von terese
In dem Wagen, den ihm der Schwarzhaarige gewiesen hatte, fand er ihn auch bald. Er hatte seinen Hogwarts-Umhang über einen Sitz in der Mitte seines Abteils gebreitet und es sich mit einem Quidditch-Magazin darauf gemütlich gemacht. Auf einem Fensterplatz im selben Abteil sass ein rothaariges Mädchen, das sein Gesicht an die Scheibe gedrückt hatte und offensichtlich in Ruhe gelassen werden wollte. Sirius polterte fröhlich herein und hielt dem Jungen grinsend den Transportkäfig mit Amanda unter die Nase. „Hallo“, sagte er. „Kann ich mich zu dir setzen?“ „Ja, klar“, sagte der Schwarzhaarige und klappte seine Quidditch-Zeitschrift zu. Sirius warf seinen Koffer und den Krötenkäfig ins Gepäcknetz, ließ sich auf den Sitz gegenüber dem anderen fallen und fixierte für kurze Zeit die Rothaarige, die sich aber um ihn genauso wenig kümmerte wie um den anderen Jungen. Ach ja - das war das Mädchen, mit dem er vorhin zusammengestoßen war.
„Übrigens, ich bin Sirius Black“, informierte er den Schwarzhaarigen. Dieser riss die Augen auf. „Wow, habe ich tatsächlich das jüngste Mitglied der berühmten Familie Black vor mir?“ sagte er überrascht. „Nein, das ist mein Bruder Regulus, der ist zwei Jahre jünger als ich. Und wie heißt du?“ „James Potter. Und meine Familie ist gar nicht berühmt“, entgegnete der Schwarzhaarige. „Na, ich würde lieber auch aus einer ganz normalen Familie kommen“, sagte Sirius. „Warum hast du eigentlich deine Kröte nicht dabei? „Die ist leider letzten Sommer gestorben.“ Ein weiterer Junge in ihrem Alter, der bereits seinen Schulumhang trug, riss die Abteiltür auf. Er fragte nicht einmal, ob er er sich dazusetzen dürfe, setzte sich auf den Fensterplatz gegenüber der Rothaarigen und fing an, sich mit ihr zu unterhalten. Offenbar kannten sich die beiden schon. Sirius und James sahen sich an und verstanden sich wortlos. Sie würden keine Notiz von ihm nehmen.
Sirius Blick fiel auf die Quidditch-Zeitschrift. „Hast du schon mitgekriegt, dass Wladimir Krum ab Oktober einen Gastvertrag mit den Canons hat? Die können einen guten Jäger wirklich brauchen. Die letzte Saison war ja nicht gerade blendend.“ „Ja, seit sie Jim Murrow nicht mehr haben, kann man von ihnen nicht mehr viel erwarten. Im Augenblick kann man nur hoffen, dass sie ihren Platz in der ersten Liga halten. Ich hoffe bloß, dass dieser Krum wirklich so gut ist.“ Die Quidditch-Diskussion führte von den Chudley Canons zu den Holyhead Harpies und weiter durch die ganze erste Liga, bis sie den anderen Jungen zu dem Mädchen sagen hörten: „Du solltest am besten nach Slytherin kommen.“ „Slytherin?“ James wandte sich dem Sprecher zu und musterte ihn abfällig. Fettige Haare, blass und mager …für den konnten sich die Slytherins wahrhaftig bedanken, falls er tatsächlich bei ihnen landen sollte.
„Wer will denn schon nach Slytherin? Ich glaub, dann würd ich abhauen, du auch?“ fragte James Sirius und war sich dessen Beifall sicher. Aber Sirius verzog keine Miene. „Meine ganze Familie war in Slytherin“, sagte er. Das war nicht die Reaktion, die James Potter erwartet hatte. „O Mann“, die Enttäuschung in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Und ich dachte, du wärst in Ordnung.“ Sirius merkte, dass James innerlich auf Abstand ging, und das wollte er auf alle Fälle vermeiden. Er war ihm schließlich sympathisch, und Sirius hatte noch nie einen Freund gehabt, da keiner der Jungen, die er kannte, seiner Mutter gut genug war. „Vielleicht brech ich mit der Tradition“, sagte er und grinste. „Wo würdest du hinwollen, wenn du die Wahl hättest?“ James streckte feierlich die rechte Hand aus, so als ob er ein Schwert in ihr hielte. „Gryffindor, denn dort regieren Tapferkeit und Mut! Wie mein Dad.“
Der Junge auf dem Fensterplatz machte ein leises, abfälliges Geräusch, und James fuhr ihn an. „Hast du 'n Problem damit?“ Der andere grinste höhnisch. „Nein“, sagte er und wurde frech. „Wenn du lieber Kraft als Köpfchen haben willst -„ Jetzt fühlte sich Sirius verpflichtet, auch etwas zu sagen. „Wo möchtest du denn gern hin, wo du offenbar nichts von beidem hast?“ wollte er wissen. James brüllte vor Lachen, und Sirius merkte, dass er jetzt bei ihm einen Stein im Brett hatte. Aber nun richtete sich das rothaarige Mädchen auf und sah ihn und James verächtlich an. „Komm, Severus, wir suchen uns ein anderes Abteil“, sagte sie sehr von oben herab. Die beiden zerrten ihr Gepäck von der Ablage herunter und verließen das Abteil. „Ooooooh“, ließen sich James und Sirius einstimmig vernehmen. James versuchte, dem Jungen ein Bein zu stellen, aber dieser wich ihm geschickt aus. Das ärgerte James sehr. „Wir sehn uns, Schniefelus!“ rief er ihm nach, als der andere die Abteiltür hinter sich zuknallte.
Kurze Zeit später kam eine Hexe mit einem Süßigkeitenwagen vorbei und fragte die beiden, ob sie etwas haben wollten. Sirius und James legten ihr Taschengeld zusammen, kauften den halben Wagen leer und teilte ihre Käufe brüderlich. Sie tauschten Schokofroschkarten aus und futterten sich durch sämtliche Süßigkeiten, bis James schlecht wurde und Sirius auf eine Bertie-Botts-Bohne aller Geschmacks-richtungen biss, die eindeutig nach Seife schmeckte.
Der Zug nahm Fahrt auf, und sie ließen England hinter sich und passierten in der Dämmerung die Grenze nach Schottland. Die Zuglampen gingen an, und über Sirius fing Amanda, die offenbar Hunger hatte, an zu quaken. Sirius kramte aus seinem Koffer eine Packung mit getrockneten Fliegen hervor und kippte sie der Kröte in den Käfig. Dann hielten sie an einer kleinen Bahnstation an, holten ihr Gepäck und Amandas Käfig vom Gepäcknetz und drängten sich aus dem Zug. Ein riesiger Mann stand auf dem Bahnsteig, rief mit dröhnender Stimme „Erstklässler zu mir!“ und dirigierte sie zu einem See, wo sie in Boote steigen durften. Die Kröte hüpfte zum Käfiggitter und glotzte mit ihren vorquellenden Augen sehnsüchtig ins Wasser. Sirius und James ließen sich nebeneinander auf einem Sitz nieder und blickten verzaubert zu dem hell erleuchteten Schloss empor, das sich im Wasser spiegelte.
Sie fühlten, dass sie eine eine großartige Zukunft vor sich hatten.
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