von fiirvogel
16. Kapitel
Zur gleichen Zeit sass Severus mit finsterer Miene vor einem Glas Bier im Tropfenden Kessel. Er war am Morgen früh nach London appariert, war mehr oder weniger aus seiner eigenen Wohnung geflüchtet. Er war immer noch etwas wütend auf die junge Muggelfrau, die ihn ständig mit Fragen löcherte und beim Reden unterbrach.
'Das sind meine Erinnerungen', hatte sie geschrien. Aber da irrte sie sich: Ihre Erinnerungen existierten nicht mehr, es gab nur noch seine. Seine Erinnerungen! Sie gehörten ihm, und so gerne er ihr helfen wollte, sosehr widerstrebte es ihm, irgendjemanden in seine Erinnerungen blicken zu lassen, schon gar nicht in die Erinnerungen an jene Tage im Spätsommer. Dieser peinliche Zustand, sich von jemandem pflegen lassen zu müssen, wie ein Greis, die Gefühle, die ihn plötzlich ergriffen hatten, als ihn diese neugierige, fröhlich drauflos plaudernde Muggel umsorgt hatte, und dann der Überfall der Todesser, Bilder und Schreie, die sich so sehr in sein Gedächtnis gebrannt hatten, dass er sich fragte, ob es nicht angenehmer gewesen wäre, die Erinnerung daran zu verlieren … Nein, er merkte es jedes Mal, wenn Noée darauf drängte, dass er ihr erzählte, was alles vorgefallen war: Schmerzhafter noch als sich erinnern zu müssen, war wohl, sich seiner Erinnerungen beraubt zu wissen. Er würde sich endlich der Aufgabe stellen und seine Erinnerungen mit ihr teilen müssen.
Severus seufzte und öffnete die Tasche, die er neben sich auf den Boden gestellt hatte. Er ging noch einmal in Gedanken den Inhalt seines Vorratsschrankes an Zaubertrankzutaten durch und vergewisserte sich, dass er nichts vergessen hatte. Dann stand er auf, bezahlte und trat wieder auf die Winkelgasse hinaus. Er stöberte noch eine Weile durch Merlins Antiquariat und entschied sich schließlich, bei Madam Malkins ein neues Hemd zu kaufen, dunkelstes Grün zur Abwechslung. Er war sich jedoch bereits als er das Geschäft verließ nicht mehr sicher, ob er es überhaupt jemals tragen würde. Er hatte schon immer schwarz getragen, wieso sollte er jetzt plötzlich etwas Neues ausprobieren?
Als Severus keinen weiteren Grund mehr sah, seine Rückkehr nach Hogwarts heraus zu ziehen, apparierte er vor die Tore der Schule und betrat kurze Zeit später das Schloss. Entschlossenen Schrittes durchquerte er die Eingangshalle und öffnete kurz darauf die Türe zu seinen Räumlichkeiten. Er blickte sich suchend um, konnte Noée aber nicht entdecken. Er warf einen Blick in ihr Schlafzimmer und ging anschließend in die Küche. Dort fand er sie; sie saß am Tisch, die Arme verschränkt, vor sich ein hübsch gedeckter Tisch, ein Kerzenständer, kunstvoll gefaltete Servietten. Es roch ausgezeichnet nach Fisch und frischen Kräutern.
Severus blieb überrascht stehen. "Du hast gekocht?", fragte er erstaunt, weil ihm nichts Besseres einfiel.
Noée stand auf, ihre Augen glitzerten gefährlich. "Tja, es ist jetzt kalt", stellte sie kühl fest und stand auf. "Falls du Hunger hast, kannst du es ja wärmen. Dafür gibt es bestimmt einen praktischen Zauber." Sie zeigte zum Herd hinüber, wo drei Pfannen standen, und wollte sich an Severus vorbeidrängen, doch er hielt sie am Arm fest. Er blickte ihr aufmerksam in die Augen: Er konnte darin lesen, dass es ihr leid tat, ihn gestern so angefahren zu haben, dass sie sich sehr wohl bewusst war, dass es seine Erinnerungen waren, und dass sie sich mit dem Essen hatte entschuldigen wollen; er konnte in den opalgrünen Augen auch sehen, dass es sie verletzt hatte, dass er einfach ohne eine Nachricht zu hinterlassen verschwunden war und dass sie Angst hatte. Wovor konnte er nicht erkennen, in dem Moment senkte Noée nämlich den Blick.
