von Dr. S
Nach der Doppelstunde Zaubertränke fing Draco Professor Snape an dessen Schreibtisch ab, wo er noch die Phiolen ihres Stärkungstranks stehen hatte. Um sich langsam vorzutasten, verwickelte er ihn in ein Gespräch über die Heilpaste von gestern.
„Klingt nach einer Mixtur aus Murtlap-Essenz mit Diptam. Wieso fragen Sie, Draco? Haben Sie sich verletzt?“ Professor Snape musterte ihn aus seinen schwarzen Augen von oben bis unten, als könnte er durch seine Roben alte Wunden erkennen. „Potter und Weasley haben doch keine langfristigen Spuren ihrer barbarischen Neigungen an Ihnen hinterlassen, oder?“
Draco hielt sich am Gurt seiner vollgestopften Schultasche fest, die mit jeder Stunde schwerer wurde. Er hatte nicht wieder auf dieses Thema zu sprechen kommen wollen. Deswegen war er nicht hier. Die halbe Nacht hatte er kochend vor Zorn seinen Baldachin angestarrt, anstatt zu schlafen, und Black innerlich verflucht. Seine Worte wühlten ihn auch jetzt noch auf, wenn er nur an sie dachte. Sein ganzes Verhalten machte ihn wütend. Ein besserwisserischer, arroganter Mistkerl, der ihn für einen kleinen Feigling hielt, mehr war Black nicht.
„Nein“, sagte Draco. „Es geht mir gut. Haben Sie die Kombination schon einmal ausprobiert? Ich hab in der Bibliothek nichts darüber gefunden.“
„Habe ich nicht, nein, und ich bezweifele, dass Sie viele Information über eine derartige Verschwendung von Ressourcen finden werden. Nur jemand mit zu vielen Galleonen würde darüber nachdenken.“
„Aber es scheint sehr effektiv zu sein.“ Draco erinnerte sich an die Schnittwunde, die unter der Salbe wieder zusammengewachsen war. Er hatte es deutlich unter seinem Daumen gespürt, als er über Blacks Wange gefahren war. Unter der Schicht der kühlen, schmierigen Paste hatte er die gespaltene Haut ertastet, und im nächsten Augenblick hatte sie sich magisch zusammengezogen. Ganz warm und prickelnd brannte die Berührung noch immer auf seinem Finger nach.
„Haben Sie es ausprobiert?“, fragte Professor Snape.
„Nein“, antwortete Draco indigniert, was nichts an Professor Snapes Gesichtsausdruck änderte. Wahrscheinlich, weil er damals seine Eltern genau dann besucht hatte, als Draco in der Küche seinen neuen Kessel hatte ausprobieren wollen. Mit explosivem Erfolg. „Aber vielleicht könnten Sie es ausprobieren und mir beibringen, Sir?“
„Auch wenn ich Ihr Engagement schätze, Sie haben mit Ihren ZAGs sicherlich genug zu tun.“ Snape führte ihn an der Schulter zum Ausgang des Klassenzimmers. Sie traten in den Kerkergang hinaus, auch am helllichten Tag düster und von Fackeln beschienen. Crabbe und Goyle hatten am Treppenaufgang auf ihn gewartet – oder sich von Peeves aufhalten lassen. Der Poltergeist baumelte direkt über den Stufen von der Decke und trällerte etwas über Trolle in Menschenform.
Professor Snape wandte sich Draco mit gesenkter Stimme zu: „Davon abgesehen würde ich ungerne in gewissen Ministeriumsaugen auffallen, indem ich ausgewählten Schülern Einzelstunden gebe.“
Draco wrang die Hände um den Gurt seiner Tasche. Black hatte ihm diese Paste nicht erklären wollen und Snape schien es nicht zu können. Er sollte enttäuschter darüber sein, dass ihm ein so interessantes Geheimnis verwehrt wurde. Irgendwie war er das aber nicht.
Professor Snape beobachtete einen Moment, wie Draco den Ledergurt seiner Tasche knarzend verdrehte. „Ist noch etwas anderes, Draco?“
Das war der Moment. Der perfekte Moment, um Professor Snape zu erzählen, wer sich in der Hütte des Wildhüters versteckte. Der perfekte Moment Black zu verraten. Keine Menschenseele außer ihnen in Hörweite, um die Information auszunutzen und ihm seinen Ruhm zu stehlen. Crabbe und Goyle oder Peeves zählte er nicht als Seelen.
