von Selina Malfoy
„Ich freue mich außerordentlich Sie hier auf meinem bescheidenen Landsitz begrüßen zu dürfen.“ sagte Lucius Malfoy sanft und mit einem Lächeln, das Hermine vor Angst erstarren ließ. „Meine Leute sagen, sie hätten es Ihnen nicht leicht gemacht. Sich zweimal beinahe aus einem Schockzauber zu befreien, das ist wirklich beeindruckend. Und nun, bevor ich den Schweigezauber aufhebe und Sie von diesen unsäglichen Fesseln befreie, noch ein paar einfache Regeln, um sicherzugehen, dass wir auch gut miteinander auskommen.“
Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, seine Miene wurde undurchdringlich und kalt.
„Erstens: Versuchen Sie nicht zu schreien, niemand würde es hören. Zweitens: Kommen Sie nicht auf andere dumme Gedanken. Ihr Zauberstab ist sicher verwahrt und das Haus ist mit Fallen präpariert. Sie würden niemals lebend das Haus verlassen. Haben wir uns verstanden?“
Hermines Verstand war wie gelähmt vor Angst und den Nachwirkungen der Flüche, die sie hatte ertragen müssen, trotzdem begehrte jede Faser ihres Geistes dagegen auf, sich dem Willen dieses Mannes zu unterwerfen, doch der Schmerz, der von ihren brennenden Handgelenken ausging war unerträglich und sie wusste, dass es nichts an ihrer Situation ändern würde, sollte sie sich verweigern. Also nickte sie schließlich matt mit dem Kopf.
„Das war die erste kluge Entscheidung, die Sie heute getroffen haben.“ Lucius Malfoy hob seinen Zauberstab, beschrieb damit einige kreisende Bewegungen in der Luft und Hermine atmete erleichtert auf, als sich die Seile um ihre Handgelenke lösten. Eine weitere Bewegung und sie hatte das Gefühl, als hätte jemand seine unsichtbare Hand von ihrem Mund genommen.
Für einige Sekunden herrschte eine unheimliche Stille in dem bedrückend dunklen Raum, doch dann brach Hermine mit heiserer Stimme das Schweigen. „Das... das ist völlig unmöglich…“ stammelte sie und musste sich mehrmals räuspern, bevor sie die Kraft fand mit leiser Stimme weiter zu sprechen. „Sie sitzen doch in Askaban…“
„Nun ganz offensichtlich tue ich das nicht.“ erwiderte Lucius Malfoy mit einem zufriedenen Lächeln. „Habt ihr Kinder denn tatsächlich geglaubt, dass ich nun für immer und ewig an diesem Ort bleiben würde, um für die all die schrecklichen Dinge zu bezahlen, die ich getan habe? Jetzt, wo das Ministerium keine Dementoren mehr hinter sich hat, um ihre lächerliche Festung der zu halten?“ Er schüttelte mit einem selbstgefälligen Ausdruck in den Augen, den sie schon früher oft bei seinem Sohn gesehen hatte, den Kopf. „Ich bin ein Malfoy und kein Verlies dieser Welt, auch nicht Askaban, kann einen Malfoy halten. Es war nur eine Frage der Zeit und jetzt bin ich wieder da. Und glauben Sie mir eines, Miss Granger. Diejenigen, die dafür verantwortlich waren, werden schon sehr bald teuer dafür bezahlen.“
„Wie haben sie das gemacht?“ war alles was Hermine mit erstickter Stimme über die Lippen brachte. Sie saß noch immer auf dem Stuhl, an den sie bis eben noch gefesselt gewesen war, hatte zitternd die Arme an ihren Körper gepresst und rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht ihre zerschundenen Handgelenke. „Ich verstehe das nicht. Im Tagespropheten stand nichts über ihre Flucht.“
„Es ist nicht immer alles so wie es scheint.“ sagte Lucius Malfoy in einem Ton, als würde er mit einem begriffsstutzigen Kind reden. „Wir sind Zauberer. Es gibt immer Mittel und Wege zu verbergen was nicht ans Licht kommen soll. Ich hätte gedacht gerade Sie wüssten, dass…“ Er verstummte, als sich die Tür hinter ihm öffnete und zwei weitere Personen den Raum betraten.