Severus holte tief Luft und setzte seinerseits zu einer Entschuldigung an, brachte aber so spontan nichts Entschuldigendes hervor. "Ich musste dringend neue Zaubertrankzutaten besorgen“, erklärte er und hoffte, sie würde die Entschuldigung aus dieser Erklärung heraushören. Als er merkte, dass das nicht der Fall war, fügte er an: „Ich hätte dir eine Nachricht hinterlassen sollen.“
Noée nickte stumm. „Danke übrigens für die Salbe und den Trank“, murmelte sie und sah beschämt zur Seite.
Severus musterte sie einen Augenblick lange mit eigenartigen Gefühlen, deren Bedeutung er nicht näher nachgehen wollte. Als er den Wunsch verspürte, Noée tröstend über die Wange zu streicheln, trat er einen Schritt zurück. „Ich zeig dir jetzt meine Erinnerungen", sagte er entschieden.
Noée blickte nicht auf, sie nickte nur.
"Setz dich auf die Couch, ich komme gleich."
Als Severus die Tasche mit den Zaubertrankzutaten bis auf weiteres in sein Büro gelegt hatte und zurück ins Wohnzimmer kam, saß Noée auf der Couch und sah ihn unsicher an. Er setzte sich so nahe neben sie, dass sich ihre Knie berührten und Noée zuckte zusammen. Hatte sie Angst vor ihm? Severus zog seinen Zauberstab hervor. Als er sah, wie sich Noées Atem beschleunigte und sie von ihm wegrückte, legte er den Ebenholzstab auf den Couchtisch. "Ein Zauberstab ist nicht per se gefährlich", erklärte er ruhig. "Es kommt darauf an, was der Träger damit macht."
"Wollen Sie meine Gedanken löschen?", fragte Noée beunruhigt und vermied es, ihn anzusehen.
"Sind wir wieder beim 'Sie'?", erwiderte Severus erstaunt. "Nein … Ich brauche den Zauberstab, um meine Gedanken mit dir zu teilen." Er zögerte einen Augenblick und erklärte dann genau, was er tun würde. "Ich tippe mit dem Zauberstab an meinen Kopf und werde einen silbrigen Faden daraus hervorziehen, mit dem ich anschließend deinen Kopf berühre. Du kannst dann jene Tage, um die es geht, durch meine Augen sehen, sprich du wirst dich selber sehen. Deine Gefühle und Gedanken kann ich natürlich nicht reproduzieren." Er hatte sich nach reiflicher Überlegung dagegen entschieden, Minerva um das Denkarium zu bitten. Erstens wollte er vermeiden, dass sie misstrauisch würde und ihm Fragen stellte, die er nicht beantworten wollte, zweitens wollte er nicht einfach passiver Zuschauer sein, sondern den Erinnerungsvorgang aktiv in der Hand haben – nicht alle Erinnerungen waren seiner Meinung nach geeignet – und last but not least würde er es nicht ertragen, in den Erinnerungen auf sein erbärmliches Selbst hinuntersehen zu müssen, es genügte ihm voll und ganz, alles noch einmal aus seiner Perspektive erleben zu müssen.
Er blickte Noée forschend an. "Bereit?"
Noée zögerte. "Ist es gefährlich?", fragte sie unsicher.
Severus schüttelte den Kopf. „Es wird lediglich etwas sonderbar sein, dich selber von außen zu sehen", beruhigte er sie. Er sah ihre Furcht, aber er war ja dabei und würde das Ganze abbrechen, wenn er merkte, dass Noée nicht wohl bei der Sache war.
Die Muggelfrau holte tief Luft, verschränkte nervös die Finger ineinander und nickte.
