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Fanfiction

Der letzte Tag des Sommers - Der letzte Tag des Sommers

von mia.winchester

Als hätte es das Unwetter nie gegeben, biss sich die Sonne am nächsten Morgen durch die schweren Vorhänge des Schlafsaals, in dem Lily Evans die ganze Nacht über wachgelegen hatte.

Nur noch wenige Stunden trennten sie von dem letzten Festessen in der Großen Halle, der Vergabe ihrer Abschlusszertifikate und der finalen Verleihung des Hauspunktepokals.

„Du bist ja schon wach.“, bemerkte Lia Clearwater, als sie aus dem Bett stieg. Sie riss die Vorhänge beiseite und das helle Licht brach rücksichtslos in den ruhigen Raum.
„Ich konnte nicht schlafen.“, raunte Lily in ihr Kissen.
„Kann ich verstehen.“, pflichtete Lia ihr bei. „Ich bin auch ziemlich aufgeregt. Sieben Jahre. Vergangen wie im Flug. Sag mal, wo warst du eigentlich gestern? Ich hab gesehen, wie du wiedergekommen bist, du sahst aus wie eine Sumpfkröte.“
„Na danke.“, zischte Lily.

„Du weißt, was ich meine. Ganz schmutzig. Warst wohl einen Spaziergang im Regen machen?“ Lia setzte sich im Schneidersitz auf Lilys Bett und diese wünschte sich, dreist genug zu sein, sie einfach wieder runter zu schubsen.
„Ja, ich war draußen.“, sagte sie stattdessen und richtete sich auf, um mit ihrer Hausgenossin auf Augenhöhe zu sein.
„James hat sich furchtbare Sorgen um dich gemacht.“, erklärte Lia. „Der Ärmste.“

Schuldgefühle schlugen Lily entgegen, als sie bemerkte, dass sie die ganze Nacht über keinen einzigen Gedanken an ihren Freund verschwendet hatte. Sie holte tief Luft, als wolle sie etwas sagen, aber dann schloss sie den Mund wieder und starrte aus dem Fenster.
„Ich liebe den Sommer.“, sagte Lia, als sie Lilys Blick folgte.
„Ich nicht.“, zischte diese.

„Wieso?“ Empört überschlug sich Lia Stimme gleich zweimal in einem Wort.
„Er macht mich traurig. Der Sommer ist traurig. Alle Leute freuen sich über das warme Wetter, über den blauen Himmel, den Sonnenschein. Aber mich macht das alles furchtbar traurig.“ Lily schämte sich, so unverblümt mit Lia zu sprechen. Aber ein paar von den Gedanken, die sie in der Nacht festgehalten hatten, musste sie einfach in Worte fassen. „Der Himmel lastet wie eine träge,schwere Decke über einem. Man bekommt kaum Luft. Ich hasse den Sommer.“

Das war eine Lüge. Sie hasste den Sommer nicht. Sie hasste bloß sich dafür, dass sie an keinen Sommer denken konnte, ohne Severus' blasses Gesicht im blendenden Sonnenlicht zu sehen, mit den zusammengekniffenen Tintenaugen und der schwachen Versuch eines Lächelns auf den Lippen. Letzten Abend, das wusste sie, da hatte sie ihm für alle Zeit das Herz gebrochen. Doch sie redete sich ein, dass ihr das egal war.

„Du bist seltsam, Lily Evans.“, sagte Lia. „Kommst du mit mir frühstücken?“

Lily willigte ein und warf sich bloß einen Morgenmantel über, ehe sie ihrer sich in Blitzschnelle in Schale werfenden Hauskameradin hinab in die Große Halle folgte.

James, Sirius, Remus und Peter saßen mit vollen Mündern am Tisch und verleibten sich ein letztes Mal das köstliche Frühstück aus der Hauselfenküche ein.
„Esst nicht zu viel.“, warnte Lily und ließ sich neben James nieder.
„Hey!“, sagte er erstaunt, einige Brotkrumen fielen ihm aus dem Mund. „Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht. Ich bin dir nachgelaufen, aber ich habe dich nirgends gefunden.“

„Ist schon in Ordnung.“, antwortete Lily. Sie wollte sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn James sie und Severus im Regen vorgefunden hätte. Wenn er hätte mitansehen müssen, wie der ihm verhasste Slytherin in den Geist seiner geliebten Freundin vorgedrungen war.

