von Kissbabe
Anfang Dezember kam Mum, freudestrahlend und bis über beide Ohren grinsend in mein Zimmer:
„Ginny, Liebes,“ flötete sie mir entgegen „dein Dad, du und ich, wir werde über Weihnachten nach Rumänien zu deinem Bruder fahren! Ist das nicht toll?“
Sie wartete erst gar keine Antwort von mir ab, sonder verließ gleich darauf, ein Lied summend, mein Zimmer. Ich vergrub mein Gesicht in mein Kopfkissen. Nach RUMÄNIEN??? Och nööö! Ich hatte doch so gehofft, dass Harry zu Weihnachten zu uns kommen könnte, aber nun bleiben wohl alle meine Brüder und auch Harry in Hogwarts. So ein Mist! Jetzt erfahre ich nie, was an Halloween wirklich in Hogwarts geschah. Oh man, kann ich nicht alleine hier bleiben? Aber das lässt Mum mich nie! Ich darf ja noch nicht einmal alleine zum Müll laufen, ohne dass ich von ihr im Auge behaltern werde. Ich hasse es ein Kind zu sein...
Genau drei Wochen später standen Mum, Dad und ich sehr warm angezogen in unserem Garten und warteten darauf, dass es 14 Uhr ist. Eine alte Kaffeekanne stand vor uns auf dem Boden. Es war ein Portschlüssel, der uns zu Charlie nach Rumänien bringen sollte. Um eine Minute vor 14 Uhr sagt mein Dad:
„So ihr Zwei. Dann macht euch mal bereit...“
Wir legten alle eine Hand auf die Kanne.
„Noch fünf Sekunden, vier, drei, zwei, eins...“
Er hatte noch nicht ganz bis „Eins“ gezählt, schon verspürte ich ein Ziehen hinter meinem Nabel. Wir drehten uns wie wild im Kreis und eine halbe Minute später landete ich eher schlecht als recht mit dem Gesicht zuerst im Schnee. Ich setzte mich auf und hörte Jemanden neben mir lachen.
„Mensch Ginny, die Landung musst du aber noch mal üben!“
Ich wischte mir den Schnee aus dem Gesicht und blickte mich um. Charlie stand neben mir und hielt sich den Bauch vor lachen. Ich formte schnell einen Schneeball und schmiss ihn ihm mitten in sein grinsendes Gesicht. Nun war es an mir zu lachen.
„Ich freu mich auch dich zu sehen, großer Bruder!“
Er kam auf mich zu und nahm mich in den Arm.
„Ich freue mich so, dich zu sehen, Kleines,“ sagte er und drückte mich ganz fest. „Du bist aber vielleicht groß geworden! Wirst jeden Tag ein Stück erwachsener!“
Er stellte sich auf und musterte mich von oben bis unten. „Tja, sag das mal Mum...“.
„Was soll er mir sagen?“ Mum stand neben uns und hatte die Hände in die Hüfte gestemmt. „Nicht so wichtig,“ sagte Charlie und nahm sie ebenfalls in den Arm. „Tut gut dich zu sehen, Mum.“
„Ach mein Lieber, wie geht es dir denn hier so?“ Sie entließ ihn aus ihrer Umarmung und verdrückte eine kleine Freudensträhne.
„Bestens, aber das weißt du doch Mum. Hey Dad, hier sind wir!“ Er winkte Dad zu, der noch ein kleines bisschen durch den Wind war und für kurze Zeit die Orientierung verloren hatte.
„Charlie, mein Junge! Na, wie geht es dir? Was macht die Arbeit?“ Während Dad, Mum und Charlie sich über Charlies Arbeit mit Drachen unterhielten, schaute ich mir derweil ein bisschen die Umgebung an. Wir waren mitten auf einem großen Feld. Ein paar Meter hinter uns erstreckte sich ein großer Wald. Zwischen ein paar Bäumen stiege ein wenig Rauch auf. Dort musste Charlies Haus sein. Er erzählte immer was davon, dass er am Rande eines großen dichten Waldes wohnte. Auf der gegenüberliegenden Seite war ein großer See, der derzeit jedoch zugefroren war. Einfach eine traumhafte Aussicht. Ich freute mich schon darauf auf dem See Schlittschuh zu laufen.
Langsam aber sicher wurde es uns doch ein wenig kalt. Wir machten uns deshalb auf den Weg Richtung Wald, genau zu der Stelle, die ich schon als Charlies zu Hause vermutet hatte. Dort angekommen klopften wir uns den Schnee von den Sachen und traten in Charlies mollig warme Behausung. Er machte uns erst einmal Tee und einige Zeit später stand auch schon ein deftiges Mittagessen auf dem Tisch.
