von Xaveria
(Anm: Bill ist eine Kurzform von William. Also, unser lieber Bill Weasley heißt eigentlich William Weasley. Ich habe es hier nicht geändert, da ich der Überzeugung bin, dass Snape eher den vollen Namen nennen würde als nur die Kurzform)
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„Ich nehme an, Sie wollen wissen, worum es geht.“
„Wohl kaum“, antwortete er, dann zog er seine Handschuhe aus und die Schulleiterin sah scharf zu ihm auf, die Worte, nach denen sie gesucht hatte, starben in ihrem Hals. Ununterbrochen betrachtete er sie, ein düsteres Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab, als sich die Tür schloss. „Aber vielmehr vermute ich, dass Sie es gerne wüssten.“
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Während Severus und Minerva schweigend die Treppen hinaufstiegen, war es im Schloss seltsam ruhig. Die schwach flackernde Fackel tat wenig daran, die Dunkelheit zu verbannen, sondern schien eher die Schatten in den Ecken, wo die Verletzten gefallen und die Gefallenen gelegen hatten, zu vertiefen.
Eine Ecke, ein Korridor, ein weiterer, noch mehr Treppen. Ein schräger Durchgang. Auf halbem Wege zwischen zwei entfernten Fackeln, ein Zusammentreffen von Ecken und einer Tür.
Die TĂĽr.
Severus hielt inne. Durch die TĂĽr, die Treppen hinauf, auf den Turm... Er schluckte schwer.
Minverva zögerte kurz bei ihrem nächsten Schritt. „Sie waren nicht mehr hier gewesen. Ich hatte es vergessen.“
Seine Stimme unmöglich leise, seine Gesichtszüge regungslos, undeutbar. „Nein, war ich nicht.“
Seine Worte, eine präzise Doppeldeutigkeit zwischen Bestätigung und Tadel; zwischen diesen beiden Möglichkeiten stand Minerva ratlos. Bevor sie entscheiden konnte, ob eine Entscheidung nötig war, setzte sich Severus wieder in Bewegung.
Am anderen Ende des Durchgangs verschleierte eine schwebende Nebelwand ein Portrait. Severus verharrte und zog in Minervas Richtung eine Augenbraue hoch.
„Longbottom“, antwortete sie, ihre Stimme nur ein dünnes Flüstern ihrer selbst.
„… Longbottom?”
Sie nickte. „Das denken wir. Das Portrait ist der Eingang zum Ravenclaw Gemeinschaftsraum.“
„Ah.”
Sie schritten weiter den Korridor hinunter, ihre Schritte jetzt etwas langsamer als zuvor.
Hinter ihnen drehte sich der Nebel langsam, stieg spiralförmig in sich selbst auf und rollte dann nach außen. Die Bewegungen wiederholten sich, als ob es unentwegt an seinem Mut arbeiten würde, das Portrait um diesen Tanz zu bitten.
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Das an den Wänden schimmernde Feuer im Büro der Schulleiterin kämpfte mit einem dünnen, beharrlichen Fleck Mondlicht auf dem alten Steinboden. Nachdem Severus seine Handschuhe auf seine Reisetasche gelegt hatte, nahm er eine dampfende Tasse von einer Hauselfe entgegen und schlang seine Finger um die Wärme. Echos aus anderen Nächten, aus anderen Zeiten flüsterten von den leeren Deckengewölben herab, ein verstummter Ansturm erreichte den Gipfel in seinem Kopf, zerschmetterte und wich schließlich langsam zurück, bis er nur noch das leise, kratzende Schnarchen von den über ihm angeordneten Portraits hörte.
Er schaute auf, aber die oberste Reihe lag vollkommen im Schatten.
„Albus?“
Als Minerva seine Stimme hörte, erstarrte sie.
„Guten Abend, Severus“, kam die Antwort. „Ich gehe davon aus, dass Sie eine angenehme Reise hatten?“
Unfreiwillig zuckten Severus Mundwinkel. „Heute Nacht?“, erkundigte er sich trocken. „Oder meinen Sie das eher im übertragenen Sinne?“
Albus lachte aus der Entfernung leise auf. „Eine schöne Nacht zum Fliegen.“
Ein erstickter Laut aus Severus Kehle. „Die ist es.“
„Das ist es immer im Hochland, Severus“, sagte Albus, seine Stimme eine Schramme auf einem verblassenden Pergament.
