von hilgener-jung
Manche Leute sagen es ist alles nur Glückssache. Ich glaube das jedes banales Ereignis, sogar das auftauchen eines flatternden Schmetterlings, alles verändern kann. Wenn nämlich so ein scheinbar unbedeutendes Ereignis stattfindet, dann beeinflusst es alles, was danach passiert.
Harry Potter lag am Rand des großen Sees an einen Baumstamm gelehnt, abseits von den anderen Schülern. Es war Freitags Nachmittag, an einem der vielleicht letzten Sonnentage des Jahres, und die Mehrzahl der Hogwartsschüler lag auf der Wiese verteilt, die Köpfe träge auf ihre Schultaschen gestützt und die Augen geschlossen. Auch Harry hatte zunächst direkt auf der Wiese gelegen, seine Augen zum Schutz vor den Sonnestrahlen zusammengekniffen. Er war einer der ersten Schüler am See gewesen und war erst zu seinem Platz unter dem Baum gewandert, als die Schar an Schülern um ihn herum immer größer und lauter wurde.
Friedlich beobachtete er den gelben Schmetterling, der seit einigen Minuten elegant um ihn herum durch die Luft schwebte. Doch so idyllisch der Moment auch war, seine Gedanken kamen doch immer wieder auf seine Aufgabe zurück. Die erste Runde des Trimagischen Turniers war seit einer Woche vorbei und er hatte noch immer keine Ahnung, was er mit dem goldenen Ei anfangen sollte, welches ihn jedes Mal wenn er es öffnete so fürchterlich anschrie.
Hermine nervte ihn bereits seit Tagen damit, dass er sich beeilen sollte das Rätsel zu lösen, um genug Zeit zu haben um sich auf die kommende Aufgabe vorzubereiten. Umso erfreuter war Harry darüber, dass Ron, der nach der ersten Aufgabe wieder zur Besinnung gekommen war und sich bei Harry entschuldigt hatte, mit seinen Schulaufgaben so weit zurück hing, dass Hermine nun mit ihm zusammen in der Bibliothek saß und lernte.
Mehr Faulheit von Ron hieß mehr Ruhe für Harry – langsam gefiel es ihm zusehends, dass Ron so wenig Enthusiasmus für seine Hausaufgaben hatte.
Der Schmetterling flog nun höher und die tief stehende Herbstsonne blendete Harry. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Wie ein Schmetterling zu fliegen, überall hin zu können, ohne jegliches Gewicht auf seinen Schultern zu spüren... das muss großartig sein.
Er öffnete seine Augen wieder und suchte nach dem gelben Schimmer, fast so als würde er während eines Quidditchspiels nach dem goldenen Schnatz suchen. Er entdeckte den Schmetterling knapp über dem Boden, mittlerweile gut 30 Meter von ihm entfernt. Er flog nach rechts, glitt eine Weile durch die Luft, um dann, ganz langsam und sanft, zu landen.
Das kräftige gelb gab einen wundervollen Kontrast zu der blassen Haut des Dekolletés, auf dem der Schmetterling gelandet war. Harry konnte seine Augen nicht abwenden. Doch es dauerte nur wenige Sekunden, bis eine zierliche Hand nach dem Schmetterling griff und diesen vorsichtig hochhob. Nach Harrys Geschmack war es viel zu schnell gegangen.
Ein fröhliches Lachen füllte die Luft und Harry begann, ohne es mitzubekommen, breit zu Lächeln.
Er hob den Blick, weg von dem Dekolleté auf welches er gestarrt hatte, und blickte nun stattdessen in funkelnde braune Augen, die von einem roten Vorhang von Haaren umrahmt waren.
Geschockt öffnete sich Harrys Mund als er bemerkte, wen er da angestarrt hatte – wessen Dekolleté ihn wenige Sekunden zuvor noch fasziniert hatte.
Er hatte bis jetzt nicht einmal gewusst, dass Ginny Weasley ein Dekolleté besaß, auf welches er hätte starren können.
Ihr Gesicht wurde leicht rot, als sie Harry breit lächelnd zuzwinkerte und ihm mit ihrer freien Hand signalisierte, dass er seinen Mund schließen solle.
Verdammt Potter! Sie hat dich erwischt!