„Geht es dir gut?“, fragte James, zog Lily zu sich und grüßte sie mit einem Kuss.
„Ja, ja.“, log Lily.
„Heute ist der große Tag!“, verkündete Sirius.
„Deswegen sage ich ja, esst nicht so viel.“, wiederholte Lily. „Das Festmahl beginnt auch schon bald.“
„Mir egal.“, lachte Remus. „Wann kriege ich schon das nächste Mal so ein tolles Essen? Und so viel?“

„Ich will nichts hören, Moony!“, schalt ihn Sirius. „Nur, weil du dich weigerst, bei Vollmond zu jagen. Wildschweine, Füchse. Hirsche! Lecker, lecker!“

„Tatze!“, lachte James. „Hund soll übrigens auch super schmecken, Moony.“

Remus schnaubte verächtlich, aber er grinste, als er sich eine große Gabel Frühstückspeck in den Mund schob. „Mmmh.“, machte er.
„Hast du keinen Hunger?“, fragte James seine Freundin.

Sie schüttelte mit dem Kopf und sah stattdessen flüchtig zum Tisch der Slyherins. Natürlich war Severus nirgends zu sehen. Sie dachte an seine Tränen, an sein verzerrtes Gesicht. An die Erinnerung, die er gesehen hatte. An das, was ihr von der Erinnerung geblieben war.
„Ich esse nachher.“, sagte sie gedehnt, um sich mit ihrer eigenen Stimme in die Wirklichkeit zurückzuholen.
„Wie du meinst.“, mampfte Sirius nur.

Nach dem Frühstück kehrte sie mit den Rumtreibern in den Gemeinschaftsraum zurück, wo sie den Tag mit Lesen verbrachte. Dann kam der Abend.

Sie schlüpfte in ihre festliche Schulrobe, band sich eine Schleife in den Farben Gryffindors ins geflochtene Haar und trat schließlich aus dem Schlafsaal zurück vor den Kamin, an welchem die Rumtreiber schon in ihren Umhängen saßen.
Durch all ihren Kummer hindurch packte sie beim Anblick ihrer festlich gekleideten Freunde doch die Aufregung. Dies war er, der letzte Tag im Schloss, der Abschluss, das Ende.

„Sieh dich einer an!“, lobte Sirius. „Selbst im ollen Schulumhang heiß wie Dämonsfeuer.“
„Entschuldige mal, Tatze!“, keifte James freundschaftlich, stand auf und nahm Lilys Hand. „Bereit?“

„Bereit.“, sagte Lily und folgte ihm aus dem Porträtloch. Sie war bereit für den Abschluss, bereit für die Feier. Aber bereit für das wirkliche Ende war sie bei weitem nicht.



Severus hatte sich gewünscht, nicht einmal zum Abschlussfest gehen zu müssen. Er hatte wirklich überlegt, Avery zu bitten, ihm einfach sein letztes Zeugnis mitzubringen. Damit er Lily nicht sehen musste, in ihrer Uniform, wie sie lachend ihr außerordentlich gutes Abschlusszertifikat entgegennahm. Damit man ihn nicht anstarren und über ihn tuscheln würde, wenn er nach vorne trat, um seines zu bekommen.

Doch er kämmte sich sein langes Haar, legte die dunkle Festrobe an und rückte seine silbergrüne Krawatte zurecht. Dann atmete er tief ein, obgleich die stickige Luft im Schlafsaal seine Lungen nicht annährend mit dem füllen konnte, nach was sie sich sehnten.

„Bereit?“, fragte Mulciber, der hinter ihm erschienen war. Seine massige Gestalt quoll aus den engen Enden des Umhangs.
„Bereit.“, sagte Severus und folgte ihm aus dem Schlafsaal. Er war einigermaßen bereit für den Abschluss, aber für das wirkliche Ende würde er nie bereit sein.



Die Große Halle war erfüllt von leisem Gelächter, zittrigen Stimmen, die Geschichten von vergangen Tagen erzählten und dem Weinen wehleidiger Schülerinnen, die wussten, dass ihre Freundschaften nicht stark genug waren, über das Ende ihrer Schulzeit hinaus zu existieren.

