von LunaYazz
Soo, hier kommt nun das neue erste Kapitel - Viel Spaß beim Lesen! :)
****************************************
Der erdrückende Wirbel der Finsternis ließ ihn langsam los, doch die finsteren Gedanken hielten ihn weiterhin erbarmungslos gefangen.
Albus Dumbledore war tot.
Der einzige Mensch auf dieser grausamen Welt, der ihm wahrhaft vertraut, ja, der ihn aufrichtig gekannt hatte.
Und er selbst hatte ihn töten müssen.
In einer dichten Gruppe von in nachtschwarze Kapuzenmäntel gehüllten Todessern fand Severus Snape sich wieder. Der schmale Feldweg, der sich zur Residenz der Malfoys schlängelte, lag im schwachsilbrigen Schein des Mondes da. Severus' Umhang war zerfetzt und blutgetränkt, seine Haut durchzogen von den tiefen Wunden, die ihm die rasiermesserscharfen Fänge des Hippogreifs zugefügt hatten. Sie brannten wie Dämonsfeuer, aber sein körperlicher Schmerz war nicht annähernd so lodernd wie jener Schmerz und Zorn, der sein Inneres grauenvoll verkrampfte.
Draco Malfoy, eine eingeschüchterte Gestalt, die neben Severus zitterte, blickte panisch empor zur Villa seiner Familie, einem perlweißen Schatten in der Nacht. Seine Lippen bebten; er war so fahl wie der gespenstische Mond über ihm.
Severus war bloß zu lebhaft bewusst, weshalb sein Schüler so von Angst gezeichnet war: Dort, in diesem prunkvollen Landhaus, in Dracos eigenem Zuhause, verbarg sich niemand anderes als Lord Voldemort. Der Dunkle Lord erwartete den Bericht seiner Diener.
Und Draco war sein Auftrag nicht gelungen, Dumbledore zu töten.
Nein, das hatte Severus für ihn übernommen.
Wie ein einziges dunkles Wesen bewegte sich die aufgeregt wispernde Traube der Todesser nun auf das Tor der Gartenanlage Malfoy zu, sowie auch Draco und Severus zu ihnen gestoßen waren. Die Nachtluft war von einer knisternden Erregung getränkt: Endlich war Voldemorts größter Feind besiegt.
Severus legte Schritt um Schritt taub und mechanisch zurück, so hastig, als würde er sich selbst entfliehen wollen. Er registrierte nicht wahrhaft, dass er ging. Er fühlte sich, als würden seine Beine nicht zu ihm gehören, als wäre er bloß hilflos ferngelenkt von irgendeiner zynischen Macht. Potters wutentbrannten Worte hallten ungebeten in seinem Kopf wider und durchzüngelten ihn wie leckende Flammen.
"Dann töte mich doch! Töte mich, wie du ihn getötet hast, du Feigling!"
Severus spürte, wie der Zorn in ihm pulsierte. Was hatte dieser dumme Junge denn für eine Ahnung?
Potter konnte nicht im Geringsten wissen, wie Severus sich fühlte.
Das arrogante Balg wusste nicht, was für ein Opfer er in dieser sternenlosen Nacht eingegangen war, was für einen Preis er bezahlt hatte für Dumbledore und seine Pläne.
Von diesem Tag an war Severus heimatlos. Alle Menschen hassten ihn entweder, weil sie nicht wussten, wer er war, oder sie würden ihn hassen, wenn sie es wüssten.
Severus zog sich im Gehen den linken Ärmel seines Reisemantels hoch, knöpfte fahrig die Manschetten seines Umhangs auf und offenbarte dem Portal zum Gartenpark der Malfoys sein Dunkles Mal. Dann schritt er, ohne anzuhalten, geradewegs hindurch, als wäre das schmiedeeiserne Tor nichts als silberner Rauch.
Die Todesser folgten ihm und weiter führte der Weg, über einen knirschenden Kiespfad durch die düsteren Silhouetten eines Gartens, der im Tageslicht atemberaubend war.
Ein großer, schlaksiger Diener Voldemorts trat jetzt zielstrebigen Ganges geradewegs auf Severus zu und grinste ihn bedeutungsschwer an. Es war Rodolphus Lestrange, im Licht des Mondes erkannte Severus seine harten Gesichtszüge.
