von Xaveria
Am Morgen der Anhörung schlich Hermine noch vor Sonnenaufgang aus ihrem gemeinsamen Bett. Die Matratze quietschte und verrückte sich und er öffnete ein Auge und sah, wie sie aus dem Zimmer ging.
Es befanden sich jetzt Geräusche im Haus, an die er sich als - weibliche Geräusche - gewöhnt hatte. Das Geräusch von Absätzen und wenn ein Lippenstift geöffnet wurde. Das Streichen eines Kammes, der durch ihr nasses Haar fuhr. Diesen Morgen schien das Haus davon zu leben und er verspürte das fremde Kitzeln, welches im sagte, dass im Badezimmer gezaubert wurde. Er setzte sich auf.
Snape zog sich sein weißes Hemd über und knöpfte es bis oben hin zu, etwas, was er, seit er es abgelegt hatte, nicht mehr getan hatte. Es war schon leicht gräulich und von Schulter bis Handgelenk zerknittert, also rollte er die Ärmel hoch bis zu seinen Ellbogen und zog sich seine Hose an, die etwas zu kurz für ihn war. Soll sie ihr Haar verzaubern, um sie zu beeindrucken, er würde genauso gehen, wie er war. Denn das war doch der Punkt, oder nicht? Um herauszufinden, wer er war? Um all seine Geheimnisse auszugraben?
Es war nicht unbedingt so, dass ein Satz neuer Roben ihn freisprechen konnte und was er ihr nicht erklären konnte, war, dass wenn er sie tragen würde, dann würde er zugeben, dass es ihn kümmerte, was sie von ihm hielten, dass ihr Urteil ihm etwas bedeutete und er würde nicht ein Lebenswerk an einen einzigen Morgen ruinieren. Sollen sie doch denken, was sie wollten, das hatten sie schon immer getan. Er würde sich nicht beschämen es überhaupt erst zu versuchen.
Er strich sein Haar hinter seine Ohren und setzte sich auf die Bettkante, um seine Schuhe zuzuschnüren. Er hörte, wie sie die Treppe hinunter ging und in der Küche herumwirbelte. Er setzte sich einen Moment still hin, lauschte ihren Bewegungen durch das Haus und dachte flüchtig, wie seltsam die Welt doch war. Hermine Granger bereitete in seinem Familienhaus Frühstück zu. Er hörte das Einschenken von Saft und das Brutzeln von Eiern in der Pfanne. Heute würde er vor das Zaubergamot treten.
Er stand auf und ging mit der Absicht ihr zu sagen, dass sie sich keine Mühe machen sollte, in die Küche. Ihre Eier waren grauenhaft und außerdem würde er heute Morgen nichts runter kriegen. Shacklebolt war um sieben Uhr fällig, um sie ins Ministerium zu bringen und irgendwie ließ der Gedanke, sich von dem Mann anfassen zu lassen, damit er wie ein Squib zum Ministerium Apparieren konnte, seinen Magen im Inneren zusammenziehen.
Aber als er die Treppe hinunterging, sah er sie. Ihr Haar war nicht, wie er erwartet hatte, glatt und geschmeidig gezaubert, sondern in einen dicken Zopf hinten zusammengebunden und ihre Roben waren lang und schwarz und ernst, von Kopf bis Fuß zugeknöpft. Sie stand höher als sonst, ob es durch einen Zauber oder ihren Absatzschuhe hervorgerufen wurde, wusste er nicht, aber was ihn am meisten traf, war die unbestimmbare Luft, die sie wie ein feiner Nebel umgab. Da war eine Frau in seiner Küche.
Ihre Stirn war in Falten gelegt und ihre Lippen fest zusammengepresst. Sie trug Make-up, aber es konnte nicht die Anspannung und die Belastung der letzten zwei Wochen, dem letzten Jahr aus ihrem Gesicht vertreiben. Ihre Hände bewegten sich geschickt über die Anrichte, sie schnitt Pilze und warf sie zu den brutzelnden Eiern in der Pfanne. Sie arbeitete, ohne aufzublicken, obwohl er wusste, dass sie sich seiner Gegenwart bewusst war.
Er stand wie angewurzelt auf dem Treppenabsatz und starrte sie an. Das war nicht das Mädchen, welches mitten in der Nacht in seiner Tür stand.
Und was ihn wie einen Schlag in seine Magengrube traf, war, dass er jetzt wusste, was ihr Geschenk war. Es war nicht nur, dass sie Essen kaufte, von dem sie wusste, wie man es ohne Magie zubereitete. Es waren nicht die Roben, nicht die Zeitungen oder die Art, wie sie ihn wie ein Niemand durch das Haus schleichen ließ. Es war nicht die Art, wie sie zwischen ihm und der Tür lag, dass sie endlich schlafen konnten oder wie sie für ihn wie ein rächender Todesengel in die Welt hinausging. Es war das Mädchen in der Tür, ihr T-Shirt hing hinab bis zu ihren knorrigen Knien, ihr Haar ein Durcheinander aus Locken. Es war die Tatsache, dass niemand außer ihm dieses Mädchen sehen würde. Was sie sahen, würde die Frau in der Küche sein. Sie hatte ihm etwas gegeben, was niemand sonst konnte und niemand konnte es ihm wegnehmen.
Er drehte um und ging wieder die Treppen hinauf. Ohne nachzudenken, zog er die Roben, die wie ein Wollhaufen in der hintersten Ecke seines Schrankes lagen, heraus.
Im Badezimmer fand er zwischen ihren Sachen eine kleine und ziemlich nutzlose Schere. Er arbeitete vorsichtig, schnitt das Haar aus seinem Gesicht, aber irgendwann musste er sich eingestehen, dass er seinen Hinterkopf nicht schneiden konnte. Er schritt in die Küche und reichte ihr wortlos die kleine Schere.
„Oh, Severus", sagte sie kaum hörbar. Sie nahm die Schere ohne ein weiteres Wort und beendete seinen hastigen Haarschnitt. Es war ungleichmäßig und auf der linken Seite vielleicht etwas länger, aber er hatte keinen Zauberstab, womit er es ausgleichen könnte, noch konnte er die Falten aus seinen Roben entfernen und sie bot es ihm nicht an.
Als sie sich wieder umdrehte, waren die Eier verbrannt und sie entschuldigte sich und kratzte sie schnell in die Spüle, aber er zuckte nur mit den Schultern und ging wieder zum Fenster.
Shacklebolt erschien mit einem Pop auf der obersten Stufe und klopfte an die Tür. Snape stand nicht auf, sondern beobachtete Hermine, wie sie die Tür öffnete und den Minister hereinbat. Wenn sie das offizielle Gesicht der Snapes sein wollte, dann ließ er sie.
Shacklebolt schritt in das Wohnzimmer und streckte seine Hand aus. „Severus. Guten Morgen", sagte er.
