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Just to be - Straßenratte

von Xaveria

*~* Straßenratte *~*



„Du siehst müde aus, Mann“, sagte Harry.

Ron Weasley zuckte lediglich mit seinen Schultern. „Mum geht’s im Moment nicht sonderlich gut. Das heißt, schlechter als gewöhnlich. Weihnachten ist generell recht schwierig für sie, aber dieses Jahr war es schlimmer.“

Harry nickte. Sie saßen am Neujahrsmorgen, einem Samstag, in Harrys Küche. Er und Ginny und James hatten den ersten Weihnachtstag im Fuchsbau verbracht, aber Molly war nirgends zu sehen gewesen. Ginny begann, sich Sorgen zu machen.

„Gibt es irgendwas…?“

Ron schüttelte seinen Kopf. „Nichts, es sei denn, du kannst uns sieben Jahre zurückbringen und meinen Bruder aus dem Kampf fernhalten, den Rest von uns vor dem Krieg bewahren, sie mit eingeschlossen.“

„Als ob sie nicht gekämpft hätte“, sagte Harry.

„Ich weiß. Sie kann sich kaum für das, was sie getan hatte, vergeben und doch könnte sie sich niemals dafür vergeben, wenn sie es nicht getan hätte.“ Ron verwies auf den Todesfluch, den Molly während des Kampfes auf Bellatrix abgefeuert hatte. So hart und mutig und wild Molly Weasley auch war, wenn eines ihrer Kinder bedroht wurde, war sie bereit ein Leben zu nehmen und das beeinflusste einen Menschen. Der Makel des Avada Kedavra gekoppelt damit, ein Kind zu verlieren und beinahe auch das Zweite verloren zu haben, war mehr als der durchschnittliche Zauberer oder Hexe unbeschadet überstehen konnte.

„Ginny will helfen, Ron, aber jedes Mal, wenn sie es versucht, schließt ihre Mutter sie aus.“

Ein weiteres Schulterzucken. „Ich habe versucht die Sache zu verheimlichen, die ihr beide, du und Hermine, hier macht, aber sie wollte unbedingt wissen, warum du die Auroren-Abteilung verlassen hast und was du jetzt stattdessen machst. Als sie gehört hatte, was es war… für deren Kinder… ich denke, da ist sie ausgerastet.“

Harry wandte seinen Blick ab. Zu denken, dass er eine Teilschuld trug, was mit ihr…

„Hör auf damit, Mann“, unterbrach Ron ihn bestimmt. „Du hast nichts falsch gemacht.“

Er schüttelte seinen Kopf. „Deine Mum ist jemand, die für mich mehr eine Mutter war als jeder andere, Ron. Gibt es denn gar nichts, was wir tun können?“

Jetzt war Ron an der Reihe mit dem Kopf zu schütteln. „Kümmere dich um meine Schwester. Das ist das Beste, was du tun kannst.“


*~*~*~*~*



Severus hatte ihr gedroht, sie zu verfluchen sollte sie seinen Geburtstag auch nur in jeglicher Weise anerkennen, aber Hermine ließ es darauf ankommen und wagte einen Abstecher zu Flourish und Blotts. Sie fand, was sie haben wollte, kaufte es und verkleinerte es dann, damit es in ihre Tasche passte.

Sie hatte zunächst noch mit dem Gedanken gespielt in die Nokturngasse zu verschwinden, um die Mädchen zu besuchen, aber das Blitzlicht eines Fotografen, als sie den Bücherladen verließ, traf dort an Ort und Stelle die Entscheidung für sie. Severus hatte ihr gesagt, dass sie nicht in die Nähe seiner Abgänger gehen sollte und jetzt wurde sie grob daran erinnert, warum er das von ihr verlangte. Wenn man sie in der Nokturngasse sah, ganz besonders dort, würde es nur Aufmerksamkeit erregen, die sie nicht haben wollte. Sie starrte den Fotografen finster an, welcher einfach nur grinste, winkte und dann disapparierte. Sie wandte sich schnell ab, um zum Tropfenden Kessel zurückzukehren, damit sie durch das Flohnetzwerk zum Grimmauldplatz reisen konnte.

Hermine war schon halb dort, als sie über etwas auf der Straße stolperte, was wie dreckige Lumpen aussah.

Es war ein Mann, wie Hermine erkannte und für einen flüchtigen Moment dachte sie, es sei Mundungus Fletcher, aber bei näherer Betrachtung war es jemand Größeres, Dünneres und viel Jüngeres. Der Mann setzte sich fluchend auf. Sie konnte den Alkohol in seinem Atem riechen. Sein weißblondes Haar war länger und strähniger als sie es jemals gesehen hatte. Sein Gesicht war eingefallen und seine Augen blutunterlaufen. Seine Haut fast genauso grau wie seine Augen. Sie schnappte nach Luft, als sie den Mann erkannte und er wurde ganz still und starrte sie an.

„Malfoy?“, schaffte Hermine schließlich zu fragen.

Draco Malfoy zuckte zusammen. Offensichtlich hatte sie seinen Namen zu laut ausgesprochen und er wollte keine Aufmerksamkeit erregen. Ganz abgesehen davon, dass er auf der belebtesten Straße in ganz Zauberengland schlief und das noch an einem Samstagmorgen. Vielleicht hatte er ja dort auch sein Bewusstsein verloren. Wenn man die Menge an Alkohol bedachte, die sie gerochen hatte, lag es durchaus im Rahmen der Möglichkeiten.

Die Malfoy-Familie war nach dem Krieg schnell und hart gefallen. Narzissas Lüge im letzten Moment dem Dunklen Lord gegenüber hatten sie vielleicht offiziell gerettet, aber ein Großteil der Zauberwelt hielt sie dennoch für schuldig, etwas, dem Hermine einmal zugestimmt hatte. Sie wurde fast zu Tode im Malfoy Manor gefoltert und keiner der Malfoys hatte etwas unternommen, um es aufzuhalten oder zumindest die Folter zu mindern. Im Grunde schienen sie es voll und ganz zu unterstützen. Harry sagte, Draco hatte versucht ihnen zu helfen, indem er sich geweigert hatte, Harry zu identifizieren. Hermine vermutete, er hätte Harry augenblicklich erkennen können und dann hätte Lucius den Dunklen Lord gerufen und alles hätte dort geendet – für sie, dem Orden und die Zauberwelt. Malfoys Expelliarmus hatte ihm die Herrschaft über den Elder-Zauberstab gebracht und somit konnte Harry ihn im entscheidenden Moment meistern.

Im Grunde, vermutete sie, schuldeten sie Draco Malfoy weitaus mehr als sie jemals zugeben würden. Und hier war er jetzt auf der Straße.

„Malfoy?“, wiederholte sie ihre Frage, aber Draco machte nichts anderes als mit einem spöttischen Lächeln zu bedenken. „Malfoy, was ist mit dir passiert?“

Draco schnaubte. „Was mit mir passiert ist? Du und deine Freunde, Granger.” Zumindest betitelte er sie nicht als Schlammblut; das war schon mal ein Fortschritt. Sie hoffte, die Zeit für solche Beleidigungen war endlich vorbei, auch wenn sie nicht erwartete, dass lang gehaltene Vorurteile über Nacht verschwanden. Vermutlich musste ihre Generation erst vollkommen verschwunden sein, bevor sie wirklich überwunden worden waren.

„Ich helfe dir nach Hause zu kommen “, begann Hermine vorsichtig.

„Du kannst deinen buschigen Kopf und deinen lächerlichen Überbiss nehmen und dahin verschwinden, wo du hergekommen bist“, spuckte er. Er kämpfte sich auf seine Füße und taumelte davon. „Lass mich verdammt noch mal einfach nur in Ruhe.“

Hermine fragte sich, ob er kein Zuhause hatte, wo er hingehen konnte. Vor einigen Jahren hatte das Ministerium das Manor niedergerissen, um zu verhindern, dass jemand einen Schrein entweder für Voldemort oder den Todesser aufbauen würde und der Rest des Anwesens wurde konfisziert, um für die Aufbauarbeiten zu bezahlen. Vielleicht hatten sie nachdem einfach keinen anderen Platz mehr.

„Draco“, rief ihm Hermine vorsichtig nach. Er ging weiter, also seufzte sie und folgte ihm. Sie wusste nicht, warum sie es tat. Nach Jahren des gemeinsamen Hasses sollte sie eigentlich in Schadenfreude schwelgen und nichts für ihn tun. Dennoch dachte sie an das, was er für sie getan hatte. Er hatte vielleicht nicht allzu viel und allzu Offensichtliches für sie getan, aber was er getan hatte, hatte gereicht. Sie dachte an Severus‘ Abgänger, viele von ihnen schienen fast genauso zu leben. Sie könnte weiterhin einen Groll hegen, aber dann wäre sie auch nicht anders als die, die die Kinder verachteten. Die Kinder, für die sie jetzt alles nur Mögliche tun würde. Sie konnte ihn nicht einfach gehen lassen.

„Draco“, wiederholte sie leise, als sie ihn eingeholt hatte und nach seinem Arm griff. „Du brauchst Hilfe. Lass mich dir helfen. Bitte.”

„Ich bin keine verdammte Hauselfe“, spuckte er und riss seinen Arm aus ihrem Griff.

Hermine seufzte. Sie war immerhin ein Teil des Goldenen Trios gewesen, sie hielt derzeit in Hogwarts tausendjähriger Geschichte den besten Notendurchschnitt und ganz zu schweigen von ihrem Einfluss in Voldemorts Niedergang, gleich hinter Harry, Dumbledore und Severus, aber all dies war ja vollkommen egal. Wenn sie mal starb, dann würde ihre Grabinschrift wie folgt lauten: Hier liegt Hermine Granger, Helferin der Hauselfen. Oh, was soll’s, es gab schlimmere Dinge, für die man in Erinnerung blieb.

„Ich weiß das, aber bitte, lass mich dir helfen.“

„Ich brauche weder deine Hilfe noch deine Zeit und schon gar nicht brauche ich dein Mitleid, Granger!“, schrie er beinahe. Draco hatte offenbar seinen Stolz noch nicht verloren und sie erkannte, es schmerzte ihn von ihr erkannt zu werden. Es war offensichtlich nicht seine Absicht gewesen über Nacht in der Winkelgasse zu bleiben und er wollte nur noch fort von hier.

Also, wenn er schon nicht das tat, was das Beste für ihn war, dann würde sie es für ihn machen. Sie schnappte sich seinen Arm, diesmal um einiges fester, dachte an die oberste Stufe vom Grimmauldplatz und disapparierte ihn genau dorthin. Severus hatte sie für Notfälle als Geheimniswahrerin zum Fildelius-Zauber hinzugefügt, oder wie er gesagt hatte: „Für den Falle meines Todes.“ Sie hoffte nur, er würde nicht allzu wütend werden. Sie wusste, er hatte schon immer eine Schwäche für den Jungen gehabt, dass sein Beschützerinstinkt ihm gegenüber nicht nur alleinig ein Nebenprodukt seiner Arbeit als Spion und seinem Zwang, die Kinder der Todesser zu bevorzugen, war. Sie erwartete nicht von ihm, es zuzugeben, aber sie vermutete, er war vielleicht dankbar, dass sie ihn gefunden und in Sicherheit gebracht hatte.

„Was in Merlins Namen fällt dir eigentlich ein?“, zischte Draco wütend. „Lass mich los. Du hast kein Recht mich irgendwohin zu apparieren!“

„Malfoy, halt die Klappe und komm mit rein“, zischte sie ebenfalls. Wenn er ihr gegenüber unbedingt ein Arsch sein wollte, dann konnte sie es ihm auch gleichtun.

Sie öffnete die Tür, um Harry am Kamin sitzen zu sehen, wie er dort auf ein Stück Pergament schrieb. Unterrichtspläne, wenn sie raten sollte. Sie hatte ihn so lange genervt, bis er eingewilligt hatte, zumindest für seinen Matheunterricht die Pläne im Vorfeld zu erstellen. Da sie diejenige war, die ihnen das Schreiben beibrachte, hatte sie immer ihre Stunden mindestens eine Woche im Voraus geplant, damit sie ihren Unterricht an ihren Fortschritt anpassen konnte. Es freute sie zu sehen, dass jetzt auch Harry ihren Rat angenommen hatte. Er blickte zu ihr auf, lächelte grüßend und wandte sich wieder seinem Pergament zu. Nur eine Sekunde später schoss sein Kopf wieder nach oben, um ein zweites Mal hinzuschauen und starrte den Mann an, dessen Arm sie fest umklammerte. Auf seinem Gesicht erkannte sie Schock, als er aufstand und das Pergament achtlos zu Boden fiel.

„Hermine, was ist passiert?“, fragte er mit besorgter Stimme und einem passenden Blick dazu. Er musste denken, Draco hatte sie irgendwie gefangen genommen und ihr etwas angetan. Er trat schnell vor.

„Wo ist Severus?“, fragte sie und versuchte ihn mit ihrer Stimme und Körpersprache davon zu überzeugen, dass es alleine ihre Idee gewesen war. Aber wie Severus sich nur allzu oft beklagte, war eine gewisse Feinfühligkeit nicht unbedingt Harrys Spezialität.

„Oben“, antwortete Harry. Er machte keinerlei Anstalten sich zu bewegen oder Draco aus den Augen zu lassen.

„Sei doch ein Schatz und hole ihn für mich?“, fragte sie süß. Er verengte seine Augen zu Schlitzen. „Bitte?“

Harry betrachtete sie misstrauisch und sie nickte ihm zu, um ihn zu vergewissern, dass es ihr wirklich gut ging. Ernsthaft, Harry sollte wissen, wäre Draco hier ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis aufgetaucht, hätte Severus‘ Fidelius-Zauber Draco bereits quer durch ganz London geschmissen. Sie seufzte.

Harry versuchte gelassen zu wirken, aber seine eiligen (und lauten) Schritte die Treppe hinauf verrieten ihn. Keine dreißig Sekunden später rannte er, dicht gefolgt von Severus und gezogenen Zauberstab die Stufen wieder hinunter.

„Was ist passiert?“, fragte Severus mit einem harten Blick. „Was ist dieser Notfall?“

Hermine verdrehte ihre Augen, während Harry auf Draco zeigte. „Er ist es.“

„Und?“, verlangte Severus ungeduldig zu wissen.

Harry zeigte wieder, diesmal mit mehr Nachdruck, auf Draco. Severus senkte seinen Zauberstab.

„Potter“, sagte er wütend, „Sie haben mich hier runter geschleift und dieser Notfall ist die Anwesenheit von Draco Malfoy?“

Harry nickte, da es für ihn mehr als offensichtlich war.

„Nach oben, Potter“, sagte Severus in seiner gefährlichsten Professor Snape Stimme.

„Warum bin ich denn jetzt wieder Pot-“

„Nach oben!“, schnappte Severus. Sein Ton ließ Harry vorübergehend vergessen, dass er im Grunde der Besitzer von der Hausnummer Zwölf war. Harry gehorchte, warf einen letzten Blick auf die drei Personen im Foyer und verschwand dann. Er hielt auf der ersten Etage an, schielte über die Brüstung, um alles zu beobachten.

Severus schwieg, als er Draco Malfoy betrachtete. Er musste zugeben, er war nicht sonderlich überrascht ihn in solch einer Verfassung zu sehen, aber er müsste lügen, wenn seine Anwesenheit hier am Grimmauldplatz ihn nicht schockieren würde. Dann auch wieder, mit Hermines Hand fest um seinen Arm gelegt und ihren flehenden Blick, war es vielleicht doch nicht allzu überraschend. Vermutlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch ihn retten wollte.

Was könnte er dem Jungen sagen? Da gab es nichts zu sagen. Draco weigerte sich den Blick seines ehemaligen Hauslehrers zu treffen und starrte beharrlich auf den Boden. Er war mittellos und lebte vermutlich auf der Straße. Wenn das, was Severus gehört hatte, stimmte, dann hatte sich Lucius vor Jahren zu Tode getrunken und kurz darauf hatte Narzissa Selbstmord begangen. Severus und Hermine selbst waren maßgeblich am Fall der Malfoys beteiligt gewesen. Was konnte man in solch einer Situation schon sagen?

Hermine, wie immer, fand Worte, wenn kein anderer dazu imstande war.

„Wir können dir helfen“, bot sie ihm an.

Blassgraue Augen trafen braune, als er sie nur spöttisch angrinste. „Granger, ich will deine Hilfe nicht. Und jetzt nimm endlich deine dreckigen Gryffindor-Hände von mir. Ich verschwinde.“ Er würdigte Severus keines einzigen Blickes, als er seinen Arm aus Hermines Griff riss, durch die Tür stürmte und disapparierte.

Keine zwei Sekunden später befand sich Severus’ Gesicht nur wenige Zentimeter von Hermines entfernt und er umklammerte fest ihre Schultern. „Was zum Teufel hast du dir nur dabei gedacht?“

„Ich-“

„Du hast einen Fremden in dieses Haus gebracht, in den Schutz des Fidelius-Zaubers, ohne mich vorher zu warnen oder mich zu fragen oder irgendwem von deinem Vorhaben zu erzählen. Hast du jetzt komplett deinen Verstand verloren?“

Harry, der das Geschehen von oben beobachtete, konnte nicht unbedingt Severus Ausdrucksweise oder Methode zustimmen, aber er war absolut seiner Meinung. Obwohl er wusste, dass Draco nicht mehr als nur ein Schatten seiner selbst war, war er dennoch ein Malfoy und er vertraute ihm nicht.

„Rede nicht so mit mir“, warnte Hermine ihn. „Ich war nicht leichtsinnig. Er stellte weder für mich noch für irgendjemand eine Gefahr dar-”

„Das weißt du nicht mit Sicherheit!“, loderte Snape.

„Du denkst, ich bin nicht in der Lage eine Gefahr oder die Persönlichkeit einer Person einzuschätzen? Auch ich habe diesen Krieg durchlebt Severus.“

„Er mag vielleicht für dich keine Gefahr darstellen, aber hast du nur den Hauch einer Ahnung, was sein plötzliches Auftauchen ihnen angetan hätte?“

„Er ist ein Kriegswaise, wie Harry, wie ich und genau wie du.“ Sie betonte bewusst das letzte Wort.

Er schwankte einen Moment und trat einen Schritt zurück, seine Hände umklammerten noch immer Hermines Schultern. „Was hast du gesagt?“

„Draco Malfoy hat aufgrund des Krieges seine Eltern verloren, genau wie auch alle anderen in diesem Haus.“

„Du weißt ganz genau, was ich meine.“

Harry überlegte wieder nach unten zu gehen, aber entschied sich dann dagegen.

Severus ließ von ihr ab und entfernte sich von ihr. „Du redest von Dingen, die du nicht verstehst“, sagte er mit einer äußerst kontrollierten Stimme. Es war offensichtlich, es kostete ihn sämtliche Selbstkontrolle, damit er sie nicht anschrie. Severus Snape schrie nicht, nicht, wenn er es nicht verhindern konnte. Gefährliche Dinge passierten, wenn er schrie. Er durfte es nicht vor Hermine tun. Anstatt das Schicksal herauszufordern, drehte er sich schlichtweg um und stapfte hinunter in den Keller, wo er dann die Tür hinter sich zuknallte.


*~*~*~*~*



Der Keller hielt in einem anderen Leben Regalreihen über Regalreihen gefüllt mit handgefertigten Elfenwein, eichegereiftes Met, Feuerwhisky und andere Freiheiten. Sirius Blacks monatelanger Hausarrest hatte den Bestand drastisch reduziert, ganz besonders, wenn Remus Lupin ihn für ein paar Monate Gesellschaft geleistet hatte. Jetzt befanden sich dort reihenweise, magisch vergrößerte Brautische, Regale gefüllt mit Kesseln und einigen anderen Ausrüstungen. Es sah beinahe genauso wie sein Zaubertränkeklassenraum in Hogwarts aus – Fackeln an den Wänden, kalte Steinwände, eine kontrollierte Temperatur. Auf gewisse Weise war es fast wie zu Hause.

Es war eine Notwendigkeit in diesem Haus – nicht nur brauchten die Kinder besonders viele medizinische Zaubertränke, das Herstellen dieser Zaubertränke ließ ihn während der stressigsten Phasen nicht seinen Verstand verlieren. Während seiner Zeit in Hogwarts, war er berühmt dafür gewesen, sich jährlich für Verteidigung gegen die dunklen Künste zu bewerben, aber nur wenige wussten, Zaubertränke war schon immer sein Steckenpferd gewesen. Er verband diese Kunst mit den wichtigsten Personen in seinen Leben: Seine Mutter war begnadet in diesem Fach gewesen, es war das Fach, in welchem er und Lily glänzten und es war das Fach, in welchem er zu allererst Hermine kennengelernt hatte, wenn auch sie damals noch ein Kind und er ihr Lehrer gewesen war. Zaubertränke verlangte Konzentration, einen kühlen Kopf, und insbesondere Präzision. Severus fand seinen Frieden in der Präzision, das war schon immer der Fall gewesen. Bei den Zaubertränken konnte er auf Autopilot umschalten und seinen Kopf von allen Dingen auslüften und einfach nur klein schneiden, umrühren und reiben. Das Labor hier im Keller half ihm dabei ruhig zu bleiben und der Vorrat für die Kinder blieb aufgefüllt, selbst wenn Severus sich manchmal fragte, wie lange er es noch schaffen würde, sie alle selbst herzustellen. Er schätzte, er könnte Hermine um Hilfe bitten, aber er hatte bereits so viele seiner Verantwortungen an sie und ihre Freunde übertragen, da wollte er das hier für sich behalten. Er betrachtete Hilfe als ein Zeichen von Schwäche und er mochte es nicht, sich schwach zu fühlen. Besonders dann nicht, wenn es um Zaubertränke ging.

Er hatte die Tür nicht verriegelt, da er, sollte es einen Notfall mit den Kindern geben, innerhalb von Sekunden das Labor verlassen musste und er vertraute darauf, dass Hermine ihn bereits gut genug kannte, um zu wissen, dass er seine Ruhe haben wollte. Ihm war klar, sie wusste dies wahrscheinlich. Zu seinem Leidwesen schien es sie nicht zu kümmern, da er sie die Stufen hinunterstampfen hörte.

Als er sie eintreten hörte, drehte er sich nicht um. Er wartete darauf, dass sie etwas sagte, etwas tat, vorzugsweise einfach nur verschwand. Severus war sehr gut darin zu warten, sogar auf das Unmögliche.

„Es war falsch von mir deine Eltern zu erwähnen“, flüsterte sie hinter ihm. Von der Lautstärke ihrer Stimme wusste er, sie hatte nicht weiter den Raum betreten. Da sie sein Schweigen als Aufforderung weiterzusprechen auffasste, fuhr sie fort: „Andromeda hat es mir erzählt. Es tut mir so leid, ich weiß, du hättest es mir erzählt, wenn du gewollt hättest, dass ich es wissen sollte. Aber jetzt weiß ich es und ich wollte nur… es tut mir so leid.“

Er wusste nicht, ob sie sich dafür entschuldigte es zu wissen oder es angesprochen zu haben oder dass es überhaupt passiert war. Wie er sie kannte, vermutlich für alles zusammen.

„Du hattest recht, es war leichtsinnig von mir Malfoy mitzubringen“, machte sie weiter. „Ich hatte gedacht, er würde keine Bedrohung darstellen. Er ist so zerbrochen und so alleine und er erinnerte mit an deine Abgänger und so wollte ich auch ihn retten.“ Sie riskierte einen weiteren Schritt auf ihn zu. Wenn er sie verfluchen wollte, dann hätte er es bereits getan und selbst dann wusste sie, würde er niemanden, den er liebte, verfluchen. „Ich schätze, es stimmt, was du sagst – ich bin süchtig danach erbärmliche Dinge zu retten.“

Er hatte das mal vor Monaten zu ihr gesagt, scherzend, während sie in den frühen Morgenstunden im Bett gelegen hatten. Er hatte es auf sich selbst bezogen. Da sie ihn gerettet hatte, beinahe genauso, wie die Kinder ihn gerettet hatten.

Indem er sich um sie kümmerte, kümmerte er sich um sich selbst. Indem sie ihm dabei half, sich um sie zu kümmern, sorgte sie sich um ihn.

„Ich denke, ich war einfach nur etwas geschockt“, sagte sie. „Ich meine, du schienst gar nicht besorgt zu sein, ihn zu sehen. Du hast Harry weggeschickt und deinen Zauberstab gesenkt. Ich dachte, gerade du würdest verstehen, dass er nicht sein Vater ist und genau wie die Kinder hier, auch jemand braucht, der auf ihn aufpasst.“

Er hörte einen weiteren Schritt in seine Richtung. So gerne er sie auch ignorieren würde, sich wünschte, sie würde verschwinden, einfach nur vorgeben, all dies wäre nie geschehen, so wusste er auch, sie würde keine Ruhe geben, bis sie das nicht bis ins kleinste Detail diskutiert hatten. Darüber hinaus schuldete er ihr eine Erklärung. Er hatte ruhig, gelassen und gesammelt reagiert als er zum ersten Mal wieder Draco gesehen hatte, aber in der Sekunde, in der er das Haus verlassen hatte, war er explodiert. So sehr er auch dachte, dass ihr Verhalten leichtsinnig und potenziell gefährlich war, verstand er auch, sie hatte es nur gut gemeint. Und er wusste besser als jeder andere, mit was der Weg zur Hölle gepflastert war.

Mit einem Seufzen drehte er sich zu ihr um und traf ihren Blick. Er zwang sich dazu seine Stimme ruhig und kontrolliert klingen zu lassen, als er das Wort ergriff.

„Wie viel Kontakt hattest du seit dem Krieg mit Malfoy?“

Bei dieser Frage sah sie ihn verwirrt an.

„Wie oft hast du seit dem Ende des Krieges Malfoy gesehen?“

„Ich… habe ich nicht.“

Er nickte. Diese Antwort hatte er erwartet. „Was weißt du von Malfoys Leben vor und während des Krieges? Wer waren seine Freunde? Wie war sein Leben? Wie war seine Beziehung zu seinen Eltern? Mit den Freunden seiner Eltern?”

„Ich--“

„Und bevor du die Fragen beantwortest“, fuhr er fort. „ich meine, was weißt du mit Sicherheit und nicht, was du vermutest, aufgrund deiner Erfahrung mit ihm in der Schule, wo ihr in zwei sich bekriegenden Häusern wart und beide einen anderen Hintergrund gehabt hattet.“

„Ich-“

„Was weißt du von der Malfoy-Familie?“, drängte er weiter. „Und nicht das, was du im Propheten gelesen oder von anderen Leuten gehört hast, die jeden Grund hatten der Familie Schaden zuzufügen?“

„Ich-“

„Und zugute Letzt“, forcierte Severus, „was weißt du von den wahren Motiven eines jeden im Krieg? Ihren Vorurteilen? Ihren Beweggründen? Du kennst vielleicht deine Freunde, aber was ist mit all den anderen? Was würde Minerva McGonagall von deinem kleinen Projekt hier halten? Molly Weasley? Weißt du, wenn überhaupt, welche Vorurteile sie in ihren Herzen gegenüber den Kindern von Todessern tragen? Würde Molly Weasly genauso warm und offen gegenüber einer verzweifelten Valentina Rookwood in einem Bordell sein? Sehr wohl wissend, dass ihr Sohn durch die Hand ihres Vaters gestorben ist? Du weißt, auch sie kann töten; sie war diejenige, die Bellatrix Lestrange getötet hat, um Ginevra zu beschützen. Kannst du dir wirklich sicher sein, dass sie ihnen keinen Schaden zufügen würde?“

„Molly würde niemals-“

„Du bist viel zu vertrauensselig!“, spukte Severus. „Du gehst das viel zu sehr wie eine Gryffindor an.“

Hermine seufzte. „Musst du denn in alles die Politiken der Häuser mit einbeziehen? Wir sind nicht mehr in der Schule. Ich verstehe nicht, wie es jetzt noch von Bedeutung sein kann.“

„So ist es aber! Es ist eine praktische und einfache Art die wahre Natur von Menschen einzuordnen und es ist ein System, mit welchem wir beide vertraut sind. Und nach ungefähr zwanzig Jahren als Hauslehrer kann ich nicht anders, als die Zauberwelt durch solche Prismen zu betrachten. Diese Ansicht hat mir sowohl als Lehrer, als auch als Spion immer gute Dienste geleistet und ich werde jetzt nicht damit aufhören.

„Aber jetzt wieder zurück zum eigentlichen Thema, ich spreche deine Gryffindor-Tendenz aus einem bestimmten Grund an. Gryffindors müssen, sie müssen es einfach, immer das Beste in jedem sehen. Sie sind unnachgiebig nobel und besitzen den Zwang alles, was sich aus ihrer Sicht in Not befindet, retten zu wollen. Sie vermuten immer gleich, dass jemand, der einigermaßen normal erscheint oder es auf den ersten Blick tun würde, der einen ähnlichen Umstand, wie den ihren aufweist, gleich auch ihre Ansichten und Meinungen teilen und sich dementsprechend verhalten würde. Und indem sie das tun, verraten sie lebensnotwendige Informationen.

„Slytherins auf der anderen Seite, halten sich zurück. Sie untersuchen die Situation aus allen Blickwinkeln. Sie berücksichtigen die Motivationen und Neigungen aller Beteiligten, eingeschlossen diejenigen, die ihnen am nächsten stehen. Weniger als das würde nur dazu führen, sich selbst bloßzustellen und sich in die Hand der anderen zu begegeben und ein Slytherins würde verdammt noch mal sichergehen, dass so gut wie jegliches Risiko ausgeschlossen ist, bevor sie ihren Zug setzen.

„Ich habe jeden Einzelnen von euch durchleuchtet, bevor ich euch in die Nähe der Kinder gelassen habe, Hermine. Ich weiß, ich habe dir gesagt, ich würde niemals ohne deine Erlaubnis in deinen Kopf eindringen und dieses Versprechen werde ich auch weiterhin einhalten. Jedoch habe ich sowohl an dir und an Harry und Luna und Longbottom Legilimentik ausgeübt. An jeden Einzelnen von euch. Ich werde mich für nichts entschuldigen und ich würde es sofort wieder tun. Das Risiko es nicht zu tun, ist einfach viel zu groß.

„Du hast, aufgrund seiner Handlung und die seiner Eltern während des Krieges, angenommen, er sei auf ‚unserer Seite‘. Du hast es vermutet, weil er mittelos und ein Waise ist und ebenfalls auf der Straße lebt. Daher muss er sowohl deine Hilfe wollen, als auch deine Einstellung den Kindern gegenüber teilen.

„Ist es dir jemals in den Sinn gekommen, dass sie“, er deutete über seinen Kopf, „seine Anwesenheit nicht so gut auffassen? Sich sehr wohl daran erinnernd, dass seine Eltern ihre Freiheit behalten haben, obwohl sie mehr Blut an ihren Händen hatten und einen weitaus höheren Rang innerhalb des Inneren Kreises eingenommen hatten, als irgendeiner ihrer Eltern. Vergiss nicht, viele von ihnen wissen, dass ihre Eltern starben oder hingerichtet wurden oder sogar den Kuss erhalten haben, während seine Eltern weiterhin frei herumlaufen durften. Vergiss nicht, einige unter ihnen sind genauso wütend darüber, wie ein Großteil der Zauberwelt.

„Hermine, du darfst nicht vergessen, es gibt so viel über ihn, das du einfach nicht weißt“, sagte er mit einer gefährlichen Stimme. „Es gibt auch vieles, was ich nicht über ihn weiß. Er hat darauf geachtet mich nicht direkt anzusehen, also konnte ich auch keine Legilimentik an ihm ausüben. Wenn er nicht freiwillig gegangen wäre, dann hätte ich ihn rausgeschmissen und mit einem Vergessenszauber belegt. Es ist einfach viel zu riskant, die in das Haus zu lassen, denen wir nicht vertrauen können. Und wir werden meine Anforderung benutzen, um zu bestimmen, wer vertrauenswürdig ist oder wer nicht, bevor auch nur irgendjemand einen Fuß in dieses Haus setzt.“

Severus‘ Kopf und Herz waren schwer. „Hermine, ich habe dich aus zwei Gründen zu einer weiteren Geheimniswahrerin des Hauses gemacht: Es war nur vernünftig einen weiteren Geheimniswahrer zu haben, sollte mir etwas passieren und weil ich deinem Urteilsvermögen vertraue. Aber nach dem hier… da weiß ich nicht, ob ich es noch tun sollte. Ich möchte es und ich weiß, du hattest keine bösen Absichten, also werde ich es auch nicht ändern. Ich werde dir auch weiterhin vertrauen. Aber du musst verstehen… das kann nicht noch einmal passieren.“

Hermine begann zu schwanken und lehnte sich, um nicht umzufallen, gegen die kalte Steinwand. Sie konnte mit seiner Wut, seinen Beleidigungen und Kommentaren und spöttischen, abschätzigen Bemerkungen umgehen. Aber das hier war Enttäuschung und sie erkannte, Enttäuschung von Severus war etwas, was sie nur schwer ertragen konnte.

„Hermine, du weißt, dass ich dich… was ich für dich empfinde. Es ist echt und ich werde nie in meinen Gefühlen schwanken. Aber ich muss sie“ und er deutete wieder über seinen Kopf, „an die allererste Stelle setzen. Ich muss ihre Sicherheit an oberste Stelle setzen. Sollte diese Beziehung jemals mit ihnen in die Quere kommen, dann werde ich wählen müssen und ich werde mich für sie entscheiden.“

Er trat auf sie zu und zog ihren zitternden Körper in seine Arme. „Bitte, bitte, zwinge mich niemals dazu, mich zu entscheiden.“ Er festigte seine Arme um sie und küsste ihren Kopf. „Versprich mir, mich niemals vor die Wahl zu stellen“, flüsterte er gewürgt.

Sie nickte gegen seine Brust und wurde mit einem weiteren Kuss auf ihren Kopf belohnt.

„Tut mir leid“, wisperte sie. „Ich wollte doch nur helfen.“

„Ich weiß.“

„Und… was ich über deine Eltern gesagt habe…“

Er atmete lange aus. Das war ein Teil seines Lebens, der sowohl wortwörtlich und auch im übertragenen Sinne längst begraben war. Er hatte seinen jährlichen Tag der Trauer zu Weihnachten und hatte sie ansonsten schön ordentlich in seinem Hinterkopf vergraben. Okklumentik war für Severus eine Lebensform. Er wusste keinen andere Art und Weise, wie er damit umgehen sollte. Er konnte das jetzt nicht alles auspacken und er wollte es auch nicht.

„Du musst dich nicht entschuldigen“, flüsterte er ihr zu. „Aber bitte hör auf darüber zu reden. Fürs Erste.“

Sie wusste, was er ihr wirklich sagen wollte und so nickte sie einfach.

Für eine sehr lange Zeit standen sie einfach nur da, hielten sich gegenseitig, keiner in der Lage etwas zu sagen. Letztendlich war es Severus, der sich aus der Umarmung löste. Er musste brauen und sie unterrichten.

Er gab ihr einen Abschiedskuss und versicherte ihr, heute Abend, nachdem sie den Kindern vorgelesen hatte, würden sie etwas mehr Zeit miteinander verbringen. Die Kinder bevorzugten noch immer sie, wenn es um das Vorlesen ging.

„Ich liebe dich“, flüsterte sie, nahm sein Gesicht in beide Hände und starrte ihn an, als ob sie ihre Ehrlichkeit untermauern wollte. Als ob er je an ihnen gezweifelt hätte.

„Ich dich auch“, sagte er. Es fiel ihm noch immer schwer, die Worte laut auszusprechen. Er wusste nicht warum. Sie sagte es täglich und er liebte es zu hören – so sehr, dass er sie darum gebeten hatte, es jeden Tag zu sagen. Aber für ihn, es öfters als nötig Ausdruck zu verleihen… war etwas viel verlangt. Er hatte es ihr einmal gesagt. Sollte sich irgendwas ändern, würde er es sie wissen lassen.

Als sie aus den Keller hinauf zum Dachboden ging, überdachte Hermine noch einmal Severus‘ Warnung. Es war nicht unbedingt ein Ultimatum, welches er ihr da gegeben hatte. Sie wusste von dem Augenblick an, in dem sie in sein Leben zurückgekehrt war, dass die Kinder seine Priorität waren und immer, egal was, an erster Stelle standen und sie hatte nur in ihre Nähe gedurft, weil sie sich ihnen und ihrer Sicherheit und ihrem Wohlbefinden ähnlich verschrieben hatte.

Hermine erkannte, Severus‘ Prioritäten kamen denen eines alleinerziehenden Vaters gleich. Egal, wie sehr er auch von einer Frau fasziniert war, wenn sie nicht gut für seine Kinder war, dann musste sie gehen. Daran zu denken, dass Severus Snape solche Prioritäten hatte, war etwas seltsam, aber zur selben Zeit erfüllte es ihr Herz mit Wärme. Was für ein unglaublich komplexer Mann.


*~*~*~*~*



Als sie die zweite Etage erreichte, traf sie auf Harry, welcher gerade die Treppe hinunter ging. Nachdem Draco verschwunden war, war er zurück auf den Dachboden gegangen, aber als Hermine dann eine ganze Weile nicht aufgetaucht war, musste er es einfach untersuchen. Manche Dinge aus dem Auroren-Training verschwanden nie ganz.

„Wie geht’s ihm?“, fragte Harry ohne Umschweife.

„Gut“, erwiderte Hermine mit einem schwachen Lächeln. Sie hatte das Gefühl, sie würde jetzt ihre zweite Standpauke für den Tag hören. „Er sagte, es sei ein Risiko gewesen, Malfoy hierher zu bringen und er hat mir ein paar Dinge an die Hand gegeben, über die ich vorher nicht nachgedacht hatte. Ich fühle mich jetzt etwas dumm, es überhaupt gemacht zu haben.“

„Ich kann nicht glauben, dass du ihn hierher gebracht hast“, sagte Harry.

„Ich weiß, es war dumm, ich verstehe das jetzt.“

„Warum?“ Er sah sie suchend an. Harry mochte nach dem Krieg vielleicht zu dem Abbild der Vergebung geworden sein, aber etwas an Draco Malfoy ließ all seine Nerven durchbrennen. Selbst total am Boden und von der Welt vergessen, hatte er noch immer das Gefühl, dass Malfoy nichts Gutes im Schilde führte. Es war ungefähr so wie die Beziehung zwischen Severus und Neville – egal, wie viel Zeit auch verstrichen war, egal, wie sehr Neville sich auch bewiesen hatte, Severus würde ihn immer so wie den kleinen Erstklässler aus dem Unterricht behandeln.

Krieg mochte vielleicht alles ändern und doch blieben manche Dinge gleich.

„Ich… wegen unserem Motto, Harry. Was sagen wir immer?“

„Ohne Rücksicht auf die Sünden der Väter.”

„Ganz genau. Ich habe ihn gesehen, Harry, so zerbrochen und ungepflegt und ich dachte… nun, es war impulsiv. Ich verstehe jetzt, dass ich es nicht hätte tun sollen und in Zukunft muss ich daran arbeiten, meine Impulse zu kontrollieren und ich weiß jetzt auch, dass ich nicht vorhersehen könnte, was er vielleicht getan hätte, wenn er von den Kindern wüsste oder sie gesehen hätte oder wie ihre Reaktionen auf ihn gewesen wären.“

Es war ihr wahrhaftig nicht in den Sinn gekommen, dass die Kinder und Malfoy vielleicht eine gemeinsame Geschichte hatten oder dass diese Geschichte nicht unbedingt positiv gewesen war. Es war so typisch von Severus sie erst verstehen zu lassen, wie wenig sie doch wirklich wusste.

„Aber es geht nicht nur darum, wer sein Vater war“, hielt ihr Harry vor Augen. „Lucius Malfoy war ein widerwärtiges menschliches Wesen, welcher als ein gebrochener Mann gestorben ist, aber Draco Malfoy war auch nicht unbedingt ein Heiliger, Hermine. Er ist nicht wie sie.“ Seine Hand fuhr hinauf zu der Treppe, um auf die Kinder zu deuten.

„Aber das Ergebnis ist dasselbe.“

„Er hatte es verdient!“, rief Harry. „Du verlierst hier den Gesamtzusammenhang aus den Augen, Hermine. Draco Malfoy hatte sich dafür entschieden zu einem Todesser zu werden. Ja, er wurde von seinem Vater dazu gezwungen, aber er hätte sich auch weigern können. Sirius hatte es seinem Alter getan, er hatte lieber sein Zuhause verlassen als Voldemort seine Treue zu schwören und das hätte auch Malfoy tun können. Sie“, er wedelte mit seiner Hand über seinen Kopf, „befanden sich nicht in solch einer Situation. Sie waren Kinder, kleine Kinder, Babys, die nichts mit der Entscheidung ihrer Eltern zutun hatten. Keiner von ihnen hat das Dunkle Mal angenommen. Keiner von ihnen hat sich dazu bereit erklärt zu morden. Keiner von ihnen hat andere Menschen gequält. Nicht jeder, der nach dem Krieg auf der Straße landete, war auch ein Opfer, Hermine. Einige von ihnen, wie Draco Malfoy, haben es verdient.“

Sie seufzte. „Ist das nicht genau die Art von Denken, die zu allererst zum Krieg geführt hat – dass einige Leute es verdient hatten, ein weniger bedeutsames Leben als der Rest der Welt zu führen?“

„Das ist nicht dasselbe und das weißt du.“

„Ich wollte nur…“, seufzte sie erneut. „Ich habe einfach nur ständig das Gefühl, wir kämpfen immer wieder und wieder dieselben Schlachten. Was hat sich denn sonst noch seit dem Ende des Krieges verändert? Außer, dass der Dunkle Lord besiegt ist? Slytherins und Gryffindors sind noch immer erbitterte Feinde. Pro-Reinblütler-Gesetze sind noch immer aktuell. Sozialhilfen sind so rar wie eh und je. Selbst meine Befreiung der Hauselfen hat die Dinge nur minimal verändert, das verstehe ich jetzt.

„Ich… ich schätze, ich habe, als ich Malfoy gesehen habe, einfach nur eine Chance gesehen, um etwas zu ändern. Dass die Prinzessin von Gryffindor den Streit mit dem Prinzen von Slytherin beilegen könnte. Wenn ich das geschafft hätte, dann wäre alles möglich, weißt du.“

„Immer die Optimistin.“

„Selbstverständlich. In dieser Welt etwas anderes zu sein, nach allem, was wir gesehen haben, wäre doch einfach nur vernichtend, oder etwa nicht?“

Harry zuckte mit den Schultern. „Ich teile für viele Dinge nicht deinen Idealismus, habe ich noch nie getan, aber ich verstehe den Anreiz.“

„Der Retter der Zauberwelt ist nicht idealistisch?“, fragte sie sarkastisch. Dann schnaubte sie.

„Nicht für alles, nein“, sagte er und stieß sie leicht an.

Mit einem Seufzen führte Hermine sie beide die Treppen zum Dachboden hinauf.

„Harry?“

„Ja?“

„Denkst du, es wird je einfacher werden?“

Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

„Hast du das Gefühl, es ist das wert, alles von dem? Denk nur an all das, was wir seit dem Krieg gesehen und durchgemacht haben, ganz zu schweigen in den letzten neun Monaten. Verdammt, wir sind das Goldene Trio, aber seither haben sich unsere Wege getrennt. Wenn du gewusst hättest, was aus der Welt werden würde, dass all die Probleme und Vorurteile, gegen die wir kämpften, noch immer bestehen, hättest du es dennoch getan?“

„Absolut“, sagte er, ohne zu zögern.

„Wie kannst du das nur sagen?“

„Wie kannst du nur solch eine Frage stellen?“ Er blieb stehen und griff nach ihrem Arm, damit sie ebenfalls stehen blieb und ihn ansah. „Hermine, die Welt mag vielleicht nicht perfekt sein, aber jetzt haben wir zumindest die Möglichkeit es richtig zu machen. Hätten du und ich und Ron und Severus und Dumbledore und Neville und alle anderen nicht das getan, was wir tun mussten, dann hätten wir jetzt keine weitere Chance. Und eine Welt, in der wir nicht das tun, was wir können, ist keine Welt, über die ich nachdenken möchte. Ich werde nicht alles, was das Ministerium oder Hogwarts oder die Zauberwelt in den letzten Jahren getan haben, verteidigen, aber wenn ich es gewusst hätte, ja, ich würde es sofort wieder tun.“

„Du hast recht, ich bin wirklich bescheuert.“

„Ja, bist du“, sagte Harry. „Was so seltsam ist, denn das wäre das letzte Wort, welches ich mit dir in Verbindung bringen würde. Was ist denn nur los mit dir?“

„Nichts“, sagte sie. „Nichts.”

Er zog ungläubig eine Augenbraue hoch. Es war Severus so unglaublich ähnlich, dass sie beinahe lachen musste.

„Manchmal… da schlägt mich der Preis, der uns der Krieg gekostet hat, mitten ins Gesicht und da werde ich wohl philosophisch. Ich schätze, es war ziemlich naiv zu denken, wir würden am Ende eine utopische Existenz leben können.“

„Noch sind wir nicht am Ende angekommen“, antwortete Harry und nahm diesmal die Rolle des Optimisten ein. „Es ist erst der Anfang. Wir haben noch genug Zeit, um es diesmal richtig zu machen. Wir müssen nur einen Schritt nach dem anderen machen. Und ich denke, für das Jetzt sind unsere Kräfte am besten dafür geeignet eifrigen Schülern das Alphabet und die Mathematik beizubringen.“ Er lächelte sie an und nahm ihre Hand. „Einverstanden?“

Sie lächelte und nickte ihrem besten Freund zu. „Einverstanden.“


*~*~*~*~*



Worte der Autorin: Einige von euch haben gefragt, was mit Draco passiert ist. Hoffentlich seid ihr jetzt nicht enttäuscht. Und nein, wir haben ihn nicht zum letzten Mal gesehen.

Im nächsten Kapitel: Hermine entdeckt ein weiteres Geheimnis aus Severus’ Vergangenheit.


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Wenn man wie ich über Böses schreibt und wenn einer der beschriebenen Figuren im Grunde ein Psychopath ist, hat man die Pflicht, das wirklich Böse zu zeigen, nämlich, dass Menschen getötet werden.
Joanne K. Rowling