Ziemlich sicher, dass es bei dieser Unterhaltung um mehr ging, als sie verstehen würde, schnaubte Minerva, da sie nicht wusste, was sie sonst, wenn überhaupt, hätte tun sollen.
Severus Blick durchsuchte die hohen Schatten für einen weiteren Moment, dann setzte er sich an das kleine Feuer und richtete seine Aufmerksamkeit auf Minerva. „Also, sagen Sie mir“, sagte er, als er seine Beine vor dem Feuer ausstreckte und etwas Anspannung um seine Augen herum schwand während sich seine Muskeln in seinem Rücken wieder neu anordneten. „Wer wird sterben?“
Minerva blinzelte und griff nach der Armlehne ihres Stuhls. Sie richtete ihr Gewand und sagte dann schwach: „Woher wussten Sie es?“
Eine zufriedene Einsicht flackerte in seinen Augen. „Es scheint die wahrscheinlichste Erklärung für meine Einladung zu sein.“
„Ich habe Sie nicht aufgrund Ihres Wissens für Zaubertränke hierher gebeten, Severus“, sagte sie etwas schärfer als beabsichtigt. „Unter unseren Mitarbeitern befinden sich ein Heiler und ein neuer Zaubertrankmeister.“
„Natürlich. Dann ist es also Slughorn, der krank ist.“
„Ja.“
„Und ist er schon lange krank?“
„Länger, als er natürlich zugibt.“
„Natürlich“, sagte Severus erneut.
Ihre Augen funkelten scharf hinter ihrer Brille. „Ich habe Sie auch nicht für irgendwelche Verspottungen hergebeten.“ Sie fügte kein „junger Mann“ hinzu, aber er hörte es trotzdem.
Einmal ein Lehrer... dachte er, ein merkwürdiges Lächeln huschte für einen Moment über sein Gesicht.
Minerva sah es und entspannte sich ein wenig. Sie betrachtete ihn kurz nachdenklich, dann wagte sie es. „Horace' Nachfolger ist fähig genug, aber er ist nicht halb der Zaubertrankmeister, der Sie sind, Severus. Wenn Sie nur das Wort sagen--“
„Nein, ich hege nicht den Wunsch, wieder zu unterrichten“, sagte er rundweg.
Sie nickte. „Sehr wohl.“ Sich in ihrem Stuhl aufsetzend und ihr Gewand richtend, erklärte sie: „Sie wissen, dass sich Hermine Granger hier in unserem Kollegium befindet?“
„Ja“, sagte er, sein Blick glitt kurz zu seiner Reisetasche, bevor er wieder zurück zu Minerva zurückkehrte.
Minvera folgte seinem Blick. „Oh, gut. Dann kennen Sie auch ihre Nachforschungen.“
Aufgrund ihrer Folgerung zog Severus eine Augenbraue hoch.
„Wirklich, Severus, ich kennen Sie bereits seit fast fünfzig Jahren.“
Er zögerte. „In der Tat.“
Ein Moment verstrich zwischen ihnen – ein geteiltes, volles Schweigen. Zu viele Erinnerungen, zu viele von ihnen schneidend. Zu viele, um sie zu ignorieren, zu stark, um sie zu äußern... und dann fing das Vakuum aus zwanzig Jahren sie beide in seiner Falle und Minerva wandte den Blick ab.
„Ich habe mich falsch ausgedrückt, Severus. Ich entschuldige mich.“
„Nicht nötig.“
Eine sanfte Stimme von oben. „Ich habe mich oft darüber gewundert wie eine einzige Tatsache sowohl die ganze Wahrheit als auch den völligen Mangel dessen beinhalten kann.“
Weder die Hexe noch der Zauberer schauten auf.
„Warum heute Nacht, Minerva?“, fragte er schließlich.