Snape durchquerte nicht das Zimmer, um die ausgestreckte Hand zu nehmen. Stattdessen sagte er: „Sollen wir diese Höflichkeiten nicht einfach überspringen und weitermachen? Ich bin mir sicher, dass Sie es kaum erwarten können."
Shacklebolt räusperte sich. „Ja, ich schätze, je eher wir anfangen, desto eher wird das hier vorbei sein. Zeugen für die Verteidigung melden sich bereits den ganzen Morgen. Unnötig natürlich, da es nur eine Voranhörung ist. Dennoch bin ich mir sicher, dass ihr froh über die Unterstützung seid. Die Weasley haben bereits-"
„Genau. Ich kann mir vorstellen, dass es ein paar Familien gibt, die dies für nichts auf der Welt verpassen wollen."
„Severus", sagte Hermine in einen warnenden Ton.
Er zog eine Augenbraue hoch. „Ja?"
Sie antwortete nicht, sondern starrte ihn eisern an.
„Ja, also gut, ich bin mir sicher, dass Hermine es bereits angesprochen hat, aber nur, dass es keine Missverständnisse... Wir werden in mein Büro im Ministerium apparieren. Von da aus werden wir dann zu Gerichtssaal Zehn gehen."
„Gerichtssaal Zehn?", sagte Snape gedehnt. „Dann ist es ja genau wie in alten Zeiten, nicht?"
„Dumbledore Porträt befindet sich fest in Gerichtssaal Zehn", sagte Shacklebolt fast entschuldigend. „Wir sind nicht - es sollten keine Erinnerungen geweckt --"
„Nein, natürlich nicht", sagte Snape.
„Danke, Kingsley", sagte Hermine. „Ich denke, wir sind bereit."
Die drei gingen auf die Treppenstufen von Spinner's End. Hermine nahm Snapes linken Arm und Shacklebolt seinen rechten und zwischen ihn beiden, machten sie das für ihn, was er seit seinem siebzehnten Lebensjahr für sich selbst getan hatte.
***
Das Büro des Ministers war zu grell, egal wie oft sie es auch besuchte. Hermine vermutete, dass es damit etwas zu tun hatte, dass sie immer erwartete, dass es unpersönlich zu sein hatte - die fade Darstellung eines Regierungsangestellten, nicht der bunte Ausdruck von jemandem, den sie kannte. Oder vielleicht hatte sie sich auch einfach nur an das gedämpfte Antlitz von Spinner's End gewohnt und die Schwingungen dieses Ortes schienen in ihren Augen zu brennen.
Kingsely dachte, dass sie einen Moment alleine wollte, ein Zugeständnis, für welches sie zugleich dankbar war, wie es sie auch nervös machte. Er eilte aus dem Büro und sagte ihnen, dass er nach dem Gerichtssaal sehen würde, und hatte die Tür hinter sich geschlossen. Sie drehte sich zu Snape um, der irgendwie klein in seinen zerknitterten Roben aussah. Er trug sie nicht, wie er den grünen Brokat im selben Schnitt getragen hatte und ihr kam es merkwürdig vor, dass sie sich nach dem Mann sehnte, der in seiner Kleidung wie die rechte Hand des Dunklen Lords aufsteigen konnte. Wo hatte er diesen Teil von sich gelassen?
„Ich glaube nicht...", sagte er nach einem Moment. „Ich will nicht, dass du falsche Erwartungen hast."
Sie nickte. Es schien keine passende Antwort zu geben.
„Es werden vielleicht Sachen über dich gesagt, die--"
Sie schnaubte ungeduldig. „Ernsthaft, Severus. Denkst du nicht, dass ich nicht bereits alles, was die Leute über mich sagen könnten, gehört habe? Alleine in Madam Malkins haben mich drei Hexen als Hure beschimpft und eine sagte, dass ich wie die anderen Todesser in Askaban verrotten sollte. Ich bin voll und ganz darauf vorbereitet, was vielleicht gesagt wird."
Snape zuckte leicht zusammen. „Hermine, ich--"
„Du musst gar nichts sagen. Das ist nicht deine Schuld."
„Nein", sagte er schwer. „Aber deine auch nicht."
Unfreiwillig schloss sie ihre Augen, als sie sein Geschenk akzeptierte.
„Ich werde nicht um ihre Vergebung bitten. Verstehst du mich? Ich werde mich nicht wie ein Schuljunge bei ihnen einschleimen."
„Das weiß ich."
„Ich will nur nicht, dass du denkst, nur weil ich zugestimmt habe diese lächerlichen Roben-"
Sie hob ihre Hand. „Ich weiß. Darf ich deine Roben glätten?"
Er nickte unmerklich.
Sie zog ihren Zauberstab aus ihrer Tasche und richtete ihn auf ihn. Er stand wie eine Statue da und sie hatte solch ein Mitleid mit ihm, dass beinahe ihre Knie unter ihr nachgaben. Es war nicht das, mit was sie ihm belegen würde, weshalb er so still stand, sondern der einfache Beweis ihrer Magie. Als sie fertig war, griff sie nach seinen Kragen und richtete ihn, auch wenn er bereits flach und steif an seinen Nacken lag.
Kingsley klopfte leicht an die Tür, als er sie öffnete.
„Seid ihr bereit?"
Snape folgte ihm schweigend aus dem Raum und sie war direkt hinter ihm. Sie nahmen den Fahrstuhl zur Mysterium-Abteilung und gingen dann eine Reihe von Steintreppen hinunter in einen langen Korridor, die Hermine zwanghaft an Snapes Kerker in Hogwarts erinnerte. Am Ende des Flurs befand sich eine schwere Holztür.
„Wenn ich die Tür öffne, dann werden alle aufstehen. Severus, Sie werden in die Mitte des Raumes laufen und sich dort setzen. Hermine, du wirst dich zu den anderen Zeugen der Verteidigung in die unterste Sitzreihe setzen. Ich werde meinen Platz als Hauptkläger einnehmen, wo sich alle wieder setzen werden. Daraufhin werden die Anklagen gegen Sie vorgetragen. Irgendwelche Fragen?"
„Kingsley, glauben Sie--", begann sie.
„Keine Fragen", sagte Snape knapp.
Kingsley streckte seine Hand aus, griff nach dem schweren Eisengriff und zog die Tür auf. Hermine blickte auf zu Snape, welcher durch die offene Tür starrte, sein Gesicht ein Ausdruck absoluter Gleichgültigkeit. Sie atmete einmal tief durch und richtete sich soweit es ging auf, als Kingsley zur Seite trat, damit sie durchtreten konnten und sie legte ihre Hand in Snapes. Für einen Augenblick war seine Hand absolut schlaff und sie fragte sich, ob sie noch weiter festhalten sollte - falls sie damit noch etwas Würde erhalten konnte oder einfach los lassen - aber plötzlich glitten seine Finger durch ihre und drückten fest ihre Hand. Unter dem Druck fühlte sie ihn beinahe vibrieren. Unbewusst imitierte sie seinen Blick und starrte geradeaus.
