von mia.winchester
In Rons geborgter Familienkutsche hatte Rolf die Brüder an den Flughafen gefahren. Es war das erste Mal seit dem Angriff, dass er das Haus verließ. Die frühsommerliche Sonne streichelte seine Haut und er atmete tief durch, als er am Parkplatz des Flughafen aus dem Wagen stieg. Die ganze Fahrt über hatten sie eines von Deans Mixtapes gehört und Luna, welche den Brüdern die Chance auf den Beifahrersitz gestohlen und sich frech neben Rolf geklemmt hatte, hatte laut mitgesungen.
„Hast du ein Glück!“, hatte Dean zu Rolf gesagt. Luna hatte sich umgedreht und ihm zugezwinkert.
Es war ein furchtbar heißer Tag. Schottland erlebte dieses Jahr einen überraschend beständigen Sommer. Seitdem die Gefahr gebannt war, schien alles Land von einem herrlichen Schleier des Friedens überzogen. Die Luft war klar und rein, der Himmel strahlend blau und überall grünte und blühte es.
Lediglich der Abschied, der nun vor ihnen lag, trübte die Stimmung des inzwischen eingespielten Vierergespanns.
Rolf hob das spärliche Gepäck seiner Gäste aus dem Kofferraum und übergab es ihnen mit einem bestätigenden Kopfnicken.
„Ihr seid jederzeit wieder Willkommen auf der Scamander-Farm.“, sagte er.
„Vielen Dank.“, sagte Sam höflich, obwohl er sich sicher war, dass er und Dean trotz aller Symphatie den Fuß nie wieder auf schottischen Grund setzen würden. „Bei allen Komplikationen und Gefahren, Rolf, es war wirklich eine gute Zeit.“, gelobte Sam dennoch und zögerte nicht, Rolf in den Arm zu nehmen.
Luna stand gerührt daneben und merkte nicht, dass Dean sie schon die ganze Zeit über ansah. Erst jetzt traf ihr von Tränen des Abschieds getrübter Blick auf seinen und er bedeutete ihr mit einem Zwinkern, näher zu kommen.
„Hey.“, sagte er, da hatte Luna schon die Arme um seinen Hals geschlungen und drückte ihn fest an sich.
„Dean.“, seufzte sie.
„Ich hab was für dich.“, sagte Dean mit dem Lächeln eines kleinen Jungen, als Luna von ihm abließ. Er kramte in seiner Ledertasche und holte schließlich eine große Glasflasche voller Milch hervor. Lachend übergab er Luna diese.
„Oh Dean!“, sagte sie und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
„Auf dass sie dich immer an unseren Nachmittag in der Taverne erinnert.“, meinte Dean Bescheiden.
Rolf und Sam hatten längst voneinander verabschiedet, sich dann aber noch in ein Gespräch über Harry Potter vertieft und bekamen nicht mit, wie Luna Dean stürmisch ein zweites Mal in die Arme schloss, sich dann wild entschlossen ans Ohr griff und die Radiesschen, oder besser gesagt Lenkpflaumen, welche sie als Schmuck trug, abnahm, um sie Dean in die Hand zu legen. Behutsam schloss sie seine Finger um ihr Markenzeichen.
„Die kann ich nicht annehmen.“, sagte Dean verwundert und sah Luna tief berührt in die Augen. „Luna, die gehören doch zu dir.“
„Ich sage dir, was zu mir gehört. Meine Freunde gehören zu mir. Und du bist wahrscheinlich der beste Freund, den ich je gehabt habe.“, flüsterte sie Dean mit zittriger Stimme zu.
Um nicht selbst weinen zu müssen, sagte Dean nur: „Ich habe doch nicht mal Ohrlöcher!“
Dann ließ er die Lenkpflaumenohrringe in seiner Hemdtasche verschwinden und drückte Luna ein letztes Mal fest an sich, ehe Sam an der Reihe war und Luna in einer innigen Umarmung verabschiedete.
