Just to be - Das Wesentliche
von Xaveria
*~* Das Wesentliche *~*
„Du hast was?“
„Ich weiß…“
„Du hast was?“
„Ich weiß, es war dumm von mir.“
„Ich kann einfach nicht glauben… ich kann nicht glauben, dass du es überlebt hast!“
„Oh, hör schon auf. Aber ja, ich bin auch etwas überrascht.“
„Was zum Geier hast du dir nur dabei gedacht?“
„Ich dachte, ich würde helfen?“
„Verdammt, selbst ich weiß es besser als so etwas zu tun.“
„Wirst du wohl damit aufhören, Harry? Du hast deine verdammte Meinung kundgetan.“
„Entschuldige, ich bin es einfach nicht gewohnt von dir, dass du so etwas Dummes machst. Das ist noch alles etwas neu für mich. Au!“
„Und ich sage dir, es hat geholfen. Sie haben nicht wirklich mit mir interagiert, aber sie schienen auch keine Angst mehr vor mir zu haben. Das ist doch ein Fortschritt.“
„Denkst du, ihn kümmert das? Ein positives Ergebnis erzielt zu haben, indem man ihn missachtet hat, hat ihn das jemals irgendwie gekümmert?“
„Er ist jetzt anders. Wir sind anders. Das war vor langer Zeit.”
„Ja, er ist nicht länger die Fledermaus im Kerker. Er ist jetzt wie ein Grizzlybär, der seine Junge beschützt.“
„Das ist schon fast… süß.“
„Snape, süß?“
„Ja, klingt irgendwie nicht richtig, oder?“
„Ganz gewiss nicht.“
„Und doch passt es.“
„Wenn du das sagst.“
„Es ist kompliziert.“
„Also… was passiert jetzt?“
„Ich warte auf eine Einladung zurückgehen zu dürfen?“
„Ich denke, da wirst du sehr lange warten müssen.“
„Das denke ich auch.“
*~*~*
Diese kleinen Verräter.
Sie haben sogar nachgefragt, wann Granger denn wieder zurückkommen würde. Sagten, sie mochten die Geschichte, die sie ihnen vorgelesen hatte. Sagten, sie mochten die Art und Weise, wie sie die Geschichte gelesen hatte. Sagten, sie wollten gerne wissen, wie sie endet.
Sie hatten entgegen allen Erwartungen, entgegen allem, an was Severus geglaubt hatte, bereits eine Verbindung zu ihr aufgebaut. Eine Bindung. Sie wollten sie zurück. Sie hatten niemals, nicht einmal in den fünf Jahren, jemanden zurück verlangt.
So wütend Severus auch noch auf sie war ihnen vorgelesen zu haben, und sie hatte es auch noch hingegen seiner ausdrücklichen Anweisung getan, aber hauptsächlich, weil sie ihnen vorgelesen hatte, so konnte er dennoch nicht den Fortschritt ignorieren, der sich direkt vor seinen Augen befand. Nicht, wenn solche Schritte so selten und unerwartet und kostbar waren.
Mit einer Grimasse und einem Knurren zauberte er ein Stück Pergament herbei.
*~*~*
Granger,
fragen Sie mich nicht warum, aber die Kinder scheinen Ihre schrille Stimme meiner gegenüber vorzuziehen und daher frage ich Sie, wann werden Sie wieder vorbeikommen, um Alice im Spiegelreich zu Ende zu lesen? Obwohl ich es bevorzugen würde, wenn ihre Köpfe nicht mit irgendwelchen Märchen vollgestopft werden, außer die, die in der Zauberwelt auf der Realität basieren, hat es zumindest ihr Interesse am Lesen geweckt.
Bitte informieren Sie mich über Ihren nächsten freien Abend.
Sollte ich das hier irgendwann bereuen, können Sie sich glücklich schätzen, wenn Sie sich, nachdem ich mit Ihnen fertig bin, noch an Ihren Namen erinnern können.
S. Snape
*~*~*
Severus schlief an diesem Abend beim Vorlesen ein. Er hatte die Nacht zuvor noch einen seiner „Absolventen“ besucht und irgendwie fühlte er sich etwas kränklich und hatte bisher noch nicht die Zeit gehabt, etwas Aufpäppeltrank zu brauen.
Er hatte Granger erzählt, nur er würde ihnen vorlesen. Das stimmte. Er hatte nicht erwähnt, dass er es zuließ, wenn sich die Jüngeren an ihn schmiegten, während er ihnen vorlas. Severus war nicht unbedingt ein Mensch der offen seine Gefühle zeigte, aber er wusste, es beruhigte sie, wenn sie neben einen warmen Körper liegen konnten, also ließ er sie.
