von Selina Malfoy
Als Hermine die Augen aufschlug ging gerade vor einem kleinen Fenster die Sonne unter. Sie setzte sich vorsichtig auf, wobei sie die Tatsache, dass immer noch jeder Zentimeter ihres Körpers schmerzte, kaum wahrnahm und sah sich um.
Sie lag in einem etwas klapprigen, alten Himmelbett. Die Möbel waren von einer stolzen Staubschicht bedeckt und vor dem milchigen Fenster hingen altmodisch geblümten. Diese Zimmer kannte sie genau.
Mit einem erleichterten Seufzen ließ sie sich zurück in die Kissen sinken. Sie hatten es tatsächlich geschafft. Sie waren im „Tropfenden Kessel“.
Am liebsten hätte sie vor Freude laut gesungen und getanzt, doch das hätte ihr Körper ihr mit Sicherheit nicht gedankt. Sie hatte beinahe die ganze Nacht und fast noch den ganzen Tag durchgeschlafen. Sie war nur ab und zu kurz aufgewacht, hatte aber kaum registriert, was um sie herum vor sich ging.
Die vergangenen Tage und der letzte große Zauber waren einfach zuviel gewesen. Alles woran sie sich noch erinnern konnte war, dass jedes Mal wenn sie kurz wach geworden war, das ganze Zimmer voller Menschen gewesen sein musste, die leise aber unüberhörbar aufgeregt getuschelt hatten.
Zwei Dinge, die gesagt worden waren, hatte sie aber sogar im Halbschlaf mehr als einmal deutlich herausgehört. „Der junge Malfoy“ und „Askaban“.
„Malfoy!“
Mit einem Schlag war Hermine hellwach und auf den Beinen. Leichte Panik stieg in ihr auf. Was war, wenn die Leute die Auroren geholt hatten, während sie schlief? Dann war Draco jetzt schon auf dem Weg nach Askaban- und sie hätte ihr Versprechen gebrochen. Hastig warf sie sich ihren zerrissenen und hoffnungslos verdreckten Umhang über und stürmte aus dem Zimmer. Im Flur stieß sie beinahe mit einem Zimmermädchen zusammen.
„Du bist ja wach!“ rief das blonde Mädchen, dass kaum mehr als ein paar Jahre älter war als sie selbst, überrascht und packte sie fest an den Schultern. Ihre Stimme überschlug sich fast vor Mitgefühl. „Du solltest wirklich im Bett bleiben und dich ausruhen. Merlin, weiß was du alles durchgemacht hast.“
„Es geht mir gut.“ antwortete Hermine so ruhig wie möglich und machte sich los. „Wo ist Malfoy... Draco... Er müsste bei mir gewesen sein, als ich hier ankam.“
„Ja das war er auch, dieser Mistkerl.“ Das Mädchen nickte eifrig und runzelte missbilligend die Stirn. „Sah ziemlich schlimm aus. War wohl ein harter Kampf. Aber du musst dir keine Sorgen machen. Sein Zimmer ist weit weg von deinem. Und von außen abgeschlossen. Sie haben ihn erstmal ein bisschen zusammengeflickt. War ja mehr tot als lebendig der Junge- nun mir wäre es Recht gewesen- aber spätestens morgen holt Tom die Auroren, sagt er und dann kriegt er was er verdient hat.“
„Wo ist sein Zimmer?“ fragte Hermine ungeduldig ohne auf die Solidaritätsbekundungen ihres Gegenübers einzugehen. Sie hatte keine Zeit alle Umstände aufzuklären- mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass ihr wahrscheinlich sowieso niemand geglaubt hätte. „Ich muss ihn sofort sehen.“
„Das ist bestimmt keine gute Idee.“ widersprach das Mädchen, das laut ihrem kleinen Namensschild Emma hieß, mit einem entschiedenen Kopfschütteln. „Das ist viel zu gefährlich. Du hast Glück gehabt, dass du nur mit diesen paar Kratzern davon gekommen bist. Man weiß doch wie diese Todesser sind.“
„Ich habe weder Zeit noch Lust darüber zu diskutieren.“ sagte Hermine flehendlich. „Bitte sag mir einfach wo er ist.“
Emma betrachtete sie nachdenklich und hob dann mit einem Kopfschütteln die Schultern. „Zweiter Stock. Zimmer 217. Aber wenn etwas schief geht, sag nicht ich hätte dich nicht gewarnt.“
Ein Blick auf Draco, der schlafend im Bett lag, genügte um zu sehen, dass es nicht nötig gewesen wäre ihn einzusperren. Er würde so schnell sicher nirgendwo hingehen. Sie trat näher und hoffte, dass alles schlimmer aussah, als es wirklich war und dass man es mit all den Verbänden einfach nur zu gut gemeint hätte. Wenn nicht, dann hatte Emma Recht gehabt- und er war wirklich mehr tot als lebendig.
