von LunaYazz
Hallo, liebe Leser :),
hier ist nun Kapitel 3 dieser FF, bzw. der vollständig neugeschriebene zweite Teil des ursprünglichen Kapitel 2. ;)
Also, es ist, eher gesagt, nur an das ursprüngliche Kapitel angelehnt - ich hatte bei der Überarbeitung plötzlich Lust und fand es sinnvoller, einige Dinge ganz anders anzugehen. Zum Beispiel - seht selbst ;)
Und ich hab etwas eingebracht, das einige Leser bisher vermisst haben: Ein wenig Sarkasmus :D
Have fun while reading!
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Alles war bereit.
Alles geplant.
Einmal wieder verspürte Severus jene vertraute Leere in sich.
Durch Hogwarts’ schmiedeeiserne Torgitter blickte er empor zu dem gewaltigen Schloss. Die ungezählten Türme und Zinnen seiner wahren Heimat stachen herausfordernd in den lichtdurchfluteten Frühabendhimmel.
Ein legendenumrankter Palast der Magie, bedroht von einem Heer gefährlicher Schatten.
Links wie rechts von Severus standen Amycus und Alecto Carrow, ihre dunklen Augen erfüllt von gieriger Erwartung. Sie erinnerten ihn unweigerlich an hungrige Hyänen. Die Blicke der fünf geschniegelten Ministeriumszauberer dagegen, die Voldemorts Diener flankierten, sie waren leblos, stumpf. Jegliche Regung in ihnen hatte der Imperius-Fluch ausgelöscht.
Die dreiunddreißig kapuzenverhüllten Todesser, eine Eskorte, die Severus samtschwarz umringte, verbargen jeden Ausdruck hinter Silbermasken.
Wortlos trat Severus aus seiner Gruppe hervor. Er zückte den Zauberstab und richtete ihn geradewegs gegen seine eigene Kehle. "Sonorus!", murmelte er. Es war, als würde etwas Eiskaltes seinen Hals herab rinnen. Dann räusperte er sich und sein Räuspern hallte wie zorniges Donnergrollen durch die Sommerluft.
"Lehrer von Hogwarts, hier spricht Severus Snape", begann er scharf, seine Stimme durch Magie hundertfach verstärkt. Seine Worte ließen seinen gesamten Körper von innen heraus erbeben. "Ich bin in friedlicher Absicht hierher gekommen – mit mir eine Eskorte mächtigster Todesser und einige hochrangige Angestellte des Ministeriums. Der Dunkle Lord hat mir befohlen, Ihnen etwas äußerst Wichtiges mitzuteilen. Lösen Sie Hogwarts’ Schutzzauber und gewähren Sie uns Einlass, sonst", er legte eine wohlbedachte kleine Pause ein und sein Herz verkrampfte sich flau, "werden wir wohl leider keine andere Wahl haben, als mit Gewalt einzudringen. Wir geben Ihnen exakt zwanzig Minuten.
Und keinen Augenblick länger."
Severus tat einen tiefen und nervösen Atemzug und rief sich fest das Wort Quietus in den Geist. Der ungesagte Zauber nahm seiner Stimme wieder die unnatürliche Kraft.
„Gut gesagt, Severus!“, raunzte Amycus.
Severus nickte bloß schwach. Und sie warteten.
Kaum zehn Minuten waren vergangen, als Severus ein schwaches Flimmern in der Luft wahrnahm, so wie es manchmal an sehr heißen Tagen über Asphalt aufstieg. Einen Augenblick darauf begann alles jenseits von Hogwarts’ Toren eigenartig zu verschwimmen, der Boden schien in einem statischen Knistern zu erzittern. Die Lehrer lösen die magischen Schutzwalle auf!, begriff Severus in jäher Erleichterung. Um ihn her entflammte aufgeregtes Tuscheln.
Langsam erstarb das merkwürdige Flimmern und die Sicht auf die steinerne Schule, auf die sattgrünen Schlossgründe, auf die düsterblauen Untiefen des Sees wurde wieder klar. Mit einem lauten Knarzen schwang nun das von geflügelten Ebern flankierte Doppeltor des Geländes auf.
Ebnete den Todessern den Weg nach Hogwarts.
Abermals zog Severus seinen Zauberstab, abermals schenkte er seiner Stimme magische Stärke.
"Es war die richtige Entscheidung, uns Einlass zu gewähren", sagte er gezwungen kühl. "Gut für Sie. Ausnahmslos alle Lehrer versammeln sich nun unverzüglich in der Großen Halle. Wir werden kommen. Jetzt."