Das war zumindest die Geschichte, sollte er jemals danach gefragt werden.
Er schnarchte leise, genau wie die beiden Jungen und das kleine Mädchen, welche neben ihm eingeschlafen waren und seiner Atmung lauschten.
Am nächsten Morgen war Severus dankbar bisher noch keine Antwort von Granger erhalten zu haben.
Er genoss diese Momente mit ihnen. Es war ihm zuwider das an jemand anderen zu verlieren. Aber er wusste, für sie wäre es das Beste.
Also tat er es. Für sie. Widerwillig.
*~*~*
Als Severus die Tür öffnete, bedachte er Granger mit seinem erschreckendsten Professor-Snape-Beobachtet-Dich-Und-Merlin-Steh-Dir-Bei-Wenn-Du-Einen-Fehler-Machst-Blick. Er hatte ihn für gewöhnlich immer für Neville Longbottom aufgehoben. Er war immer sehr anfällig dafür gewesen. Bei dieser Erinnerung erlaubte er sich ein kleines Lächeln.
„Guten Abend, Severus“, sagte Granger nervös.
„Sie wissen noch, was ich in meinem Brief gesagt habe?“, fragte er mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Tue ich.“
„Gut.“
„Danke.“
„Für?“
„Mich wieder einzuladen.“
Snape schwieg, nickte jedoch knapp und deutete ihr an einzutreten.
Severus entschied diesmal mit im Wohnzimmer zu bleiben, in der Ecke, außer Sichtweite. Er war nicht davon überzeugt, Granger würde irgendwas Dummes oder Gefährliches anstellen. Es war viel mehr, dass er sehen wollte, was so Besonderes an ihr war, dass die Kinder sie wieder zurückwollten, wohingegen sie den anderen gegenüber so dermaßen verschlossen gewesen waren.
Er beobachtete sie genauestens. Während er das Glimmern des Feuers auf ihren befeuchteten Lippen bemerkte und die Art, wie ihre Augen bei der Freude einer wahren Liebhaberin des geschriebenen Wortes aufleuchteten und wie sie jedes Mal ihren Mittelfinger befeuchtete, bevor sie umblätterte (er achtete besonders darauf, wie ihre Zungenspitze hervorschoss, über ihre Fingerspitze fuhr und dann wieder zwischen ihren Lippen verschwand), konnte er wirklich nichts Fassbares finden, warum die Kinder sich so nach ihrer Anwesenheit sehnten. Es war ihre Gegenwart, wie sie sich verhielt, was die Kinder dermaßen anzog. Sie war sanft und warm, aber blieb auf Distanz. Sie ließ sie auf sich zukommen, anstatt dass sie sich ihnen aufzwängte. Ihre Stimme war beruhigend und doch bestimmend. Sie vermied den Augenkontakt und baute dennoch eine Verbindung zwischen sich und ihrer Hörerschaft auf. Sie gab ihnen genug Raum und Privatsphäre, zugleich strahlte sie Vertrauen und Mitgefühl und Wärme aus.
Was auch immer es war, sie antworteten darauf.
Nach einem besonders lustigen Absatz, schoss Severus‘ Kopf nach oben und er lehnte sich bei dem Geräusch, von dem er gedacht hatte, er würde es niemals mehr hören, vor.
Lachen. Eines der Kinder lachte tatsächlich.
Granger schien dies auch zu bemerken. Obwohl sie ihren Lesefluss nicht unterbrach, schaute sie über ihre Köpfe zu ihm auf und traf Severus‘ Blick, Stolz und Freude strahlten in ihren Augen.
Severus konnte nicht anders als ein kleines Lächeln auf seinen Lippen zu erlauben. Nur für einen kurzen Moment. Und als Granger es erwähnte, als sie ging, da hatte er es geleugnet.
„Also, wie habe ich mich geschlagen?“, fragte sie, als sie sich ihren Mantel überzog.
Sie hatte es geschafft über einen längeren Zeitraum ihre Aufmerksamkeit zu halten, hatte einen von ihnen laut zum Lachen gebracht, das waren zwei riesige Meilensteine. Wie dachte wohl dieses nervige Mädchen, hatte sie sich geschlagen? Selbstverständlich gab es da nur eine Antwort.
„Passabel.“
Er sorgte dafür, es auch mit einem spöttischen Lächeln zu sagen.
Die Frau trieb ihn vielleicht in den Wahnsinn, aber er konnte nicht leugnen, sie lieferte Ergebnisse. Für den Rest der Woche lud er sie jeden Abend ein. Unter seiner Aufsicht natürlich. Zur Sicherheit der Kinder.
*~*~*
Der zweite Abend verlief ohne Zwischenfälle. Die Kinder waren sichtlich entspannter als noch am Abend zuvor. Severus kam nicht drum herum zu bemerken, dass sie sich etwas näher zu Granger, als zu ihm setzten. Sie mieden ihn nicht, das wusste er, sondern wichen Granger nicht ängstlich aus. Ein weiterer Schritt.
An diesem Abend lernte er, sich sowohl kalt, als auch warm zugleich zu fühlen.
*~*~*
Am dritten Abend zerbarst Hermines Herz beinahe, als ein kleines Mädchen mit schwarzen Haaren und grünen Augen sich während des Lesens neben sie setzte. Es war nicht unbedingt ein Herankuscheln, aber zumindest auf derselben Couch, ziemlich nahe und aus eigenem Antrieb.
Als sie Snapes Blick traf, schwor sie so etwas wie Tränen in seinen Augen gesehen zu haben.
Sie wusste es besser, als ihn darauf aufmerksam zu machen.
Aber sie bemerkte durchaus, dass er danach aufhörte, sie mit Blicken zu durchbohren.
*~*~*
Nachdem sie die Kinder am vierten Tag ins Bett gebracht hatten und noch zusammen im Wohnzimmer saßen, wandte er sich an sie und stellte ihr eine ernste Frage:
„Was tun Sie hier?“
„Habe ich diese Frage nicht bereits beantwortet?“
„Granger, stellen Sie sich nicht dumm. Warum sind Sie wirklich hier?“
„Um zu helfen.“
„Granger…“, begann er mit warnender Stimme.
„Ich sage die Wahrheit. Ich möchte helfen. Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Während des Krieges… da gab es so viele, denen ich nicht helfen konnte, so viele Dinge, die sich außerhalb meiner Kontrolle abspielten…“
„Es gibt noch andere Fälle, andere Not leidende Gruppen.“
„Ich glaube, diese hier ist am bedürftigsten. Sie brauchen uns am meisten.“ Sie zögerte, bevor sie fortfuhr. „Und…“
„Und?“
„Und…“
„Und?“
„Und ich will Ihnen helfen, okay?“
„Sie wussten nicht, dass ich ein Teil hiervon war.“
„Nicht mit Sicherheit, aber ich hatte eine Vermutung. Als ich es dann absolut sicher wusste, da wollte ich ein Teil hiervon sein.“
Er zog eine Augenbraue hoch, forderte sie mit dieser Aussage heraus.
„Ich meine es ernst. Ich lebe wegen Ihnen. Harry lebt wegen Ihnen. Sie haben der Zauberwelt eine zweite Chance auf ein Leben gegeben… bereits zum zweiten Mal. Selbst wenn mich das Wohlergehen der Kinder nicht kümmern würde – und das tut es wirklich – würde ich mich dem genauso verschreiben, weil ich es für Sie tun würde.”
Er wandte seinen Blick von ihr ab. „Es bestehen keinerlei Schuldgefühle für das, was ich getan habe.“
„Es geht nicht darum in einer Schuld zu stehen. Es geht um Ehre. Sie zu ehren.“
Severus konnte sich da nicht zurückhalten. Er sah sie direkt an und überflog die Oberfläche ihrer Gedanken, es war ihm egal, ob sie es bemerkte.
Erstaunlicherweise schien sie jedes Wort zu glauben.
Was noch erstaunlicher war, er glaubte ihr.
Er würde nicht noch einmal fragen.
Das ist gefährlich, warnte ihn die Stimme. Sie könnte ihre Gedanken abschirmen. Wenn jemand klug genug ist, es zu tun, und damit durchzukommen, wäre es sie.
Severus wusste, sie könnte es. Er glaubte nur nicht mehr, dass sie es auch würde.
*~*~*
Am fünften Abend, lehnte er sich schließlich in die Kissen seines Sessels zurück, während ihre Stimme über ihn flog.
Er wusste, es war sicher seine Augen zu schließen.
*~*~*
Am sechsten Abend sah er, wie die Kinder mit Granger und gegenseitig Augenkontakt herstellten.
Sie interagierten noch immer nicht miteinander, aber sie waren sich zumindest ihrer Gegenwart bewusst. Es würde noch eine lange Zeit vergehen, bevor sie richtig miteinander spielten oder sich etwas erzählten. Aber sie schienen nicht mehr automatisch die Gegenwart von anderen Menschen zu fürchten.
Bei Granger fühlten sie sich sicher, genau wie bei ihm selbst.
*~*~*
Nach einer Woche von Grangers Besuchen, in denen die Kinder, trotz ihrer medizinischen und psychologischen Probleme, entspannter wirkten, wusste Severus, er wollte sie jeden Abend hier haben.
Bei den Kindern. Bei ihm.
Er entschied auch, in Anbetracht ihrer entspannten Haltung, war es an der Zeit die anderen Freiwilligen vorzustellen. Es war ein Risiko; die Vorstellung von weiteren Fremden könnte sie verletzen.
Gleichzeitig könnte es vielleicht helfen.
Er hoffte, es war kein Fehler.
*~*~*
Atmen, sagte er sich, einfach nur atmen. Die Dinge haben sich geändert. Wir sind jetzt beide erwachsen. Er hat keine Macht mehr über mich. Er ist nicht länger dein Irrwicht. Er kann dich nicht verletzten… richtig?
Er schüttelte mit dem Kopf und setzte dann mit seinem mentalen Zuspruch fort. Du hast vor ganz Hogwarts Voldemort selbst und seinen Lakaien die Stirn geboten und seine Schlange getötet, der letzte Horkrux. Das Schwert von Gryffindor ist zu dir gekommen. Du bist ein Lehrer. Er ist ein Lehrer. Ihr werdet super miteinander auskommen. Du bist jetzt erwachsen. Hast du wirklich noch immer solch eine Angst vor deinen ehemaligen Zaubertränkelehrer?
Du meinst, den alten Zaubertränkelehrer gegen dem du in deinem letzten Jahr eine Rebellion gestartet hast? Welcher jetzt einen wirklichen Grund hat dich zu hassen?
Genau, der ist es.
Plötzlich wurde die Tür mit Schwung aufgerissen und vor ihm, Angesicht zu Angesicht, stand die vertraute, überragende Gestalt. Wenn man vom Teufel spricht, erschien er auch.
„Longbottom! Hören Sie auf, wie ein Fisch auf dem Trockenen auszusehen und kommen Sie rein, bevor Sie noch jemand sieht. Sie haben schon alle warten lassen, während Sie einfach nur dagestanden haben, um zweifelsohne die Mechanismen einer einfachen Schelle herauszufinden. Ich hoffe, Sie schaffen es besser im Takt zu bleiben als eine simple Verbrennungssalbe zu brauen. Offenbar, lebe ich, wenn es um Sie geht, um enttäuscht zu werden.“
Mit einem schweren Schlucken betrat Neville Longbottom den Grimmauldplatz Nummer 12, um das erste Mal zu unterrichten.
*~*~*
Es war bereits viele Jahre her seit Severus das letzte Mal eine Muggel-Schule oder in irgendeinen Muggel-Unterricht gewesen war, aber er war sich ziemlich sicher, jedes Wort aus dem Munde dieser Frau war absoluter Schwachsinn.
„Also, in Südamerika gibt es keine schrumpfhörnige Schnarchkackler, aber nur weil es von ihren Vettern besiedelt ist, den grübchenhörnigen Schnarchkacklern. Und vergesst nicht, hier im Amazonas leben die Waldgeister, die kleinen Feen, die nur aus dem Augenwinkel heraus gesehen werden können, die euch dann zu den fliegenden Piranhas führen…“
Die Kinder waren wie gefesselt von Lovegoods hervorgerufenen Hologrammbildern der einzelnen Kreaturen, die über ihren Köpfen schwebten. Severus stöhnte auf und rieb seine Hände über sein Gesicht. Seine einzige Genugtuung war, dass es ansonsten keinerlei Einführung in die Geographie gegeben hätte und dass das vermutlich seine beste Möglichkeit war.
Hoffentlich.
*~*~*
„Und hier ist eines, wo er aufwacht.“
„Potter, zum letzten Mal, ich hege keinerlei Verlangen hier zu sitzen und mir irgendwelche Bilder von Ihrem Nachwuchs anzusehen! Also werden Sie jetzt nun Flugstunden im Garten geben oder nicht?“
„Natürlich werde ich das, Severus. Im Grunde habe ich James bereits auf einen Besen gesetzt. Er liebte es; ein wahres Naturtalent, das ist er. Ich glaube, ich habe hier irgendwo ein Bild davon…“
*~*~*
Granger hielt ihm zwei abgewetzte Buchexemplare entgegen. „Welches soll ich als Nächstes lesen?“
Er nahm die Bücher an sich. „Noch mehr Muggel-Märchen?“
Er hatte wirklich, ernsthaft versucht sarkastisch und abwertend zu klingen. Er scheiterte.
„Sie schienen das Letzte gemocht zu haben. Also, welches?“
Seine Fingerspitzen fuhren über den Buchrücken des ersten Buches und er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er diese Geschichte liebte. „Das hier“, flüsterte er.
Sie nickte und schenkte ihm ein wissendes Lächeln, während sie den Band wieder von ihm nahm, ganz so, als ob sie nicht bereits gewusst hätte, dass er Den Kleinen Prinzen aussuchen würde.
*~*~*
„Pflanzen brauchen Wasser und Sonne, um zu leben und das ist auch schon fast alles. Man kann es nicht wirklich sehen, aber Pflanzen atmen im Grunde sogar richtig Luft ein, obwohl sie gar keine Lungen besitzen.“
Die Schüler starrten Neville skeptisch an, dann drehten sich alle gemeinsam zu Snape um, der in der Ecke stand, und sahen ihn nach Bestätigung suchend an. Neville fragte sich, ob Snape ihnen allen beigebracht hatte eine einzige Augenbraue hochzuziehen, denn das war es, was sie taten. Er seufzte, nickte und sie drehten sich alle wieder zurück zu ihm um.
„Genau… also, Pflanzen absorbieren den Regen, der in die Erde sickert, durch ihre Wurzeln. Stellt sie euch als lange, dünne Löffel vor…“
*~*~*
„Schlafen die Kinder gut?“, fragte Luna Snape.
Er schüttelte den Kopf. „Leider nicht, nein. Die meisten leiden unter Albträumen, viele unter ständiger Nachtangst. Sie benötigen Hilfe. Andere helfen sich gegenseitig, aber ich bin mir jedes Mal bewusst, wenn es passiert. Mindestens einer von ihnen hat jede Nacht einen Anfall.“
„Also schlafen Sie auch nicht sonderlich gut.“
Sein Gesicht blieb ausdruckslos. „Ich habe noch nie viel Schlaf benötigt.“
Luna nickte nachdenklich. „Albträume sind Manifestationen des Schmerzes, mit dem man sich nicht auseinandergesetzt hat. Sie stehen alle unter ständigen Schmerzen und werden auch noch weiterhin leiden. Aber das Problem ist, sie benötigen einen besseren Schlaf, um das hier in ihren wirklichen Leben anzusprechen.“
„Ich bin mir dessen bewusst, Lovegood.“
„Könnte man ihnen geringe Dosen von Traumlosen Schlaf geben?“, fragte Luna. „Nur für eine kurze Zeit, um den Kreislauf zu durchbrechen?“
Snape schüttelte den Kopf. „Ganz sicher nicht. Es ist eine höchst abhängig machende Substanz, selbst bei einem Erwachsenen hat sie eine hemmende Wirkung, also werde ich es sicherlich, noch nicht einmal in geringen Dosen kleinen Kindern verabreichen.“
„Also könnten Sie nicht etwas brauen, was ihnen beim Schlafen hilft, aber ohne diese Nebenwirkungen?“
„Wie bitte?“
„Sie waren doch für eine Generation von Schülern der Zaubertränkelehrer. Sie haben Zauber erfunden und Zaubertränke verbessert, als Sie noch selbst jünger als wir jetzt waren. Sicherlich können Sie auch diesen hier verbessern, damit die Kinder ihn sicher benutzen können.“ Sie lächelte ihn verträumt an. „Oder habe ich Sie mit dem anderen Halbblutprinzen verwechselt?“
„Lovegood“, begann Snape mit warnender Stimme.
„Oh Gott, war das nicht der Halbblutprinz, der das gemacht hat? Entschuldigen Sie, ich verwechsle ihn manchmal.“
Snape öffnete seinen Mund, um sie zu fragen, mit wem sie ihn verwechselte, aber entschied sich dann dagegen. „Also schön, Lovegood, ich werde sehen, was ich tun kann.“
„Ausgezeichnet“, antwortete Luna lächelnd. „Ich denke, alleine das wird eine riesige Veränderung bringen.“
Sie drehte sich um und verließ den Raum, ihr langes, blondes Haar wippte mit jedem Schritt, während sie leise vor sich her summte. Sie kannte ihren Ruf als „Loony“ Lovegood und stand nicht darüber, das auch zu ihrem Vorteil auszunutzen.
Manchmal fragte sie sich, ob sie eine gute Slytherin gewesen wäre.
*~*~*
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Severus“, sagte Potter. „Ich habe nie in Geschichte der Zauberei aufgepasst und besitze nicht einmal ein ZAG darin. Im Grunde habe noch nicht einmal mein ZAG darin abgeschlossen.“
„Ich bitte Sie nicht darum Geschichte der Zauberei zu unterrichten; ich hege keinerlei Verlangen die Kinder zu foltern“, entgegnete Severus. „Ich bitte Sie lediglich darum, den Kindern einen groben Überblick über die Geschichte Englands zu geben. Die Grundlagen. Sie werden es irgendwann wissen müssen und so können sie auch jetzt schon damit anfangen. Die meisten von ihnen sind Reinblütler und haben keine Ahnung.“
„Ich kenne mich etwas aus, aber ich bin kein Experte.“
„Ich verlange keine Fachkenntnis. Sie sind als ein Muggel aufgewachsen, also sind Sie vermutlich vertrauter mit dem Thema, als Sie denken. Falls nicht, dann geben Sie das hier wieder. Lesen Sie ein Buch, eine Zeitung, besuchen Sie eine Website. Dann prägen Sie sich das Gelesene ein und erzählen es ihnen. Das war’s auch schon. Es benötigt Ihrerseits keinerlei Intelligenz oder auch nur einen selbstständigen Gedanken. Selbst Sie sollten das hinbekommen.“
„Wäre Hermine nicht besser dafür geeignet? Sie geht sogar in der Muggel-Welt zu den Wahlen und verfolgt die Nachrichten.“
„Nein“, sagte Severus bestimmt. „Sie liest ihnen abends vor.“
*~*~*
„Nehmt einfach nur einen Bleistift und malt mir ein Bild von eurem letzten Traum“, verkündete Luna fröhlich. „Selbst, wenn es ein unheimlicher oder verschwommener Traum war.“
Misstrauisch beäugten die Kinder das Stück Pergament, viele von ihnen wollten nicht die Dinge noch einmal durchleben, die sich nachts hinter ihren Augenlidern abspielten.
„Ist das wirklich eine gute Idee?“, flüsterte Harry Luna zu. Er, anders als Hermine, befolgte Snapes Befehle und setzte sich und beobachtete ohne Widerworte. „Wird es die Dinge nicht noch schlimmer machen?“
Sie nickte. „Die meisten sind nicht dazu bereit über das, was ihnen zugestoßen ist, zu reden. Wenn sie es in einem Bild ausdrücken können, wäre es zumindest ein Anfang.“
Harry zuckte mit den Schultern. „Ich schätze, du bist die Ravenclaw von uns.“
*~*~*
Snape bestand noch immer darauf anwesend zu sein, wenn sie den Kindern vorlas. Für gewöhnlich brachte er sich immer Arbeit mit.
Hermine bemerkte, dass er niemals auch nur eine Seite umblätterte oder auch nur eine Bemerkung aufschrieb.
Sie würde ihn nicht darauf ansprechen. Ihr machte es nichts aus, wenn er dort saß. Kein bisschen.
*~*~*
„Also, Ramona, wer ist diese Person, die du da gemalt hast?“, fragte Luna und zeigte auf die gezeichnete Gestalt.
„Mein älterer Bruder Randolph“, wisperte Ramona Travers. „Er ist viel größer als ich.“
„Wie viel größer ist Randolph als du?“
„Zwanzig Jahre älter, Miss.“
„Verstehe, also ist er ein sehr großer Bruder. Und was macht Randolph auf deinem Bild?“
„Er sitzt einfach nur da und starrt.“
„Auf was starrt er?“
„Nichts. Er sitzt einfach nur da und starrt ins Nichts.“
„Wo macht er das?“
„In dem großen Steinturm mitten im Meer.“
„Macht er das dort noch mit jemand anderen zusammen?“
Ramona nickte: „Mit Mummy und Daddy.“
*~*~*
„Weißt du, Snape ist gar nicht mehr so beängstigend, wenn er nur Schulleiter von fünfzehn Kindern ist“, überlegte Neville während des Mittagessens in der Kantine des Ministeriums, nach seinem Unterricht in Hogwarts und vor seinen Unterrichtsstunden am Grimmauldplatz.
Hermine lachte: „Ja, also, jetzt hat er ja auch kein Schlangenmonster mehr an seiner Seite, welches ihm irgendwelche Befehle erteilt, oder?“
„Er hat mich gefragt, ob ich Mathe unterrichten könnte. Einmal. Es war grauenhaft. Er musste übernehmen.”
„Bist du so schlecht?“
„Er scheint das zu denken. Ich hätte gedacht, er würde dich fragen. Er lässt dich gar nichts unterrichten, oder?“
„Nein, er bittet mich lediglich darum ihnen abends etwas vorzulesen. Er ist jeden Abend dabei und beobachtet mich.“
„Ich habe gehört, wie sie sich darüber unterhalten haben. Sie scheinen es zu genießen.“
„Wer liebt denn nicht ein gutes Buch?“
„Sie sagen, dies sei die einzige Zeit am Tag, wo sie Snape sitzen und entspannt sehen. Und er ist wirklich jeden Abend dabei? Er hat sogar aufgehört meinen Unterricht zu überwachen und er denkt, ich sei ein Idiot.“
„Er denkt nicht, dass du ein Idiot bist.“
„Ganz genau.“
„Er besteht auch darauf die Bücher auszusuchen, die ich ihnen vorlese.“ Hermine zuckte mit ihren Schultern. „Er meint, er sorge sich darum, ich würde ihre Köpfe nur mit Schwachsinn füllen.“
„Du? Schwachsinn? Hat er dich jemals kennengelernt?”
*~*~*
Snapes verbesserter Zaubertrank, welchen er recht schnell herstellen konnte, da er jetzt die Kinder für ein paar Stunden in die Obhut von Neville oder Luna oder Harry oder Hermine geben konnte, hatte so gut wie fast alle Albträume gestoppt. Er hatte zunächst gezögert, aus Angst, dass die chemische Abhängigkeit nicht die Lösung war, aber dann hatte er es letzten Endes hingenommen. Luna vermutete, es war, weil er selbst so wenig Schlaf bekam und am Ende seiner Kräfte war.
Er bemühte sich sehr allen zu versichern, dass es nur eine vorübergehende Maßnahme war.
Ohne die Albträume waren die Kinder ausgeruhter und beteiligten sich aufgeschlossener. Als Luna mit ihrer Therapie begann, besonders ihre Maltherapie, bemerkte sie, wie alle Kinder nebeneinander saßen, aber nicht wirklich miteinander redeten. Sie interagierten auf jeden Fall, schlossen sich zusammen, wenn sie verängstigt waren, aber darüber hinaus, wenn es nicht gerade einen Aufruhr gab, hielten sie sich isoliert. Jetzt jedoch… reichten sie sich gegenseitig Malutensilien und erklärten sich gelegentlich ihre eigenen Zeichnungen.
Luna wusste das wirklich große Problem war, dass die Kinder außerstande waren untereinander Kontakte zu knüpfen. Mit Ausnahme der Geschwisterkinder, die regelmäßig miteinander interagierten, zogen sich die anderen zurück, und obwohl sie sich in einer großen Gruppe befanden, lebten sie abgeschirmt vor sich her.
Das Ende der Albträume bedeutete auch ein Ende der Paranoia in der Dunkelheit, was wiederum eine Gelegenheit war aus der Einsamkeit zu flüchten. Irgendwann begannen sie auch im wachen Zustand, den jeweils anderen aufzusuchen. Sie wollten miteinander reden, zumindest etwas. Das zeigte Luna, es gab einen Fortschritt. Sie suchten Trost von anderen Menschen, anstatt ihre Ängste und Schmerzen in sich hineinzufressen, und ließen ihren Träumen freien Lauf. Die Zeichnungen waren noch immer erschreckend und herzzerbrechend und die Kinder sozialisierten sich keinesfalls normal, aber es war ein Anfang.
*~*~*
„Wissen Sie, Severus“, sagte Potter. „Sie sehen wirklich besser aus – die Kinder, meine ich.“
„Es sind die Kochkünste der verfluchten Hauselfe“, erwiderte Severus knapp. Warum zum Teufel betrieb er gerade mit Potter Small Talk?
Weil du ganz und gar die Kontrolle über dein eigenes Leben verloren hast, erklärte ihm die Stimme.
„Es macht schon einen Unterschied, nicht? Wenn man versorgt wird.“
„Sie bekommen endlich regelmäßiges Essen“, erläuterte er und hasste sich dafür in eine Unterhaltung gezogen zu werden. „Und dank des abgeänderten Zaubertrankes schlafen sie jetzt mehr. Es macht alles einen Unterschied. Glastonbury konnte nie genug Geld erübrigen, als für Haferschleim. Sie waren unterernährt. Es war hundertprozentig Dickensisch.“
„Hundertprozentig was?“
„Dicken – halb so wild.“
*~*~*
„Sie wollen sie mit in den… Zoo nehmen?“, fragte Severus sehr langsam mit seiner besten ‚Du-bist-ein-Idiot‘-Stimme, die er nur für die langsamsten Schüler in seiner Klasse reserviert hielt.
Lovegood nickte. „Der kleinere, magische Zoo in Kew natürlich und nicht der große der Muggel. Sie sind jetzt schon gesünder, sowohl psychologisch als auch körperlich und ich denke, Sozialisierung außerhalb unter anderen Menschen wird ihn sicherlich gut tun. In einer kontrollierten Umgebung interagieren sie miteinander. Ich würde gerne sehen, wie sie sich in einer fremden Umgebung verhalten. Irgendwann müssen sie auch mal das Haus verlassen, wissen Sie.“
„Ich kann keinen ganzen Tag im Zoo verbringen. Ich habe hier zu viel Arbeit.“
„Müssen Sie auch nicht – Neville und ich werden sie mitnehmen.“
Severus zögerte. Die Kinder in die Obhut von Lovegood und Longbottom übergeben. Nur Lovegood und Longbottom?
„Vertrauen Sie meinem Urteilsvermögen nicht?“
Severus verschonte sie mit einem Blick.
„Sie werden damit umgehen können, da bin ich mir ganz sicher. Die Maltherapie hat Wunder an ihnen vollbracht. Haben Sie denn gar nicht bemerkt, dass einige von ihnen gar nicht mehr den Zaubertrank brauchen und trotzdem keine Albträume mehr haben? Und dass sie mehr essen? Und manchmal verhalten sie sich sogar wie ganz normale Kinder – sie lächeln und lachen und spielen miteinander, anstatt nur nebeneinanderzusitzen?“
Severus wollte sich wirklich nicht eingestehen, dass Luna Lovegood auch nur mit irgendwas recht hatte.
„Ich verspreche, ich werde auch nicht mehr über irgendwelche Schnarchkackler reden.“
„Genießen Sie den Zoo, Miss Lovegood.“
*~*~*
Die Kinder saßen alle über ihre Pergamentrollen gebeugt, zeichneten die Vorlagen nach und übten ihr ganz eigenes zusammenhängendes Schreiben. Kleine Zungenspitzen ragten in voller Konzentration aus ihren Mundwinkeln, als sie versuchten mit der Feder umzugehen, welche um einiges schwieriger mit ihren kleinen Fingern zu handhaben war, als die Muggel-Stifte. Longbottom ging durch die Reihen, schenkte ihnen aufmunternde Worte oder hielt inne, um ihnen bei ihrer Technik zu helfen. Er würde der gesamten Klasse die Buchstaben natürlich in einem Gryffindorrot zeigen, damit sie auch von jedem gesehen werden konnten, sein Zauberstab sauste dabei schwungvoll durch die Luft.
Severus lächelte leicht. Er war vielleicht absolut hoffnungslos, wenn es um Zaubertränke ging, aber Longbottom hatte eine schöne Handschrift. Eine schöne Handschrift war das einzige Hindernis gewesen, welches zwischen Longbottom und einen dauerhaften T in seinem Unterricht gestanden hatte.
Nicht dass Severus ihm das jemals sagen würde. Seine Bitte hatte eher folgendermaßen geklungen: „Longbottom, Ihre lächerliche, unmännliche Handschrift muss in dieser Welt doch zumindest für etwas zu gebrauchen sein. Und da Sie in der Mathematik hoffnungslos versagen, kann man Sie ja vielleicht doch noch zu etwas Sinnvollen einsetzen.“
*~*~*
Granger,
besteht der Hauch einer Chance, dass Sie auch mal weniger fantasiereiche Texte aussuchen, die eventuell zutreffender für ihr Leben und ihre praktische Zukunft sein werden?
SS
*~*~*
Severus,
diese Kinder wachsen in einer Welt voller Einhörner und Heinzelmännchen und Geistern und Magie und Greifen und Hippogreifen auf , und Sie sorgen sich darum, dass Geschichten wie Peter Pan und Das Dschungelbuch und Die Braut des Prinzen zu fantasievoll für sie sein könnten?
Haben Sie das auch geschrieben ohne ein Miene dabei zu verziehen?
Mit anderen Worten, auf keinen Fall, Professor. Wenn Sie ihnen Texte aus Zaubertränkebüchern vorlesen wollen, dann müssen Sie das schon in Ihrer Freizeit tun. Bis heute Abend.
Hermine
*~*~*
Granger,
ich freue mich schon drauf.
SS
Zu seinem eigenen Leidwesen, bemerkte er, dass er das wirklich tat.
*~*~*
Worte des Autors:
Ungefähr drei Monate verstreichen in diesem Kapitel.
Severus sucht sich Den Kleinen Prinzen (Le Petit Prince) von Antoine de Saint-Exupery aus, eine Geschichte über Liebe und Einsamkeit, aus der folgender, wundervoller Satz stammt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“ Es scheint eine Geschichte zu sein, zu der sich Severus sowohl als Kind, als auch als Erwachsener hingezogen fühlt .
Anmerkung Übersetzerin: Kew ist der Botanische Garten in London und gehört zum UNESCO Weltkulturerbe.
Als nächstes: Ein Schrei, eine Unterhaltung und was eigentlich “Just to Be” bedeutet.
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Samstag, 01.07.
Freitag, 02.06.
Mittwoch, 24.05.
Ich glaube Daniel Radcliffe, Rupert Grint und Emma Watson lieferten alle drei ihre bisher beste Darstellung.
Joanne K. Rowling über den dritten Harry-Potter-Film