"Gut", meinte Severus. "Dann fangen wir kurz vor unserem ersten Zusammentreffen an, damit du verstehst, weshalb du mich in halbtotem Zustand gefunden hast." Er tippte mit dem Zauberstab an seinen Kopf und murmelte eine Zauberformel, die Noée nicht verstand, dann sah sie, wie ein pulsierender, silbriger Faden an der Spitze des Stabes hängen blieb. Severus berührte damit ihren Kopf. Panik durchzuckte sie, als sie plötzlich vier Menschen vor sich sah, die hämisch grinsend auf sie hinuntersahen – sie musste am Boden liegen. Plötzlich richtete einer von ihnen seinen Zauberstab auf sie und sie spürte ein schmerzhaftes Brennen im ganzen Körper. Nicht so starke Schmerzen, wie sie selbst in den letzten zwei Monaten oft verspürt hatte, aber so überraschend, dass Noée mit einem Schrei aufsprang. Sie wäre davongerannt, wenn Severus sie nicht am Handgelenk gepackt und zurückgehalten hätte. Der silberne Faden riss. Noée atmete tief durch und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Severus zog sie neben sich auf die Couch und blickte sie besorgt an.
"Was waren das für Leute?", fragte Noée entsetzt. "Was haben die gemacht?"
"Sie verstehen sich darauf, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen", erklärte Severus äußerlich ruhig, dabei musste er die Schmerzen doch bestimmt auch gefühlt haben. "Sie sind jetzt im Gefängnis, einer ist tot. Du brauchst keine Angst vor ihnen zu haben."
„Und was wollten sie von dir?“
„Sich rächen. Ich habe einige von ihnen ins Gefängnis gebracht und mitgeholfen, ihren Anführer zu vernichten.“
Er holte erneut einen Gedankenfaden aus seiner Schläfe und hielt ihn Noée an den Kopf, während er mit der zweiten Hand ihr Handgelenk weiterhin ihr Handgelenk umschloss. Noée befand sich plötzlich in 'ihrem' Wald. Sie erlebte mit, wie Severus sich vornüber gebeugt die Böschung hinunter kämpfte, stolperte, ein Stück den Abhang hinunter rutschte und schließlich die große Höhle fand, in der sie als Kind oft mit Arno gespielt hatte. Nach einigen undeutlichen Passagen, in denen sie verschiedene verwirrende Empfindungen zwischen Hass, Schmerz, Besorgnis und Schuld spürte und den dringenden Wunsch, sich in Sicherheit zu bringen, wurde der Film wieder klarer, als jemand die Höhle betrat. Noée konnte nicht erkennen, wer es war, weil die Person im Gegenlicht stand. Erst als sie näher kam, erkannte sie sich selbst. Sie keuchte erschrocken und Severus hielt ihr Handgelenk eisern fest, damit sie nicht erneut die Verbindung zwischen ihnen unterbrach. Sie hörte Severus 'Verschwinden Sie' knurren, versuchte, sich mit ihm aufzurichten, dann wurde alles schwarz um sie herum. Das nächste, was sie sah, war ihr eigenes, verschwommenes Gesicht. Sie hörte sich etwas fragen, verstand allerdings nichts, erkannte aber den Wohnraum ihres Cottages, dann sah sie sich aus der Küche kommen und eine Schale Brühe bringen. Die Noée in dem bizarren Film, den sie da sah, versucht ihrem Patienten Suppe einzuflössen und Noée spürte Severus' ganzen Widerwillen. Dann versank das Bild wieder in absoluter Finsternis, unterbrochen von kurzen, flackernden Bildern, stechenden Schmerzen im Bauch und diffusen Empfindungen. Endlich gab es wieder ein klares Bild. Noée sah sich selbst, dösend in ihrem Lesesessel. Severus setzte sich vor Schmerzen stöhnend auf und schlug die Decke zurück. Noées Blick glitt an dem nackten Männerkörper hinunter, in dem sie zurzeit steckte. Bandagen klebten auf der Brust und auf dem Bauch. Severus versuchte sie zitternd zu entfernen und die Noée im Film half mit, indem sie das Pflaster ruckartig vom Bauch riss. Noée spürte die Schmerzen, als sich die Klebestellen von den Körperhaaren lösten und sog erschrocken die Luft ein, als sie die hässliche, violett gefärbte Wunde sah. Sie hörte Severus, der sie ungeduldig um seinen Zauberstab bat, und sah sich selber den Zauberstab bringen, den Severus auf seine Bauchverletzung richtete, spürte wie sie ihm half den Stab ruhig genug zu halten und dann wie ihre ganze Kraft aus ihr gesogen wurde …
Severus unterbrach den Erinnerungsfaden, als er merkte, dass Noée in sich zusammensank. Er ließ ihr Handgelenk los und sie lehnte sich schwer atmend gegen seine Schulter. Er sagte nichts, bewegte sich nicht, traute sich nicht, sie anzufassen und wartete ruhig, bis sie sich wieder gerade hinsetzte. "Geht es wieder?", erkundigte er sich.