„Du bist ein tolles Mädchen.“, sagte er zu ihr. „Lass dir von keinem was Anderes erzählen. Und pass gut auf Rolf auf. Ich habe ihm das selbe über dich gesagt.“
Luna streichelte Sam über die Wange. „Erinnere dich an meine Worte.“, ermahnte sie ihn. „Du bist auch ein toller Mensch. Und auf keinen Fall ein Schlechter. Hast du das verstanden?“
Sam nickte zögerlich. Für diesen Moment wollte er ihr glauben.
Dean hatte indes Rolf die Hand gereicht, doch dann hatte er es sich anders überlegt. Stattdessen breitete er die Arme aus und überwältigte den noch immer sehr gebrechlich wirkenden Jäger mit einer heftigen Umarmung.
„Komm her, Rolf-Wolf.“, sagte er und drückte seinen Lebensretter an sich. „Es tut mir Leid, dass ich so ein Idiot zu dir war. Das hast du nicht verdient.“
„Hör auf, Dean.“, ermahnte ihn Rolf mit erstickter Stimme. Er hatte ihm all seinen Spott lang verziehen.
„Du bist vielleicht nicht der beste Jäger.“, sagte Dean zu ihm, als er ihn endlich losließ, „aber du bist genau der richtige Mann für dieses Mädchen.“
„Danke, Kumpel.“,sagte Rolf unbeholfen.
Er und Dean sahen schließlich die weinende Luna an, die neben Sam stand, bereit, ihn und seinen Bruder, vielleicht für immer, gehen zu lassen. Nun rollte auch eine Träne über Rolfs Wange.
„Ein heulender Werwolf.“, scherzte Dean und knuffte seinen Lieblingsfeind in den Oberarm.
„Unser Flug geht ihn zwanzig Minuten, wir müssen noch einchecken und ich will mir noch was zu Essen holen.“, sagte Dean dann geschäftig. Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter, schnallte sich die Tasche enger um den Körper und überprüfte, ob er die Pistole an ihren Platz im Gürtel geschoben hatte. Sicher war sicher, und einen besessen Piloten hatten er und Sam erst gehabt.
Sam nickte, reichte Rolf und Luna noch einmal die Hand und setzte sich dann mit seinem großen Bruder an der Seite in Bewegung. Mit zielstrebigen Schritten liefen die Brüder unter strahlend blauem Himmel einem Flug entgegen, vor dem Dean sich kaum noch fürchtete. Er griff an das Geschenk in seiner Hemdtasche und sah Sam an, der ihm ein ermutigendes Lächeln schenkte. Keiner von beiden schaute zurück auf Rolf und Luna, die Arm in Arm zusahen, wie ihre Freunde langsam in der Menschenmenge vorm Flughafen verschwanden:
Dort, wo sie vor nicht allzu langer Zeit angekommen waren. Am Anfang ihrer Reise hatten sie nicht gewusst, was sie erwarten würde, und die meiste Zeit über hatten sie jene Ungewissheit beibehalten. Doch nun, da sie, von Weitem einander furchtbar ähnelnd, wieder in ihre Heimat unterwegs waren, waren ihre Gedanken klar wie nur selten. Es gab etwas, dass sie bei diesem Fall gelernt hatten.
Sie hatten gelernt, dass, egal in welchem Extremen man lebt, es immer noch etwas gab, was größer, unglaublicher, besser oder schlichtweg schöner war als das Bekannte. Weswegen es sich lohnte, auf etwas Neues zu hoffen.
Sie hatten gelernt, dass Liebe das war, was sie als Brüder zusammenhielt. Liebe, die Menschen dazu verleitete, ihr eigenes Leben zu opfern, Liebe, die schmerzte und Liebe, auf die man lange warten musste, nur, am dass sie am seligen Ende mit all ihrer Wucht über einen kommen und alle Wünsche wahr werden lassen konnte.
Und sie hatten gelernt, dass es selbst in der aussichtslosen Situation gerade mit dieser nie sterbenden Hoffnung und der Liebe, in egal welcher Form, immer etwas gab, für dass es sich zu kämpfen lohnte.
In jeder Minute, an jedem Tag.
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