Zusammen traten sie durch die Tür.
Der Raum war gigantisch, wie ein geschlossenes Amphitheater, mit einer Sitzreihe nach der anderen im runden Gerichtssaal verteilt. Die Mitglieder des Zaubergamot saßen zusammengepfercht in den obersten Reihen gegenüber der Tür und die Zeugen der Anklage und Verteidigung saßen gegenüber in den untersten Reihen. Zu ihrer linken sah Hermine Arthur Weasley, Bill und Fleur, Ron, George, Harry und Ginny, Luna Lovegood, Mr Ollivander, Professor McGonagall und Kreacher. Sie waren eine zusammengewürfelte Gruppe und so entschlossen, dass sie sie an ihr erstes Treffen von Dumbledores Armee erinnerte -- all diese mutigen Gesichter, die keine Ahnung hatten, für was sie eigentlich kämpften, aber trotzdem entschlossen waren es zumindest zu versuchen.
Da war Geflüster im Gerichtssaal, als sie eintraten, aber Hermine blickte nirgends anders hin als in die Gesichter, die sie am besten kannte, zog aus ihren festen Gesichtern Trost. Sie musste Snapes Hand loslassen, damit er seinen Platz auf den großen Stuhl, mit den Ketten auf den Armlehnen, in der Mitte des Raumes einnehmen konnte. Sie wandte sich schnell ab, hörte das kalte Klicken der Glieder hinter dem Stuhl ihres Mannes. Sie glitt auf die Bank der Verteidigung neben Luna Lovegood, welche sich interessiert in dem Raum umblickte. Sie blickte in Lunas Gesicht, in der Hoffnung ihren Blick einzufangen, aber Lunas Blick ruhte auf einem Porträt hinter dem Kopf des Ministers. Dumbledore saß gelassen in seinem Rahmen, seine Beine überschlagen und seine Hände ruhten auf seinen Knien. Er sah so aufreizend ruhig wie immer aus.
Kingsley stand auf, umrundet von den Hexen und Zauberer des Zaubergamot.
„Guten Morgen", sagte er, seine Stimme verstärkt durch den runden Raum. „Voranhörung von Severus Snape am achtzehnten Mai neunzehnhundertachtundneunzig. Vernehmer: Kingsley Shacklebolt, Zaubereiminister; Gawain Robards, Abteilungsleiter für magische Strafverfolgung und Tiberius Odgen, Hexenmeister des Zaubergamot. Gerichtsschreiber: Percy Ignatius Weasley. Die Verhandlung ist für die Presse offen, jedoch gilt, dass keine Fotos innerhalb des Gerichtssaals genommen werden dürfen."
Hermine schielte zu ihrer Rechten und sah den Haufen von Reportern an der Tür, Rita Kimmkorn und Dempster Wiggleswade waren unter ihnen. Rita Kimmkorn starrte sie mit lebhaftem Interesse an. Schnell wandte Hermine ihren Blick ab.
„Bitte, setzten Sie sich. Ich gehe davon, dass ich nicht um Ruhe bitten muss. Wir werden jetzt die Anklage vortragen und Mr Snape wird die Gelegenheit haben zu antworten. Hiermit legt das Zaubereiministerium Severus Snape folgende Kriegsverbrechen zur Last..."
Hermines Blick war mit Snapes verankert, als Kingsleys Stimme über ihnen dröhnte.
„...Mord durch die Unverzeihlichen, Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Verschwörung zum Mord, Höchstverrat, Spionage..."
Snape blinzelte stetig. Seine dunklen Augen verließen niemals die ihren, auf seinem Gesicht gab es keinerlei Anzeichen, dass er Kingsley überhaupt sprechen hörte.
„... Beihilfe und Anstiftung zur Nutzung der Unverzeihlichen, Ausübung von Magie in Anwesenheit von Muggels, nicht autorisierte Benutzung eines Erinnerungszaubers, Zerstörung von Eigentum, Beihilfe zur Entführung..."
Hermine kämpfte, ihre Augen offen und ihr Gesicht neutral zu halten. Als sie ihn anblickte, fühlte sie, als ob sie ihre Gedanken direkt zu ihm schicken konnte und sie dachte wild: „Hör nicht hin. Es bedeutet gar nichts. Schließ deinen Verstand, es bedeutet nichts..."
„Mr Snape, Sie dürfen jetzt zur Anklage antworten. Worauf plädieren Sie?" Kingsleys Stimme schnitt scharf durch ihre Gedanken.
Hermine senkte ihren Blick und alle Zellen schienen still zu stehen. Ihr Herz schlug nicht. Sie atmete nicht. Severus hatte ihr nie gesagt, wie er plädieren wollte. Es war verrückt, unerklärlich, das wusste sie. Harry hatte sie seit Tagen gejagt und sie immer und immer wieder daran erinnert, dass all ihre Nachforschungen umsonst seien, sollte Snape auf schuldig plädieren, aber sie hatte es einfach nicht über sich gebracht, ihn danach zu fragen.
Jetzt war es an der Zeit zu sehen, ob sie Recht hatte, oder ob sie unglaublich dumm gewesen war.
Viele Nächte hatte sie im Bett gelegen, entweder auf dem Feldbett in dem Zimmer, in welches Snape sie verbannt hatte oder neben ihm im Schlafzimmer und genau über diesen Moment nachgedacht. Irgendwie war es ihr immer so vorgekommen, dass sie ihn kannte, dass sie etwas Fundamentales über ihn wusste, was durch die Luft trieb, während sie schliefen, ein Überrest, den er hinterlassen hatte, wenn er sie berührte, etwas Gestaltloses, aber Reales, das einfach nur Severus war. Mr Weasely hatte sie am Abend zuvor zur Seite genommen und sie gefragt, warum sie sich weigerte, mit Snape über seine Absichten zu reden und alles, was sie ihm sagen konnte, war: „Weil ich ihn kenne. Er muss selbst zu diesem Entschluss kommen oder gar nicht. Und wenn ich ihm keinen Grund gebe, mich auszubremsen, dann wird er es auch nicht."
Doch das war nicht der eigentliche Grund und das wusste sie. Vielmehr war der Schlüssel zu ihrem Mann etwas schwerer abzumessen. Snape liebte die Wahrheit. Selbst wenn er sich darüber irrte, was die Wahrheit war, war er davon besessen sie zu finden, davon besessen sie zu offenbaren und was auch immer er heute sagen würde, dann war es nur, weil er vollkommen davon überzeugt war, dass es wahr war. Betrachtete er sich selbst als einen Todesser? Glaubte er, dass er Albus Dumbledore umgebracht hatte?