„Ich werde dich so vermissen!“, hörte Severus sie an allen Ecken und Enden heulen. Sie wussten nicht, was vermissen bedeutete. Sie hatten keine verfluchte Ahnung.

Noch viele Male in seinem Leben würde Severus diesen Zeremonien beiwohnen. Als Lehrer, vor Kopf der Halle, und immer wieder würden sie heulen: „Ich werde dich so vermissen!“

Immer wieder brachte ihre Dummheit ihn in Rage, immer wieder wollte er sie packen, schütteln und brüllen, dass sie nie wissen würden, was es wirklich hieß, zu vermissen.

Er drängte sich an seinen Platz und hoffte, dass die vielen mit Spitzhüten geschmückten Köpfe ihm die Sicht auf den Gryffindor-Tisch nehmen würden. Doch wie es so war mit seinen Hoffnungen, war auch diese vergebens. Er sah Lily und James und wie sie lachten und obgleich er sich auf das Festmahl gefreut hatte, wusste er, dass er kein Bröckchen hinunter bekommen würde. Er wünschte sich, nach dem Vorfall von gestern noch einmal mit Lily reden zu können, wünschte sich den Beginn des anderen Lebens herbei, in dem sie beide Phönixe sein und zusammen entschwinden konnten. Doch er war gefangen an seinem ungemütlichen Platz in der Großen Halle, an dem er die Zeremonie über ewig warten musste.

Als erstes brachte McGonagall den dämlichen Sprechenden Hut. Sie platzierte ihn vor den versammelten Schülern, als sei es ihr erster Schultag und die Erstklässler applaudierten. Ihre entscheidende Begegnung mit dem zerschlissenen Lumpenstück lag noch nicht allzu lang zurück und in ein paar Wochen würden sie als Zweitklässler in die Schule zurückkehren. Severus verfluchte den Hut und seine bescheuerten Gesänge. Er war es gewesen, der Lily von ihm getrennt hatte, sie nach Gryffindor geschickt und in den Schoß der Rumtreiber getrieben hatte.

Nach einer andächtigen Rede der stellvertretenden Schulleiterin erwachte der ledrige Hut zum Leben und stimmte ein Gedicht an.
Und obwohl Severus sein Leben lang noch Zeuge der wildesten Dichtungen des lebendigen Kleidungsstückes werden würde, blieb ihm der Gesang, den der Sprechende Hut an diesem letzten Abend seiner Schulzeit anstimmte, für immer im Sinn.

Sie ist ein Zauber größter Kraft, die Macht reicht allzu weit,
vergeht im Flug und hält uns fest, die gute, böse Zeit
Ein Jahr ist schnell vergangen und nun feiern wir das End'
an selber Stell' wo bald von heut' 'ne neue Zeit beginnt
Für die von euch, die wiederkehren, seit allesamt gewiss,
dass sobald ihr geht und wiederkommt, nichts mehr wie früher ist
Das erste Jahr in diesem Schloss, ich hoff', es hat gefallen
bald schon kehrt ihr gereift zurück in Hogwarts' große Hallen
Für die von euch, die heute noch den Abschied feiern müssen,
es liegt an meinem Lumpenherz, dass alle von euch wissen,
die Magie, die ihr erlerntet, begleitet eurer Leben,
auf dass ihr wisst, davon nur Freud an Andere zu geben
Tick, tack, tick tack, hört ihr die Uhr, sie sagt es ist vorbei
bevor ihr geht, ein Abschiedswort, nur eins oder auch zwei
So gnadenlos es euch erscheint, das Schwinden der Sekunden
so seit gewiss, was ihr auch tut, die Zeit heilt alle Wunden


Am liebsten wäre er aufgesprungen, hätte den Hut von seinem Hocker gerissen und ihn vor den Augen der Anderen in Brand gesetzt.

Es gab Wunden, die konnte nicht einmal die verdammte Zeit heilen.

Das wusste Severus.

Bis zu seinem letzten Atemzug würde sie klaffen, die Wunde, Lily.

Er sah auf, schaute sie an. Ihre Blicke trafen sich. Sie sah rasch weg.