"Hervorragend, Snape!", sagte er in seiner tiefen, donnernden Stimme, "Jetzt sind wir endlich von dem alten Muggelnarren befreit. Wurde auch langsam wirklich mal Zeit, was? Schade aber, dass es nicht meine Aufgabe war. Ich hätte diesen altersschwachen Friedensstifter echt liebend gern erledigt…"
Severus nickte bloß steif.
Unentwegt boshaft grinsend stolzierte Rodolphus wieder davon.
Giftgrün gleißende Bilder hatten sich in Severus' inneres Auge gebrannt und er wusste nicht, ob sie ihn je wirklich verlassen würden. Immer und immer wieder lief derselbe grauenvolle Film scharf wie ein Sectumsempra-Fluch in ihm ab.
Albus Dumbledore, der so ungekannt schwach und alt und zerbrechlich an der Brüstung des höchsten Turmes lehnte und um seinen eigenen Tod flehte ... Er selbst, wie er den Zauberstab hob und ihn geradewegs auf Dumbledores Brust richtete, wie er jene zwei schicksalhaften Worte sprach ...
Worte, die bewogen, dass ein blendend heller Lichtblitz aus seinem Stab hervorschnellte, ein Blitz, der Dumbledore in zerstörerischer Macht traf ... Worte, die bewogen, dass der größte weiße Magier der Geschichte leblos in die finstere Nacht geschleudert wurde, tief in die einsame Dunkelheit stürzte ...
So ist es doch immer, oder?, erklang ein Wispern am Rande von Severus' schmerzerfülltem Bewusstsein, Du merkst erst, wie viel dir jemand wirklich bedeutet, wenn du ihn bereits unwiederbringlich verloren hast.
Severus drückte die goldgeformte Klinke herab und öffnete die kupferne Tür des Landsitzes Malfoy. Die anderen Todesser folgten ihm in einem umhangraschelnden Strom, hinein in die Dunkelheit und Kühle der Eingangshalle. Der Boden war mit einem karmesinroten Teppich ausgelegt, die hohen Wände bevölkert von Reihe um Reihe goldgerahmter Portraits. Die in Öl verewigten Ahnen der Malfoys durchbohrten Severus mit unterkühlten Blicken.
Er stieß eine weitere schwere Tür auf und fand sich im prunkvollen Salon der Malfoys wieder. In dem gewaltigen Marmorsaal hätte eine kleine Kathedrale Platz gefunden. Ein prasselnder Steinkamin erfüllte den Raum mit Wärme und warf glutrote Schatten. Samtbezogene Sessel, ornamentverzierte Eisentischchen, ja, Zierpflanzen und Silberstatuetten waren achtlos an die Wände geschoben worden. Ihrerstatt zog sich ein langer, marmorner Tisch, bestückt mit dutzenden von steinernen Stühlen, durch den gesamten Raum.
Am Ende des Tisches saß Lord Voldemort.
Binnen eines Wimpernschlags sprang der Dunkle Lord auf, sowie seine Todesser den Saal betraten, sein blutroter Blick von maskenhafter Anspannung erfüllt.
"Ist er tot?", wehte seine hohe, klare Stimme durch den Salon, in Erwartungen getränkt.
"Ja, mein Herr, Dumbledore ist tot!", antwortete aufgeregt gackernd Alecto Carrow.
Jäh erblühte ein Grinsen auf Voldemorts schädelfahlem Gesicht, in dem er weniger menschlich denn je wirkte.
Wilde und grausame Freude schienen seine Züge schier animalisch zu verzerren.
"Gut. Sehr gut", sagte er schließlich, und seine Stimme war ein klirrend kalter Eishauch. "Beschreibe mir, wie es geschehen ist, Alecto. Erstatte mir Bericht."
"Nichts lieber als das, mein Herr!", erwiderte die dickliche Kapuzengestalt lebhaft. Hastig trat sie vor und ihre Schritte hallten schlurfend in der Stille wider.
"Herr, es lief alles nach Plan", setzte sie in einer schnellen Verbeugung an. "Durch das Verschwindekabinett vom jungen Malfoy kamen wir reibungslos in den Raum der Wünsche. Gibbon schlich sich hoch zum Astronomieturm, um das Dunkle Mal heraufzubeschwören, das Dumbledore dorthin locken sollte. Ich und alle anderen warteten im Raum der Wünsche auf ihn." Sie legte eine kleine dramaturgische Pause ein, ganz so als wolle sie es in vollen Zügen auskosten, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Dann fuhr sie einigermaßen theatralisch fort: „Auf seinem Rückweg jedoch, da wurde Gibbon anscheinend von irgendjemandem entdeckt. Denn als wir den Raum der Wünsche verließen, war schon der halbe Orden des Phönix auf dem Weg zu unsrem Versteck! Rowle, Gibbon und einige andere ließen sich in einen Kampf mit den Ordensleuten verwickeln, während ich, mein Bruder, Greyback und Yaxley weiter zum Astronomieturm eilten, um dem jungen Malfoy beiseite zu stehn.