„Da ist…“ Er zögerte und verstand selbst nicht, wieso. Professor Snape würde ihm nicht seinen Ruhm stehlen, wenn die Dementoren Black zurück nach Askaban schleppten. Askaban, wo Black seine dreisten, frechen Sprüche in der Kehle stecken bleiben würden. Sollte er daran doch ersticken. Einsam und alleine, fernab von Potters schmachtenden Blicken, mit oder ohne seine Seele.
Draco dachte an die dunklen Gestalten der Dementoren zurück, die ihm in seinem dritten Jahr im Zug begegnet waren, eingehüllt in tiefschwarze Umhänge. Er erinnerte sich an den rasselnden Atem unter den tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen, als würden sie mit jedem Atemzug alles Glück aus der Umgebung ziehen wollen. Sein Inneres zog sich beim Gedanken an sie zusammen.
Professor Snape schaute ihn forschend aus seinen schwarzen Augen an. Ganz so, als würde er jeden Moment in Dracos Geist schlüpfen und seine Gedanken auseinandernehmen. „Sprechen Sie frei, Draco.“
„Ich…“ Er schüttelte den Gedanken an die Dementoren ab und hatte stattdessen Blacks dreistes Grinsen vor Augen. „Ähm…“
„Er ist verlüüübt!“ Peeves fiel direkt vor Dracos Gesicht. Er baumelte von der Decke, schwang grinsend hin und her und schüttelte dabei die Glocken an seiner Mütze in einer grotesken Melodie. „Malfoy lübt Snape! Hast du deine Liebeserklärung hübsch geübt, Dray-Dray? Hast du einen Song geschrieben?“
„Peeves“, sagte Professor Snape warnend.
Der Poltergeist übertönte ihn mit einem gackernden Lachen. Er schaukelte wild vor und zurück und fing an zu singen: „Malfoy lüüübt Schniefelus!“
Draco ließ vom Gurt seiner Tasche ab. Ohne Peeves‘ kugelnde Augen zu treffen schaute er an ihm vorbei. „Hast du dieses Rasseln gehört? Wie von Ketten…“ Er grinste in die Leere des Korridors. „Oh, hallo Baron!“
Peeves‘ Lachen ging in ein hohes Fiepen über, als hätte man die Luft aus einem Ballon gelassen. Er drehte sich um sich selbst, aber anstatt sich nach dem Blutigen Baron umzusehen, drehte er sich einfach weiter und düste zwischen Crabbe und Goyle vorbei das Treppenhaus hoch.
Professor Snape nickte ihm zu. „Elegant, Draco. Was wollten Sie sagen?“
Draco zögerte und schüttelte dann umso hastiger den Kopf. „Es war nichts Wichtiges, Sir.“
Professor Snape runzelte offensichtlich skeptisch die Stirn. „Wenn Sie sich für Heiltränke interessieren, oder dem, was damit einhergeht, können wir uns später im Jahr bei der Berufsberatung über Ihre Optionen unterhalten.“
Draco schnaubte abfällig. „Ja, mein Vater würde es zu schätzen wissen einen Heilstümper in der Familie zu haben.“
„Vielleicht sollten wir das in meinem Büro besprechen“, schlug Professor Snape vor.
Draco ging einen Schritt zurück. „Ich muss jetzt wirklich los. Ich hab Quidditchtraining. Entschuldigen Sie, dass ich Sie aufgehalten habe, Sir.“
Damit verabschiedete er sich in Windeseile und ließ Professor Snape mit einem Stirnrunzeln zurück.
Crabbe und Goyle folgten ihm die Treppe nach oben in die Eingangshalle. „Wer ist Schniefelus?“, fragte Goyle.
Draco zuckte mit den Gedanken ganz woanders die Schultern. Das war seine Chance gewesen. Sie war so nah gewesen, dass er die Worte noch in seiner Kehle spürte. Aber er hatte keines von ihnen herausgebracht. Wieso? Draco schaute konzentriert auf seine Füße, während er die Stufen nach oben stieg. Peeves war der Grund. Er war im Weg gewesen und hatte den angeblich ruhigen Moment zerstört. Peeves hatte ihm seine Chance auf Ruhm und vielleicht sogar einen Orden des Merlin ruiniert.