Die Sekunden schienen zu verstreichen. Der Gerichtssaal schwieg und langsam hob Hermine ihren Blick, um in das Gesicht ihres Mannes zu sehen. Sie wusste, dass jeder starrte, dass ihn jeder nach irgendeiner Rührung beobachtete, irgendein Anzeichen. Aber er sah nur sie an und ganz leise, aber unglaublich deutlich sagte er: „Nicht schuldig."
Sie atmete so stark aus, dass sie für einen Augenblick dachte, dass sie sich übergeben musste, aber ihr Elend blieb in dem Lärm, der in den Sitzreihen ausbrach beinahe vollkommen unbemerkt. Luna berührte leicht ihren Handrücken.
„Das war sehr mutig von ihm", flüsterte sie in Hermines Ohr, was irgendwie lustig war, wenn man all die Sachen berücksichtigte, die man als mutig bezeichnen könnte, die Severus getan hatte, aber sie nickte ihrer Freundin angespannt zu.
Kingsley ermahnte die Anwesenden sitzen zu bleiben und sich zu beruhigen, während er aufstand. „Möge es im Protokoll vermerkt werden, dass Severus Snape offiziell seine Antwort gegeben hat. Die Verhandlung wird auf Montagmorgen vertagt, erster Juni um neun Uhr. Mr Snape wird jetzt in seine Unterkunft zurückkehren." Er deutete auf zwei Auroren, die Hermine nicht kannte und sie stiegen von ihrer Bank hinab zu Snape in der Mitte des Raumes. Kingsley signalisierte für Hermine, dass sie vortreten sollte.
„Warum ist er nicht in Askaban bei den anderen Verbrechern?", schrie Kimmkorn von der Tür aus. Zustimmende Rufe waren von den oberen Sitzreihen zu hören.
Kingsley zauberte ein Schild um sie beide.
„Ich werde Sie daran erinnern, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, Ihre Fragen zu beantworten, Ms Kimmkorn. Sie werden Anstand zeigen, oder Sie werden gebeten zu verschwinden", sagte Kingsley. „Jedoch werde ich Ihnen sagen, dass Mr Snape das Ministerium mit den Identitäten der Todesser und ihren Aktivitäten während des Krieges vertrauen wird und als Gegenleistung für seine unschätzbare Hilfe, habe ich ihm erlaubt während der Verhandlungszeit außerhalb von Askaban zu verbleiben. Seien Sie versichert, dass Mr Snape keinerlei Magie besitzt oder gedenkt zu flüchten. Sein Aufenthaltsort ist absolut sicher. Das wäre dann alles für heute."
Kingsley berührte mit seinem Zauberstab die Ketten, die Snape am Stuhl gefesselt hielten und löste sie. Flankiert von Auroren mit Kingsley an der Spitze, verließen sie den Gerichtssaal. Hermine war sehr dankbar für den Schildzauber, der sie umgab, aber trotz der Anwesenheit, duckte sich Hermine ein paar Mal, als sich die Leute auf sie stürzten.
„War Ms. Granger volljährig, als Sie sie geheiratet haben?"
„Hermine! Schau in die Kamera! Sind Sie ein Todesser?"
„Wie oft werden Sie noch die Seiten wechseln, Snape?"
Severus senkte nicht seinen Kopf, noch versteckte er sich hinter seinem Haar. Er ging einfach ausdruckslos weiter. Hermine schritt neben ihm, versuchte mit seinem Tempo gleichzuziehen.
***
Das Klopfen sandte etwas, was sich erstaunlicherweise wie Magie anfühlte, seinen Rücken hinunter, geradewegs bis in seine Zehen. In weniger als einer Sekunde war er aufgesprungen und seine Hand suchte wild in seiner Tasche nach seinem Zauberstab.
„Geh nach oben", zischte er zu Hermine.
„Was? Severus, du gehst nach oben", flüsterte Hermine zurück und zog ihren eigenen Zauberstab.
Die Erkenntnis, dass er keinen Zauberstab besaß - und dass er ihn nicht nutzen konnte, wenn er ihn denn hätte - parierte kurz mit der Angst, wer sich auf der anderen Seite der Tür befinden könnte, zwei verschiedene Ängste kämpften in seinen Kopf um die Oberhand.
Sie ging zur Tür und er schnitt ihr den Weg ab. „Bist du extra dumm? Mach, was ich gesagt habe!"
„Du solltest mir zuhören", sagte sie leise und ruhig. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wer auch immer dort draußen steht, hier her gekommen ist, um mich zu verletzen, ist gering. Ich bin bewaffnet und ich bin durchaus in der Lage mich-"
Er sehnte sich danach ihr den Zauberstab aus der Hand zu reißen und sie nach oben zu verbannen oder sie lange zu schütteln, bis sie verstand, dass er nicht missachtet wurde - dass er diese Tür öffnete und dass sie am besten so weit wie möglich entfernt war, wenn er es tat.
„Severus? Hermine?", rief eine Stimme hinter der Tür.
Er wirbelte auf eine Art auf seinen Absatz zu ihr herum, die ziemlich beeindruckend wäre, hätte er seine Roben getragen und nicht die alten Hosen seines Vaters.
„Warum ist Arthur Weasley an der Tür?"
„Woher soll ich das wissen?", erwiderte sie hitzig, griff an ihm vorbei und ließ den kahl werdenden Zauberer in das Haus.
„Hallo, Mr Weas-"
„Was wollen Sie hier?", brüllte Snape.
„Ich bringe euch die Zeitung", sagte Weasley ruhig und hielt ihnen zwei aufgerollte Pergamente entgegen. „Und ich wollte sehen, wie es euch geht."
„In der Tat", sagte Snape garstig. „Wie ich sehe, ist Molly gar nicht mit von der Partie."
Weasley traf seinen Blick. „Molly ist zu Hause und trauert um unseren Sohn", sagte er.
Hermine trat zwischen sie und legte eine Hand auf den Arm des Mannes. „Wie geht es ihr?"
„Wie zu erwarten", sagte Weasley ruhiger. „Wie auch immer, ich wusste nicht, ob ihr es gehört habt. Sie holen die Malfoys aus Askaban."
„Die Malfoys?", sagte Hermine alarmiert.
„Komm schon, Hermine", sagte Snape. „Sicherlich glaubst du nicht, dass Lucius und Narzissa diesen Spaß verpassen wollen, oder? Ich bin mir sicher, dass sie viele ihrer liebevollen Erinnerungen teilen möchten."
„Soweit ich es verstanden habe, wollen sie insbesondere Dracos Aussage."
„Verstehe. Nun, danke für die erfreulichen Nachrichten", sagte Snape sauer, und riss dem Mann die Zeitungen aus der Hand. „Und jetzt, wenn Sie uns entschuldigen würde, würden Hermine und ich gerne essen."