Und die Bedrohung schwärmte wie ein Rudel Unheil bringender Wölfe in Richtung Schloss.
Das Gras wellte sich in einer plötzlichen Sommerbrise unter Severus’ Füßen, während Lord Voldemorts Gesandtschaft den sanften Hang zur Schule emporstieg. Der Riesenkrake durchpflügte gemächlich den Schwarzen See, dessen spiegelglatte Oberfläche von Abendlicht benetzt war. In der Ferne streckte die Peitschende Weide träge ihre knorrigen Äste.
Sommerferienstille.
Alles in Severus wartete angespannt auf einen bevorstehenden Kampf und hoffte krampfhaft dagegen.
Großen Schrittes trat Amycus Carrow vor und öffnete das Eichentor, das Schloss Hogwarts von seinen magieumwobenen Ländereien trennte. Severus erschauderte, als seine tödliche Eskorte in die Jahrtausende alte Schule strömte.
Hogwarts’ Eingangshalle war fackelerleuchtet und kühl und überwältigte Severus mit einer unerwarteten Flutwelle der Sehnsucht. Kein wahrhaftes Gefühl des Zuhauseseins keimte in ihm, nein, bloß Sehnsucht. Stechende Sehnsucht. Es würde nichts mehr so sein wie zuvor. Rubine, Saphire, Smaragde und Opale schimmerten anmutig in ihren Stundengläsern und gaben vor, nichts zu ahnen.
Severus drückte die Klinke zur Großen Halle herab, doch das schwere Doppeltor war fest verschlossen. Er klopfte herausfordernd und hörte leise und eindringlich zischelnde Stimmen jenseits des Tores jäh verstummen.
Einige lange Augenblicke verstrichen, dann hallten eilige Schritte herüber und die Eisentür schwang abrupt nach außen auf. Hastig wich Severus zurück. Im Torrahmen stand eine zornbebende Minerva McGonagall, offensichtlich mühsam um Beherrschung ringend. Hinter ihren Brillengläsern glühten Augen wie hassentflammtes Dämonsfeuer.
"Herzlich willkommen, Professor Snape", sagte die alte Schulleiterin und jedes ihrer Worte war ein vor Zynismus triefender Dolch. "Es freut mich sehr, dass Sie uns nach Ihrer langen Abwesenheit einmal wieder beehren."
Severus hob bloß eine Augenbraue. "Nachdem wir uns für Wochen nicht gesehen haben, Minerva, hätte ich doch wirklich eine etwas herzlichere Begrüßung erwartet", meinte er kühl.
Der glühende Hass seiner jahrzehntelangen Kollegin ob eines Mordes, den er nie begangen hatte, traf ihn wie ein dumpfer Schlag ins Gesicht. In seinen Adern pulsierte die Anspannung. Doch all das verbarg er sicher hinter höhnischem Sarkasmus.
"Es tut mir Leid, aber in der Regel begrüße ich feige, verräterische Mörder eben nicht sonderlich herzlich", entgegnete McGonagall ebenso kühl.
Severus ignorierte die siedende Wut, die jäh in ihm erwachte. Gegen wen, gegen was sich diese Wut richtete, er konnte es selbst nicht wahrhaft bestimmen.
"Wie dem auch sei, wir sollten uns nicht länger mit solch Formalitäten aufhalten", sagte er leise. "Schließlich bin ich einzig und allein hierher gekommen, um Hogwarts’ Lehrerschaft eine Botschaft des Dunklen Lords zu überbringen. Wenn Sie also so freundlich wären und beiseite gehen würden, damit seine Gesandtschaft wenigstens eintreten kann …"
Professor McGonagall bedachte Severus mit einem letzten in kalte Verachtung getränkten Blick, dann wirbelte sie auf dem Absatz herum und stolzierte mit wehendem smaragdgrünem Umhang davon. Zurück zu all den anderen Lehrern, die an der Stirnseite der ausgestorbenen Schülertische beisammen standen und Severus wie zu Stein erstarrt fixierten.
"Danke sehr", sagte Severus frostig und Alecto, Amycus und er traten hinein in Hogwarts’ Große Halle, von ihrer kampfbereiten Eskorte umringt. Die verzauberte Kuppeldecke hoch über ihnen zeigte ein glimmendes Wolkenmeer. Zielstrebig schritt Severus geradewegs auf Dumbledores erhöhtes Podium am anderen Ende des kathedralengroßen Versammlungssaals zu.