Dann stand Dumbledore auf und hielt seine feierliche Rede zum Abschluss des Jahres. Severus hörte nicht zu. Er starrte auf seinen leeren Teller und musste sich zusammenreißen, nicht zu schreien.
Die Namen der Schüler, welche Hogwarts nun verlassen musste, wurden aufgerufen. Unwichtige Namen, gesichtslose Menschen, Gleichgültigkeit.

„Black, Sirius.“
Der stolzierende Gang von Sirius, sein erhobenes Haupt, alles an ihm widerte Severus an.
Und dann.
„Evans, Lily.“

Severus sah auf. Lily, seine Lily trat nach vorne. Wie an ihrem ersten Tag, als er dicht bei ihr gestanden hatte, ehe McGonagall ihren Namen ausgerufen hatte. Als er ihr aus der Menge zugewunken hatte. Ihr gezeigt hatte, dass er ihr die Daumen drückte. Er hatte gelächelt. Doch nun war seine Miene die erkaltete Maske eines gebrochenen Jungen, der viel zu schnell gealtert war. Keine Leichtigkeit, das einzige Glück in seinem Leben waren schmerzliche Erinnerungen an eine hoffnungslose Vergangenheit.

„Bittesehr.“, hörte Severus den Schulleiter leise sagen, als er Lily die Pergamentrolle mit ihren Abschlusszensuren reichte.
„Dankesehr.“, antwortete Lily.

„Viel Glück, Lily.“ Dumbledore streckte den Arm aus und strich Lily behutsam über die Schulter. Und Severus beneidete den alten Mann für die Nähe, die er mit seiner Lily teilen durfte, während er an seinem Platz saß und kaum atmen konnte.

„Dankesehr.“, sagte Lily noch einmal, dann kehrte sie zu ihrem Platz zurück, die Augen überall, nur nicht dort, wo Severus saß.
„Remus, Lupin.“ und „Potter, James“ nahmen ihre Zeugnisse ebenso stolz entgegen wie ihr Freund Sirius, während „Pettigrew, Peter“ mit geduckter Haltung nicht einmal in Dumbledores Gesicht sah. Erbärmliches Wesen.
„Snape, Severus.“, rief Dumbledore irgendwann.

„Du bist!“, forderte Mulciber ihn auf, denn Severus hatte seinen eigenen, unwichtigen Namen beinahe überhört.

„Oh.“, stieß er aus, zwang sich durch die Menge nach vorne und trat vor Dumbledore.
„Bittesehr.“, sagte Dumbledore und überreichte ihm sein Abschlusszeugnis.

Severus nahm es nickend entgegen.
„Denk daran, was ich dir gesagt habe, Severus.“, raunte Dumbledore ihm mit einem Lächeln zu und strich auch ihm freundschaftlich über die Schulter. „Du bist ein guter Mensch.“

Severus blitzte den Schulleiter an, legte alle Abneigung in seinen Blick und ließ den alten Mann mit verwunderter Miene stehen.
Dann kam es zur Hauspunktevergabe.
Ravenclaw siegte.

Das gesamte Essen über setzte Severus alles daran, sich von dem beißenden Duft des Bratens nicht übergeben zu müssen. Er hielt sein Besteck fest umklammert, bis sich die Klinge des Messers in seine Handinnenfläche bohrte. Er verzog keine Miene und beobachtete mit einem seltsamen Lächeln im Gesicht, das jedem, der es sah, Angst machte, wie das Blut auf seiner Umklammerung auf die weiße Tischdecke floss.



Als Severus in den Schlafsaal zurückkehrte, stellte er resignierend fest, dass sein Hab und Gut bereits verpackt und zum Bahnhof geschafft worden war. Die dämlichen Hauselfen hatten auch seinen Alltagsumhang, in dessen Tasche sich sein Zauberstab befand, mitgenommen.

Er suchte ihn vergebens, öffnete alle Schränke und sah unter seinem Bett nach, doch er war nirgends zu finden. Vollkommen unbewaffnet zu gehen kam Severus leichtsinnig vor. In all den Jahren war sein Zauberstab die einzige Möglichkeit gewesen, sich gegen James und seine anderen Widersacher zu verteidigen.
In der Hoffnung, ihn dort zu finden, schlug Severus die Laken seines Bettes beiseite. Nie wieder würde er dort schlafen. Er verbat sich jegliche Melancholie, doch als er auf das blanke Kissen sah, erfasste ihn etwas, was tiefer und heftiger war als jede Melancholie, als jede seichte Sentimentalität.
Dort, auf seinem Kissen lag die schon leicht vertrocknete, doch strahlend schöne Blüte einer einzigen, weißen Lilie.