Als wir die Spitze des Turms erreicht hatten, war Dumbledore bereits da und Malfoy auch. Dumbledore sah irgendwie aus, als wäre er sehr geschwächt; war an der Turmbrüstung zusammengesackt. Und Malfoy stand bloß dort, hatte den Zauberstab auf ihn gerichtet und war unfähig, irgendwas zu tun. Dabei hatte er es sogar schon geschafft, Dumbledore zu entwaffnen!", spuckte Alecto abfällig aus und warf Draco einen Giftblick ihrer nachtdunklen Augen zu. "Wir alle haben ihm befohlen, es nun endlich zu erledigen, aber er stand nur stocksteif da und hat sich nicht gerührt. Greyback wollte es schon für ihn übernehmen, aber -"
"Ich hätte es getan!", platzte jäh Draco in heller Panik dazwischen; er klang, als sei er den Tränen nahe. "Ich schwöre Euch, Herr, ich hätte es getan! Hätte ich nur ein wenig mehr Zeit gehabt, dann -"
"Ruhe!", zischte Voldemort bloß und seine Augen bohrten sich in die Dracos wie blutrote Dolche.
Draco verstummte augenblicklich.
"Weiter, Alecto", sagte Voldemort kühl, als seien sie nicht im Geringsten unterbrochen worden.
"Ja, mein Herr", nahm die Todesserin den Faden lebendig wieder auf, "Wie schon gesagt, Greyback wollte es für Malfoy erledigen, doch Yaxley hielt ihn zurück. Er meinte, es sei allein Malfoys Aufgabe. Ich selber war noch ziemlich unschlüssig, was ich tun sollte, als dann plötzlich Snape auf die Turmspitze kam.
Mein Bruder sagte ihm, dass Draco an seiner Aufgabe scheiterte. Also ging Snape ohne Umschweife auf Dumbledore zu und tötete ihn selbst! Er schoss einen Todesfluch auf Dumbledore ab, der ihn über die Brüstung des Turmes in die Tiefe schleuderte."
Greyback lachte laut und kehlig. Severus verspürte den heftigen Wunsch, auch gegen ihn einen Todesfluch zu verwenden.
"Ein wirklich würdiger Abgang für den großen Verfechter der Liebe und des Abschaums!", rief Voldemort höhnisch aus und der Wahnsinn war in seine Züge zurückgekehrt. Das grollende Gelächter seiner Diener erfüllte den Saal.
"Und dann, Alecto?", hauchte der Dunkle Lord schließlich sanft.
"Ja, mein Herr, daraufhin sind wir natürlich aus Hogwarts verschwunden", fuhr die Todesserin fort, noch immer giggelnd, "Unten kämpften die anderen immer noch heftig gegen den Phönixorden. Als wir vom Turm herunter kamen, schlossen sie sich aber uns an und flohen. Unterwegs hat uns Potter angegriffen, aber Snape hat sich darum gekümmert und ihn abgewehrt. Wir erreichten den Ausgang vom Hogwarts-Gelände und disapparierten dann direkt hierher, um Euch zu berichten, Herr.
Also, das heißt, nicht wir alle", fügte Alecto vollkommen gleichgültig hinzu, in einem Ton, als sei es ihr gerade in dem Augenblick erst wieder eingefallen, "Gibbon ist tot, Herr."
"Gibbon?", wisperte gleich neben Severus erstaunt Yaxleys ordinäre Stimme.
"Anscheinend", erwiderte der verhärmte Rodolphus schulterzuckend.
Auch zu Severus hatte niemand nur ein Wort darüber verloren, dass der junge Todesser, der in jener Nacht seine erste große Mission bestreiten sollte, getötet wurde.
Voldemort registrierte diese Nachricht bloß mit einem knappen Nicken, nicht die geringste Gefühlsregung bahnte sich ihren Weg in seine glühend roten Augen.
"Danke, Alecto", seufzte der Dunkle Lord tief und zufrieden. "Du kannst jetzt gehen. Euch allen ist erlaubt, zu gehen. Nur Draco und Severus ... ihr bleibt hier."
