Wie immer in den letzten vier Tagen kam ich nach dem Unterricht sofort hoch in den Krankenflügel.
Bisher war Severus noch nicht wieder aufgewacht und ich musste sagen, dass ich mir inzwischen doch wieder Sorgen machte, egal wie Siegessicher ich am Sonntag Abend kurz vor dem Einschlafen gewesen war. Was, wenn ich nur sein Körper zurück geholte hatte, aber seine Seele verloren war?
Madam Pomfrey sah mich nicht sonderlich gerne im Krankenflügel, nicht weil sie wütend auf mich war, nachdem ich sie angeschrien hatte, sondern einfach weil sie angst hatte, dass ich mir etwas antun würde, wenn Severus nicht wieder aufwachte.
Sie hatte mir einen sehr ernsten Vortrag gehalten, zu der Verletzungsübertragung, nachdem sie mir die Finger amputiert hatte.
Aber angezeigt oder bei der Schulleiterin angeschwärzt hatte sie mich nicht, was daran lag, dass sie Severus genau so gerne hatte retten wollen, selbst aber nicht an diese Methode gedacht hatte.
Es war seltsam, wie meine Hand nun aussah.
Ich erwischte mich dabei, wie ich sie häufig gedankenverloren anstarrte, in der Zeit, die ich neben Severus saß und ihm mit der Anderen über die Haare strich.
Ich bereute es nicht, diesen Schritt getan zu haben, aber es fühlte sich komisch an Dinge zu greifen oder jemanden damit zu berühren, weshalb ich Severus auch immer nur mit der rechten Hand anfasste. Es fehlte halt einfach ein kleiner Teil meiner Hand und so was würde jeden am Anfang irritieren, zumindest ging ich davon aus!
Ansonsten waren die Dinge der letzten Tage an mir vorbei gezogen ohne das ich sie überhaupt richtig realisiert hatte. Alles, außer Severus, war mir ziemlich egal geworden.
Eigentlich hätte ich wohl für die Schule lernen sollen, für die Prüfungen, aber theoretisch konnte ich den Stoff ohnehin und ich hätte mich ohnehin nicht konzentrieren können!
Madam Pomfrey nickte mir nur zu, als ich herein kam, und verschwand dann direkt in ihrem Büro.
Ich zog mir einfach nur die Schule aus und schlüpfte dann wie immer zu dem großen, düsterem Mann unter die Decke. Ich war irgendwie süchtig nach dem Geräusch seines Herzschlags geworden, daher konnte ich nur noch mit dem Ohr fest auf seiner Brust schlafen.
Auch diesen Abend war ich schnell müde und war gerade dabei in einen Zustand zwischen Schlaf und Wach sein ab zurutschten, da spürte ich, wie sich ein Arm fest um meine Hüfte schlang.
Sofort rauschte Adrenalin durch meine Adern und mit einem Ruck saß ich wieder aufrecht und blickte auf ein Gesicht hinunter, welches sich eindeutig regte.
Ich war in den letzten Tagen sehr nah am Wasser gebaut, hatte das permanente Gefühl einfach heulen zu wollen, doch in der Sekunde, in der Snape die Augen aufklappte, verschwand dieses Gefühl und machte unglaublicher Freude platz!
Seine Augen funkelten lebendig wie immer, auch wenn er noch etwas verschlafen wirkte, dennoch war dies eindeutig der Mann, denn ich vor vier Tagen beinahe an den Tod verloren hatte.
“Severus, wie fühlst du dich?”, fragte ich vorsichtig und streichelte ihm über sein Gesicht, welches von Stoppeln nur so übersäht war.
Er sagte kein Wort, blickte sich einfach nur mit gerunzelter Stirn um und als er sich aufrichten wollte, rutschte ich sofort aus seinem Bett, um ihm mehr Raum zu geben. Ich zog mir einen Stuhl ran und wartete darauf, dass er irgendwas sagte.
“Wie bin ich hier her gekommen?”, fragte er schließlich mit kratziger Stimme. “Ich weiß noch, wie ich hoch gegangen bin. Als ich in das Zimmer kam, hörte ich es im Bad tropfen und wollte nachsehen, was da los ist. Ich bin ausgerutscht und hab noch gedacht, jetzt ist es vorbei, als ich auf die volle Badewanne zu fiel. Du warst nicht da! Wie konntest du mich retten?”
Er klang beinahe ein bisschen vorwerfend.
“Ich hab den Sensenmann gespürt und bin dann zu dir gerannt. Ich hatte am Samstag Phönixtränen in der Nokturengasse besorgt, ohne hätte ich dir wohl nicht helfen können. Es war jedenfalls knapp, aber wir hatten Glück! Die Tränen haben dich zurückgeholt!”, sagte ich und grinste ihn an. Die genauen Details ließ ich lieber weg, ich hatte keine Lust darauf, dass auch er mir einen Vortrag hielt, weil ich meine Finger für ihn geopfert hatte.
Severus Gesicht hatte sich bei meinen Worten allerdings noch weiter verdunkelt und nun starrte er mich schon beinahe verachtend an.