Noée nickte schwach, schüttelte aber gleich darauf den Kopf. "Was hast du in dem Film gemacht?"
"Film? Das sind meine Erinnerungen. Ich habe die Fluchwunde auf dem Bauch mit einem mächtigen Zauber geschlossen. Alles andere hätte meinen sicheren Tod bedeutet. Allerdings kostete mich der Zauber sehr viel Energie. Es fehlte nicht viel und ich wäre nicht mehr erwacht." In Gedanken fühlte er wieder ihre warmen Lippen auf seinen und sah diese opalgrünen Augen mit den goldigen Sprenkeln darin vor sich. Sie hatten ihn aufgefangen, als er daran war, in ewige Finsternis zu sinken. Doch diese Erinnerung würde er nicht mit ihr teilen … Er ruckte etwas von ihr weg, weil er den unwiderstehlichen Drang verspürte, die Frau zu küssen.
"Ich glaube, mir reicht es vorerst", seufzte Noée und schüttelte sich. "Das ist ein ziemlich seltsames Gefühl, in einem anderen Körper, und dann noch in einem Männerkörper, zu stecken."
Sie stand auf und ging rastlos im Wohnzimmer auf und ab. "Habe ich dir all das Verbandszeug auf die Brust geklebt?"
Severus verzog zur Antwort nur das Gesicht.
"Da waren ziemlich viele schwarze Stellen in deinen Erinnerungen", fuhr Noée fort.
"Ich war über längere Strecken nicht bei Bewusstsein … Mehr kann ich dir nicht bieten, wenn du damit nicht zufrieden bist …"
"Doch, doch, danke", beeilte sich Noée zu antworten. "Machen wir später weiter? Ich brauche erst einmal frische Luft."
Severus nickte nur und richtete den Zauberstab auf das Fenster, das sich sogleich öffnete.
"Können wir nicht nach draußen?", erkundigte sich Noée. "Ich bin schon fast eine Woche hier und fühle mich wie in einem Käfig. Wieso darf ich nicht raus? Ist es, weil ich keine Hexe bin?"
"Es gibt hier normalerweise keine Muggel. Hogwarts ist für Muggel tabu, das ist kein geschriebenes Gesetz, aber eines, das jeder Zauberer kennt. Außerdem habe ich eine Muggel entführt und gebe ihr Erinnerungen an Dinge zurück, die sie nicht wissen dürfte."
Noée ergriff seine Hände.
Severus zuckte überrascht zusammen.
"Ich weiß das sehr zu schätzen, Severus", sagte sie. "Und ich möchte dich nicht in Schwierigkeiten bringen. Meinst du, wir könnten vielleicht am Abend etwas raus, wenn es dunkel ist, sieht uns keiner."
Severus überlegte ein Weile und meinte schließlich: "Zieh dich warm an."
Noée sah ihn unsicher an.
"Na los", forderte er ungeduldig.
Als sie mit Jacke, Schal und Mütze vor ihm stand, erklärte er ihr: "Ich belege dich mit einem Nichtbeachtungszauber, damit dich niemand bemerkt."
"Werde ich unsichtbar?" Sie klang nicht ängstlich, nur neugierig und schaute jetzt ohne Scheu zu seinem Stab, den er auf sie richtete.
"Nein, der Zauber bewirkt lediglich, dass dich jeder, der dich zufällig sieht, sogleich wieder vergisst." Er hoffte inständig, dass sie Minerva nicht über den Weg liefen, bei ihrem Misstrauen würde der Zauber nicht wirken.
Noée wirkte trotz des Zaubers ziemlich angespannt, als sie durch das Schloss eilten. Sie hielt sich dicht hinter ihm, doch er funkelte alle Schüler dermaßen wütend an, dass alle den Blick abwandten, bevor sie Noée überhaupt sahen.
Draußen war es ruhig. Es schneite leicht und keine Menschenseele war unterwegs. Auf dem Weg zum See begegnete ihnen nur Hagrid, der Wildhüter.
"O Mann, ist der groß", flüsterte Noée, als er außer Hörweite war.
