von fiirvogel
Liebe Leser, es tut mir leid, es gibt keine Entschuldigung. Ich hatte soviel zu tun mit dem neuen Job, dass ich zu gar nichts kam. Ich spielte mit dem Gedanken, die Geschichte vom Netz zu nehmen, bis ich wieder mehr Zeit habe, damit ihr nicht jedes Mal so lange warten müsst, bis ein Update kommt. Aber dann dachte ich mir, das würde euch vielleicht auch sehr enttäuschen, oder? Also, ich versuch's weiter. Seid nachsichtig mit mir :D Liebe Grüße fiirvogel
27. Kapitel
Severus war kein Freund von Weihnachten. Ihm war schon als Kind nie der Sinn danach gestanden. Weihnachten bedeutete Ferien, und Ferien bedeutete Eltern, die miteinander stritten, einsame Tage in Spinner’s End. Das Fest bedeutete ihm bis heute nichts. Er genoss es, dass er für zwei Wochen keine Schüler um sich herum hatte, und seit der Krieg vorbei war, waren Ferien zu etwas sehr Angenehmem geworden: Er konnte in diesen Wochen tun und lassen, was er wollte. Er hatte niemandem gegenüber irgendwelche Verpflichtungen, keine Einladungen und Höflichkeitsbesuche, keine Verwandten, die er beglücken musste. Meist verbrachte er die Ferien mit Lesen, Forschen, Brauen … in Hogwarts oder in seinem Haus, das er nach dem Tod seiner Eltern geerbt hatte.
Dieses Mal war Weihnachten anders. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete, beziehungsweise welche Erwartungen Noée an Weihnachten knüpfte – nicht allzu viele, hoffte er –, doch als die letzten Schüler Hogwarts verlassen hatten und auch Minerva abgereist und außer Trewlaney, Flitwick und Hagrid sowie einem halben Dutzend heimatloser Schüler niemand mehr im Schloss war, fühlte sich Severus mit einem Mal aufgekratzt. Die Zeit hatte ihm ein paar Tage geschenkt. Ein paar Tage, bevor sie sich in Noées Cottage der Vergangenheit stellen würden, bevor das Danach begann.
Noée bemerkte die seltsame Veränderung in Severus, ohne genau sagen zu können, woran es lag. Als er gegen Mittag das Wohnzimmer betrat, wirkte er jünger als sonst. Seine Augen glitzerten unternehmungslustig, als er sie ansah. Noée blickte fragend von dem Kräuterbuch hoch, das sie in einem der Regale gefunden hatte.
„Komm, ich zeig dir das Schloss“, verkündete er.
„Bist du sicher?“, fragte Noée überrascht. „Und was ist mit deinem Ruf?“
„Es ist kein Mensch da. Oder sollten wir zuerst den Trank gegen die Regelschmerzen brauen?“
Noée konnte nicht verhindern, dass sie erneut rot wurde. Sie schüttelte den Kopf. „Geht schon“, antwortete sie und klappte das Buch zu. „Ich würde liebend gerne das Schloss erkunden!“ Sie stand auf und sah an sich hinunter. „Soll ich meine Robe anziehen?“
Severus musterte sie mit einem Blick, unter dem Noée nervös wurde. „Kann nicht schaden“, meinte er trocken.
Noée beeilte sich mit Anziehen. Severus hatte bereits die Türe geöffnet, als sie ins Wohnzimmer zurückkam. Als erstes führte er sie den Korridor hinunter und öffnete eine Türe zu seiner Linken. Er trat zurück und machte eine einladende Handbewegung. „Willkommen in meinem Schulzimmer!“
Noée betrat einen dunklen, kalten Raum mit hohen geschwungenen Rundbogen. Grosse Tische standen überall im Raum verteilt. Auf jedem Tisch standen vier Kessel auf einem dreibeinigen Ständer über Kohlenpfannen, in denen wohl das Feuer entfacht wurde, wenn die Schüler Zaubertränke brauten. Links und rechts an den Wänden reihten sich dicht an dicht Flaschen und Tonkrüge auf langen Wandregalen. Vorne im Raum stand vor einem großen Rundbogenfenster etwas erhöht der Lehrerschreibtisch aus dunklem Holz.