Lachend hob Ginny ihre Hand in die Luft und der Schmetterling erhob sich majestätisch in den Himmel. Ihre Augen folgten ihm für einen Moment und Harry nutzte diese Chance, um sie aufmerksam zu betrachten.
Er hatte nicht oft über sie nachgedacht, seit dem Vorfall in der Kammer des Schreckens, und die beiden hatten wirklich nicht viel miteinander zu tun… aber nichtsdestotrotz wunderte er sich. Wie hatte er nicht bemerken können wie sie sich verändert hatte?
Sicherlich war sie immer noch nur ein 13 Jahre altes Mädchen und keine ausgewachsene Frau, aber sie sah so anders aus als noch vor zwei Jahren.
Ihre blasse Haut setzte sich von ihren feurigen Haaren ab und die winzigen Sommersprossen auf ihrem Gesicht sahen wirklich hübsch aus.
Und sie war sicherlich nicht mehr jungenhaft – der Schmetterling hatte ihm so viel verraten.
Doch eben dieser Schmetterling war mittlerweile davon geflogen und Ginnys Augen waren nun wieder auf Harry gerichtet. Einige Augenblicke standen die beiden nur da, sich schüchtern anlächelnd, als hätten sie sich noch nie zuvor gesehen.
Dann plötzlich, als ob ein innerer Alarm sie aufgerüttelt hätte, winkte Ginny ihm zum Abschied, drehte sich um und rannte zum Schloss.
Seufzend legte sich Harry wieder an seinen Baumstamm und schloss die Augen. Das goldene Ei war vergessen und den Rest des Tages kreisten Harrys Gedanken nur noch um Ginny und um den kleinen, gelben Schmetterling, der ihm die Augen geöffnet hat.
*~*~*~*
Am nächsten Morgen saß Harry unruhig am Haustisch der Gryffindors, verunsichert durch die Halle blickend.
Ein Weihnachts-Ball? Warum in Merlins Namen musste er auf einen Ball gehen – nein noch schlimmer: einen Ball eröffnen?
Wie konnte jemand der noch bei vollem Verstand war glauben, dass es schlau war 14jährige Jungen nicht nur zu einem Ball gehen zu lassen auf welchem sie tanzen mussten, sondern sie auch noch in die Situation zu bringen, dass sie ein Mädchen einladen mussten?
Die ganze Zeit, seit sein Name aus dem Feuerkelch gezogen wurde und er gezwungen war an diesem Turnier teilzunehmen, hatte Harry sich gefragt, ob Dumbledore vielleicht verrückt geworden ist. Jetzt war er sich sicher! Und dieser Ball war der Beweis.
Er schaute zu Ron rüber, der genauso verängstigt aussah wie er selbst. Vielleicht sogar ein wenig verängstigter, wenn er dem Hauch von grün auf dem Gesicht seines besten Freundes glauben konnte.
“Heißt das… heißt das wir müssen ein Mädchen einladen?“ fragte Ron leise und mit verunsichertem Tonfall. Harry nickte und Hermine versuchte angestrengt nicht zu lachen.
“Aber… wir kennen keine Mädchen!“ sprach Ron weiter.
Hermines Gesichtsausdruck wechselte augenblicklich in Wut über – von dem mühsam unterdrückten Lachen war nichts mehr zu sehen. Harry beobachtete alamiert, wie sie ihren Mund zum sprechen öffnete, ihn aber ohne ein Wort zu sagen direkt wieder schloss. Ihre Lippen waren nur noch eine schmale Linie. Sie stand abrupt auf und ging – ohne ein weiteres Wort – schnurstracks von den beiden weg. Ron schien es nicht zu bemerken, aber Harry beobachtete sie beim weggehen, ihre Hände zu Fäusten geballt und ihr gelbes Haarband hinter ihr herflatternd, wie ein Schmetterling im Wind.
Und in dem Moment wusste Harry, was er zu tun hatte.
Er stand auf und ging den Gryffindortisch entlang, Rons verwirrte Fragen ignorierend.
Sie schaute ihn erwartungsvoll an und Harry glaubte einen Schimmer Hoffnung in ihren Augen aufleuchten zu sehen.
“Hey Ginny, ich wollte nur fragen, ob du mit mir zu dem Ball gehen willst?“
Das bejahende Lächeln das sie ihm gab verzauberte Harry und genau in diesem Augenblick, wusste er zu hundert Prozent, dass er das Richtige getan hatte.
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