von fiirvogel
Hallo ihr lieben Leser, langsam, aber stetig geht es weiter. Ich hoffe, ihr seid noch dabei :o)
17. Kapitel
Das Gespräch mit Tonks hatte Noée ins Grübeln gebracht. Sie wirkte während des Spaziergangs entlang des Sees größtenteils abwesend und für ihre Verhältnisse äußerst ungesprächig. Severus genoss die Ruhe anfänglich, doch schließlich merkte er, dass etwas nicht stimmte. „Ist was?“, fragte er knapp.
Noée schüttelte den Kopf. Severus sagte nichts. Natürlich war etwas! Glaubte sie wirklich, dass er es nicht merkte? Weil er nicht wusste, was er sagen sollte, schwieg er.
Noée musste gemerkt haben, dass Severus etwas irritiert war. Sie hängte sich versöhnlich bei ihm ein, atmete tief durch und fragte: „Können wir um den ganzen See spazieren?“
„Da hätten wir früher am Tag aufbrechen müssen“, erwiderte Severus. „Ich zeige dir etwas, komm.“ Er führte sie bis zu einer Baumgruppe, hinter der endlich das weisse Marmorgrab von Albus Dumbledore auftauchte.
Noée schluckte hörbar und trat an das Grabmal heran. Severus war stehen geblieben, seine Augen auf die Inschrift gerichtet, in schmerzhaften Erinnerungen vertieft. Er kam selten hierher. Es schmerzte ihn zusehr. Er fühlte die ganze Schuld auf sich, auch wenn er wusste, dass Albus es so gewünscht hatte, und doch dachte Severus manchmal, es hätte eine Möglichkeit geben müssen, die Vergiftung zu heilen, wenn er nur etwas mehr Zeit gehabt hätte. Er hätte sich weigern sollen, den Schulleiter zu töten, und an seiner Stelle sterben.
Es wurde ihm erst bewusst, dass er nicht alleine da stand, als sich Noée dicht vor ihn hinstellte und aufmerksam sein Gesicht betrachtete. „Er war ein Freund von dir?“, fragte sie.
Severus presste die Kiefer aufeinander und nickte knapp.
„Er muss ein aussergewöhnlicher Mensch gewesen sein, dass ihm ein so schönes Grabmal errichtet worden ist“, bemerkte Noée.
Severus antwortete nicht.
„Was ist passiert?“, erkundigte sich Noée.
Severus schwieg.
Noée musterte ihn besorgt, dann griff sie nach seinen Händen und hielt sie fest.
Severus löste den Blick vom Grabmal und sah in die grünen Augen, die in seinen nach Antworten suchten, und verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. „Ein andermal“, antwortete er leise und drückte ihre Hände. „Du hast kalte Hände.“
„Ein bisschen“, gestand Noée.
Severus rieb ihre Hände, um sie etwas zu wärmen. Das war nicht so wirksam wie ein Wärmezauber, aber sie schien es zu geniessen; sie lächelte.
Als es dämmerte, erreichten sie das Schloss und Severus belegte Noée erneut mit dem Nichtbeachtungszauber und führte sie schleunigst zurück in seine Wohnung, bevor Minerva ihnen über den Weg laufen konnte.
Im Wohnzimmer ließ sich Noée erschöpft auf die Couch fallen. Sie hatte von der Kälte rote Wangen und die Haare waren feucht vom Nebel.
Severus betrachtete sie, bis sie unter seinem Blick nervös hin und her rutschte. „Tee?“, fragte er knapp.
Noée lächelte dankbar. „Gerne, wenn du auch einen nimmst.“ Sie erhob sich und trat nahe ans Feuer und wärmte ihre kalten Hände.
Severus verschwand in der Küche. Er hätte den Tee auch direkt ins Wohnzimmer ordern können, doch irgendwie hatte er das Gefühl, es würde sich besser anfühlen, den Tee persönlich zu servieren. Seine Einschätzung bestätigte sich, als er kurz darauf mit einem Silbertablett, zwei Tassen dampfendem Tee, einem Kännchen Milch und einer Zuckerschale ins Wohnzimmer zurückkam: Noée strahlte ihn überrascht an. Sie saß vor dem Feuer auf dem Teppich. Severus zögerte, setzte sich dann zu ihr und ließ das Tablett neben sich in der Luft schwebend stehen.
Noée lachte kopfschüttelnd. „Das ist wirklich unglaublich!“, rief sie aus. „Ich beneide euch schon ein bisschen um eure magischen Kenntnisse.“
„Nur ein bisschen?“, zog sie Severus auf.