Noée sah sich um und pfiff durch die Zähne. „Beeindruckend“, meinte sie. „Und in dieser Katakombe unterrichtest du? Kein Wunder kommen die Schüler nicht gerne, hier ist es ungemütlich, kalt und düster.“
„Der Raum ist zweckmäßig“, erwiderte Severus. „Was erwartest du? Flauschige Teppiche, interessante Gemälde an den Wänden? Oder bequeme Sessel, in denen sie es sich gemütlich machen können? Je weniger sie von ihrer Arbeit ablenkt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei der Sache sind.“
Noée grinste. „Ich habe verstanden. Mag daran liegen, dass ich noch etwas jünger bin: Ich kann mich vielleicht etwas besser in die Schüler hineinversetzen …“
Severus verzog das Gesicht. „Ich hatte nie das Bedürfnis, mich in Schüler hineinzuversetzen“, antwortete er kühl. „Ich wüsste nicht, weshalb ich mir das antun sollte.“
„Aber du warst doch auch einmal Schüler. Bist du auch in Hogwarts zur Schule gegangen?“
Severus nickte knapp und rückte einige Flaschen auf dem Regal neben der Türe zurecht.
„Und wie war die Zeit als Schüler hier?“
Er drehte sich überrascht um. „Wie meine Schulzeit war?“
Noée lächelte ihn aufmunternd an. „Als Tonks von ihrer Schulzeit erzählte, klang das sehr lustig. Du hast in Hogwarts bestimmt auch jede Menge Spaß gehabt, sonst wärst du wohl kaum als Lehrer zurückgekommen.“
Severus musste lange überlegen. Spaß? Er konnte sich an die Erleichterung erinnern, wenn er nach den Ferien in der Ferne die Türme von Hogwarts erblickte … an die bittersüßen Momente, wenn Lily ihn von weitem angelächelt hatte … Er konnte sich an die Genugtuung erinnern, wenn er James Potter oder Sirius Black eins ausgewischt hatte … an die Befriedigung, wenn er die beste Note in „Verteidigung gegen die dunklen Künste“ erhalten hatte … Aber Spaß? Er schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht mehr erinnern“, meinte er ausweichend und schritt zur Tür. „Komm, es gibt noch anderes zu sehen als diese Katakombe, wie du es nennst.“
Nachdem Severus sich vergewissert hatte, dass niemand in der Großen Halle war, ließ er Noée in den Saal. Die vier langen Haustische standen immer noch da, sie würden allerdings bald verschwinden, da während der Weihnachtsferien ein kleiner Tisch für die Übriggebliebenen genügte. Noée ging mit offenem Mund durch die Halle, bewunderte die Säulen und den bewölkten Himmel darüber. Severus beobachtete sie und überlegte, wie ihr die Große Halle wohl gefallen würde, wenn tausende schwebende Kerzen sie erhellten und man an der Decke Blitze sehen konnte.
„Und wo sitzt du?“
Severus brauchte einen Augenblick, bis er merkte, dass Noée mit ihm sprach. „Ich? Dort.“ Er ging an ihr vorbei, stieg die Stufen zum Hohen Tisch hinauf und legte die Hände auf seine Stuhllehne.
Noée folgte ihm. „Darf ich?“, fragte sie und zog den Stuhl neben seinem nach hinten.
„Da müsstest du Remus fragen“, entgegnete Severus, „aber so wie ich ihn kenne, hat er nichts dagegen.“
Noée setzte sich auf den Stuhl und blickte auf die leere Halle hinunter.
Severus setzte sich neben sie und betrachtete sie forschend. Sie lachte lautlos. Ihre Augen glitzerten.
„Gefällt es dir?“
Noée nickte. „Ich stelle mir vor, wie das aussieht, wenn die ganze Halle voller Schüler in Uniformen ist und wenn überall gelacht und geschwatzt wird. Das Klappern und Klirren von Besteck und Geschirr, der Geruch des Essens, die Hauselfen, die herumwuseln und Essen hereintragen …“
„Ich muss dich enttäuschen, da wuseln keine Hauselfen herum“, entgegnete Severus amüsiert. „Das Essen steht genauso plötzlich auf dem Tisch wie bei … uns … unten.“
Noée lächelte. „Ich würde gerne einmal einen Blick in die Küche werfen.“
„Das ist das Reich der Hauselfen“, winkte Severus ab. „Sie mögen es nicht, von Zauberern gestört zu werden.“
„Ich bin ein Muggel“, erinnerte ihn Noée.