Mit den Kutschen ging es zum Bahnhof. Severus blickte nicht sehnsüchtig auf das Schloss zurück, er verbat es sich. Nachdem er seinen Zauberstab im Gemeinschaftsraum gefunden hatte, war er einfach gegangen. Er ahnte, dass er in nicht allzu langer Zeit zurückkehren würde.

Sein Blick galt ganz der einsamen Blume in seinen Händen, von der er sich nicht erklären konnte, wie sie in sein Bett gelangt war. Er sah auf und entdeckte die Kutsche, in welcher Lily mit den Rumtreibern fuhr.

James, von dem Severus wusste, dass er als Animagus die Form eines Hirsches annahm, saß ganz hinten und wachte mit geschwollener Brust über seine Freunde. Er sah zum Schloss hinauf und Severus erkannte Wehmut in seinen Augen. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sein Sohn oder seine Tochter das Schloss betrat. Der Gedanke daran, dass Lily James ein Kind schenken würde, war eine grausige Vorstellung.

Endlich kamen sie am Bahnsteig an.
Der dämliche, treudoof dreinblickende Wildhüter des Schlosses stand am Gleis und winkte die Schüler in ihre Abteile. Der Hogwartsexpress, in welchen Severus vor vielen Jahren mit Lily zum ersten Mal angereist war, stand dampfend und schnaubend für die Abfahrt bereit.

Der Himmel hatte eine goldene Färbung angenommen, die gleißend helle Sonne begann, im See zu versinken. Severus überlegte, dass es schöner sein würde, die Schüler am Morgen zu verabschieden, statt sie am Abend ihres Abschlussfestes gehen zu lassen. Andererseits würde ihm die Zugfahrt bei Nacht nur Recht kommen. Dennoch war er es, der Jahre später als Lehrkraft für die Änderung dieses Brauches plädierte.

Plötzlich packte ihn heiße Bedrängnis. Er hatte Lily aus den Augen verloren. Wo war sie? Er irrte umher, schubste Schüler zur Seite und musste sich ein letztes Mal ihren bösen Rufen aussetzen, ehe er sie endlich wieder sah.

Sie stand mit ein paar Mädchen ihres Jahrgangs am Ende des bereitstehenden Zuges und verabschiedete sich mit sanften Umarmungen von ihnen.

Severus wollte in diesem Moment nichts mehr, als Lily ebenfalls zu umarmen. Sie in seine Arme zu schließen, im Duft ihres weichen Haares zu versinken und sie festzuhalten, ehe sie ihm für immer entglitt.
Er wusste, was passieren würde, sobald sie Zuhause ankamen. Auf Kings' Cross würde er sie nicht mehr sehen, sie würde sofort mit James verschwinden und sich von ihren Eltern abholen lassen. Die Jahre zuvor war es auch so gewesen.

Und dann, in Cokeworth, würde sie ebenfalls nicht mehr da sein. Ein paar Wochen, dann würde sie ausgezogen sein, zu James Potter nach Godric's Hollow. Er würde sie nicht mehr zu Gesicht bekommen, er würde es nicht wagen, sie aufzusuchen und vielleicht, ja, vielleicht, würde er sie in seinem ganzen Leben nie wieder sehen.

Er wollte sich nicht ausmalen, wie es sein würde, als erwachsener Mann auf sie zu treffen. Als einsamer, gebrochener Mann, der er, wie er schon damals wusste, eines Tages einmal sein würde. Natürlich würde er sich nicht anmerken lassen, wie sehr er noch immer litt, wenn er dann auf sie traf. Er würde sich stolz geben, er würde ihr das Gefühl vermitteln wollen, dass sie einen Fehler gemacht hatte, ihn auf dem Bahnsteig nicht zu umarmen. Aber nichts von der Kühnheit, die er in der Zukunft zu verspüren hoffte, konnte Severus in diesem Moment fühlen. Vielleicht würde dieser Moment ohnehin niemals kommen.