„Sag mal Charlie, mit welchen Drachen hast du es denn gerade zu tun?“ fragte mein Vater neugierig. „Ach weißt du, zurzeit kümmere ich mich gerade um eine kleine Herde Rumänischer Langhörner. Die goldenen Hörner der Langhörner sind bei Zauberern sehr beliebt, da sie eine wichtige Zutat für Zaubertränke sind. Wir müssen immer ein Auge auf sie halten, da sie oft einfach nur wegen dieses Horns gejagt werden. Wir wollen ja schließlich nicht, dass uns diese Rasse ausstirbt.“
Mir war so klar, was nun für eine Frage folgen würde.
„Charlie, wäre es vielleicht möglich, dass ich mir diese Herde eventuell mal ansehen darf?“ Mein Vater würde mit Sicherheit platzen, wenn er nicht bald einen dieser Drachen zu Gesicht bekommen würde.
„NEIN Arthur! Das ist viel zu gefährlich! Charlie weiß mit diesen Tieren umzugehen, aber du solltest dich lieber nicht in die Nähe dieser Geschöpfe aufhalten!“ Sie sprach, als wäre das Thema damit für sie erledigt.
„Aber Mum, sooo gefährlich ist es nun auch nicht. Ich werde schon gut auf ihn Acht geben. Du kannst auch gerne mitkommen, wenn du magst. Die Drachen sind wirklich hoch interessant.“
„Ja Mum, bitte lass uns auch hingehen. Ich möchte sie mir auch so gerne mal ansehen.“ Ich zappelte vor Aufregung auf meinem Stuhl hin und her.
„Kommt gar nicht in Frage! DU bleibst mir von diesen Tieren fern. Soweit kommt das noch, dass mein jüngstes Kind von Drachen flambiert wird! Niemals!!!“ Sie nahm die leeren Teller und stellte sie in die Spüle.
Das war ja mal wieder klar! Immer wenn es was aufregendes zu sehen gibt, darf ich nicht dabei sein. Das ist doch zum aus der Haut fahren!!!
Charlie und Dad gingen also fast täglich zusammen zu den Drachen, während Mum und ich uns um die Weihnachtsvorbereitungen kümmerten. Charlie hatte ein paar Tage vor Weihnachten einen schönen hochgewachsenen Baum mitgebracht, den Mum und ich auch gleich darauf schmückten.
Am Abend vor Weihnachten erzählten Charlie und Dad, dass es nicht mehr lange dauern würde bis ein Baby-Drache aus seinem Ei schlüpft. Meine Mum wurde bei diesem Thema ein wenig hellhörig.
„Du meinst, dass morgen schon vielleicht das Baby schlüpft?“ Ich konnte ein Funkeln in den Augen meiner Mutter erkennen.
„Ja, es kann jede Minute soweit sein. Ich denke, dass es morgen so gegen Mittag losgehen wird. Dad will sich dieses Ereignis auf keinen Fall entgehen lass, sagt er. Wenn du magst, dann kannst du auch gerne mitkommen. Nein, keine Angst. Die Mutter und das Ei sind von der Herde getrennt worden. Es kann also nichts passieren.“
Tatsächlich dachte meine Mutter ernsthaft darüber nach. Ich hoffte inständig, dass sie JA sagen würde. Auch ich würde zu gerne sehen, wie ein Drache aus einem Ei schlüpft.
„Hm, also gut. Ich denke, wenn es morgen soweit sein sollte, werde ich wohl mitkommen und es mir ansehen.“
„Oh Mum, das ist ja toll!“ Ich viel meiner Mutter vor Freude um den Hals.
„Nein, mein Schatz. Du bleibst schön hier und wirst auf uns warten. Ich werde dich nicht einmal in die Nähe dieser Tiere lassen!“
„Aber Mum, das ist unfair! Wenn ihr geht, dann möchte ich auch gehen!“ Wütend haute ich mit der Faust auf den Tisch. „Ich will es auch sehen!!!“
„Nein, wirst du nicht. Ende der Diskussion!“
Hilfe suchend schaute ich zu Dad und Charlie, doch niemand wollte sich gegen das Wort meiner Mutter stellen. Wütend stand ich auf und ging in mein Schlafzimmer. Ich knallte die Tür zu und holte mein Tagebuch heraus. Ich musst erst einmal ein bisschen Dampf ablassen und das konnte ich am besten bei Diary.