Die Todesser strömten schrittehallend aus dem Salon und ihre Augen huschten im Vorübergehen verstohlen über die zwei Auserwählten hinweg. Die Blicke, die sie Severus zuwarfen, sprachen von großer Neugier, leise vermengt mit kaum verhohlenem Neid. Ihre Blicke für Draco dagegen erschienen viel eher äußerst hämisch als besorgt.
Draco sah aus, als würde er sich nach nichts verzweifelter sehnen, als mit ihnen gehen zu dürfen. Er stand aschfahl und reglos dort wie ein zitterndes Denkmal seiner Selbst.
Auch Severus hätte sehr viel dafür gegeben, seinem Herrn in diesem Moment entfliehen zu können. Er meinte, es schlichtweg nicht zu ertragen, für den Tod Dumbledores gelobt oder gar belohnt zu werden.
Lord Voldemort schritt gemächlich auf seine beiden Gefolgsmänner zu. Seine Augen trafen für einen Herzschlag unergründlich die Severus’, ehe er sie schließlich stechend auf seinen gescheiterten Diener richtete.
Im Glutlicht des Kaminfeuers konnte Severus die Schweißperlen auf Dracos Stirn glänzen sehen.
"Ich werde erst einmal mit Severus sprechen, Draco", hauchte Voldemort in antarktischer Kälte. "Gehe nun hoch und warte in deinen Zimmern auf mich. Nachher werde ich zu dir kommen und wir werden darüber reden, welches Schicksal ein Todesser verdient hat, der die Befehle seines Herrn missachtet und Mitleid mit unserem größten Feind zeigt. Und selbstverständlich solltest du auch erfahren, welche Strafe seine gescheiterten Eltern für das Verhalten ihres Sohns erwartet. Im Übrigen, Lord Voldemort bemerkt es", fügte der Dunkle Lord schwertscharf hinzu, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern, "wenn du versuchst, vor ihm zu fliehen."
"Ich h-hätte es getan, ich hätte D-Dumbledore g-getötet!", stieß Draco bloß abermals hervor, lautlos und abgehackt schluchzend. Tränen der Angst schimmerten nun in seinen eisgrauen Augen. "Ich lüge nicht, Herr, wenn –"
"War ich dir, Draco, nicht deutlich genug?", schnitt ihm Voldemort gehässig zischelnd das Wort ab, sein Blick eine zornige Stichflamme. "Gehe mir aus den Augen! Ich werde später mit dir über all dies sprechen, da kannst du dir absolut gewiss sein. Fadenscheinige Entschuldigungen werden dir allerdings auch dann nicht helfen können."
Severus vernahm die Grausamkeit in jenen Worten seines Herrn, sein brutales Vergnügen dabei, Draco seelisch zu quälen, den jüngsten seiner Todesser über sein eigenes Schicksal im Unklaren zu lassen.
Für einen Augenblick sah es aus, als würde Draco an ungeformten Worten ersticken.
Dann nickte er kurz und ruckartig, sein Gesicht wie versteinert. Stumm drehte er sich von seinem Meister fort und trat zitternden Schrittes auf eine Glastür an der Stirnseite des Saals zu.
Severus blickte seinem Schüler mit einem leicht flauen Gefühl im Magen nach.
Er fragte sich dumpf, ob dies letztlich nicht bloß Dumbledores Todesnacht, sondern auch die des jungen Slytherins sein würde. Doch was konnte er tun, um Draco vor dem Zorn Lord Voldemorts zu bewahren?
Nun fand der Feuerblick des Dunklen Lords Severus.
"Jetzt aber zu dir, Severus", hauchte Voldemort sanft und sein grausames Lächeln erblühte abermals. "Heute Abend hast du einzig richtig gehandelt. Du hast aufrichtige Treue zu deinem Herrn und wahren Mut bewiesen. Wärst du nicht gewesen, dann wäre der mächtigste Feind von uns allen womöglich immer noch am Leben. Doch durch deine Hilfe ist unser größtes Hindernis endlich aus dem Weg geräumt. Das hast du sehr, sehr gut gemacht."
Sein zischendes Seufzen hallte im Saal wider und Severus wusste nicht, ob er Lord Voldemort mit einem besonders qualvollen Cruciatus-Fluch belegen oder doch sich selbst in kalten Stein verwandeln sollte, der weder denken noch fühlen musste.
Beides schien seine Reize zu besitzen.