Vorüber an durchscheinend schimmernden, argwöhnisch neugierigen Geistern. Der Blutige Baron beäugte Severus unergründlich.
Vorüber an der stämmigen Professor Sprout, die nicht minder empört als McGonagall erschien.
An dem winzigen Professor Flitwick, dessen Miene von Furcht erfüllt war.
An Hagrid, der, Zweige und Blätter in seiner wilden Haarmähne, das Gesicht erdverschmiert, offenbar gerade aus dem Verbotenen Wald kam und an einem Tau einen gerippeartigen Thestral hielt. Er ballte schwer atmend seine monströsen Fäuste.
Vorüber an der insektenhaften Sybill Trelawney, die ihn unheilvoll anstierte.
Professor Burbage, Professor Sinistra und Madam Pomfrey drängten sich eng beieinander und sie erschienen äußerst eingeschüchtert ob der jähen Gesandtschaft Lord Voldemorts.
Der Blick Rolanda Hoochs Habichtsaugen war mörderisch. Professor Vektor krallte eine hagere Hand zitternd um die Schulter der Fliegerin.
Selbst der silbrige Professor Binns erschien milde bestürzt und Argus Filch schloss seine Katze fest in die verhutzelten Arme, so als wolle er sie schützen.
Der gewaltige Horace Slughorn jedoch sah seinem einstigen Schüler nur resigniert nach und in seinem Blick spiegelte sich tiefe Enttäuschung.
Severus schritt stumm die Steinstufen des Podiums empor, schaute nicht für einen Wimpernschlag zurück, so als würde die Verachtung, ja die Furcht seiner einstigen Vertrauten an ihm abperlen wie bloßer Regen. Aber er selbst, er war der Einzige, den er nicht belügen konnte, gleich wie mächtig seine Okklumentik war. Es war freilich nicht so, dass er auch nur einen seiner Kollegen, auch nur einen seiner Mitkämpfer mochte. Nein. Er wusste kaum noch, wie es war, irgendjemanden wahrhaft zu mögen. Und seine Kunst, andere Menschen einzuschüchtern, er hatte sie stets als eine Art Trumpf ausgespielt. Doch nun sickerten die Reaktionen der Magielehrer wie bittere Galle in ihn ein und er spürte einen Kloß im Hals, den er nicht so einfach hinunterschlucken konnte. Severus wusste selbst nicht ganz, weshalb.
Und er begann zu bezweifeln, dass es ihm in Schloss Hogwarts auch nur im Geringsten besser ergehen würde als zuvor im Hause Malfoy. Er drehte sich erst um, als er das Rednerpult des Schulleiters erreicht hatte.
Es war befremdlich, vom Platz Albus Dumbledores hinab in eine totenstille Runde zu blicken. Von Todessergeschwistern flankiert, eine maskierte Eskorte und verfluchte Ministeriumszauberer zu seinem Rücken. Die Luft vibrierte in drückender Anspannung. Severus zwang sich zur Ruhe vor dem womöglich bald folgenden Sturm. Er rief sich seine Rede ein letztes Mal fest in den Geist. Alle Blicke lasteten auf ihm und er begann ohne Umschweife.
"Lehrerschaft von Hogwarts", sagte er eisig, jegliche Emotionsregung aus seiner Stimme verbannend, "Die Macht des Dunklen Lords und seiner Todesser wächst mit jedem Tag und Sie werden sich uns nicht länger erwehren können. Die Kontrolle über das Zaubereiministerium fällt mehr und mehr in unsere Hände. Eine vollkommene Umstrukturierung der gesamten Nation liegt nicht mehr fern. Die Zeit bricht an, in der wir die Zaubererschaft zur neuen Blüte führen werden, machtvoller und strahlender denn je. Doch selbstverständlich sind dafür einige grundlegende Änderungen nötig. Bedenken Sie, dass hinter diesen Änderungen nicht bloß der Dunkle Lord höchstselbst, all seine Gefolgen und das Ministerium stehen, sondern ebenfalls ein Heer von Dementoren. Sie haben also nur zwei Möglichkeiten: Den neuen Regelungen zustimmen oder eine sofortige Reise nach Askaban. Dort werden Sie freilich nichts von irgendeiner Veränderung mitkriegen müssen."
Er schwieg für einen Augenblick und die Stille in der Großen Halle war schwer wie Granitstein.