„Umso schlimmer“, neckte Severus und wich ihrer Hand aus, als sie ihn knuffen wollte.
Von der Großen Halle aus führte Severus Noée über Treppen und Treppen immer höher hinauf. Er wollte ihr den Nordturm zeigen, von wo aus man einen wunderbaren Ausblick auf die Ländereien von Hogwarts hatte. Er hätte nie gedacht, dass ein Spaziergang durch das Schoss so lange dauern konnte. Sicher, er wusste, wie groß Hogwarts war, allerdings gab es seiner Ansicht nach nicht allzu viele interessante Orte. Für Noée jedoch schien jeder Winkel spannend zu sein. Sie betrachtete mit sichtlicher Begeisterung jedes einzelne Gemälde und beobachtete die Figuren darin, bis sie alle verärgert zurückstarrten. Dann schüttelte sie entschuldigend den Kopf und ging zum nächsten Gemälde. Vor dem Bild mit der Kuhweide brach sie plötzlich in Gelächter aus. „Die Kuh dort hinten … Severus! Hast du gesehen?“
Severus machten einen Schritt zurück und runzelte die Stirn. Er konnte nichts Besonderes erkennen. „Was?“
„Sie hat gerade … was fallen gelassen.“ Noée kicherte. „Gottlob riecht es nicht.“
Severus schmunzelte, als er Noée beobachtete, die gebannt auf das Bild starrte, um den Augenblick nicht zu verpassen, wenn der braune Fleck plötzlich wieder verschwand, denn – so ihre Logik – „irgendwann muss der Kuhdreck wieder verschwinden, sonst wäre in einem Gemälde dieses Alters nur noch Kuhdreck zu sehen“.
Auch die Rüstungen und Statuen faszinierten Noée. „Das ist wie in einem Museum“, schwärmte sie, bevor ihr Lachen plötzlich einfror und sie mit offenem Mund etwas ansah, was sich hinter Severus befand.
Severus drehte sich in der Erwartung um, Filch oder Flitwick zu sehen, aber es war der Blutige Baron. Er musterte Noée aus seinen stieren Augen, und so etwas wie ein erstauntes Grinsen zeichnete sich auf seinem ausgemergelten Gesicht ab. „Wer ist sie?“, fragte er und Severus spürte, wie Noée hinter ihm den Atem anhielt.
„Ich wüsste nicht, was euch das angeht, Baron“, antwortete er mit drohend zusammengekniffenen Augen.
„Nichts“, antwortete der Baron vage und glitt auf ihn zu. Severus wich keinen Zentimeter zurück. Er spürte den kühlen Luftzug, als der Baron provokativ knapp an ihm vorbeischwebte, und Noée, die ihre Finger in seinen Arm krallte und ihn so drehte, dass er ihr Deckung gab. Der Baron grinste böse und schwebte dann weiter.
Noée brauchte eine Weile, bevor sie wieder sprechen konnte, und noch länger, bis sie merkte, dass sie sich immer noch krampfhaft an Severus’ Arm festhielt. „Entschuldige“, murmelte sie und ließ ihn los. „War das ein … Geist?“
Severus nickte. „Es gibt mehrere Geister in Hogwarts. Der Blutige Baron ist der Schlimmste, die anderen fürchten sich vor ihm.“
„Was macht er in Hogwarts? Ich meine, man sagt, dass Geister da sind, weil sie nicht sterben konnten. Ich weiß nicht, ob das stimmt … aber das habe ich gehört …“
„Ja, er hat eine Frau umgebracht.“
Noée schluckte hörbar. „Er sieht so aus, als würde er das jederzeit wieder machen.“
„Er ist nur ein Geist, er kann niemanden anfassen, höchstens durch ihn hindurchschweben“ – Noée schüttelte sich – „oder jemanden zu Tode erschrecken. Darin ist er ziemlich gut.“
„Er hat …? Hat er schon einmal jemanden zu Tode erschreckt?“, fragte Noée entsetzt.
„Mir ist kein Fall bekannt“, beruhigte sie Severus und führte sie weiter, eine schmale Wendeltreppe hinauf, bis sie endlich oben auf dem Nordturm standen.