"Mein Herr, es ist mir die höchstvorstellbare Ehre!", entschied sich Severus schließlich voll glaubhafter Inbrunst zu erwidern und er verbeugte sich tief vor Lord Voldemort, "Ihr wisst, mein größtes Bestreben ist bloß, euch zu dienen."
"Das weiß ich allerdings", sagte Voldemort in seiner klaren, hohen Stimme und nickte anerkennend den Kopf. "Und ich versichere dir, du wirst fürstlich belohnt werden. In nicht allzu langer Zeit, Severus, werde ich dir eine äußerst bedeutsame und einzigartige Aufgabe geben, die ich allein dir zutraue."
"Was wird dies für eine Aufgabe sein, Herr?", fragte Severus und er unterdrückte die Beklemmtheit in seinen Worten.
"Ich versichere dir, du wirst es zu gegebener Zeit erfahren. Im Augenblick verbieten dir ohnehin noch die Umstände, diesen Dienst auszuführen. Du bist erst einmal von allen Pflichten entbunden, Severus. Auch das kannst du als Belohnung für deine wahrhafte Treue im entscheidenden Moment ansehen."
"Ich danke Euch sehr, Herr", erwiderte Severus, abermals seine verhasst demütige Verbeugung vollbringend. Über diesen Lohn verspürte er tatsächlich ein wenig Erleichterung, ein Lichttropfen inmitten all des Pechschwarzes seiner beängstigend ungewissen Zukunft.
"Dann ist es dir nun erlaubt, zu gehen", sagte Lord Voldemort jäh, "Du kannst einen der Gästeschlafräume dieser Villa beziehen."
Unwillkürlich zog Severus die Augenbrauen zusammen. "Ich soll – also von nun an hier leben, mein Herr?", meinte er langsam. "Im Hauptquartier der Todesser?"
"Ich persönlich biete es dir an. Wo möchtest du auch sonst wohnen? Spätestens heute früh wird das gesamte Ministerium beginnen, nach dir zu fahnden. Und deine vermeintlichen alten Verbündeten würden dich nun wohl liebend gerne umbringen, hätten sie bloß die Gelegenheit dazu."
Diese Worte Voldemorts durchfuhren Severus’ Herz in einem unerwartet heftigen Stich.
"Mein Herr, ich danke Euch, Ihr seid zu gütig!", sagte er pathetisch. "Ihr allein bewahrt mich vor dem Zorn alter Professorinnen, ungewaschener Tagediebe und glatzköpfiger Muggelnarren!" Und er versank in eine dritte Verbeugung vor dem Menschen, den er glühender als alles andere auf dieser verrückten Welt verachtete. "Selbstverständlich nehme ich Euer Angebot an."
Sein Geist zischelte zu ihm, dass dies tatsächlich das Vernünftigste wäre, was er in dieser auswegslosen Lage tun konnte. Seine Seele jedoch schrie verzweifelt dagegen an, Hogwarts gegen die Marmorresidenz von Lily Evans’ Mörder einzutauschen.
"Eine vernünftige Entscheidung", bestätigte der Dunkle Lord kühl Severus’ Gedanken.
Ja. Eine Wahl der Vernunft. Letztlich musste doch immer die Vernunft siegen, über alles erdenkliche andere. So war es stets gewesen, so würde es auf ewig sein.
Und Severus wollte sich schon zum Gehen wenden, als ihn ein jäher Impuls zurückhielt.
Jener Impuls zwang ihn abrupt, zu bleiben, ja, jener Impuls wisperte ihm zu, ein weiteres Mal die zwei verhassten Worte zu formen.
"Mein Herr?"
"Ja, Severus?", erwiderte Voldemort leise.
"Es geht um Draco Malfoy, Herr", sagte Severus mit fester Stimme. "Selbstverständlich, er ist erbärmlich gescheitert, aber – ich denke nicht, dass er den Tod verdient."
Voldemort bedachte ihn mit einem abschätzend ungläubigen Blick. "Nein?"
"Nein, mein Herr. Es liegt allein in Eurer Hand, aber bedenkt doch auch, was dem jungen Malfoy alles gelungen ist. Er hat das Verschwindekabinett einwandfrei repariert. Er hat es geschafft, die Todesser in Hogwarts einzuschleusen. Gewiss, Malfoy hat letztendlich gezögert, Dumbledore umzubringen, doch er hat zu seinem Tod zweifellos beigetragen.
