von FeuerflĂŒgel
Hermine liefen stumme TrĂ€nen ĂŒber die Wangen, als sie den BlumenstrauĂ auf Harrys Grab niederlegte. Alle Bilder, die sie versucht hatte, zu verdrĂ€ngen, kamen wieder auf. Wann, wann wĂŒrde der Schmerz endlich nachlassen? Wann? Ron bebte neben ihr. Er war ganz genauso tief traurig, wie an Harrys Todestag. Es schien sich nichts verĂ€ndert zu haben. Ganz so, als wĂ€re die Zeit stehen geblieben.
Wie jedes Jahr regnete es. Ganz so, als wĂŒrde der Himmel ebenfalls trauern. Sie spĂŒrte eine Hand auf ihrer Schulter.
âGlaubt mir, wenn ich sage, dass ihr niemals glĂŒcklich werdet, wenn ihr Harry zu sehr nachtrauert.â Hermine wirbelte wutentbrannt herum. All der Schmerz war vergessen.
âKlar kannst du das sagen, Kingsley! Du hast ihn ja auch schlieĂlich getötet!â
âHermine...â fing Kingsley verzweifelt an.
âNein, ich weiĂ, du kannst angeblich nichts dafĂŒr. Aber du hast dich verhexen lassen und ihn damit ins Grab gebracht!â Ron schwieg immer noch. Er sagte nichts, wie immer. Er sprach niemals mit ihm, seit Harrys Tod. Er ignorierte ihn einfach, so, als wĂ€re er nie da gewesen. Hermine jedoch brĂŒllte jedes Mal los, wenn Kingsley sie auch nur ansprach.
âHermine, beruhige dich doch....â
âNEIN! ICH KANN MICH NICHT BERUHIGEN! WENN-â
âHermine, sei still! Du entehrst Harrys Gedenken.â unterbrach sie plötzlich Ron. Er starrte immer noch auf den Grabstein. Sie verstummte sofort.
âEntschuldigung.â sagte sie leise und wandte sich von Kingsley ab.
Hermine war gerade auf dem Weg nach Hause (apparieren konnte sie in ihrer Wohnung, aufgrund der Appariersperre, natĂŒrlich nicht), als sie plötzlich eine dunkle Gestalt an einer Hausmauer ausmachte. Hermine blieb abrupt stehen. Sie sah noch mal hin. Kein Zweifel. Es war Draco Malfoy. Was wollte er hier?!
âHallo, Granger.â schnarrte er.
âMalfoy.â sie spie den Namen fast aus. âWas willst du hier?â
âNa na, wer will denn gleich unhöflich werden?.... Nun, ich hĂ€tte einfach gerne gewusst, wo Potter steckt.â Sie sah ihn unglĂ€ubig an. Hatte er es vor all den Jahren nicht mitbekommen? In allen Zeitungen war Harrys Tod auf der Titelseite gewesen und auch Wochen danach noch. Und er sollte es nicht mitbekommen haben? Das war unmöglich.
âVerarschen kann ich mich auch alleine, Malfoy. Hau ab.â Sie ging weiter. Ausgerechnet an Harrys Todestag solch eine Bemerkung zu machen war einfach geschmacklos. Aber was sollte sie denn von MALFOY erwarten? Er war ein verabscheuungswĂŒrdiger Mensch.
âGranger, das war mein ernst. Wo ist er?â
âLass das. Du weiĂt es doch ganz genau.â
âWĂŒrde ich sonst fragen, du kleines Schlammblut?â
âHalt die Klappe.â
âWo?â Keine Antwort.
âVerdammt, ich werde dich gleich so verfluchen, dass die hören und sehen vergeht!â
âVon mir aus.â
âWO?! Crucio!â Hermine wurde auf den Boden geschleudert und lag zuckend vor Schmerzen auf dem Boden.
âWo ist er?â
â...â
âWO?!â
âFort.â quetschte Hermine unter TrĂ€nen hervor. Ja, fort. FĂŒr immer.
âWo ist er hin?â
âER IST TOT, VERDAMMT NOCH MAL!â brĂŒllte sie. Malfoy lieĂ kurz von ihr ab.