Er hatte ihm seine Chance auf eine Lektion für Black kaputt gemacht.
„Ich wusste nicht, dass du verknallt in Snape bist“, sagte Crabbe grinsend wie ein Affe.
„Und ich wusste nicht, dass du schlechter als Longbottom in Zaubertränke bist“, gab Draco gedehnt zurück. Goyle unterstützte ihn mit einem gurgelnden Glucksen, obwohl er selbst kaum besser als Crabbe war, der unverständlich vor sich hingrunzte, dass sein Kessel alt war und deswegen in sich zusammengeschmolzen war. Er trug ihn immer noch als platte Metallpfütze mit Henkel in seinem Rucksack herum.
„Hast du gekriegt, was du von Snape wolltest?“, fragte Goyle neugierig. „Ging’s um Potter?“
„Es geht immer um Potter, richtig?“, sagte Draco bitter und dachte an Blacks Reaktion, als er von Potters Rauswurf erfahren hatte. Als er in seiner menschlichen Gestalt aus der Dunkelheit auf ihn zugestürmt war, hatte er mehr denn je einer Bestie geglichen. Draco spürte seinen festen Griff noch immer auf seinen Schultern. Natürlich war er auf Potters Seite. Kein Wort darüber, dass sein geliebtes Patenkind sich falsch verhalten haben könnte. Black war genau wie alle anderen, wenn es um Potter ging. Harry Potter konnte nichts falsch machen. Dabei hatte Draco nichts mit seinem Rauswurf zu tun, so anders das jeder in der Schule zu sehen schien. Und er würde niemanden berichtigen. Der Ruhm für Potters Spielverbot verantwortlich zu sein war alles, was ihm nach der blamablen Niederlage geblieben war.
Black hasste ihn. Er verabscheute ihn, das hatte Draco mehr als deutlich zu spüren bekommen. Und trotzdem hatte er Potter nicht verraten, wie sehr diese Niederlage Draco aufgewühlt hatte. Er verstand nicht warum und das verwirrte ihn. Black hatte keine Angst vor ihm, auch das hatte er mehr als deutlich gemacht. Er hielt ihn für einen feigen Slytherin wie er im Buche stand.
Potter hatte gute Arbeit geleistet ihn zu diskreditieren.
„…machst das wirklich gut, Harry“, hörte er eine weibliche Stimme sagen.
In der Eingangshalle schaute Draco von seinen Füßen auf und schaute zum Fuß der Großen Treppe. Potter stand dort eingepfercht zwischen seinen Anhängseln und unterhielt sich mit Cho Chang, Cedric Diggorys tragischer Ex-Freundin.
„Aber mit dem Quidditchtraining diese Woche weiß ich nicht, ob ich es schaffe.“
„Corner und sein Freund schaffen es“, sagte Weasley ruppig. „Ginny hat gesagt, einer von ihnen wär auch im Team.“
Chang versuchte ihn zu ignorieren. „Sicher findest du das unsensibel, wo du nicht mehr spielen darfst. Umbridge hatte kein Recht dazu – das sehen wir alle im Ravenclaw-Team so“, fügte sie schnell hinzu, als könnte man ihre Meinung einzeln falsch verstehen. „Sie ist eine alte Sabberhexe.“
Potter grinste, als hätte er einen Aufmunterungszauber abbekommen. „Na ja, es wäre schade, wenn du nicht könntest. Du machst wirklich Fortschritte.“
Während Granger unauffällig versuchte Weasley mit sich aus dem Weg zu ziehen, bauten Crabbe und Goyle sich in Dracos Weg auf, lautstark darüber diskutierend, was Crabbes Kessel zum Schmelzen gebracht haben könnte. Draco stieß Crabbe hart gegen die Brust, um ihn wenigstens ein Stückchen zur Seite zu schieben. Sein Blick über Crabbes Schulter war stark eingeschränkt und über seine dröhnende Stimme konnte er nur schwer verstehen, was Chang sagte.
„Ich versuch’s“, sagte sie heiterer, als hätte sie nur darauf gewartet, dass Potter ihre mögliche Abwesenheit betrauerte. Sie zeigte Potter irgendetwas, das zwischen ihre Finger passte und golden aufblitzte. „Hab ich immer dabei.“
Potter starrte ihr wie geblendet hinterher, als sie ging, und als er sich zu seinen Freunden herumdrehte, kreuzte er Dracos Blick. Sie starrten einander einen Moment lang an. Draco zog den rechten Mundwinkel in ein provozierendes Grinsen, und Potter stieg so schnell die Treppe rauf, dass er sich sicher war, dass mehr als Flirtversuche hinter diesem Geplänkel steckten.