Liebe Diary,
ich bin stock sauer! Meine Mum verbietet mir doch tatsächlich morgen mit ihr, Dad und Charlie zu den Drachen zu gehen. Ich könnte ausflippen! Wann hat man den schließlich schon mal die Gelegenheit einen Drachen aus einem Ei schlüpfen zu sehen? Das ist so unfair. Jeder darf gehen nur ich nicht! Man, das ist doch echt nicht mehr normal!!!
Ciao,
Ginny
Prompt kam auch schon Diarys Antwort:
Mensch Ginny,
reg Dich doch nicht so auf. Deine Mum macht sich sicher nur Sorgen um Dich und will einfach nicht, dass Dir dort bei den Drachen was passiert. Wer weiß, vielleicht ist es ja gar nicht so toll, wie man sagt und Du würdest dich zu Tode langweilen (welch eine Ironie). Naja, auf jeden Fall lassen Dich dann Deine Eltern morgen ganz alleine zu Hause. Da kannst du endlich mal machen, was Du willst und ohne, dass Deine Mum an Dir rummeckert. Nutze doch einfach die Gunst der Stunde ...
Deine, Diary
Ach Mensch, das ist alles so fies! Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, das die Geburt eines Drachen langweilig sein sollte. Aber ich werde es ja eh niemals erfahren, soviel steht fest. Ich werde morgen auf jeden Fall das machen, was Diary gesagt hat. Was genau, das fällt mir schon noch ein. Ich habe ja eine ganze Nacht, um mir darüber Gedanken zu machen...
An nächsten Morgen wachte ich auf und erblickte sofort den Haufen Geschenke am Fußende meines Bettes. Sofort schwang ich mich aus dem Bett und begann eifrig meine Geschenke auszupacken. Es waren viele schöne Sachen dabei. Am schönsten war jedoch eine Ledertasche in die genau mein Tagebuch reinpasste. So war es ein wenig geschützter und sah auch noch dazu toll aus.
Als ich alle Geschenke ausgepackt hatte, machte ich mich fertig und ging runter, um zu frühstücken. Als ich jedoch in die Küche kam, war niemand dort. Es lag nur ein Zettel auf dem Tisch mit den Worten:
„Es schlüft! Mussten schnell aufbrechen. Musst ohne uns frühstücken. Sind (hoffentlich) gegen Mittag zurück. Mum
P.S.: Frohe Weihnachten, mein Schatz!!!“
Na super! Jetzt darf ich auch noch Weihnachten alleine feiern. Das wird ja immer besser!
Ich macht mir eine große Schale Cornflakes und setzte mich ans Fenster. Von dort aus hatte man eine tolle Sicht auf den See. Während ich genüsslich meine Flakes aß, kam mir eine Idee. Ich wollte doch schon die ganze Zeit mal auf dem See Schlittschuhlaufen gehen. Jetzt wäre doch DIE Gelegenheit dazu. Je länger ich darüber nachdachte, um so besser gefiel mir die Idee. Als ich aufgegessen hatte, zog ich mich sehr warm an und suchte nach Schlittschuhen. Nach einer drei Viertel Stunde wurde ich dann auch endlich im Keller fündig. Sie waren zwar nicht genau meine Größe, aber sie passten schon. So machte ich mich also auf dem Weg hinunter zum See.
Dort angekommen zog ich meine Schuhe aus und meine Schlittschuhe an. Langsam und vorsichtig machte ich die ersten Schritte aufs Eis. Fest gefroren war es. Mit weiteren vorsichtigen Schritten traute ich mich nun weiter aufs Eis. Als ich ungefähr auf der Mitte des Sees war und es immer noch stabil war, traute ich mich ein wenig schneller zu laufen. Nach einigen Minuten machte ich mir gar keine Gedanken mehr um das Eis und zog immer schneller meine Runden auf dem See. Ich wurde immer mutiger, versuchte rückwärts zu fahren, Drehungen und wagte es sogar über einen kleinen Ast zu springen, der auf dem Eis lag. Es war einfach toll. Ich hatte riesigen Spaß.
Aber auch das schönste Erlebnis hat einmal ein Ende. Nach fast zwei Stunden wurde es mir doch allmählich zu kalt. Gerade als ich zurück zum Haus gehen wollte, hörte ich ein lautes Miauen hinter mir. Als ich mich umdrehte sah ich ein kleines Kätzchen am Rande des Sees, das drohte zu ertrinken. Sofort schoss ich zurück auf den See, um dem Kätzchen zu helfen. Als ich bei dem Kätzchen fast angekommen bin, hielt ich einen Moment inne. Hatte da gerade was geknackt? Nein, kann nicht sein. Ich bin hier doch die ganze Zeit rumgelaufen und es ist nichts passiert. Ich beugte mich also nachunten und schaffte es das Kätzchen aus dem Eis zu holen. Das arme Ding war völlig durchgefrohren und durchnässt.