âHaha, sehr lustig.â
âEr ist tot.â
âDu kannst deine Tarnung vergessen, Schlammblut. Ich weiĂ lĂ€ngst, dass das nur alle glauben sollen. Also, wo ist er ?!â
âEr ist tot!â Malfoy verdrehte genervt die Augen und jagte ihr einen Schocker auf den Hals.
âTja, dann muss ich dich wohl oder ĂŒbel mit ins Hauptquartier nehmen und dich da von ein paar anderen Todessern ausquetschen lassen.â
Er ging unruhig auf- und ab. Er wartete schon zu lange, viel zu lange. Er konnte nicht mehr. Es war unmöglich, sich weiter zurĂŒckzuhalten. Er hatte alles getan, worum man ihn gebeten hatte, wieso sollte er noch lĂ€nger warten? Es war sinnlos und ungerecht. Der Schmerz bohrte sich in seine rechte Hand, als er gegen die kahle Wand seines zellenartigen Zimmers schlug. Doch er war nichts gegen die Schmerzen, die er innerlich spĂŒrte. Er vermisste sie so sehr. Diese vielen Jahre ohne sie... Er hatte das ewige Versteckspielen satt. Von der AuĂenwelt völlig abgeschottet, hatte er nichts anderes als lernen können. Aber er wollte LEBEN. Wie lange hatte er schon nicht mehr gelacht, mit anderen Menschen gesprochen, die er liebte? Er wusste es nicht mehr. Jegliches ZeitgefĂŒhl war verloren. Einsam und verlassen saĂ er hier fest. So lange schon. Wahrscheinlich hatten sie ihn bereits vergessen. FĂŒr immer.
Die TĂŒr ging auf.
Ron wartete ungeduldig auf Hermine. Wo steckte sie denn nur? Sie wollten doch eigentlich zusammen Essen gehen. Sie war nun schon ĂŒber eine Stunde zu spĂ€t... Zum ersten Mal in seiner âWartezeitâ kam ihm ein anderer Gedanke.... Was, wenn sie auch.... Wenn sie auch von Todessern.... Die Erkenntnis schnĂŒrte ihm seine Kehle zu. Die Angst legte sich schwer auf sein Herz. Nicht auch noch Hermine... Ron kramte nach seinem Zweiwegspiegel, den Harry ihm ĂŒberlassen hatte, bevor sie ihn ins St. Mungo gebracht hatten, wo er dann... Hermine hatte den zweiten.
âHermine Granger.â sagte er laut. Nichts geschah. Der Spiegel blieb blank.
âScheiĂe.â fluchte er. Schnell sprang er auf und sprintete aus dem Lokal. Innerhalb weniger Sekunden war er ins Hauptquartier appariert.
âOh mein Gott.... Aber wo könnte sie denn nur sein, Ron? Und... wieso bist du dir da so sicher?â sagte Remus Lupin mit aufgerissenen Augen.
âIch bin mir ganz sicher... Sie kommt sonst nie zu spĂ€t.â
âRon, hast du schon mal darĂŒber nachgedacht, dass... na ja... dass du seit Harrys Tod ein weinig ĂŒberreagierst? Ich meine, Hermine kann doch auch mal zu spĂ€t kommen, oder?â Ron war verzweifelt. Wieso glaubt ihm niemand? Er war sich absolut sicher!
âBitte, lass ein paar MĂ€nner suchen.â
âDu weiĂt, dass die Auroren im Moment sehr viel zu tun haben und wir eigentlich keine-â
âBitte.â Lupin sah ihm lange in die Augen.
âOkay. Ich hoffe fĂŒr dich, dass du recht hattest. Oder.. eigentlich möchte ich lieber, dass es nicht stimmt, was du sagst.â Er ging den Gang entlang.
âDanke.... Und... Herzlichen GlĂŒckwunsch wegen dem Baby. Wie geht es Tonks?â Lupins Gesichtsausdruck verdunkelte sich ein wenig.
