von fiirvogel
Hallo alle zusammen! Ich hoffe, ihr seid mir nicht böse, dass es so lange gedauert hat ;o) Immerhin war keiner unserer Protagonisten in Gefahr, da war das Warten nicht ganz so unerträglich, oder? Nun wünsche ich viel Spass mit dem nächsten Kapitel.
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11. Kapitel
"Sie befinden sich in Hogwarts", erklärte Snape. Er wusste sicher, dass sie mit dieser Information nichts anfangen konnte, deshalb fuhr er fort: "Hogwarts ist die älteste und renommierteste Schule für Hexerei und Zauberei in ganz Europa."
Noée hätte gerne gelacht, doch Snape sah nicht so aus, als ob er überhaupt wusste, was Spaß war, deshalb verkniff sie sich das Lachen. Snape musste ihr trotzdem angesehen haben, dass sie ihm nicht glaubte, denn er zog den schlanken, schwarzen Stab aus dem Ärmel, mit dem er vorhin ihr Zimmer eingerichtet hatte. Noée schauderte, riss sich aber zusammen.
Severus bemerkte die aufkeimende Furcht in Noées Augen und richtete den Zauberstab auf einen Gegenstand weit von ihr entfernt. Das Buch schwebte auf sein ,Accio' hin durch das Wohnzimmer direkt in seine ausgestreckte Hand. Noée schaute ihn mit offenem Mund an.
"Oh Mann …", entfuhr es ihr. Severus grinste. Noée hatte die Stirn in Falten gelegt. Sie versuchte das Gesehene zu begreifen und fragte schließlich unsicher: "Könnte ich das auch? Ich meine … wenn ich auch einen solchen Stab hätte?"
"Nein, Sie sind eine Muggel … eine nichtmagische Person."
"Schade", meinte Noée sichtlich enttäuscht, dann leuchteten ihre Augen auf. "Sind Sie sicher? Vielleicht, wenn Sie mir einen ganz einfachen Zauber beibringen würden …"
Severus schüttelte den Kopf. "Magie ist eine angeborene Fähigkeit. Man kann sie nicht lernen, wenn man nicht als Zauberer oder Hexe geboren worden ist."
Als er sah, wie enttäuscht Noée aussah, fuhr er fort: "Knapp zwei Prozent der Bevölkerung Englands sind Magier. Sie leben teils isoliert von Muggel, teils aber auch ganz unauffällig mitten unter ihnen. Das Zaubereiministerium regelt alle Belange der Zaubergemeinschaft. Ab ihrem elften Lebensjahr kommen junge Hexen und Zauberer hierher nach Hogwarts, wo sie in allen Aspekten der Zauberei unterrichtet werden."
Noée schaute ihn mit riesengroßen Augen sprachlos an. Dann schüttelte sie den Kopf. "Das ist Wahnsinn", meinte sie, "und wir … wie nennen Sie uns?"
"Muggel."
"Muggel? Also … wir merken davon überhaupt nichts?!"
Severus verkniff sich ein überhebliches Grinsen. Ja, Muggel waren bisweilen wirklich mit Blindheit geschlagen.
Noées Augen verengten sich. "Und was hat das mit mir zu tun? Weshalb bin ich hier?", fragte sie weiter.
Severus zögerte. "Setzen Sie sich", forderte er sie schließlich auf und deutete zur Couch.
Noée ließ sich in die weichen Polster fallen.
"Etwas zu trinken?", fragte Severus etwas steif, weil er immer noch nicht recht wusste, wo er mit erklären anfangen sollte, und weil er sich die Rolle des Gastgebers nicht gewohnt war. "Vielleicht ein Tee oder Kaffee?"
"Kaffee gerne … wenn's keine Umstände macht."
Severus schüttelte den Kopf. "In Milch ertränkt, nehme ich an?"
"Wie bitte?", fragte Noée irritiert.
"Nichts", antwortete Severus knapp. Dann klopfte er mit der Hand auf den Tisch und sagte: "Kaffee, Tee und Milch … Nehmen Sie Zucker?"
Noée nickte stumm.
"… und Zucker."
Kurz darauf erschien das Gewünschte auf dem niederen Couchtisch.
"Schon angenehm, wenn man zaubern kann", bemerkte Noée mit einer Mischung aus Bewunderung und Unbehagen.