Ich machte mich also schnell auf dem Weg zurück ans Ufer. Da war es schon wieder. Diesmal aber ganz deutlich. Ich verlangsamte meine Schritte und versuchte mich vorsichtig weiter zu bewegen. Es waren doch nur noch wenige Meter... Leider doch ZU viele! Es gab ein fürchterliches Krachen. Aus Reflex warf ich das Kätzchen zum Ufer, wo es mehr oder weniger sicher landetet. Ich hatte da weniger Glück. Ich krachte geradewegs durch die Eisschicht! Durch das eiskalte Wasser blieb mir regelrecht die Luft weg. Ich konnte mich zuerst nicht bewegen. Als mich jedoch die volle Panik packte, ruderte ich wie wild um mich, wobei ich noch mehr Eis um mich herum kaputt schlug. Ich konnte mich kaum noch über Wasser halten. Die Schlittschuhe zogen mich immer wieder runter. Mir blieb die Luft weg. Verzweifelt rief ich jedesmal, wenn ich an die Oberfläche kam um Hilfe. Aber wer sollte mich schon hören? Es war ja niemand da. Wie konnte ich nur so dumm sein und mich alleine hier aufs Eis wagen? Langsam schwanden mir die Sinne. Meine Beine wurden immer schwerer. Ich erreichte immer schwerer die Oberfläche. Das darf doch nicht sein! Ich bin doch erst 10 Jahre. Ich darf einfach noch nicht sterben. Ich habe doch noch mein halbes Leben vor mir. Innerlich betete ich, dass irgendjemand meine Hilferufe hören würde, doch ich glaubte nicht länger daran. Ich konnte nicht mehr klar denken. Mir war so kalt. Wie gerne wäre ich jetzt in meinem warmen Bett oder sonst wo, nur nicht HIER! Ich spürte kaltes Wasser in meinen Lungen. Eiskaltes Wasser! Mein Körper war steif vor Kälte. Langsam verlor ich das Bewustsein und ich konnte nicht mehr gegen das Wasser ankämpfen. Das letzte was ich noch wahrnahm war, dass jemand meinen Namen rief, doch das war sicher nur Einbildung. Es war ja niemand da...
„Ginny! Ginny, mein Engel, kannst du mich hören?“ Irgendwo tief in meinem Bewustsein vernahm ich eine Stimme. War ich schon tot? War ich schon im Himmel? Langsam kehrte mein Bewustsein zurück und ich erkannte, dass es die Stimme meiner Mutter war, die meinen Namen rief.
„Oh mein Gott, Ginny! Ich dachte ich hätte dich verloren!“ Ich spührte wie warme Lippen mein Gesicht mit Küssen bedeckten. Warm? Kann es sein, dass ich doch nicht tot bin? Ich versuchte die Augen zu öffnen und sah in das Gesicht meiner Mutter, welches tränenüberströmt war. Ich versuchte mich aufzusetzen, doch ich wurde sanft zurück in die Kissen gedrückt.
„Tut mir leid, junge Dame! Weihnachten wirst du wohl oder übel im Bett verbringen müssen.“ Es war die Stimme eines Mannes, die ich jedoch nicht kannte.
„Vielen Dank, Stephen, dass du so schnell hergekommen bist!“ Charlie war ebenfalls da.
„Kein Problem! Hab ich doch gerne gemacht. Allerdings sollte sie noch den ganzen restlichen Tag im Bett bleiben. Ihr fehlt zwar nichts, aber sie sollte sich noch ein bisschen schonen!“
„Ihr Wunsch ist mir Befehl!“ sagte ich und kuschelte mich tiefer in mein Kissen.
„Siehst du, Molly Schatz, sie wird schon wieder frech,“ hörte ich Dad schmunzeln.
„Ja, ich denke, sie wird wieder ganz gesund!" Sie drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn, woraufhin alle mein Zimmer verließen.
Ich war so froh, dass doch noch mal alles gut gegangen war. Eigentlich wollte ich Diary von dem Vorfall schreiben, aber das konnte ich ja auch noch morgen machen. Morgen.. juhu... es gab ein MORGEN!!!
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