Nach meiner Ansicht ist es nicht sinnvoll, Herr, den Jungen zu töten", fügte Severus ruhig hinzu. "Wenn er nur seine ersten Skrupel überwinden kann, dann wird er Euch bestimmt nützlich sein. Wäre es nicht Verschwendung, ihn zu ermorden?"
Lord Voldemort sah seinen Diener bloß unergründlich an. Nach einem langen Moment schließlich fuhr Severus leicht zögerlich fort: "Genauso, denke ich, wäre es sicher eine noch viel größere Verschwendung, seinen Vater umzubringen. Auch wenn Lucius in jüngster Zeit einige Male versagt hat, so war er Euch in der Vergangenheit doch immer eine große Hilfe, mein Herr. Und ist in diesen Zeiten nicht jegliche Unterstützung wichtig, damit wir die endgültige Macht erlangen können? Natürlich ist das lediglich meine Meinung, Herr!", schloss Severus in einer letzten Verbeugung. "Entscheidet selbstverständlich, wie es Euer Wunsch ist."
Voldemort fixierte Severus mehrere Herzschläge lang. Sein Blick war schwer deutbar, ebenso das leichte Lächeln, das sich nun auf sein schlangengleiches Gesicht schlich.
Als er endlich sprach, klang er jedoch nicht zornig, nein, eher ein wenig amüsiert.
"So redet Lucius Malfoys alter Schulfreund", sagte der Dunkle Lord unentwegt fremdartig lächelnd, "Aber das Schicksal Dracos und seiner Familie sollte nicht deine Sorge sein, Severus. Ich habe nicht wahrhaft vor, einen von ihnen zu töten."
Der Morgen kündigte sich zaghaft an und sein metallenes Dämmerlicht lugte in den prunkvollen Schlafraum. Leise kroch es über den mosaikverschlungenen Fußboden, die mahagonigetäfelten Wände empor. Es verharrte eine Weile in dem Spiegel, der über dem marmornen Waschbecken thronte, dann entschied es sich schließlich für das Silbergestell des Bettes, das in der Mitte des Zimmers aufragte.
Severus seufzte leise und er verbarg das Gesicht unter seiner seidenen Decke, um das Licht abzuwehren.
Noch immer hatte er keinen Schlaf gefunden.
Dabei war er von Erschöpfung erfüllt und von eben dem verzweifelten Wunsch, doch endlich schlafen zu können. Dem Leben bloß für ein paar Stunden zu entfliehen, zu vergessen.
Aber seine quälend aufwühlenden Gedanken wollten ihm dies nicht gestatten.
Die stechende Trauer, die er um Dumbledore empfand, befremdete ihn schon beinahe, ja, irritierte ihn. Und die Sehnsucht nach einer Heimat schnürte ihm bereits jetzt die Kehle zu.
Was würde Severus auf Dauer mehr zusetzen? Der kalte, mörderische Hass, mit dem ihn die Welt fortan verfolgen würde? Oder doch der grauenvolle Hass in ihm, der ihn hier, in der Residenz des Feindes, bald aufzufressen drohte?
Severus wälzte sich um, kehrte dem Fenster den Rücken. Er wusste es nicht. Er wusste bloß, dass er all diese Opfer einst selbst eingegangen war, als er sich mit einem Schwur an sie band.
Natürlich hatte er sein eigenes Leben für das größere Wohl bereitwillig zerstört. Als wäre es nicht schon längst zerstört genug gewesen.
Dumbledore hatte das stets als eine Art Selbstverständlichkeit hingenommen ...
Der heiße Zorn, ja, Hass auf seinen jahrzehntelangen Mentor, der nun wiederum jäh an die Oberfläche von Severus’ Seele brodelte, er wollte ihn nicht verspüren.
Nein, das wollte es nicht …
Nicht jenen Hass …
Bitte … nicht …
Schließlich legte sich die Verzweiflung schwer auf Severus’ Lider. Die sonnendurchflutete Dunkelheit seiner Seidendecke umhüllte ihn und floss in ihn ein. Wiegte ihn in unruhige Morgenträume voll endloser Nachtschwärze und niederstürzenden Körpern.
****************************************
Und, gefiel es euch? Ich hoffe ja :)
Als nächstes stelle ich dann hier die Neuüberarbeitung von Kapitel 2, "Rückkehr nach Hogwarts", on. ;)
Da ich die ersten paar Kapitel, wie gesagt, fast vollständig neu schreibe, könnt ihr das zweite Kapitel wohl erst in zwei bis drei Wochen wieder lesen. ;)
Liebe Grüße,
Eure
Luna
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel