauberstäben gearbeitet. Ich habe tausende gestaltet. Zehntausende. Aber Zauberstabskunde ist ungenau, unvorhersehbar. Ich höre die hohe Totenklage eines Zauberstabes, der von einer fremden Hand gehalten wird, das unterschwellige Seufzen des Zauberstabes, der seinen Zauberer gefunden hat. Aber die Zauberstäbe in meinen Geschäft liegen, wenn nötig, für eine Ewigkeit in ihren Schachteln. Sie suchen nicht. Aber dieser Zauberstab… es ist gebunden an die Gesetze seines Erschaffers, an das Chaos. Ich denke, es kennt nur die Gesetze der Gewalt und Herrschaft. Ich würde den Zauberer wählen, der ihn gewonnen hat, glaube ich.“
„Sie waren sehr hilfreich, Ollivander.“
„Snape… sind Sie der Herrscher des Elderstabs?“
„Warum fragen Sie mich das?“
„Weil es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis er es weiß. Wenn Grindelwald den Zauberstab hatte, wie der Dunkle Lord glaubt, dass er es getan hat, dann muss Dumbledore ihn genommen haben, nachdem er ihn besiegt hatte. Sie haben Dunbledore umgebracht, Snape. Ein Zauberer so stark wie Lord Voldemort… er wird seine Magie durch den Zauberstab kanalisieren können. Aber wenn er erkennt, dass der Zauberstab nicht das erwartete Instrument der Macht ist, wird er wissen, dass er ihn nicht beherrscht und er wird Sie finden.“
„Das war dann alles“, sagte Snape und verschwand schnell aus Ollivanders Kopf. Der Zauberer blinzelte.
„Snape“, krächzte er.
„Liegen Sie ruhig, Ollivander. Sparen Sie Ihre Kräfte. Sie waren enorm hilfreich.“ Snape entkorkte die übrige Flasche mit dem Heilungstrank und schüttete sie in den Mund des Zauberers. Er fügte noch ein paar Tropfen des Schmerzmittels und etwas Traumloser Schlaf zu und deutete Miss Lovegood an ihn los zu lassen. Sie legte ihn vorsichtig auf den Boden.
„Ich kann Sie nicht mitnehmen“, sagte er ihr. „Niemand darf erfahren, dass ich hier gewesen bin.“
„Das ist schon in Ordnung, Professor Snape“, sagte sie. „Es ist gar nicht so schlimm.“
Snape schnaubte ungläubig. Das Mädchen hätte in Gryffindor sein sollen.
„Manchmal nachts, kann ich die Leute oben reden und sich bewegen hören. Ich kann dann vorgeben in Hogwarts zu sein, wo ich in meinem Bett einschlafe.“
Welch eine seltsame, junge Frau, dachte Snape. Und sie erinnerte ihn etwas Hermine. Solch eine Kraft in ihrem Inneren. Er wünschte, er müsste es nicht tun.
„Miss Lovegood, ich werde Sie mit einem Vergessenszauber belegen müssen. Sie beide.“
Sie nickte.
„Ich werde so schnell wie möglich Hilfe schicken.“ Warum versprach er einem Mädchen Dinge, deren Gedächtnis er gleich löschen würde? Es war sinnlos; sie würde sich an nichts mehr erinnern und doch konnte er sie nicht ohne ein paar Worte der Hoffnung in dieser unbarmherzigen Dunkelheit zurücklassen. „Halten Sie durch.“
„Ja, Sir. Soll ich ganz still sitzen?“
„Das wäre durchaus hilfreich, ja.“
Aber sie blieb nicht ruhig sitzen. Stattdessen beugte sie sich vor und strich mit ihrer Hand über seinen Ärmel.
„Ich habe es vorher nicht erkannt. Dass Sie auf unserer Seite sind.“
Er riss seinen Arm weg, plötzlich absolut entsetzt. Was tat er nur? In vierundzwanzig Stunden hatte er sich vier Personen offenbart. Vier! Er entwirrte den Plan so sicher, als ob er sich vor Voldemort stellen und sich als Verräter entlarven würde. Das war Wahnsinn – das war der sichere Tod. In all den Jahren, wusste er, dass er dies nie haben wollte. Warum sollte er sich von Hauselfen und Kindern anfassen lassen?
„Obliviate!“
Der Blick des Mädchens wurde weich und wirr, aber sie schien ihn zu beobachten, als er sich an Ollivander wandte.
Dann blickte er hinunter und Dobby hielt erhoben seine kleine, knochige Hand hoch. Verflucht noch mal. Er nahm sie, aber als er den Knall der Apparation hörte, schien sein Herz zu stolpern und in seiner Brust zu stoppen. Als sie in der Dunkelheit verschwanden, da war er sich sicher, dass er tot war, dass irgendjemand ihn irgendwie verfluchte, bevor er entkommen konnte und dass die erdrückende, erstickende Dunkelheit das Gefühl von seiner Seele war, wie sie aus seinem Körper gerissen wurde.
***
Als sie im Büro des Schulleiters ankamen, schwitzte er und war verängstigt, und seine Angst erschreckte und erzürnte ihn.
„Das ist dann alles, Dobby“, sagte er kalt. „Danke.“
Dobby zeigte keine Regung den Raum zu verlassen.
„Ich sagte, das war dann alles. Ich habe hier noch etwas mit Dumbledore zu erledigen.“
Unerforschlich sah Dobby ihn an und disapparierte dann, ließ Snape alleine in dem Raum zurück, obwohl er wusste, dass der ehemalige Schulleiter ihn neugierig beobachtete. Er ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich mit zugewandten Rücken zu den Porträts hin.
Im Raum war es unheimlich still, aber er konnte sich nicht konzentrieren, konnte nicht über seine Worte nachdenken.
Dumbledore hatte ihn in den Tod geschickt und er fürchtete sich davor zu sterben.
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