“Phönixtränen? Aus der Nokturengasse, ja?”, fragte er und seine Augen verengten sich zu schlitzen.
Ich fand sein Verhalten sehr irritierend, nickte aber trotzdem energisch.
“Ja, ich hatte wirklich Glück, oder wir hatten Glück!, ich hatte mal von ein paar Slytherins gehört, dass es dort diesen Laden gibt, der alles verkauft. Da bin ich hin und wollte die Tränen kaufen, aber ich hatte nicht genug Geld dabei, und dann…”, begann ich zu erklären, doch ich kam gar nicht dazu ihm noch von Dalibor zu erzählen, der unser Schicksal teilte und daher mitleid mit mir gehabt hatte, denn Severus unterbrach mich sofort wieder und schrei mich nun an.
“Ich kenne diesen Laden und ich kenne den Typen, dem er gehört!”, brüllte er mit reinem Ekel in der Stimme.
“Wie konntest du nur? Du hast dich an diesen Widerling verkauft, um die Tränen zu bekommen, ist es nicht so? Abscheulich! Hast du wirklich gedacht, dass ich glücklich darüber seien würde, dass du dich für ein paar Tränen prostituierst?”, sagte er und ich wich vor Schreck weiter zurück.
Heftig schüttelte ich den Kopf. Hatte er sie noch alle? Vielleicht war die Kopfverletzung doch schlimmer gewesen, als ich vermutet hatte.
“Glaubst du ernsthaft, dass ich dich jetzt noch einmal anfassen werde? Wenn ich das am Samstag schon gewusst hätte, dann hätte ich dich niemals nach einem Date gefragt! Ich dachte, du wärst etwas besonderes, aber du bist auch nur wieder irgendeine Hure! Und bei mir tust du dann so tugendhaft! Ich könnte kotzen! Verschwinde aus meinem Blickfeld, du nichtsnutzige Schlampe!”
Das war genug!
Ohne noch einmal nachzudenken, holte ich aus und schlug ihm heftig ins Gesicht, zum zweiten Mal in gerade einmal einer Woche. Leider hatte ich aber die falsche Hand dafür genommen.
Ich stöhnte schmerzerfüllt auf und taumelte rückwärts, während Snape nicht mal eine rote Stelle auf der Wange hatte. Ich umfasste meine verstümmelte Hand mit der Gesunden und warf Madam Pomfrey einen kurzen Blick zu, da diese gerade aus ihrem Büro gerannt kam. Kein Wunder, Snape musste ordentlich krach gemacht haben. Die Frau musterte mich mitleidig.
Ich drehte mich wieder zu meinem Lehrer, nun wirklich verletzt. Ich hätte nie gedacht, dass er so eine schlechte Meinung von mir haben konnte!
Snapes Augen hatten sich unterdes geweitet und er hatte eine Hand nach mir ausgestreckt, sein Blick starr auf meine verschränkten Finger gerichtet.
“Lass mich das sehen! Was ist mein deiner Hand passiert?”, fragte er um einiges sanfter, doch ich wich nur weiter vor ihm zurück.
Ich hatte in den letzten Tagen eine Achterbahn an Gefühlen durchmachen müssen, kaum geschlafen, mir ständig Sorgen gemacht und nur Probleme mit meiner linken Hand gehabt, und das alles nur um mich jetzt von ihm als Hure beschimpfen zu lassen!
Undankbarer Bastard!
“Du kannst mich mal! Wie konnte ich nur annehmen, dass du mir dankbar sein würdest?”
Er machte eine ungeduldige Bewegung. “Wie ist das mit deiner Hand passiert?”, wollte er wieder wissen.
“Wie wohl? Ich habe meine halbe Hand für dein scheiß Leben geopfert, nur um mich jetzt von dir beleidigen zu lassen!”, kreischte ich und trat rückwärts noch weiter von ihm weg, meine Schuhe ließ ich einfach liegen, packte aber im vorbeigehen meine Schultasche. “Nicht das es dich interessieren würde, du arrogantes Arschloch!”
Während meiner wütenden Rede war Snape blass geworden und nun versuchte er aufzustehen, aber Madam Pomfrey packte ihn an den Schultern und drückte ihn zurück auf das Bett.
Ich hatte die Tür jetzt schon fast erreicht und wollte nur noch weg von hier, doch nicht ohne ihn noch seiner falschen Illusionen zu berauben.
“Und nur damit du es weißt: Dalibor ist ein sehr netter Mann! Er hat mir die Phönixtränen geschenkt, als er erfuhr wofür ich sie brauchte! Denn er hat seine große Liebe im selben Spiel verloren, welches ich versucht habe für dich zu gewinnen!”
Damit drehte ich mich endgültig um, rammt die Tür auf und lief davon, ohne auf die Rufe zu reagieren, die hinter mir den Gang entlang hallten.
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King's Cross ist fĂĽr mich ein ganz romantischer Ort, vielleicht der romantischste Bahnhof ĂĽberhaupt, weil meine Eltern sich hier kennen gelernt haben.