Severus wusste nicht, dass Lily das nächste Mal, dass er sie in den Armen halten würde, tot war. So traurig er war, damals fühlte er nichts von dem allesübertreffenden Leid, das ihn in diesem kalten Oktober viele Jahre später ergreifen würde.
Er fühlte nur eines.
Liebe.

Und deswegen, trotz aller Angst, trotz aller Traurigkeit und der Kälte, die an diesem lauen Abend in seinem Herzen ruhte, lächelte er.
Lily erklomm die Treppen zur Tür ihres Abteils und sah ein letztes Mal zum Schloss. Severus sah Tränen in ihren wunderschönen Augen.
Und er lächelte noch immer.

Sie ließ den Blick über die Menge schweifen und dann sah sie ihn an.
Sein Lächeln erstarb.
„Lily!“, brüllte er plötzlich. „Lily!“

Das Schnauben des Zuges übertönte seine Stimme.
„Alles einsteigen!“, trällerte der Wildhüter. „Husch, husch!“

„Lily!“, schrie Severus, so laut er konnte. Seine Kehle brannte und Lily sah ihn an, sie hörte ihn, doch sie regte sich nicht. „Lily! Lily, warte!“

Er setzte sich in Bewegung, rannte durch die Menge. „Lily!“, rief er, immer und immer wieder. In seiner Hand hielt er die Lilie, er hob sie hoch, zeigte sie Lily, doch noch immer blinzelte sie nicht einmal.

Doch dann schaute James aus dem Abteilfenster, Severus sah, wie seine Lippen das Wort formten, das er die ganze Zeit über aus dem Tiefsten seiner Seele schrie, und Lily verschwand im Zug, ohne noch einmal auf ihn zu achten.
Severus blieb stehen.

„Lily.“, sagte er ein letztes Mal ganz leise und zu sich selbst, als spreche er einen geheimen Zauberspruch aus.

Sie war weg. Er ließ die Blüte fallen.

Die Sonne versank im weit entfernten See und Severus hielt den Atem an. Lily war weg. Sie würde nicht wieder aus dem Zug steigen. Würde nicht zurückkehren, um ihn zu umarmen.

„Kommst du jetzt?“, fragte Mulciber aus dem geöffneten Fenster des Zuges. Bis auf Severus standen nur zwei Erstklässler noch auf dem Bahnsteig.
„Ja.“, gab Severus zur Antwort. Im Zug würde er nicht nach Lily suchen, denn er wusste, was immer er auch tun würde, es würde nichts ändern.

Es gab keinen Weg, und keine Möglichkeit, abzuwenden, was geschehen war. Severus hatte gekämpft, und er hatte verloren.
Doch vorbei war es nicht.
Es war nie vorbei.

Dann tat er es. Er warf einen letzten Blick auf das Schloss, versprach den eindrucksvollen Gemäuern, nicht allzu lange zu warten, ehe er zurückkehrte und ließ sich in das warme Polster seines Abteils sinken.
„Endlich frei!“, lachte Avery.
Severus konnte nicht lachen.

Er starrte aus dem Fenster, wartete, bis der Zug sich in Bewegung setzte und beobachtete den Himmel, wie er sich dunkel färbte. Ihm war, als spiegele sich Lilys Gesicht an der Scheibe, ehe er einschlief und zumindest diesen Tag enden ließ. Den letzten Tag des Sommers.

Doch nicht den letzten Tag, an dem er in jeder Spiegelung die grünen Augen Lilys sehen würde. Nicht der letzte Tag, an dem er nicht beim Klang ihres Namens diese Ziehen im Magen spüren würde, das ihm dann auch in den Sinn rief, wie viel schöner sein eigener Name geklungen hatte, wenn sie ihn sagte. Nicht der letzte Tag, an dem er sie liebte.

Denn vom Tage an, an dem er ihr verkündet hatte, dass sie eine Hexe, dass sie etwas Besonderes war. Vom Tage an, an dem er von ihren Lippen gekostet hatte. Vom Tage an, an dem sie sich schworen, im nächsten Leben ein Phönix zu sein, hatte er sie geliebt.
Und daran änderte sich nichts. Bis zu seinem Tod und über den Tod hinaus.

Severus Snape liebte Lily Evans.

Immer.


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