von hawthornandvine
Ein pechschwarzer Rabe saß vor ihrem Fenster und beäugte sie mit seinen knopfrunden, neugierigen Augen, während sie seelenruhig in ihrem Lieblingssessel saß und ein wenig in einem Buch las.
"Interview mit einem Hauselfen" hatte Hermine erst vor kurzem entdeckt und alleine der Titel klang - für sie zumindest - sehr vielversprechend.
Am liebsten würde auch sie ein eigenes Buch schreiben.
Nur wusste sie nicht, wie sie anfangen sollte. Das Thema war ihr schon gar nicht klar und sie hatte in letzter Zeit auch keine Geduld dafür.
Sie mag sehr klug sein, aber diese kreativen Geistesblitze kommen nur selten.
Luna Lovegood könnte zig Bücher füllen. Sie hatte die nötige Kreativität und vermutlich auch den Willen dazu, dem magischen Volk den Schrumpfhörnigen Schnarchkackler, den Schlibbrigen Summlinger und die Nargel näher beizubringen.
Inzwischen war diese in den Norden gezogen.
Norwegen, um genau zu sein.
Dort erforschte Luna eben genau diese Tierchen, die laut Hermines Meinung natürlich nur Hirngespinste waren.
Von Ginny erfuhr sie vor kurzem, dass Luna endlich jemanden gefunden hatte, der ihre Interessen und Ansichten teilte. Sein Name war Robert. Oder doch Ralph? Nein, dachte sich Hermine. Richard? Rupert?
Wie konnte sie das nur vergessen?
Da es sich ja nur um einen Namen einer Person, die sie nicht kannte, handelte, ließ sie es sein.
Ihr Blick ging von ihrem Buch zum Fenster. Der Rabe saß immer noch da und starrte sie an.
Es war kein gruseliges Starren, eher ein wissbegieriges.
In alten Volksmärchen wird der Rabe als eine bösartige Kreatur dargestellt.
Hauptsächlich in denen der Muggel. Sie verbinden alles mögliche mit ihnen. Den Tod, Magie, Unheil, Weisheit, Intelligenz, Schicksal...
Hermine glaubte nicht an all diesen Unsinn. Nur weil man von diesen Vögeln träumt, stirbt man nicht sofort.
Sie verließ sich auf die wissenschaftlichen Fakten. Raben waren klug und dachten voraus. Die wohl klügsten Vögel die es gibt, dachte Hermine und stand auf, um das kleine Fenster zu öffnen.
Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass der Rabe sofort davonfliegen würde, sobald sie es öffnen würde, aber er blieb und sah sie weiterhin an.
Komisch.
Hermine war sich nicht sicher, ob sie ihn jetzt anfassen sollte oder ihn verjagen sollte.
Da sie in ihrem Leben noch nie einen so schwarzen, prächtigen Vogel gesehen hatte - und schon gar nicht gestreichelt - überwog ihre Neugier und sie bewegte ihre Fingerspitzen langsam auf ihn zu.
Zentimeter für Zentimeter näherte sie sich ihm und schließlich berührte sie die Mitte seines kleinen Kopfes.
Er war immer noch da.
Konnte es sein, dass er ein zahmer Rabe war?
Hermines Atem ging ein wenig schneller als gewöhnlich, dieses Tier hatte eine sonderbare Ausstrahlung. Es wirkte klug. So klug, was es schon wieder unheimlich machte.
Sie zog langsam ihre Hand zurück und der Rabe versuchte mit seinem Schnabel nach ihr zu picken, worauf Hermine einen spitzen Schrei ausstieß und das Fenster augenblicklich zuknallte.
Diese Sache war ihr nicht ganz geheuer!
Zu ihrer Erleichterung war der Vogel verschwunden, als sie nochmals zum Fenster sah.
Gott sei Dank, dachte sie und widmete sich wieder "Interview mit einem Hauselfen".
Vorher kochte sie sich noch einen starken Tee, um zu klareren Gedanken kommen zu können.
+++++
Hermine's magische Radio spielte gerade einen ohrenbetäubenden Song von Celestina Warbeck - "A magical winter - als es an ihrem Wohnzimmerfenster klopfte.
Sie zuckte leicht zusammen, nach dem Erlebnis mit diesem Raben war sie ein wenig empfindlich, was es solch Geräusche anging.
Doch es war nur eine süße, braune Eule, die mit ihren großen Augen herein guckte. In ihrem Schnabel befand sich ein kleiner, cremefarbener Umschlag.
Es war Flora. Harry's Eule.
Er hatte sie ein Jahr nach Hedwigs Tod gekauft, sie war zwar ganz lieb, aber eben nicht Hedwig.
Hermine stand von ihrem Sofa auf und ging zum Fenster, öffnete es und Flora flatterte herein. Sie wusste, Hermine würde ihr sicher noch eine Schale Wasser und vermutlich auch Eulenkekse geben.
"Was gibt es neues?", sagte Hermine zu ihr und nahm ihr den Brief ab.
Auf ihrem Weg zu Küche, um Wasser und Futter für Flora zu holen, riss sie den Brief auf und überflog ihn kurz.
Liebe Hermine!
Wie geht es dir? Ich habe gehört, der Forest of Dean soll voll von Schnee sein. Es ist sicher schön hier.
Was ich dich eigentlich fragen wollte: Komm doch nächste Woche nach London, Ginny will, dass ich mit ihr ein Kleid aussuchen gehe - wie ich dich kenne, hast du deines sicher schon längst besorgt, aber ohne dich schafft sie es sicher nicht, eines zu finden. Denn meiner Meinung nach steht ihr jedes Kleid, nur wird sie eher auf dich hören, als auf mich. Ich habe ja keinen Geschmack.
Sende deine Antwort bitte eulenwendend zurück, wann genau wir in die Winkelgasse gehen, wissen wir noch nicht.
Flora wird schon noch bald genug mit der Antwort zu dir kommen.
Liebe Grüße und pass auf, dass du im Schnee nicht untergehst!
Harry
Flora trank inzwischen aus der Wasserschale und Hermine suchte nach einem Kugelschreiber. Federn benutzte sie kaum mehr, in den letzten Jahren schrieb sie nur noch mit den Schreibutensilien der Muggel.
Außerdem konnte es sie, eine Muggelstämmige, es sich sowieso erlauben.
Natürlich würde sie mit Harry mitkommen.
Ginny konnte echt anstrengend sein, was Kleidung betraf und Hermine hatte gar keinen so schlechten Geschmack.
Ihr Motto war schlicht, aber elegant. Kein Glitzerzeug und ausgefallene Schnitte.
Sie schrieb auf die andere Seite des Pergaments eine kurze Zusage, steckte es dann in den Umschlag zurück und wartete, bis die Eule mit ihrer Stärkung fertig war.
Als Flora schließlich abflugbereit war, gab sie ihr den Brief, versiegelte ihn noch kurz und schon war die Eule wieder dahin.
Draußen schneite es. Mal wieder.
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