Noée lachte. „Im Haushalt wäre Magie schon toll! … Oder ein Hauself.“
„Hast du einen Elfen gesehen?“
„Winky hat mir beim Kochen geholfen“, erzählte Noée. Erst jetzt kam ihr das Mittagessen wieder in den Sinn, das sie ganz alleine, wütend und verletzt, gegessen hatte. Auch Severus musste in dieselbe Richtung gedacht haben, er fragte gerade: „Hast du Hunger? Soll ich uns das Essen wärmen?“
Noée schluckte einen giftigen Kommentar hinunter und nickte. Sie griff nach einem Holzscheit und schob es ins Feuer. Schon als Kind hatte sie Feuer geliebt: das Knistern der brennenden Scheite, der Geruch, der Tanz der Flammen, die Wärme.
Noée schloss die Augen und seufzte. Sie fühlte sich angenehm erschöpft nach dem Spaziergang. Die Bewegung hatte ihr gut getan. Sie hatte Appetit und einen klaren Kopf. Das Grabmal aus weissem Marmor wollte ihr nicht mehr aus dem Kopf. Der Mann, der dort lag, musste Severus sehr viel bedeutet haben. Severus hatte einen Augenblick lang so unendlich traurig ausgesehen, dass sie ihn am liebsten in die Arme genommen und getröstet hätte, aber sie hatte sich nicht getraut. Ob er ihr einmal erzählte, was ihn mit Albus Dumbledore – sonderbarer Name – verband?
Noée nahm vorsichtig eine Tasse vom schwebenden Tablett und blies über die Oberfläche. Der Tee war noch heiss. Sie stellte die Tasse wieder zurück. In der Küche hörte sie Severus mit Töpfen und Tellern hantieren. Sie musste grinsen. Er hatte offensichtlich ein schlechtes Gewissen wegen heute Mittag. Er hatte ihr bisher noch nie persönlich Tee auf einem Tablett serviert und in der Küche hatte sie ihn auch noch nie gesehen, zumindest nicht am Arbeiten. Eigentlich aß er dort nur … Heute schien er das nicht vorzuhaben. Er brachte soeben Wein- und Wassergläser, Besteck und eine Karaffe mit Wasser ins Wohnzimmer und stellte alles auf den niederen Couchtisch. Sogar den Tisch schob er eigenhändig näher ans Feuer. Noée grinste. Severus zog sofort ärgerlich die Augenbrauen zusammen, da musste Noée lachen.
„Stimmt etwas nicht?“, erkundigte sich Severus kühl.
Noée stand auf. „Vermutest du immer das Schlimmste, wenn jemand lacht?“, fragte sie zurück. „Lachen ist im Allgemeinen ein Ausdruck von Zufriedenheit und Freude … Kann ich dir helfen?“
Severus überlegte einen Augenblick und nickte dann. Er holte eine Flasche Wein, öffnete sie und reichte sie Noée. Dann verschwand er wieder in der Küche um gleich darauf mit zwei Tellern zurückzukommen, auf denen das Essen dampfte.
„Hat dir auch ein Hauself geholfen?“, stichelte Noée.
„Ich habe noch einige verborgene Talente, von denen du nichts weißt“, gab Severus überheblich zurück.
Noée lachte und hob ihr Weinglas. „Auf deine verborgenen Talente! Und auf dass ich sie bald kennenlerne!“
Das Essen war nicht mehr ganz so frisch wie am Mittag, aber es schmeckte Noée in Gesellschaft wesentlich besser als alleine und verletzt in der Küche. Severus ließ sich sogar zu einem Kompliment herab. „Das schmeckt vorzüglich! Du hast schon einmal sehr lecker für mich gekocht, leider kannst du dich daran wohl nicht mehr erinnern.“
„Was habe ich gekocht?“
„Fleisch an Sauce mit Kartoffelpürée und Gemüse.“
„Fleisch? Was für Fleisch?“
Severus zuckte mit den Schultern. „Fleisch halt, keine Ahnung.“
„Banause“, neckte sie und lachte. „Ich koche gerne wieder einmal. Es macht mir Spaß. Mein Großvater kochte sehr gerne und ich war oft bei ihm in den Ferien. Er hat mir die Freude dafür weitergegeben. Der Lachs morgen wird dir bestimmt auch schmecken, du wirst sehen … Ich hoffe es macht dir nichts aus, dass es zweimal hintereinander Fisch gibt.“
„Überhaupt nicht“, antwortete Severus und schenkte Wein nach. „Schmeckt dir der Wein?“
„Er ist ausgezeichnet. Hast du noch mehr davon? Wir könnten ihn morgen Abend zum Lachs trinken.“
Severus lächelte säuerlich. Seine Begeisterung für einen Abend mit Remus und Tonks – in seiner Wohnung! – hielt sich in Grenzen. Noée machte das durch ihre Vorfreude wett.
„Tonks ist eine sehr nette Person“, schwärmte sie gerade. „Sie ist der Typ Mensch, mit dem man bestimmt Abende lang quatschen kann, ohne dass es einem langweilig wird.“
„Das glaube ich gern“, erwiderte Severus trocken.