"Glauben Sie nun nichts Falsches", fuhr Severus schließlich gekonnt spöttisch fort, "Hogwarts wird erhalten bleiben und nach wie vor das Bildungsinstitut eines jeden jungen Zauberers, einer jeden jungen Hexe dieses Landes sein. Auch ist es Ihnen weiterhin erlaubt, zu unterrichten. Neben einem von uns erwählten neuen Lehrer in Verteidigung gegen die Dunklen Künste wird es bloß in Muggelkunde einige Veränderungen geben.
Es tut mir Leid, Charity, aber ich bezweifle, dass Sie in der Lage wären, die Ansichten des Dunklen Lords über unsere – wie mag man es ausdrücken – nichtmagische Bevölkerung sonderlich gut wiederzugeben. Aus diesem Grund werden Sie ab sofort von Alecto Carrow hier ersetzt, während ihr Bruder Amycus den Posten des Lehrers für Dunkle Künste einnimmt. Die Verteidigung gegen selbige wird natürlich nicht länger das hauptsächliche Thema dieses Faches sein."
Die beiden dicklichen Geschwister zeigten das gleiche süffisante Grinsen. Hogwarts’ Lehrer starrten in sprachlosem Zorn, in furchtsamem Entsetzen zu den Todessern empor. Würden Blicke Magie in sich tragen, der McGonagall’s wäre der mächtigste Cruciatus-Fluch. Doch auch schon so versetzte er Severus einen schmerzhaften Stich, denn er empfand ob Lord Voldemorts Anweisungen nicht anders als die alte Verwandlungskünstlerin. Professor Burbage schluckte leise. Niemand von ihnen schien es jedoch zu wagen, ein Wort des Widerstandes zu sprechen.
Bisher.
Severus holte tief Luft und sagte dann in gleich bleibender Kälte: "Freilich hat mein Herr mich nicht nur hierher befohlen, um Sie über seine Wahl neuer Lehrer zu unterrichten. Nein. Ich sagte eben, dass Hogwarts’ Unterricht weitgehend unverändert bleiben wird. Doch wir werden diese Schule nichtsdestotrotz von Grund auf verändern.
In erster Linie wird es verschärfte Regeln in Sachen Disziplin und – nun – in der Auswahl der Schüler geben. Bislang herrschte hier doch ein etwas verklärtes Bild darüber, wer einer magischen Ausbildung würdig ist. Aber von nun an werden sich Hogwarts’ verweichlichte Werte, Hogwarts’ unterwürfige Moral einem radikalen Wandel unterziehen. Und Minerva McGonagall ist als Leiterin der Magieschule Englands mindestens ebenso ungeeignet wie zuvor schon Albus Dumbledore. Deshalb freue ich mich, Ihnen mitteilen zu dürfen – und selbst auf die Gefahr hin, dass Sie meine Freude nicht ganz teilen werden –", er lächelte überzeugend blasiert und seine Hände krallten sich unwillkürlich um Dumbledores’ Rednerpult, "dass der Dunkle Lord mich, Professor Severus Snape, zum neuen Schulleiter von Hogwarts ernannt hat. Ich werde –
"NEIN!"
Ein gellendes Brüllen unterbrach Severus.
Die riesenhafte Gestalt Hagrids bebte vor blindem Zorn, seine käferschwarzen Augen loderten.
"Sie werden nich’ Dumbledores Platz einnehmen!", grollte er. "Ihnen wird Hogwarts nich’ in die Hände fall’n!"
"Hagrid!", beschwor ihn Madam Pomfrey in leiser Verzweiflung, "Ich bitte dich, sei still!"
Der Halbriese schien ihr Flehen nicht einmal wahrzunehmen, zückte bloß seinen pink geblümten Regenschirm.
"Oppugno Maxim–"
Doch noch bevor er seinen Fluch ganz ausgesprochen hatte, zischten ihm bereits zwei Dutzend pechschwarzer, blutroter und violetter Lichtgarben wie brennende Pistolenkugeln entgegen.
Sprout, McGonagall, Slughorn, Sinistra und Flitwick aber waren nicht minder flink als Severus’ Eskorte.
Ihre Schutzzauber hüllten sich binnen des Bruchteils einer Sekunde wie ein glimmender Schild um Hagrid. Die Flüche der Todesser prallten in einer schmetternden Explosion daran ab. Der Thestral des Wildhüters bäumte sich panisch kreischend auf.