Weasely sah sich langsam in dem Zimmer um, als ob er darauf hinweisen wollte, dass es keinerlei Beweise für ein Essen gab, bevor er sagte: „Danke, dass Sie mich empfangen haben, Severus. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Hermine, wir sehen dich morgen."
Hermine begleitete Weasley noch nach draußen, entschuldigte vermutlich sein Verhalten, dachte Snape, als er zur Couch ging und dort die Zeitungen auseinanderrollte. Eine war der Prophet, die Titelseite war gefüllt mit Bildern von ihnen beiden, wie sie den Gerichtssaal verließen. Hermine sah so aus, als ob sie ihm beinahe nachrennen musste, und fühlte sich dafür etwas schuldig. Offenkundiger Verräter, Severus Snape, verlässt den Gerichtssaal mit seiner Kinderbraut, las der Untertitel. Die Schlagzeile: Snape Wechselt Wieder Die Seiten.
Nein, dachte er, ich schätze, er wollte nicht, dass ich das verpasse.
Aber die zweite Zeitung war der Klitterer und bevor Snape es verächtlich wegwerfen und den Lesegeschmack des Zauberers hinterfragen konnte, sah er die Worte: Severus Snape rettete meine Tochter.
Verfluchter Xenophilius Lovegood.
Was hatte er nur in diesem Gerichtssaal getan? Die ganze Sache wäre jetzt vorbei, wenn er doch nur das Wort gesagt hätte. Die Reporter würden es für einige Tage von Dächern schreien – „Schuldig", sagt Severus Snape! - und die Welt würde ihn dann wieder vergessen.
Er hörte das Zuschlagen der Tür und Hermines klappernde Schuhe auf den Stufen. Er stand auf und vernichtete das Teegebäck.
Sie hatte alles Recht der Welt wütend zu sein. Die Zeitungen kreuzigten sie. Immer und immer wieder, solange wie es anhielt.
Snape stieg die Treppen hoch in die Dunkelheit und stoppte vor der Schlafzimmertür. Ohne seine Magie konnte er sie nicht so deutlich wie in der Vergangenheit spüren und er wollte die Tür nicht öffnen, nur um dann mit ihrer Abwesenheit konfrontiert zu werden.
Er stellte sich vor, wie er versuchen würde, es ihr zu erklären. Warum hatte er es getan?
Weil er wollte, dass sie es wissen. Sie müssen es nicht glauben - im Grunde war er sich sicher, dass sie alles tun würden, um ihn nicht zu glauben - aber er wollte, dass sie es wussten, dass sie mit dem Wissen, was er getan hatte, belastet werden. Er wollte sie wissen lassen, dass während sie ihre Hände gewrungen und Fleischbällchen in der Küche der Weasleys gegessen hatten, dass er Befehle befolgt hatte. Und während sie sichere Unterkünfte erstellten, hatte er sich unter der Peitsche des Dunklen Lords gekrümmt.
Das stimmte nicht oder zumindest stimmte es nicht komplett, das wusste er, aber er weigerte sich, es weiter durchzudenken. Weil er es tun musste, dachte er wütend. Aus demselben Grund, warum er alles während dieser langen, grauenhaften Jahre getan hatte. Weil es keine Wahl gegeben hatte.
Sie war bereits im Bett, als er das Zimmer betrat.
Als er zwischen die Laken glitt, rührte sie sich nicht.
„Bitte tu das nie wieder", sagte sie ruhig.
„Wie bitte?"
„Arthur Weasley. Seine Familie befindet sich in großer Trauer und doch versucht er uns zu helfen."
Snape kochte, bevor er antwortete. „Ich bin nicht schuld am Tod von Fred Weasley."
„Niemand sagt, dass es deine ist, Severus! Merlin, warum muss es immer darum gehen, wer die Schuld trägt? Können wir nicht nur einfach Mitleid mit ihnen haben, ohne, dass es etwas mit Schuld zu tun haben muss?" Sie warf sich auf ihre Seite und schnaubte in ihr Kissen.
Snape lag angespannt auf seinen Rücken in der Dunkelheit. Sie täuschte sich. Natürlich hatte es etwas mit Schuldzuweisung zu tun. Alles hatte damit zu tun.
***
Das zweite Mal den Raum zu betreten unterschied sich nicht vom ersten Mal. Hermines Hand faltete sich, kurz bevor sich die Türen öffneten in seine und er betrat langsam den Raum, als ob es ihm egal sei, dass er in wenigen Schritten in der Mitte des Raumes auf einen Stuhl gefesselt sitzen würde, wo er von Hunderten von Augen angestarrt wurde. Es unterschied sich nicht sonderlich von dem Vorstellen vor dem Dunklen Lord - genauso öffentlich und gefährlich - aber ohne seine Magie, er hatte keine Okklumentik, mit der er sich schützen konnte und er wandte seinen disziplinierten Verstand auf die Aufgabe, alles zu registrieren. Er blickte geradeaus.
„Guten Morgen", begann Shacklebolt. Er stand auf dem Podium des Ministers, seine Arme ausgebreitet, als ob er die versammelten Hexen und Zauberer zu einer formellen Feier begrüßen wollte. „Bitte nehmen Sie Platz."
„Wie Sie bereits wissen, wurde Severus Snape mit einer Anzahl von Verstößen beschuldigt, bezogen auf seine Zeit in der Terrorristgruppe unter dem dunklen Lord Voldemort, im Folgenden als Todesser betitelt. Die oberste Absicht des Gerichts wird es sein Snapes Rolle innerhalb der Todesser zu bestimmen, seine Beteiligungen und Wissen von ihren Aktivitäten und das Ausmaß seiner Dienste zu Voldemort. Zu diesem Zweck werden wir die Befragung mit der Nacht beginnen, in der er das Dunkle Mal genommen hat."
Plötzlich hallte Dumbledores Stimme durch den Gerichtssaal und Snape hob fast gelangweilt seinen Blick zu dem Porträt, welches an der entlegenen Wand hing, obwohl er sich durchaus der aufgebrachten Bewegung im Raum bewusst war.
„Muss ich das Gericht daran erinnern, dass Severus Snape bereits von allen Vorwürfen in Bezug auf den ersten Krieg freigesprochen wurde? Falls es nicht Ihre Absicht ist, ihn erneut dafür zu belangen, verstehe ich nicht, wie diese Art der Befragung relevant sein dürfte."
„Dumbledore!", entgegnete Shacklebolt wütend. „Während das Gericht Ihre Anwesenheit durchaus schätzt, und Ihnen wird die Gelegenheit zukommen auszusagen, muss ich Sie daran erinnern, dass ich hier der Vernehmende bin. Außer Reihe zu sprechen, wird nicht toleriert werden. Keine Anklagen werden in Bezug auf den ersten Krieg erhoben. Aber ich betrachte Snapes Status als Todesser als nicht irrelevant. Diese Fragen sind notwendig, um festzustellen, ob sein Beitritt und seine verbleibende Zeit bei den Todessern freiwillig gewesen war."