„Hast du sie noch nie eingeladen?“, fragte Noée erstaunt.
„Wieso sollte ich?!“
„Naja, Remus ist doch ein Freund von dir.“
Severus runzelte die Stirn. „Wie kommst du darauf?“
„Naja, die Art, wie er sich gefreut hat, dich zu sehen. Ihr wirktet ziemlich vertraut …“
Severus brummte nur etwas Unverständliches.
„Du hast nicht allzu oft Besuch?“, erkundigte sich Noée.
„Nicht allzu oft, nein.“ Eigentlich hatte Severus nie Besuch, aber er wollte nicht, dass Noée ihn für einen miesepetrigen Einzelgänger hielt, obwohl er das eigentlich war, aber das brauchte sie ja nicht zu wissen.
Nach dem Essen führte Severus Noée behutsam und mit sichtlicher Überwindung durch seine nächsten Erinnerungen. Noée spürte, wie peinlich es ihm war, sich von ihr pflegen und beim Anziehen helfen zu lassen. Sie spürte aber auch seine zwiespältigen Gefühle ihr gegenüber, einerseits der Wunsch, so schnell wie möglich wegzukommen, andererseits fühlte er sich ganz offensichtlich wohl in ihrer Nähe, angezogen von ihrer Art, mit ihm umzugehen. Und als der Severus in der Erinnerung schließlich ergeben einwilligte zu bleiben und dachte, er könnte sich noch eine Weile von dieser Muggelfrau verwöhnen lassen, musste Noée laut lachen.
Severus sah ein klein wenig irritiert darüber aus, dass es sie offensichtlich amüsierte, wie er hier seine persönlichen Erinnerungen mit allem, was dazugehörte – Gedanken und Gefühle – vor ihr ausbreitete, aber Noée tätschelte ihm aufmunternd die Hand. "Das ist doch okay", beruhigte sie ihn. "Ich hätte mich an deiner Stelle auch darauf eingelassen. Ich habe bestimmt gut für dich gesorgt.“
Severus schmunzelte. "Ja, du hast sogar einen Kuchen gebacken. Einen Schokoladenkuchen".
"Dann musst du mir sehr sympathisch gewesen sein", erwiderte Noée vielsagend, wurde aber schlagartig wieder ernst. "Ich fand den Kuchen später im Kühlschrank. Ich konnte mich nicht erinnern, einen gebacken zu haben, aber da stand er … Seltsam, da spüre ich, was du gedacht hast, aber wie ich empfand, weiß ich nicht mehr."
"Du fandest mich attraktiv", schlug Severus vor.
Noée lachte. "Das glaube ich dir sogar! Meine Mutter meinte immer, ich hätte einen etwas finsteren Geschmack."
Sie blickte in diese beunruhigenden Augen und ihr wurde mit einem Mal etwas schwindelig. "Machen wir weiter?"
Severus schüttelte entschieden den Kopf. "Es ist genug für heute. Ich wollte noch diese schmerzlindernde Salbe fertig stellen, die Grundsubstanz habe ich gestern Abend noch gemacht … Möchtest du helfen?"
Noée ließ sich nicht zweimal fragen, sie hatte die gemeinsame Zeit im Labor, das Brodeln des Kessels, das Hacken und Abwägen der Zutaten, den Geruch nach Kräutern, das Knistern des Feuers schon beim ersten Mal lieb gewonnen. Severus war ein ausgesprochen guter Lehrer und sie ein interessierte Schülerin. Außerdem gefiel Noée, mit welcher Leidenschaft und Hingabe Severus Zaubertränke braute. Er schien wie ausgewechselt, so gar nicht wie der Severus, der nach dem Unterricht missmutig und unnahbar in die Wohnung kam und Pergamentbögen voller Schüleraufsätze auf den Schreibtisch knallte. Beim Brauen war er entspannt und ausgeglichen, viel zugänglicher und … gutaussehend, in gewisser Weise.
Noée genoss die Vertrautheit und Nähe zwischen ihnen, wenn sie um den brodelnden Kessel standen und er ihr Anweisungen erteilte. Als sie nebeneinander Zutaten zubereiteten, berührten sich ihre Hände kurz. Noée zuckte wieder zusammen, als hätte sie sich verbrannt. Noch Minuten später brannte die Stelle auf ihrem Handrücken und ihr war mulmig zumute. Sie traute sich nicht mehr aufzusehen, obwohl sie sich bewusst war, dass Severus sie genau beobachtete.
Severus wusste nicht, was er von Noées Reaktion halten sollte. Er hatte wie zufällig seine Hand neben ihre gelegt, bis sie dagegen gestoßen war. Sie wurde rot und starrte verbissen auf die Blätter, die sie hackte. Die Röte stand ihr gut, fand er.
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