Einer der silbermaskierten Kapuzenmänner ließ nun ein zorniges Zischen vernehmen. In einer blitzschnellen Bewegung feuerte er eine Kugel aus Flammen geradewegs in Professor Flitwicks Richtung.
Der kleine Hexer konterte ohne einen Wimpernschlag des Zögerns mit einem goldenen Energieball. Die gegnerischen Lichtgeschosse trafen in der Luft zusammen und Funken stoben durch den Saal. Dann blähte sich Flitwicks Goldball eigentümlich auf und er verschlang den Feuerfluch, zischte nun ungehindert auf die Truppe der Todesser zu. Im Flug verformte er sich zu einer glühenden Fessel und schlang sich fest um Flitwicks Angreifer. Der stürzte mit einem atemlosen Keuchen zu Boden und wand sich fluchend gegen sein Gefängnis.
Andere Todesser strömten herbei, um ihren Mitstreiter zu befreien, doch dessen Lichtfesseln schienen ihnen bei jeder noch so leisen Berührung eine Art elektrischen Schlag auszuteilen.
"Warum hast du ihn auch attackiert?", fauchte Severus seinen gefangenen Leibwächter an, in Zorn entbrannt. Die erste wahre Emotion, die er an jenem Tag zeigte. "Es wäre nicht nötig gewesen! Wir sind nicht hier, um einen Kampf zu provozier –"
Doch in diesem Moment schnitt ihm ein ohrenbetäubendes Kreischen das Wort ab.
Severus wirbelte herum und sah geradewegs in die pupillenlosen Augen von Hagrids Thestral.
Das Drachenpferd schoss ihm mit weit ausgestreckten Schwingen entgegen, die rasiermesserscharfen Fangzähne gebleckt. Um seinen Hals hing ein entzweigerissener Tau.
Sein Herr indes stand bloß tatenlos dort, offenbar unschlüssig, ob er sein Ungeheuer aufhalten sollte.
Severus’ Herzschlag setzte aus und er reagierte blitzartig.
"PETRIFICUS TOTALUS!", brüllte er und richtete seinen Zauberstab gegen das geisterhafte Tierwesen.
Im nächsten Wimpernschlag erstarrte der Thestral in der Bewegung wie ein merkwürdig verrenktes Denkmal seiner Selbst. Er stürzte reglos herab auf den Steinboden des Podiums.
"Tenebrus!", keuchte Hagrid und er wollte bereits nach vorne stürzen.
"Nein, Hagrid!", quiekte Professor Flitwick aufgebracht und hielt ihn auf Kniehöhe zurück. "Ihm wird schon nichts passiert sein, beruhige dich!"
Augenblicke der ohrenbetäubenden Stille.
Hagrid biss sich nervös auf seine Lippen und Flitwick hielt den Zauberstab kampfbereit gezückt und sein Angreifer wand sich verbissen auf dem Boden. Und Lehrer wie Todesser fixierten einander wachsam und Professor Trelawney atmete stoßweise und die Leere in Severus war noch schwerer als die Stille um ihn.
Dann brachen schlurfende Schritte jene Stille: Jäh trat einer der Ministeriumszauberer aus Severus’ Eskorte hervor, ein kräftig gebauter Mann mit kurzem schwarzen Haar und moosgrünen Augen.
Er blickte ausdruckslos auf Hogwarts’ Lehrer herab.
"Es ist Ihnen nicht gestattet, die Gesandtschaft des Dunklen Lords zu attackieren", sagte er. Seine Stimme klang gelangweilt, monoton, so als würde er einen auswendig gelernten Text herunterbeten. "Jeder weitere Angriff auf uns wird ohne jegliche gerichtliche Anhörung mit dem Kuss des Dementors bestraft. Das Ministerium hat die Macht, die Befugnis und die Mittel."
Und er kehrte den Lehrern den Rücken, trat wieder zurück in die Truppe der Todesser.
Das Schweigen der Großen Halle wurde noch schwerer.
McGonagall bebte schier vor stummem Entsetzen. Professor Sprout erschien, als würde sie jeden Moment in verzweifelte Tränen ausbrechen. Charity Burbage dagegen wischte sich bereits verstohlen die Augen an ihrem Ärmelsaum. Professor Flitwicks Lippen zitterten, doch er steckte seinen Zauberstab hastig fort. Trelawneys stets so ätherischer Blick wirkte seltsam leer.
Niemand von ihnen aber setzte sich bloß im Geringsten gegen die Eroberer von Hogwarts zur Wehr.