„Malfoy?“ flüsterte sie, setzte sich, nachdem sie die Tür wieder verschlossen hatte, mit einem alten, klapprigen Stuhl an sein Bett und rüttelte ihn leicht an der Schulter.
Er sah so blass und zerbrechlich aus und sie hätte ihn gern länger schlafen lassen, doch sie mussten dringend verschwinden, bevor tatsächlich Auroren vor der Tür standen. „Bist du wach? Kannst du mich hören?“
Er blinzelte leicht und stöhnte leise, bevor er langsam die Augen öffnete.
„Mein Schädel explodiert gleich...“ murmelte er und presste die Hände gegen die Schläfen. Seine Stimme war brüchig und heiser. „Lass mich einfach in Ruhe sterben, Granger.“
„Damit kann ich leider nicht dienen.“ erwiderte Hermine trocken und atmete innerlich auf. So schlecht konnte es ihm nicht gehen, wenn er schon wieder derartig bissig war. „Kannst du aufstehen?“
„Ich weiß ja nicht ob du dabei warst, Granger, aber mir ist ein gigantisches Ungeheuer aus massivem Stein auf die Brust gesprungen.“ bemerkte Draco zynisch und verzog bei der bloßen Erinnerung daran das Gesicht. „Ich bin schon froh, dass ich noch mehr als meinen kleinen Finger bewegen kann. Um es kurz zu machen: Nein, ich denke nicht, dass ich aufstehen kann.“
„Du musst es versuchen.“ erwiderte Hermine unerbittlich. Sie deutete mit ihrem Zauberstab auf den Stuhl mit seinen Sachen. „Accio! Zieh dich an. Wir müssen weg sein, bevor die Horde Auroren hier ist, die man mir versprochen hat.“
„Hörst du schlecht, Granger? Ich kann nicht aufstehen! Ich habe versprochen dich aus dem Manor zu schaffen und das habe ich getan. Der Rest ist deine Sache. Mir ist egal wie du es anstellst, aber sorg dafür, dass...“
„Alohomora!“
Hermine sprang erschrocken auf, als hinter ihr die Tür aufsprang und für einen Moment konnte sie die drei Personen in der Tür nur fassungslos anstarren. Draco hielt erschrocken den Atem an und griff unbewusst nach ihrem Handgelenk. Damit riss er sie aus ihrer Erstarrung.
„Professor McGonagall...“ brachte sie schließlich erstickt hervor. „Harry... Ron...“
“Miss Granger…”
Professor McGonagall ließ verblüfft ihren Zauberstab sinken. Offensichtlich hatte sie Hermine nicht in diesem Zimmer erwartet. Wahrscheinlich war das auch kein Wunder. Wer immer sie gerufen hatte, hatte ihr sicher in den schillerndsten Farben davon berichtet, wie sie plötzlich aus dem Nichts mit dem gefürchteten Todesser Draco Malfoy im Schlepptau in den Schankraum appariert hatte.
Harry schien es nicht viel anders zu gehen. Er stand einfach nur da und starrte sie an. Seine Hand, die den Zauberstab auf Draco gerichtet hielt, zitterte. Ron hatte der Schock leider nicht in fassungslose Erstarrung fallen lassen.
Mit drei schnellen Schritten hatte er sich rücksichtslos an Harry und seiner Schulleiterin vorbei geschoben und stand, vor Wut bebend, vor Dracos Bett.
„Lass sie los!“ zischte er drohend und deutete mit dem Zauberstab auf Dracos Hand, die noch immer Hermines Handgelenk umklammert hielt. „Sofort! Ich warne dich!“
„Ron, nicht!“ Hermine schüttelte rasch Dracos Hand ab und packte ihn an den Schultern. „Du weißt nicht was passiert ist...“
„Was gibt es da nicht zu wissen?“ brüllte Ron und versuchte sich loszureißen. „Mir ist ganz egal was er mit dir gemacht hat! Ich will es nicht hören! Ich werde ihn umbringen!“
„Mister Weasley!“ rief Professor McGonagall entsetzt und stellte sich entschieden zwischen Ron und Dracos Bett. „Hier wird niemand umgebracht, haben wir uns verstanden?“
„Aber, Professor.“ widersprach Ron und schüttelte schließlich Hermines Hände ab. „Wie können Sie nur nach allem was passiert ist…“
“Miss Granger hat völlig Recht. Wir wissen überhaupt nicht was passiert ist.“ erklärte Professor McGonagall mit gebieterischer Stimme. „Ich werde jetzt allein mit Mister Malfoy reden und dann entscheiden wie es weitergeht.“
Bevor Ron die Möglichkeit hatte ihr noch einmal zu widersprechen deutete sie auf die Tür. „Gehen sie bitte und nehmen sie Miss Granger mit. Ich bin sicher sie haben sich viel zu erzählen.“ Ein verhaltenes Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Ich bin froh, dass es ihnen gut geht.“
„Danke, Professor. Das bin ich auch…“
„Warum hast du mich aufgehalten?“ fragte Ron aufgebracht, nachdem sich die Tür mit einem deutlichen Klicken hinter ihnen geschlossen hatte. „Dieser Dreckskerl hätte nur bekommen was er verdient hat!“
„Hör auf.“ murmelte Hermine und fuhr sich mit zittrigen Fingern durch die Haare. „Ich will jetzt nicht darüber reden. Aber ich schwöre dir, es ist nicht so wie du denkst, Ronald.“
„Nicht so wie ich denke?“ Ron blieb wie angewurzelt stehen. „Nicht so wie ich denke? Verdammt, Hermine! Du warst tagelang verschwunden! Wir sind halb wahnsinnig gewesen vor Sorge! Wir haben uns die schrecklichsten Dinge ausgemalt und dann kommt diese Eule und sagt uns, dass du mit diesem… diesem Todesser hier aufgetaucht bist! Wenn es nicht so ist wie ich denke, dann sag mir wie es war!“
„Hör auf!“ Hermine sank auf die Knie und fing hilflos an zu schluchzen. „Ich will nicht darüber reden- nicht jetzt! Ohne Draco wäre ich nicht hier und im Moment ist das alles was du wissen musst!“
„Aber ich…“
„Es ist genug, Ron!“ Harry unterbrach ihn bestimmt, beugte sich zu Hermine hinunter und half ihr wieder auf die Beine. Er warf seinem besten Freund einen warnenden Blick zu und legte den Arm um sie. „Du musst uns nichts erzählen, wenn du nicht willst. Was immer gewesen ist, ich sicher, dass Professor McGonagall schon alles regeln wird. Am Besten legst du dich erstmal hin und ruhst dich aus. Wir sind unten, wenn du uns suchst. Oder sollen wir dich in dein Zimmer bringen?“
„Nein…“ Hermine schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen von den Wangen. „Ich möchte jetzt lieber allein sein.“
„Was soll das?“ fragte Ron scharf, als Hermine weg war. „Du kannst sie doch so nicht einfach gehen lassen! Hast du sie dir nicht angesehen, Harry? Ich will wissen was mit ihr passiert ist und was dieses Schwein Malfoy damit zu tun hat!“
„Ich doch auch.“ erwiderte Harry ruhig legte ihm mit einem verständnisvollen Blick die Hand auf die Schulter. „Aber wir können sie zu nichts zwingen. Wenn sie soweit ist, wird sie schon mit uns reden. Wir müssen einfach etwas Geduld haben.“
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