Snape hörte ihrem Gezanke nur zur Hälfte zu. Mit der andere Hälfte nahm er Lucius Malfoy auf, welcher von zwei Auroren in den Gerichtssaal geführt wurde. Lucius' Haar war schäbig. Nicht schmutzig, nicht strähnig - es war deutlich, dass Askaban nicht mehr das war, was es einst gewesen war und Lucius' Blick war nicht dumpf und leer, sondern enthielten ihr eisiges grau - aber sein Haar hatte seinen Glanz verloren. Es war wirklich traurig, dachte Snape abwesend. Wie eine Veela heiraten zu sehen oder etwas Schönes beschmutzt vorzufinden. Er bemerkte, dass Lucius ein ähnliches, schweres, graues Armband trug wie er.
Lucius saß gefesselt an einen Stuhl neben Snape in der Mitte des Saals - saß darin, als ob es ein Thron sei. Nichts von seinem Verhalten hatte sich geändert.
„Bitte nennen Sie dem Gericht Ihren Namen."
„Lucius Malfoy."
„Mr Malfoy, waren Sie in der Nacht, in der Severus Snape sein Dunkles Mal erhalten hat, anwesend?"
„War ich."
„Was können Sie uns über den Ablauf sagen? Nehmen alle neuen Todesser das Mal?"
„Es gab Familienerbschaften", sagte Lucius. „Hexen und Zauberer, die automatisch mit ihrer Volljährigkeit eintraten. Andere... dessen Blutlinien weniger rein waren... wurden gebeten eine Art Ausbildung zu durchlaufen. Anschließend, wenn der Dunkle Lord zufrieden und der Rekrut würdig war, würde er ihm oder ihr das Mal schenken."
„Und es war eine formelle Zeremonie? Die Anwärter wussten genau was geschehen würde?"
„War es und sie taten es."
„Und gab es Rekruten, die irgendwie gezwungen wurden, die Zeremonie zu durchlaufen?"
„Wie ich bereits sagte, einige von uns wurden ermutigt, aufgrund von Familienverbindungen beizutreten. Es gab Ausnahmen unter den mächtigsten Reinblüterfamilien und ich bedaure, dass ich-"
„Mr Malfoy, wenn ich bitten dürfte", sagte Shacklebolt. „Wurde Severus Snape gezwungen, den Todessern beizutreten?"
Lucius lachte und Snape dachte flüchtig, dass es wirklich Schade war, dass die Dementoren nicht länger mehr in Askaban beschäftigt wurden.
„Grundgütiger, nein. Severus war mehr als erpicht beizutreten. Ich wage sogar zu behaupten, dass er dachte, dass Wohlstand darin zu finden sei. Haben Sie das Haus gesehen, in welchen er aufgewachsen ist? Er war außerordentlich begierig darauf mit unseresgleichen... von höherer Bedeutung auf einer Höhe zu stehen. Es war etwas ungezähmt, wenn ich mich recht erinnere."
„Verstehe. Und gab es andere Rekruten, die widerspenstiger waren?"
„Andere die so weit, wie zur Zeremonie gekommen sind? Nicht, dass ich mich erinnere."
„Sie haben nie gesehen, wie ein Rekrut die Zeremonie verließ?"
„Nein. Zu dieser Zeit hatte der Dunkle - das heißt, Voldemort - seinen Anwerber auf das Mal vorbereitet. Er wollte gerne sichergehen."
„Aber es ist sehr schmerzhaft, nicht wahr? Ich hatte den Eindruck, dass es eine Art Brandmal ist. Niemand fürchtete den Schmerz?"
„Vielleicht", sagte Lucius abfällig, als ob die Assoziation mit dem Muggel-Wort ihn irgendwie beleidigt hätte. Snape spürte, wie Lucius ihn ansah, obwohl er nicht seinen Kopf drehte. Er kannte Lucius' Blick. Ich werde gehen, wenn ich muss, sagte der Blick, aber ich soll verdammt sein, wenn ich dich nicht mit runterziehe. „Aber für die meisten war es eine Ehre, das Mal zu erhalten. Nicht jeder wurde gefragt."
„Und Snape sagte Ihnen, dass er sich geehrt fühlte?"
„Nicht in so vielen Worten. Aber ich erinnere mich, dass er zwei Stunden vor der Zeremonie im Manor eingetroffen ist."
„Die Zeremonien wurden im Malfoy Manor abgehalten?", fragte Kingsley scharf.
„Gelegentlich", sagte Lucius und Snape dachte, einen Hauch von Unbehagen in der Stimme des Mannes zu hören.
„Aber die Zeremonie, in der Snape sein Mal erhalten hat, wurde in Ihrem Haus abgehalten?"
„Ja."
„Interessant. Können Sie dem Gericht ein wenig davon erzählen, was von einem neu gebrannten Todesser verlangt wurde?"
„Es war Lord Voldemorts Gewohnheit einen Auftrag zu erteilen. Severus wurde für gewöhnlich als Spion auf Dumbledore angesetzt, da er erst kürzlich Hogwarts verlassen hatte und er könnte aus legitimen Gründen anscheinend den Schulleiter aufsuchen."
Da erhob Tiberius Odgen das Wort. „Also ließ Voldemort Snape gleich von Anfang an spionieren?"
Severus konnte das Lächeln in Lucius' Stimme hören. „Darin war Severus schon immer talentiert gewesen und der Dunkle Lord mochte es die Fähigkeiten seiner Gefolgsleute zu nutzen."
„Sie hatten das Gefühl, dass Snape ein talentierter Spion war?", unterbrach Shacklebolt ihn.
„Oh, Severus ist vielleicht nicht der attraktivste Mann", sagte Lucius, „aber er hat ein Talent dafür das von den Leuten zu bekommen, was er wollte. Es hat etwas mit seinem Auftreten zu tun. Die Leute vermuten einfach, dass wenn jemand so unfreundlich ist, er nichts zu verbergen hat."
So etwas wie Belustigung schlich sich ins Snapes abgelegenen Gedanken. Lucius wollte zumindest noch einen letzten Gruß hinterlassen.
„Danke, Mr Malfoy. Das wäre dann vorerst alles."
Die Auroren tauchten irgendwo hinter Snape auf, um Lucius von seinem Stuhl zu lösen. Er hörte, wie sich die Türen zum Gerichtssaal öffneten und wieder schlossen, aber er blickte sich nicht um.
„Es soll protokolliert werden, dass das Gericht die Aussage von Lucius Malfoy in Bezug auf Severus Snapes Einführung unter Voldemorts Regime, gehört hat", sagte Shacklebolt. „Wir werden unsere Befragung mit Mr Snape fortsetzen." Er schien sich einen Moment zu sammeln, bevor er sich zu Snape umdrehte.