Snape zuckte mit den Schultern; für ihn schien es das Normalste auf der Welt zu sein. War es wahrscheinlich sogar, dachte Noée. Sie war froh, als Snape den Zauberstab wieder wegsteckte. Ein diffuses Gefühl von Panik lauerte irgendwo in einem unzugänglichen Winkel ihrer Seele. Sie rührte Zucker in den Kaffee und goss reichlich Milch dazu. Snape beobachtete sie. Noée spürte seinen Blick auf sich und gab sich Mühe, so zu tun, als ob sie nicht merkte, dass er sie so unverhohlen anstarrte. Sie sah den Flammen in dem gemütlich flackernden Kaminfeuer zu. Es war warm, und Noée schob die Ärmel ihres Pullovers hoch. Auf ihrem Unterarm waren die hässlichen, noch ganz frischen Schnittnarben zu sehen. Eilig zog sie den Ärmel wieder bis über die Finger und sah zu Snape hinüber. Ob er ihre Narben gesehen hatte? Sie schämte sich dafür. Er hob den Blick von ihren Händen und ihre Augen begegneten sich. Noée versuchte zu erkennen, was er empfand, was er für ein Mensch war, was er von ihr wollte, aber seine steinerne Miene ließ keine Rückschlüsse auf seine Gedanken oder Gefühle zu.
"Warum haben Sie mich hierher gebracht?", fragte sie schließlich und hoffte, ihre Stimme klang so sicher und selbstbewusst wie sie beabsichtigte. Sie war sich nicht sicher, Snape fixierte sie weiterhin mit seinem durchdringenden Blick und Noée hatte das sonderbare Gefühl, er lese in ihren Augen.
"Weil es Ihnen ganz offensichtlich nicht gut geht."
"Und weshalb interessiert Sie das? Ich kenne Sie nicht einmal?"
"Trotzdem vertrauten Sie mir", erwiderte er gelassen.
"Sie haben gesagt, Sie können mir helfen."
"Und Sie glaubten mir", stellte er sachlich fest.
Noée zuckte mit den Schultern. "Was habe ich schon zu verlieren?"
Snape überlegte einen Augenblick. "Sie sind 26. Sie haben noch gut und gerne das Doppelte an Jahren vor sich, viel zu verlieren, finde ich."
Noée starrte lange ins Feuer. "Sie haben gesagt, Sie können mir helfen", wiederholte sie noch einmal. "Wie?"
"Ich weiß, was mit Ihnen passiert ist."
"Woher?"
"Ich war dabei."
"Bei was?"
"Stellen Sie immer so viele Fragen?"
Noée ballte die Fäuste. "Was glauben Sie, wie viele Fragen ich in der letzten Woche beantworten sollte und nicht konnte? Ich glaube, jetzt habe auch ich Anspruch auf ein paar Antworten!"
Snape runzelte die Stirn über ihre Worte, antwortete dann aber: "Ich nehme an, Sie leiden an Angstzuständen, beunruhigenden Träumen?"
Noée nickte schweigend.
"Sie haben einen Gedächtnisverlust, den sie sich nicht erklären können …"
Noée wusste nicht, ob das eine Frage war. Sie nickte unsicher.
Snape starrte ebenfalls ins Feuer.
"Ihnen wurden einige Erinnerungen aus dem Gedächtnis gelöscht", erklärte er schließlich knapp.
"WAS?!" Noée starrte ihn mit offenem Mund an. "Wie kann man das machen?"
"Zauberer können das."
"Aber wieso?" Noée hatte Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu behalten. „Wieso sollten sie so etwas machen?!“
"Weil Sie Dinge gesehen und erlebt haben, die Sie nicht hätten sehen dürfen … und nicht hätten erleben sollen. Ihnen wurden fünf Tage aus dem Gedächtnis gelöscht."
Noée sprang wütend auf. "Mit welchem Recht?", schrie sie Snape an.
Er stand ebenfalls auf. "Noée", sagte er in beruhigendem Tonfall. „Setzen Sie sich.“
Doch Noée kniff die Augen zusammen. "Mit welchem Recht?"
"Zauberrecht … Einem Muggel, der Zeuge magischer Vorkommnisse wurde, müssen die entsprechenden Erinnerungen aus dem Gedächtnis gelöscht werden."
"Aber … das waren meine Erinnerungen. MEINE!", schrie sie ihn an. Ihre Augen glitzerten gefährlich.
"Beruhigen Sie sich", sagte Snape streng.
"Ich will mich nicht beruhigen!" Sie stampfte wütend mit dem Fuß auf den Boden.
Snape schien einen Moment nicht zu wissen, was er sagen sollte, dann drehte er sich abrupt um und verschwand in einem Nebenraum. Noée starrte ihm verwirrt hinterher, da kam er bereits wieder zurück. Er hielt ein Glas in der Hand.