Potter führte etwas im Schilde.
Jemand fasste seinen Arm. „Chang lässt sich wirklich gehen, findest du nicht?“ Pansy war an seiner Seite aufgetaucht, umringt von ihren Freundinnen. Sie schaute in die gleiche Richtung wie Draco, wenn auch ein Stockwerk höher, wo Chang zu sehen war. Ihre Stimme schlug einen missbilligenden Tonfall ein, als hätte Draco etwas falsch gemacht. „Ihre Augen sind immer geschwollen und ganz rot; sie kann sich nicht einmal mehr schminken. Neulich hab ich sie Rotz und Wasser im Klo heulen sehen – wortwörtlich. So eklig.“
„Aha“, machte Draco. Er beobachtete viel interessierter, wie Potter von seinen Freunden eingeholt wurde. In letzter Zeit sah man ihn auffällig oft in der Nähe von Hufflepuffs und Ravenclaws, anstatt den üblichen Verdächtigen aus Gryffindor.
„Wie auch immer…“ Pansy umklammerte Dracos Arm mit beiden Händen, wie eine Teufelsschlinge. „Süß von dir, dass du auf mich gewartet hast. Zabini hat mich vollgequatscht, wie du sicher gesehen hast.“
„Nein“, sagte Draco desinteressiert.
„Na ja… Wir haben noch Zeit bis zum Abendessen. Gehen wir in die Bibliothek?“, fragte Pansy mit Blick auf Crabbe und Goyle, die alleine beim Gedanken daran aussahen, als würden sie sich übergeben müssen. Kein Ort in Hogwarts vergraulte sie besser.
„Ich hab Training“, murmelte Draco. Er vergaß immer noch, dass Crabbe und Goyle jetzt zu seinem Training gehörten. Ihre Muskeln hatten sie ins Team gebracht, nicht ihr Talent, und oft hörte er Geflüster, dass das neuerdings die Regel für Slytherins Mannschaft war, wenn man sich ihre Spieler so ansah. Talent zählte nicht, sondern andere Qualitäten.
„Oh! Wie wäre es, wenn ich dir zusehe?“, schlug Pansy vor. „Und danach könnten wir –“
„Ja, meinetwegen. Ich muss vorher in die Eulerei“, sagte Draco und löste sich so plötzlich aus Pansys Umklammerung, dass ihre Fingernägel scharf über seinen Arm kratzten. „Bis gleich“, murmelte er Crabbe und Goyle zu und quetschte sich zwischen Pansys Freundinnen hinaus auf die Ländereien.
Der Schnee reichte inzwischen bis zu seinen Knöcheln. Draco zog tiefe Spuren hinter sich her, als er in großen Schritten die Eulerei ansteuerte. Kalter Wind schlug ihm entgegen und kroch unter seinen Kragen, als er die vereisten Stufen hochstieg, die sich um den kargen Turm schlängelten. Eulen saßen in den schmalen Fenstern, den Rücken zum schwindenden Tageslicht gewandt, und warteten darauf zur Jagd zu fliegen. Schnee lag auf dem Dach und verfing sich in den Spalten zwischen den alten Steinen. Ein fast beängstigend hoher Turm, der innendrin so schmutzig war, dass Draco vermied ihn bereits zu betreten.
Ganz oben auf der Treppe setzte er sich auf eine Stufe und stellte den Kragen gegen den Wind auf, während er eine Rolle Pergament und eine Feder aus seiner Tasche kramte.
Er setzte an, um seinem Vater von Potters merkwürdigem Verhalten zu berichten. Im Sommer hatte er ihm genau das versprechen müssen. Draco schrieb ein paar hastige Zeilen über die Schule, was für eine gute Note er auf seinen Stärkungstrank bekommen hatte und wie schnell er seine Schnecke in Verwandlung hatte verschwinden lassen. Dann hielt er inne. Er musste einen Moment überlegen, wie er seine Niederlage beim Quidditch umschrieb, aber trotzdem von Potters Spielverbot erzählte. Ein paar nüchterne Sätze später hatte er Potters und Weasleys Schläge dem Ergebnis folgen lassen und sich dafür bedankt, dass Madam Hooch lange genug aufgehört hatte zu lachen, um die Gryffindors von ihm runterzuhexen. Er schrieb, dass er nicht mehr als ein Kitzeln gespürt hatte. Dann widmete er sich ausgiebig Potters Verlangen sich mit anderen Häusern zu treffen.
Zwei Absätze später war er fertig und las seine Zeilen noch einmal durch. Etwas fehlte. Seine Feder zitterte. Er sollte über Black schreiben. Wenn er schon nicht Professor Snape sein Geheimnis anvertraute, und erst Recht nicht Umbridge diesen Vorteil verschaffte, dann war die beste Anlaufstelle sein Vater. Oder?
Draco hob den Blick. Von hier oben hatte er einen guten Ausblick über ein dichtes Blätterdach und die Hütte des Wildhüters dahinter. Eingeschneit und scheinbar verlassen stand sie da, aber Draco wusste, dass dem nicht so war. Dass Black sich dort drinnen versteckte und ihn für einen Feigling hielt. Wahrscheinlich war er heute Morgen ausgeruht aufgewacht, mit einem Lächeln auf den Lippen, weil niemand an seine Tür geklopft hatte. Er musste sich prächtig darüber amüsieren, dass Draco ihn noch nicht verraten hatte.
Womöglich hatte er Potter doch alles erzählt, gerade weil Draco versucht hatte ihn davon abzuhalten. Auch wenn Black seinen Patensohn seit letzter Nacht nicht gesehen hatte. Draco schüttelte den Kopf. Black hatte mehr als genug Gelegenheit das nachzuholen, wenn er Potter heute seine Gutenachtgeschichte vorlas. Draco hatte seine Gelegenheit ihm sein Verhalten heimzuzahlen bereits verpasst.
Er würde nicht riskieren, dass Potter erfuhr, wie sehr er nach dem Spiel am Boden gewesen war.
Draco stieß die Feder so hart auf das Pergament, dass er ein Loch darin zurückließ. Die letzten Zeilen schrieb er in einem Anflug hitziger Entschlossenheit. Gerade unterschrieb er, als ein schweres Gewicht auf seiner Schulter landete. Ein stattlicher Waldkauz schuhuhte ihm ins Ohr und streckte begierig sein Bein aus, um den Brief entgegen zu nehmen. Draco streichelte über das graugescheckte Gefieder des Vogels, der ihm schon lange keine Süßigkeiten mehr von seiner Mutter gebracht hatte. Er rollte das Pergament zusammen und band es an das Eulenbein, ließ den Vogel aber nicht fliegen.
„Wir haben vorher noch was zu tun“, murmelte er und hob den Waldkauz von seiner Schulter. Draco stieg mit ihm in den Armen die vereisten Stufen herunter auf die Ländereien. In der Ferne sah er die klobigen Gestalten von Crabbe und Goyle zum Stadion stapfen. Er folgte ihnen nicht, sondern bog am Fuß der Eulerei ab und folgte dem Waldrand zur Hütte des Wildhüters. Der Waldkauz gab einen beinahe fragenden Laut von sich, als Draco sich verstohlen umdrehte und sicherging, dass niemand ihn im Blick hatte. Trotzdem ging er zur Hintertür der Hütte.
Er presste das Ohr gegen die Tür und lauschte, aber genau wie gestern hörte er auch nach einigen Sekunden nichts. Black hatte Türen und Fenster wirklich abgedichtet. So, wie er ihn bisher kannte, hieß das aber nicht, dass er abgeschlossen hatte.
Draco legte sich seine Worte zurecht. Er würde Black den Waldkauz mit dem Brief zeigen und ihm eine letzte Chance geben ihn ernst zu nehmen – ansonsten ließ er die Eule fliegen.
Aber als er die Tür öffnete, war niemand da. Draco verging das fiese Grinsen, das er extra aufgesetzt hatte. Die Hütte war verwaist, und keine Spur, keine Asche im Kamin, kein Kessel auf dem Tisch, keine Falte in der Bettdecke wies auf jemanden hin, der hier lebte. Es war, als wäre Black nie hier gewesen.
Draco ließ unbewusst den Waldkauz los, der sich im Fall fing und in den Himmel davonflog.
Sirius hatte ihn ernst genommen.
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