„Wie alt waren Sie, als Sie den Todessern beigetreten sind?"
„Achtzehn Jahre", sagte Snape. Er bot nichts weiter an, sondern saß aufrecht auf seinen Stuhl.
„Dann sind Sie kurz nach Ihrem Abschluss von Hogwarts beigetreten?"
„Zwei Monate danach."
„Mr Snape hatten Sie viele Freunde in Hogwarts?"
„Wie bitte?"
„Hätten Sie sich selbst als einen beliebten Schüler betrachtet?"
„Vergeben Sie mir, ich dachte, das hier wäre eine Verhandlung und keine psychologische Bewertung", sagte Snape sauer.
„Werden Sie die Frage beantworten oder soll ich Sie wegen Missachtung belangen?", fragte Shacklebolt monoton.
Innerlich seufzte Snape. Das war es, was er erwartet hatte, das war es, wovor er sich gefürchtet hatte. Sie hatten ihn jetzt da, wo sie ihn haben wollten und sie würden keine Ruhe geben, bis sie ihn beschämen konnten.
„Ich hatte einige Kameraden in meinem Haus."
„Nennen Sie sie bitte."
„Avery. Mulciber. Rosier."
„Und hatten Sie Freunde außerhalb des Slytherin Hauses?"
Snape starrte einen langen Moment schweigend geradeaus. Er wusste das Shacklebolt seine Erinnerungen im Denkarium gesehen hatte und er kannte die Antwort auf die Frage. Er wollte es ihm nicht geben. Er wollte diesen speziellen Teil von sich nicht zur Untersuchung oder ihre Verspottung oder ihr Mitleid freigeben. Er betrachtete den Minister unnachgiebig.
„Hatte ich."
„Können Sie sie bitte nennen?"
„Lily Evans."
***
Hermine war komplett steif. Sie konnte Harrys Blick auf sich spüren, aber sie ignorierte ihn. Sie hatte Kingsley angefleht die Erinnerungen nicht dem Zaubergamot zu zeigen, argumentiert, dass jede Erinnerung auch von dem Teilnehmer selbst ausgesagt werden konnte. Sie waren hier, Harry, Minerva, Dumbledore. Er konnte alles fragen, was er wollte, hatte sie gefleht, wenn er nicht die Erinnerungen zeigen würde. Sie wusste genauso wie bei Severus Antwort auf die Anschuldigungen, dass wenn er gezwungen wurde, sich dermaßen zu entblößen, er sich davon nie wieder vollkommen erholen würde. Kingsley, so sah es aus, stand zu seinem Wort.
Severus, dachte sie, sah blind aus. Seine Augen waren tot, als er ihre Fragen beantwortete und sie wusste, dass er beinahe fassungslos vor Angst sein musste, wenn er sich erlauben würde, etwas zu fühlen.
„Und wie haben Sie Lily Evans kennengelernt? Sie war eine Gryffindor, nicht wahr?"
„War sie. Wir trafen uns bereits vor Hogwarts."
„Also waren Sie Kindheitsfreunde."
„Ja."
Tiberius Odgen ging erneut dazwischen. „Vergeben Sie mir, Minister, aber inwiefern ist das relevant?"
„Ich habe den Eindruck, dass junge Menschen sehr durch die Menschen in ihrer Umgebung beeinflusst werden", sagte Shacklebolt milde. „Es sollte vermerkt werden, dass Snape nur einen Freund außerhalb von Slytherin besaß - und nebenbei bemerkt, die einzige Freundin, die keine Todesserin wurde."
Odgen schien nicht besänftigt zu sein, aber er schwieg.
„Wie würden Sie zu dieser Zeit Ihr Verhältnis zu Albus Dumbledore beschreiben?"
„Er war der Schulleiter. Ich war der Schüler."
„War Ihre Beziehung zu ihm freundlich?"
„Ich war ein Slytherin."
„Entschuldigen Sie, ich kann Ihnen nicht folgen. Würden Sie das erklären?"
„Dumbledore behandelte mich wie den Rest meines Hauses: mit Misstrauen."
„Also war Ihre Beziehung feindselig?"
„Ich wurde oft bestraft."
„Können Sie uns ein Beispiel geben?"
„Während meines sechsten Jahres habe ich drei Monaten Nachsitzen erhalten, weil ich nach der Sperrstunde das Gelände verlassen habe."
„Und Sie fanden diese Bestrafung unfair?"
„Ich wurde von Sirius Black in die Peitschende Weide gelockt. Er beabsichtigte, dass ich am Ende des Tunnels Remus Lupin in seiner Werwolfsgestalt dort antreffe."
„Und Blacks Bestrafung?"
„Ihm war es verboten das nächste Wochenende Hogsmeade zu besuchen."
„Sie fühlten sich von Dumbledore schikaniert."
„Nicht mehr als die anderen Mitglieder meines Hauses."
Tiberius Odgen schien sich nicht länger zurückhalten zu können. „Malfoy hat Sie als 'begierig' beschrieben, den Todessern beizutreten. Würden Sie dieser Aussage zustimmen?"
„Ja."
Hermine zuckte zusammen. Das war der reine Severus und sie hatte nichts anderes erwartet. Und dennoch sehnte sie sich danach sich zwischen ihn und Odgeon zu stellen, und es zu erklären.
„Was hat Sie zu Voldemort hingezogen?"
„Macht. Ansehen. Interesse an den Dunklen Künsten."
„Verstehe. Uns hat man wissen lassen, dass Sie ziemlich schnell aufgestiegen sind. War das der Fall?"
„Ja."
„War das aufgrund Ihres Talentes zu spionieren, wie Mr Malfoy es bezeichnet hat?"
„Ich schätze, es hatte etwas damit zu tun."
„Was sonst noch 'hatte etwas damit zu tun'?"
„Ich hatte ein Talent für Zaubertränke. Und ich tat, was man mir sagte."
„Können Sie dem Gericht ein Beispiel nennen?"
„Der Dunkle Lord bat darum, dass wir uns in belanglose Diebstähle versuchten. Muggelhetze war glaube ich die Bezeichnung. Ich wurde geschickt darin, Autos zu stehlen. Es amüsierte den Dunklen Lord."
„Verstehe. Also hielten Sie eine ziemlich mächtige Position unter den Todessern?"
„Tat ich."
„Hätten Sie sich selbst als Liebling betrachtet?"
„Insofern er sie denn hatte."
„Und so haben Sie die Macht, auf die Sie gehofft haben, mit Lord Voldemort gefunden?"
„Schätze ich."
„Und doch sagen Sie, dass Sie die Todesser verlassen und Dumbledore beigetreten sind, einen Mann, von dem Sie behaupten, dass er Sie unfair behandelt hat, in August 1980."
„Ja."
„Und was motivierte diese Entscheidung?"
„Der Dunkle Lord... drohte jemand, der mir wichtig war."
„Ihre Mutter?"
„Meine Mutter starb 1978."
„Ihr Vater?"
„Wohl kaum. Mein Vater war ein einfallsloser Schwachkopf, der meine Mutter verlassen hatte, als ich nach Hogwarts kam."
„Mr Snape, weichen Sie absichtlich der Frage aus?"
„Mir war nicht bewusst, dass mir noch andere Fragen, bis auf die, die ich gerade beantwortet habe, gestellt worden sind."
„Wer war Ihnen so wichtig, dass sie freiwillig Ihr Leben riskierten, um die Todesser zu verlassen?"
„Lily Evans."
Im Gerichtssaal wurde Geflüster laut, und Hermine wappnete sich für das, was kommen würde, halb hoffend, dass Snape nichts fühlte und half hoffend, dass er nur eine winzige Regung von Menschlichkeit zeigte - dass sie noch etwas anderes als die leere Maske, den tonlosen Vortrag wahrnahmen.
„Ruhe im Gerichtssaal", rief Kingsley. Nach und nach wurde der Lärm weniger und Kingsley konzentrierte sich wieder auf Snape.
„Mr Snape", sagte Kingsely. „Ich entschuldige mich für die Unterbrechung. Sie sagten, Sie sind Dumbledore beigetreten, weil Voldemort Lily Evans bedrohte."
„Ja."
„Aber zu dieser Zeit war sie Lily Potter, wenn ich mich nicht irre."
„In der Tat."
„Hatten Sie mit Lily Potter eine romantische Beziehung?"
„Nein."
„Aber sie war wichtig genug für Sie, dass Sie das Risiko auf sich nahmen, die Seiten zu wechseln."
Snape antwortete nicht.
„Mr Snape?"
„Ja?"
„Ich sagte, Sie war wichtig genug für Sie, dass Sie das Risiko auf sich nahmen, die Seiten zu wechseln?"
„War sie."
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstehe."
„Lily Evans - Lily Potter - war... mir wichtig. Ich bin an Dumbledore herangetreten, weil ich die Hoffnung hegte, dass er vielleicht genug Macht hätte, sie zu beschützen."
„Sie haben bereits ausgesagt, dass Sie eine wichtige Rolle unter den Todessern hielten, dass Sie im Grunde ein Liebling Voldemorts waren. Er würde Lily Potter zu Ihren Gunsten nicht verschonen?"
„Er war einverstanden, wenn es denn mein Wunsch war."
„Aber warum dann-"
„Weil der Dunkle Lord bestenfalls unberechenbar war und Lily Potter nicht. Ich wusste, dass sie ihren Mann und Sohn nicht ohne einen Kampf sterben lassen würde."
„Und Sie glaubten, dass Voldemort beabsichtige James und Harry Potter zu töten?"
„Damals wusste er von der Prophezeiung. Er beabsichtige die Potters zu töten, bevor ihr Sohn zu einer Bedrohung wurde."
„Und wie hat Voldemort von der Prophezeiung erfahren? Unsere Berichte in der Mysterien-Abteilung weisen darauf hin, dass die Prophezeiung nur an Albus Dumbledore ausgeliefert worden ist."
„Lucius Malfoy hat bereits ausgesagt, dass ich auf Wunsch des Dunklen Lords Dumbledore ausspioniert habe."
„Also haben Sie Voldemort die Informationen gegeben, die die Potters in Gefahr brachten?"
Ohne es zu merken, vergrub Hermine ihre Nägel so tief in ihren Unterarm, dass sie zu bluten begann. Das hier zu beobachten, war wie dabei zuzusehen, wie sie ihn aufschlitzen und sein Herz hinauf ins Licht hielten. Sie hatte sich in ihren Leben noch nie so sehr gehasst.
Snapes Kopf fiel nach vorne und eine Haarsträhne fiel hinter seinem Ohr hervor und strich über seine Wange. Sie konnte das tiefe Stirnrunzeln sehen und er schloss seine Augen.
„Habe ich."
***
Diesen Abend hatte er sie dazu gezwungen, zuerst ins Bett zu gehen. Sie hatte neben ihm vor dem Kamin gesessen, leise wie die der Tod, bis er dachte, er würde durchdrehen. Sie hatte darauf gewartet, dass er etwas sagte, das wusste er, hatte gewartet, dass er ein Wort sprach, irgendwas, über das, was heute passiert war.
Dumbledore hatte als Nächstes ausgesagt, hatte ihnen erzählt, was er als Gegenleistung für Lilys Schutz verlangte und wie der Plan gescheitert war. Dumbledore erzählte ihnen von seiner Trauer und seinem Versprechen. Er erzählte ihnen von seinem Patronus.
Es hatte Fragen zur Echtheit von Snapes Bedauern gegeben - ob er ein Mann war, der einen Meister brauchte, ob er einfach nur bei Dumbledore geblieben ist, weil Voldemort gefallen war.
Vielleicht stimmt es. Vielleicht hatte er in seinem Leben nie eine eigene Entscheidung getroffen. Es konnte sogar sein, dass er jetzt noch Befehle befolgte. Sie sagten antworte und spuckte für sie sein Innerstes aus, damit sie darin die Zukunft vorhersehen könnten. Und hier war Hermine, verlangend, immer wieder verlangte sie etwas von ihm.
Er saß da, starrte ins Feuer, bis sie schließlich aufstand, ihre Schultern geschlagen zusammengesackt und ließ ihn alleine.
Sein erschöpfter Verstand driftete zurück in den Gerichtssaal. Die Reporter hatten seinen Namen geschrien, verlangten zu wissen, wie lange er schon Lily Potter geliebt hatte. Weasely musste ihnen nicht die Zeitung bringen. Er wusste, wie die Schlagzeile lauten würde. Snape Liebte Die Frau Eines Anderen Mannes. Er wollte wie wir sein, würden sie sagen. Er wollte, was wir hatten.
Widerlich. Er schloss seine Augen.
Als er sie wieder öffnete, wurde das Zimmer nur noch von den glühenden Kohlen beleuchtet, da das Feuer erloschen war. Hermine stand in ihrem Nachtgewand vor ihm, ihre Hände ausgestreckt.
„Geh zurück ins Bett", sagte er mit belegter Stimme.
„Komm mit mir mit."
„Nein."
Sie stand entschlossen da, ihr Kinn vorgeschoben, ihre Hände noch immer ausgestreckt.
„Nein, Hermine."
„Dann werde ich hier bleiben."
Sie setzte sich neben ihn und er seufzte schwer. Aber als ihr Kopf gegen seine Schulter fiel, schüttelte er ihn nicht weg, und als ihre Hand in die seine glitt, riss er sie nicht zurück.
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