"Trinken Sie", befahl er und drückte ihr das Glas in die Hand.
"Was ist das?", fragte sie wütend. "Wenn Sie mir irgendwelche beruhigenden Medikamente verabreichen möchten, dann hätten Sie mich gleich in der Klapsmühle lassen können. Die sind da spezialisiert darauf, schwierige Menschen ruhig zu stellen." Sie atmete tief durch und fragte mit zitternder Stimme: "Woher … wissen Sie das alles … was mit mir passiert ist?"
"Ich war dabei", antwortete Snape nach kurzem Zögern.
"Sie waren dabei?", fragte Noée irritiert. "Und haben es nicht verhindert?“ Ihre Stimme wurde wieder lauter. „Sie haben zugelassen, dass jemand an meinem Gedächtnis herummanipuliert hat?!" Sie biss hart auf die Zähne und kämpfte darum, die Fassung nicht zu verlieren, konnte aber nicht verhindern, dass ihr Tränen der Wut in die Augen stiegen. Zornig schleuderte sie das Glas ins Feuer, wo es zischend und klirrend zerbrach. Sie ging eilig zum Fenster hinüber und starrte in die menschenleere Landschaft hinaus.
Nach einem Augenblick stellte sich Snape hinter sie und legte ihr die Hand auf die Schulter. "Noée, können Sie nicht einfach zuhören?"
"Fassen Sie mich nicht an!", fauchte sie wütend und schüttelte seine Hand ab. Sie drehte sich zu ihm und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
Snape erwiderte ihren Blick irritiert. "Sie trinken jetzt diesen Saft, sonst bringe ich Sie zurück in die Anstalt und Sie können selbst schauen, wer Ihnen dann Ihre vielen Fragen beantwortet", sagte er, nun ebenfalls zornig. "Glauben Sie, mir macht das Ganze Spaß?"
"Warum haben Sie mich dann hierher geholt?", fragte Noée spitz.
Snape blieb ihr die Antwort schuldig. Er sah ihr in die Augen. "Trinken Sie, es wird Ihnen gut tun", sagte er ruhig.
Noée zögerte einen Augenblick, schloss die Augen und atmete tief durch. Dann nickte sie und wischte sich entschlossen die Tränen aus dem Gesicht. Sie griff nach dem Glas und betrachtete nachdenklich die grünliche Flüssigkeit darin.
"Alles?", fragte sie misstrauisch.
"Alles."
Sie roch am Glas, nahm einen vorsichtigen Schluck, bewegte die Flüssigkeit im Mund hin und her und schluckte sie schließlich hinunter. "Melisse", meinte sie, "und Zitronenschale … oder Saft … nein, eher Schale und … Thymian …"
"Nicht schlecht. Was noch?"
Noée nahm noch einen Schluck. "Tannennadeln", meinte sie zögernd.
"Stimmt. Bergkiefer. Und?"
Noée zuckte mit den Schultern. "Vielleicht Kamille, aber die merkt man kaum, das ist mehr geraten …"
"Gut geraten", lobte Snape sichtlich zufrieden. "Außerdem ist etwas Alraune drin, aber diese Pflanze dürfte Ihnen unbekannt sein, und eine Prise vom Horn eines Einhorns."
Noée traute ihren Ohren kaum. "Einhorn?", fragte sie. "Gibt es … Einhörner?"
Snape nickte schweigend und deutete auffordernd auf das Glas.
Noée setzte es an die Lippen und leerte es in einem Zug. "Zufrieden?", fragte sie herausfordernd.
"Noch nicht ganz", antwortete Snape. "Ich möchte, dass Sie sich wieder aufs Sofa setzen."
"Warum?", fragte Noée trotzig. Dann spürte sie plötzlich einen starken Schwindel.
"Darum", erwiderte Snape und hielt sie am Arm fest, als sie zwei torkelnde Schritte machte. "Der Trank ist nicht ganz ohne … besonders auf nüchternen Magen."
Noée ließ sich schwankend auf sie Couch sinken und stöhnte. "Mann, das ist eine Keule! Sind Sie sicher, Sie haben mir nicht zuviel gegeben?"
Snapes Mundwinkel zuckten und Noée fand, das könnte als Lächeln durchgehen. "Ruhen Sie sich aus", riet er ihr. "Falls Sie mich suchen, ich bin im Büro nebenan."
"Aber …" – Noée unterdrückte ein Gähnen – "Sie wollten mir doch erzählen …"
"Wollen ist ein bisschen übertrieben", meinte er. "Außerdem haben wir noch genug Zeit … legen Sie sich ruhig etwas hin."
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