âTonks ist auf einem Einsatz.â
âWie bitte? Sie hat doch erst vor zwei Tagen eurer Kind bekommen!â
âSie lĂ€sst nicht mit sich reden. Sie lĂ€sst James einfach-â
âIhr habt euren Sohn James genannt? Das hĂ€tte Harrys Vater sicher gefreut.â stellte Ron lĂ€chelnd fest.
Hermine erwachte langsam. Wo war sie nur? Jeder Knochen im Leib tat ihr weh, ganz besonders ihr Kopf. Es war sehr dunkel, stickig und feucht hier. Zu Hause war sie jedenfalls nicht... Und dann kam die Erinnerung wieder, farbig und scharf wie Fotos. Malfoy... Er hatte ihr einen Cruciatus und einen Schocker auf den Hals gejagt. Dieser Mistkerl!.... Aber... Wo war sie nur? Es war eindeutig eine Zelle...
Schon hörte sie Schritte. SchlĂŒssel rasselten und die alte HolztĂŒr des Verlieses wurde knarrend aufgeschoben. Ein Mann kam herein, er war maskiert.
âSchlammblut. Na, endlich aufgewacht?â Hermine kannte diese Stimme. Malfoys Vater Lucius. Sie erwiderte nichts.
âAlso, ich bin hier, um ein paar Informationen aus dir herauszupressen. Einverstanden?â Sie spuckte ihm vor die FĂŒĂe. Sie wĂŒrde nichts verraten. Nicht ein Wort wĂŒrde ĂŒber ihre Lippen kommen.
âNa, ich sehe, du willst gleich zur Sache kommen... Na dann... Crucio!â Hermine wand sich abermals unter Schmerzen. Es war, als wĂŒrde sie von innen aufgeschlitzt, tausend Messer bohrten sich in ihre Haut, doch kein Laut entfuhr ihr.
Und so ging die Tyrannei weiter. Sie wurde ausgepeitscht, mit dem Crusiatus unzÀhlige Male gefoltert, ihr wurden Haare ausgerissen und sie wurde geschlagen. Doch sie beantwortete nicht eine Frage. Auch nicht die, die er am meisten stellte. Wo Harry war.
âDu kleines, wertloses Schlammblut! Sag endlich, wo Potter ist!â Hermine lag blutend am Boden, TrĂ€nen rannen ĂŒber ihre Wangen, sie war entkrĂ€ftet, doch sie reagierte nicht anders auf diese Frage, wie die anderen hunderten Male zuvor.
âEr ist tot.â schluchzte sie leise.
âJetzt lĂŒg nicht so dreist, pass auf! Ich bring dich um, wenn du mir nicht sofort sagst, wo Potter ist!â Gerade als Hermine antworten wollte, erklang eine ernste Stimme hinter Lucius Malfoy.
âEr ist hier.â Sie konnte es nicht glauben. Das war ganz unverkennbar SEINE Stimme!
Eine groĂe, muskulöse Gestalt trat aus dem Schatten, eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Harry? War er es? Lebte er? Sie konnte es nicht glauben.... Doch ihr Verdacht verstĂ€rkte sich weiter, als der junge Mann die Kapuze ĂŒber seinen Kopf zog. Da stand er. Narbe, Brille, rabenschwarzes Haar und selbst in dieser Dunkelheit erkennbare smaragdgrĂŒne Augen. Eine Verkleidung durch Vielsafttrank?
âHarry?â krĂ€chzte sie mit erstickter Stimme. Seine Augen funkelten, als er sie ansah, doch er wandte seinen Blick wieder auf Malfoy. Der Boden schien zu beben. Und dann, ohne dass Harry seinen Zauberstab zog, wurde Malfoy in die Höhe gehoben und schlug mit einem lauten Krachen gegen die Wand.
âRĂŒhr sie ja nie wieder an.â knurrte er und lieĂ ihn mit einer wegwerfender Handbewegung gegen die andere Seite der Zelle krachen. Ein weiteres lautes Knacken und Stöhnen und dann wurde es still.
Schnellen Schrittes lief er zu Hermine hinĂŒber, hob sie hoch, drĂŒckte sie an sich und rannte so schnell er konnte mit ihr aus der Zelle.
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