"Seine Mutter war eine Riesin", bot Severus als Erklärung an, und Noée lachte nervös. Sie sah ihm forschend ins Gesicht, und als ihr bewusst wurde, dass er es ernst meinte, rückte sie ganz nahe an ihn heran und hielt sich an seinem Arm fest. "Gibt es noch mehr Riesen hier?", fragte sie besorgt.
Severus genoss ihre Nähe und hätte ihr Frage deshalb gerne mit Ja beantwortet. Nach kurzem Zögern erwiderte er aber: "Nein, außerdem ist Hagrid kein Riese, nur ein Halbriese."
"Und wie groß sind Riesen?"
Severus lachte leise. „Das willst du nicht wirklich wissen.“ Noée blieb stehen und sah ihn erstaunt an. Severus runzelte die Stirn, doch Noée strahlte ihn an. „Das Lachen steht dir gut“, meinte sie mit Schalk in den Augen. Severus brummte etwas Unverständliches, als hätte sie ihn bei einer Peinlichkeit ertappt, und ging weiter, ohne darauf einzugehen.
Als sie am See angelangt waren, entspannte sich Severus. Hier unten am See würde sich bei dem schlechten Wetter niemand aufhalten. Es war neblig, windig und kalt. Noée fröstelte. Severus registrierte zufrieden, dass sie seinen Arm nicht mehr losgelassen hatte.
Und dann kamen ihnen auf dem Weg zur Ostseite des Sees doch noch zwei Menschen entgegen, die es bei dem Wetter draußen aushielten … Severus seufzte tief, als er Lupin und Tonks erkannte. Zum Umkehren war es zu spät, deshalb rückte er einen Schritt von Noée weg und nahm den Nichtbeachtungszauber von ihr. Da Lupin und Tonks sie kannten und wussten, dass Noée hier war, würde der Zauber nicht halten.
Als Lupin die beiden sah, kam er erfreut näher. "Severus, guten Tag, schön euch zu sehen … Hallo Noée, gefällt es dir in Hogwarts?"
Noée wirkte verwirrt darüber, dass Remus sie überhaupt sah und darüber, dass er ihren Namen kannte und offensichtlich auch wusste, dass sie hier in Hogwarts zu Gast war.
"Ich weiß nicht …“, antwortete sie. "Sollte ich Sie kennen?"
"Nein, Sie können mich nicht kennen", erwiderte Remus rasch und streckte ihr die Hand hin. "Ich bin Remus, ein Arbeitskollege von Severus. Das ist Tonks, meine Frau."
Noée ergriff seine Hand und lächelte die junge Hexe mit den blauen kurzen Haaren an. "Freut mich, ich bin Noée."
Auch Tonks schüttelte ihr herzlich die Hand. "Schön, dich zu sehen. Geht es dir wieder besser?" Noée zog die Ärmel ihrer Jacke weit über die Hände vor und blickte, offenbar peinlich berührt, aufs Wasser hinaus. Sie fing sich allerdings rasch und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. "Bist du auch hier zur Schule gegangen?"
Tonks lachte. "Ja, das waren Zeiten."
"Wie war es?", fragte Noée und sah Tonks interessiert an. Im Fragen war sie wirklich gut, das war Severus schon ein paar Mal aufgefallen. Tonks erzählte bereitwillig von ihrer Schulzeit in Hogwarts und Noée fragte ihr Löcher in den Bauch. Severus schielte ungeduldig zu Remus hinüber und der zuckte entschuldigend mit den Schultern. Wenn Tonks einmal in Fahrt kam … Gerade erzählte sie von jenem Tag, als sie beim Packen den Packzauber ausprobiert und versehentlich das Gepäck ihrer Mitschülerinnen wieder ausgeräumt hatte. "Es war ein unglaubliches Durcheinander im Schlafsaal."
Noée lachte laut bei der Vorstellung. "Und jetzt unterrichtest du hier?"
"Gott bewahre", wehrte Tonks ab und sprach Severus damit aus tiefster Seele. Tonks in Hogwarts, das wäre eine Katastrophe!
"Ich bin gekommen, um Remus abzuholen. Er unterrichtet hier. Wir reisen für das Wochenende auf die Isle of Mull."
"Oh, die Gegend dort ist wunderschön", schwärmte Noée. "Die Fahrt auf der Fähre …"
"Wir apparieren", korrigierte Tonks.