Und einen versteinerten Thestral zu seinen Füßen begriff Severus, er begriff in jäher, unwillkürlicher Erleichterung.
Hogwarts’ Lehrer waren mutig, gewiss, allesamt tapfere, äußerst entschlossene Kämpfer, wann immer es darauf ankam. Doch sie würden keinen Kampf bestreiten, von dem sie wussten, dass er aussichtslos war.
Nein. Nur Hagrid würde das tun. Doch auch dessen Widerstand schien nun gebrochen.
Es war das Beste für ihn.
Das Schweigen war kaum mehr erträglich.
Schließlich tat Severus einen tiefen Atemzug und wandte sich in stetiger emotionsloser Kälte wieder seinen alten Kollegen zu.
"Offenbar sehen Sie ein, was für Sie das Vernünftigste ist", sagte er betont spöttisch. "Ich muss schon sagen, es ist die perfekte Vorraussetzung für eine wundervolle gemeinsame Zukunft, dass Sie die Zusammenarbeit mit Amycus, Alecto und mir dem Kuss des Dementors vorziehen. Sehr gut."
Alecto Carrow gackerte schrill.
Severus war noch immer nicht gewappnet gegen die von Schmerz und glühendem Hass erfüllten Blicke der Lehrer.
Weshalb trafen sie ihn so? Gerade ihn, dem es stets eine bittere Genugtuung bereitete, ein wenig von all dem Schmerz und Hass, den er in sich trug, an seinen ignoranten und verständnislosen Mitmenschen abzulassen.
Aber dies, es war etwas vollkommen anderes. Gewiss verschaffte Severus sich durch leere Drohungen von seinen Schülern grimmigen Respekt, Distanz und vielleicht auch jenen Zorn, den er verdiente. Das Leid jedoch, das eben diesen Schülern und ihren Lehrern nun bevorstand, das Leid, das er in sein wahrhaftes Zuhause getragen hatte – es war ernst.
Mehr als bloß ernst.
Und es gab kein Zurück.
"So macht es Ihnen auch sicher vergleichsweise wenig aus", fuhr Severus höhnisch fort und er fixierte nun scharf Hagrid, "dass wir alle uns – spätestens – morgen beim Frühstück wieder sehen werden.
Minerva", schnarrte er und sah eiskalt auf McGonagall herab, "Sagen Sie mir bitte das momentane Passwort des Schulleiterbüros? Ich möchte es gleich ändern gehen."
Seine alte Verwandlungslehrerin erschien, als würde sie ernsthaft erwägen, den Verlust ihrer Seele jenem Verrat an Hogwarts vorzuziehen. Für einen langen Moment schwieg sie. Doch dann spuckte sie schließlich aus, ihr Ton und Blick so giftig wie der Fangzahn eines Basilisken:
"Es ist immer noch Zuckerfederkiel."
"Ich danke Ihnen, Professor", gab Severus nicht minder giftig zur Antwort.
Und ohne ein weiteres Wort stieg er zügigen Schrittes von seinem Podium herab. Hogwarts’ Lehrer wichen argwöhnisch vor ihm zurück; er schnitt eine Schneise in ihre Gruppe, als wäre er mit einer tödlichen Seuche infiziert. Ein Meer von Todessern folgte Severus zurück zum eisernen Eingangstor der Halle, das einen vorübergehenden Ausweg vor Lügen, Ungerechtigkeit und Hass bot.
Und während er den Anschein wahrend durch den Schleier glutroten Sonnenlichts schritt, der sich von der Decke des Saals herabwellte, schlich sich ein jäher Ansturm von Entschlossenheit in Severus’ erschöpften Geist: Einst hatte er Dumbledore sein Wort gegeben, Hogwarts so gut wie es bloß möglich war zu schützen, sollte die Schule je in die Spinnenklauen Voldemorts fallen.
Und er würde sein Versprechen nicht brechen, gleich was ihm auch bevorstand.
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So, das wars dann auch mal wieder ;)
Freut euch auf die Überarbeitung von Kapitel 4: "Botschaften aus dem Spiegel", oder, wie es jetzt in der neuen Version heißen wird, "Die Botschaften des Spiegels" :)
Allerdings wird es wohl noch etwas auf sich warten lassen - dieses Kapitel bedeutet mir sehr viel, ich finde es in der alten Version aber mittlerweile grauenhaft. Die Überarbeitung kann da also lange dauern, außerdem hab ich gerade einiges in der Schule zu tun ... ;)
LG,
Luna
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