„Du!“
Hermine sprang so heftig von ihrem Stuhl auf, dass er mit einem lauten Poltern nach hinten umfiel. Ihr ganzer Körper schien zu beben. Ihr Gesicht war eine Maske aus blankem Hass, als sie plötzlich Draco gegenüber stand.
„Du bist hier, Granger.“
Draco schien zufrieden, dass sein Plan bisher reibungslos funktioniert hatte. Er wandte sich mit spöttisch hochgezogenen Augenbrauen an seinen Vater:
„Habe ich dir nicht gesagt, dass es funktionieren wird? Arroganz ist und bleibt die größte Schwäche des Phönixordens. Sie hat erst Black das Genick gebrochen und dann Dumbledore.“
„Und jetzt ist Granger dran.“ bemerkte Pansy mit einem gehässigen Kichern. „Wenn das so weitergeht hat sich der Phönixorden bald selbst ausgerottet. Was ist denn los, Schlammblut? Hat es dir plötzlich die Sprache verschlagen? Bist wohl nicht mehr so stark, wenn Potter und Weasley nicht da sind, was?“
Tatsächlich hatte Hermine kein einziges Wort gesagt. Sie hatte noch nicht einmal mit einer Regung gezeigt, ob sie überhaupt wahrgenommen hatte, was um sie herum gesprochen wurde. Sie stand einfach nur da.
Sie war schneeweiß, ihre Hände hatte sie so fest zu Fäusten geballt, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten und ihr Blick, der unverwandt auf Draco geheftet war, sprach von mehr Zorn, als jedermann ihr jemals zugetraut hatte.
Als Harry ihr damals erzählt hatte, was auf dem Astronomieturm passiert war, war sie noch zu mitgenommen und geschockt von ihrem Kampf gegen die Todesser gewesen, um mehr als Wut und Abscheu zu empfinden, doch nun als sie Draco Auge in Auge gegenüber stand, nahm ihr der Hass, der in ihr aufstieg, beinahe die Luft zum Atmen und für einen kurzen Augenblick war sie in ihrer kalten Wut dankbar dafür, dass sie nicht zaubern konnte.
Vor ihr stand Draco Malfoy, derjenige, der die Todesser nach Hogwarts gebracht und Dumbledore in die tödliche Falle gelockt hatte. Er hatte aus dem Schloss, das in all der Zeit und trotz all der Schrecken stets ein Bollwerk gegen alles Böse für sie gewesen war, einen Ort gemacht, der ihr keine Sicherheit mehr bot.
Er hatte ihr und ihren Freunden die einzige Zuflucht und den letzten Menschen genommen, auf den sie in dieser Zeit des Terrors und der Angst noch hatten bauen können. Durch ihn war ihre Welt zu einem dunklen Ort geworden, ohne Hoffnung darauf jemals wieder das Licht zu sehen. Sie hasste Draco in diesem Augenblick mit jeder Faser ihres Körpers und ihre eigenen furchtbaren Rachegedanken erschreckten sie.
„Gönnen wir Miss Granger ein wenig Ruhe. Sie hatte einen langen Tag bisher.“ Lucius legte Pansy seine Hand auf die Schulter. „Bring ihr etwas Sauberes zum Anziehen, Liebes. So kann sie sich unmöglich beim Essen sehen lassen. Ihr müsstet ungefähr die gleiche Größe haben. Ich bin sicher du findest etwas… Angemessenes.“
„Auf keinen Fall!“ rief Pansy ungehalten und schüttelte seine Hand ab. „Ich werde ihr ganz sicher keine Kleider von mir geben. Eher verbrenne ich alles!“
„Und ich würde lieber verhungern, als mit euch an einem Tisch zu sitzen!“ zischte Hermine, die sich nun aus ihrer hasserfüllten Erstarrung gelöst hatte, mit einem wütenden Blick auf Lucius und Pansy.
„Aber, aber meine Damen.“ Lucius lachte, aber sein Blick war eiskalt und duldete keinen Widerspruch. „Natürlich wirst du ihr frische Kleidung bringen lassen, Pansy. Und selbstverständlich werden Sie mit uns essen, Miss Granger.“
Er wandte sich zum Gehen und sein edler, schwarzer Umhang wehte im leichten Luftzug, als er die Tür öffnete. „Ihr Wunsch zu verhungern könnte sonst sehr bald in Erfüllung gehen. Draco, Pansy, kommt jetzt. Ich habe mit euch zu reden. Sofort.“
Als die Drei das Zimmer verlassen hatten, sank Hermine hilflos zitternd zurück in ihren Stuhl und brach in Tränen aus. Das Adrenalin, das sie bis eben noch aufrecht gehalten hatte schwand aus ihrem Körper und alles was blieb war tiefe Verzweiflung und Mutlosigkeit.
Sie saß in einer ausweglosen Falle und kannte nicht einmal den Grund dafür. Warum gerade sie? Welchen Wert konnte sie für Malfoy oder die Todesser schon haben? Wollten sie dem Dunklen Lord einfach nur irgendein Schlammblut opfern oder hatten sie tatsächlich Pläne mit ihr von denen sie nichts ahnte?
Sie schniefte leise und griff gewohnheitsmäßig in ihre Hosentasche, um nach einem Taschentuch zu suchen. Sie fand etwas anderes.
Verwundert zog sie das verzauberte Pergament und ihre Feder aus der Tasche und ihr Herz machte einen hoffnungsvollen Sprung. „Merlin sei Dank!“
Sie sprang auf und lief mit eiligen Schritten zum Schreibtisch, der unter dem Fenster stand. Doch gerade als sie die Feder auf das Pergament setzen wollte, um einen Hilferuf an Harry zu schicken, traf sie die Erkenntnis wie ein Blitz.
So stolz sie auf ihre Arbeit mit diesem Zauber auch war, sie gab sich nicht der Illusion hin, dass es einem erfahrenen Zauberer schwer fallen würde dahinter zu kommen. Ihr Zauberstab war weg und bestimmt hatte man sie durchsucht, als sie hergebracht wurde. Sie konnte kaum glauben, dass sie Lucius Malfoy beinahe auf den Leim gegangen wäre.
Es war eine Falle. Doch nicht für sie. Was Malfoy wirklich wollte war Harry und sie war bloß der Köder.
Hermine ließ die Feder mit zitternden Fingern wieder sinken. Der kleine Funken Hoffnung, der eben noch in ihr geglüht hatte, erlosch und hinterließ wieder nichts als dunkle Verzweiflung. Sie war völlig machtlos. Sie konnte Harry unmöglich sagen wo sie war und ihn und den Orden damit in Gefahr bringen.
Sie wusste nicht wie Lucius Malfoy nach der Zeit in Askaban und den Geschehnissen in Hogwarts zu Voldemort und den Todessern stand, doch sie würde keine Konfrontation riskieren, nachdem die letzten beiden erst Sirius und dann Professor Dumbledore das Leben gekostet hatten. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das auch der Grund gewesen war, aus dem sie allein zu diesem ominösen Treffen gegangen war.
Sie hatte geahnt, dass sie damit vielleicht in eine Falle tappen würde, doch sie hatte es nicht über sich gebracht die anderen für ihre Neugier in Gefahr zu bringen. Vielleicht war es leichtsinnig und sogar arrogant gewesen allein zu gehen, doch noch weniger als wieder jemanden zu verlieren, hätte sie es ertragen eine Chance zu vertun diesem Schrecken endlich ein Ende zu machen.
Und so hatte sie die Falle, die Lucius Malfoy ihr gestellt hatte, zuschnappen lassen und stand nun vor der Wahl in diesem Alptraum auszuharren oder ihren besten Freund in tödliche Gefahr zu bringen. Ihr Blick war immer noch auf die Feder in ihrer Hand gerichtet- und plötzlich wusste sie genau was sie zu tun hatte. Sie musste Harry und den Orden unter allen Umständen beschützen. Und dafür gab es nur einen Weg.
Hi, Harry.
Tut mir leid, dass ich mich so spät melde.
Bei mir ist alles in Ordnung.
Grüß Ron von mir.
Ich vermisse euch sehr.
Hermine.
Als sie zusah wie die Tinte verblasste, liefen ihr wieder Tränen übers Gesicht. Doch gleichzeitig erfüllte sie eine tiefe Zufriedenheit, weil sie Lucius Malfoys eigenen Plan gegen ihn wandte, um Harry vor ihm zu beschützen. Wenn er glaubte, dass sie sich so einfach von ihm für seine Zwecke missbrauchen ließ wie sein eigener Sohn, dann hatte er sich gewaltig geirrt.
Das erste Problem war vorerst gelöst und Harry außer Gefahr. Doch was blieb war ihre eigene Misere. Sie war zwar nicht mehr gefesselt und es hatte auch niemand die Tür abgeschlossen, um sie daran zu hindern das Zimmer zu verlassen, doch man hatte ihr mehr als deutlich erklärt, dass es nur zu ihrem Schaden sein konnte, wenn sie versuchte das Haus zu verlassen- und ohne ihren Zauberstab war sie völlig wehrlos.
Wenn sie planen wollte zu fliehen, dann musste sie auf jeden Fall in der Lage sein zu zaubern, sonst hatte sie keine Chance. Aber sie wusste nicht einmal wo ihr Zauberstab war und selbst am anderen Ende der Welt hätte er nicht weiter von ihr entfernt sein können als in diesem fremden Haus.
Etwas regte sich in ihr- eine Mischung aus Überlebenswillen, Stolz und wildem Trotz. Dieses Haus war kein Fass ohne Boden. Mit viel Geduld und noch mehr Glück, konnte sie es vielleicht schaffen ihren Zauberstab zu finden. Sie war zwar nicht abergläubisch, dazu hatten all die fantastischen Legenden und Sagen ihrer Kindheit in den letzten sechs Jahren viel zu profane Gesichter bekommen. Trotzdem war sie sicher, dass nach all der Zeit, in der ihr Zauberstab wie eine Verlängerung ihrer rechten Hand gewesen war, so etwas wie eine Verbindung zwischen ihnen bestehen musste. Sie würde ihn finden und dann… Die Tür hinter ihr öffnete sich und riss sie damit grob aus ihren Gedanken. Hastig stopfte sie die Feder und das Pergament wieder in die Tasche ihrer Jeans und fuhr herum.
Pansy stand mit missmutiger Miene im Türrahmen und hatte ein Bündel Kleidung in der Hand „Hier.“ spie sie und als sie die Kleidung wütend auf den Boden vor ihren Füßen warf, sah Hermine, dass es eine offensichtlich alte und abgetragene Schuluniform mit dem Wappen der Slytherins war.
„Niemals!“ rief sie aufgebracht und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Das ziehe ich auf keinen Fall an!“
„Dann lass es.“ Pansy hob gelangweilt die Schultern. „Ich sollte dir was zum Anziehen bringen und das habe ich getan. Komm besser gleich zum Essen und trag dabei diese Sachen. Auf eins kannst du dich nämlich verlassen: Lucius Malfoy machst du besser nicht wütend. Du würdest es bereuen.“ Mit diesen Worten verschwand sie und knallte geräuschvoll die Tür hinter sich zu.
Hermine starrte einige Sekunden ungläubig auf die geschlossene Tür. Dann hob sie langsam die Uniform vom Boden auf und fuhr mit einem abfälligen Blick über das handgestickte Wappen. Als sie langsam mit dem Finger den Windungen der grünen Schlange folgte, konnte sie nur an eins denken. Sie musste verschwinden. So schnell wie möglich.
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