Als sie auf die Plattform eines hohen Turmes hinaustraten, verschränkte Noée fröstelnd ihre Arme. Sie trat gespannt an die Zinnen und blickte hinunter. „Ziemlich hoch“, murmelte sie. Dann blickte sie in die weiten Ländereien hinaus, über den See und den Wald. Alles lag unter einer feinen Schneedecke, doch im Moment schneite es nicht. Ein eisiger Wind trieb graue Wolken über den Himmel. Noée strich sich die Haare aus dem Gesicht.
„Die Robe hat eine Kapuze“, bemerkte Severus. „falls du kalt hast.“
Noée zog die Kapuze über den Kopf und atmete tief durch. Severus war neben sie getreten, ihre Arme berührten sich. Eine wohlige Wärme ging von ihm aus. Noée musterte ihn vorsichtig von der Seite. Er stand reglos wie eine Statue da, die Arme vor der Brust verschränkt, den Blick in die Weite gerichtet, und schien den kalten Wind nicht zu spüren, obgleich er auch ihm die Haare ins Gesicht blies. Noée musste gegen den Impuls ankämpfen, sie ihm hinter die Ohren zu streichen. Er sah schön aus, auf seine Art, und Noée lächelte.
„Was?“, fragte Severus knapp, dem offenbar nichts entging, was um ihn herum geschah, selbst dann nicht, wenn er in Gedanken weit weg zu sein schien.
„Nichts“, erwiderte Noée verlegen und richtete den Blick wieder auf das Schlossgelände unter ihnen. „Es sieht märchenhaft aus. Ich kann mir vorstellen, weshalb du hier lebst.“
„Nein, das kannst du nicht“, antwortete Severus knapp und sein Gesicht bekam schlagartig einen verschlossenen Ausdruck.
Noée biss sich auf die Lippen. Hatte sie irgendetwas Falsches gesagt? Um ihn abzulenken wechselte sie das Thema. „Wegen Weihnachten …“
Sie spürte, wie sich Severus neben ihr versteifte, er sagte jedoch nichts.
„Ich nehme nicht an, dass du zu denen gehörst, die sich viel aus Weihnachtsfeierlichkeiten und Geschenken machen“, fuhr sie zaghaft fort.
„Ach ja?“ Er blickte immer noch in die Ferne.
„Also … ich will einfach, dass du weißt, dass du wegen mir nichts Spezielles machen musst“, fuhr sie unsicher fort. „Ich könnte uns allerdings etwas Festliches kochen, das würde ich sehr gerne machen …“
Endlich drehte sich Severus zu ihr um. Seine Gesichtszüge hatten sich wieder entspannt. „Ich mache mir tatsächlich nicht viel aus Weihnachten, aber ich könnte dir beim Kochen helfen.“
Noée strahlte. „Ja, das wäre super!“
Auch Severus verzog die Mundwinkel zu einem zufriedenen Lächeln.
Noée zitterte, als ein erneuter Windstoss über die Plattform wehte.
Severus trat hinter sie und legte die Arme um sie. Noée schloss die Augen und lehnte mit einem wohligen Seufzer den Kopf an seine Brust.
„Und nach dem Essen spielen wir Schach“, raunte ihr Severus ins Ohr. „Ich will mich nicht noch einmal so blamieren. Bis Silvester üben wir täglich.“
Noée lachte.
Später brauten sie zusammen den Trank gegen Menstruationsbeschwerden und Noée sah Severus dabei zu, wie er weiter an seinem Felix felicis braute. Sie gab sich Mühe, ihn nicht zu stören. Erst als er den Deckel über den Kessel legte, auf seine Uhr blickte und begann, die Gerätschaften zu reinigen und aufzuräumen, fragte sie: „Was genau ist das für ein Trank.“
„Der Felix felicis ist einer der komplexesten Tränke, die es gibt“, antwortete Severus. „Er wird auch „Flüssiges Glück“ genannt.“
„Er macht glücklich?“
„Er bringt Glück“, korrigierte Severus.
Noée dachte, dass sie in einen Kessel Felix felicis gefallen sein musste, dass sie als Muggel hier neben diesem außergewöhnlichen Zauberer sitzen und ihm helfen durfte, Zaubertränke zu brauen. Sie grinste, blickte aber rasch zur Seite, als Severus sie fragend ansah, und bemühte sich, an nichts zu denken. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass sie rot wurde.
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