Noée furchte die Stirn. "Ich fürchte, das verstehe ich nicht", entschuldigte sie sich.
Tonks hängte sich bei Noée ein und spazierte mit ihr weiter, als hätte sie nie etwas anderes vorgehabt.
Severus verdrehte die Augen.
"Eifersüchtig?", fragte Remus leise.
Severus sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. "Wolltet ihr nicht aufbrechen?", fragte er kühl.
"Doch, wir haben nur noch Dumbledores Grabstätte besucht …“ Severus verzog schmerzhaft das Gesicht bei der Erinnerung an seine Schuld am Tod seines Mentors und Freundes. Remus räusperte sich „Tonks, ich glaube, wir sollten gehen."
Tonks sah Noée entschuldigend an. "Tut mir leid, wir sind etwas in Eile … Können wir dir etwas mitbringen?"
Noée überlegte einen Augenblick, dann erhellte sich ihr Gesicht. "Frischen Lachs! Es gibt dort am Hafen eine hervorragende Lachsräucherei", rief sie. "Ich könnte uns am Sonntagabend ein Essen kochen, dann könnt ihr von Mull erzählen. Ich würde gerne wieder mal dorthin. Meine Großmutter ist dort aufgewachsen."
Remus sah Severus fragend an. Noée, die seinem Blick gefolgt war, wandte sich an Severus. "Ich meine, natürlich nur, wenn du erlaubst. Es ist deine Wohnung … Wäre es nicht wunderschön?"
Severus schluckte leer. Wunderschön? Nun, er wusste inzwischen, dass er einen Abend mit Lupin aushalten konnte, aber mit dieser ausgeflippten Hexe? Und dann auch noch in seiner Wohnung. Er wollte den Kopf schütteln, aber da war dieses Strahlen in Noées Augen, die goldigen Sprenkel, die darin glitzerten … Severus seufzte ergeben und nickte.
Remus wandte sich schmunzelnd ab und Tonks sah ihn an, als wäre er der Weihnachtsmann, an den sie schon lange nicht mehr geglaubt hatte.
Noée lachte. "Toll, um welche Zeit kommt ihr?"
"Gegen sieben?", fragte Remus an Severus gewandt.
"Ich brauche den Fisch vorher", gab Noée zu Bedenken.
"Oh, und ich würde zu gerne beim Kochen mithelfen", rief Tonks.
"Kommt nicht in Frage", mischte sich Severus ein.
Tonks sah keineswegs beleidigt aus. "Ich könnte bestimmt etwas von Noée lernen. Ich rühr nichts an, ich schaue ihr nur über die Schulter, versprochen … du musst wissen, ich bin in solchen Dingen eine Katastrophe."
Noée kicherte. "Das glaube ich nicht. Wir werden den beiden Herren ein hervorragendes Abendessen zaubern – ganz ohne Zauberstab."
Als Remus und Tonks sich verabschiedet hatten und sich Richtung Schloss entfernten, rannte Noée einem plötzlichen Einfall folgend hinter den beiden her.
"Tonks", rief sie, "könntest du mir noch etwas mitbringen?"
"Ich hole das Gepäck", entschuldigte sich Remus und liess die beiden Frauen stehen.
"Könntest du mir … ich bekomme bald meine Tage und … mitbringen, was man so …du weißt schon … und Papier, zum Schreiben, Pergament ist so unpraktisch. Bring mir einfach alle Quittungen, dann gebe ich dir morgen das Geld. Wäre das möglich? Es tut mir leid, das ist mir peinlich, aber ich komme hier nicht weg."
Tonks beugte sich etwas näher und senkte die Stimme. "Hält dich Snape gefangen? Brauchst du Hilfe?"
"Nein, nein, er ist sehr nett. Ich sollte nur nicht im Schloss gesehen werden, deshalb fühle ich mich manchmal etwas eingesperrt. Aber er hilft mir sehr bei …“ Sie verstummte.
"Ich verstehe", antwortete Tonks. "Dennoch: Wenn du hier raus willst, sag Remus Bescheid, er kann dich jederzeit zu mir nach London bringen."
Noée lächelte. "Danke, das weiß ich zu schätzen. Aber im Moment fühle ich mich hier gut aufgehoben.â€
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