Minerva zögerte. „Sie hat sich verändert, Severus. Sie würden Sie nicht mehr wiedererkennen.“
„Vielleicht nicht“, sagte er zu trocken und Minerva warf ihm einen scharfen, abschätzenden Blick zu, bevor sie fragte: „Dann haben Sie es also gehört?“
„Ich bin ihr vor ein paar Jahren kurz begegnet und hatte seitdem Gelegenheit darüber nachzudenken.“
Minervas Stimme sank auf ein trockenes Flüstern. „Sie kann keine Geister mehr sehen, Severus.“
Er setzte sich in seinem Stuhl auf. „Keine?“
Minerva schĂĽttelte mit dem Kopf.
„Die nebeligen Flecken in den Fluren?“
Wieder schĂĽttelte sie den Kopf.
Er runzelte die Stirn. „Und der Poltergeist?“
Minerva zog ihre Augenbrauen hoch. „Peeves? Sie hat ihn heute Morgen in der Großen Halle verflucht. Nein, Severus“, seufzte Minerva. „Ich hatte diese Möglichkeit bereits in Erwägung gezogen. Ihre Magie ist unbeeinträchtigt.“
Er nickte, und setzte seine Befragung fort. „Und diese Entwicklung besteht erst seit Kurzem?“
Minerva schĂĽrzte die Lippen, aber antwortete nicht.
Seine Gesichtszüge verhärteten sich. „Wie lange, Minerva?“
„Das hängt davon ab. Ich glaube nicht, dass sie je in der Lage dazu war, den Nebel zu sehen, sie ist immer einfach durch sie hindurch gelaufen. Der Rest ist nach und nach aus ihrem Blickfeld verschwunden und es scheint kein Grund oder Muster bezüglich der Reihenfolge zu geben. Der Blutige Baron war der letzte, heute Nacht...“ Ihre Stimme verstummte.
Für einen Augenblick war das einzige Geräusch das sanfte Schnarchen der Portraits. Dann sagte Severus erneut. „Ich verstehe.“
„Tun Sie das, Severus? Wissen Sie warum sie sie nicht sehen kann?“
„Nein, das weiß ich nicht. Vielleicht kann die Antwort darauf nicht gefunden werden.“
Minerva schielte reflexartig zu Dumbledors Portrait hinauf. Der ehemalige Schulleiter lächelte leicht, schaute hinaus über das windgepeitschten Gelände.
Severus fuhr fort. „Aber ich weiß, dass es äußerst wichtig ist, dass etwas unternommen wird.“
Minervas Hände zitterten und sie zwang sich sie still zu halten.
„Sagen Sie mir“, sagte er und veränderte seine Position in seinem Stuhl, sein Körper hatte sich so eingewöhnt als hätte er ihn nie verlassen. „Gibt es viele Weasleys an dieser Schule?“
Minerva schüttelte den Kopf. „Percys Jüngste war die letzte, sie ist letztes Jahr gegangen.“
„Ravenclaw?“
„Slytherin.”
„Ah.”
„Also nein, wir scheinen uns im Moment zwischen den Generationen der Weasleys zu befinden.“
„Ich gehe davon aus, dass Williams Kinder sein akademisches Talent geerbt haben?“
Minerva sah kurz beunruhigt aus und schüttelte dann mit dem Kopf. „Er und Fleur haben keine Kinder. Ich glaube sie denken, dass es unklug sei, nachdem...“
„Ja, natürlich.“ Er hielt kurz inne. „Und Potter?“
„Drei. Mädchen. Natürlich alle in Gryffindor. Seine Jüngste ist letztes Jahr ebenfalls fertig geworden.“
Die kleine Jammernde mit den grünen Augen, huschte der störende Gedanke kurz in seinen Kopf.
„Warum fragen Sie?“
Aber er hielt eine Hand hoch. „Minerva, ich muss Sie das fragen. Von den Kindern ihrer Klassenkameraden und Freunden – von denen, die im Zusammenhang mit dem Orden standen – hat einer von ihnen ein UTZ in Arithmantik erhalten?“
„Potters Älteste erreichte ein Ohnegleichen ZAG in diesem Fach, aber entschied sich dafür, es nicht fortzuführen“, begann sie, ihre Stimme senkte sich, als sie durch ihre Erinnerungen streifte.
Wartend beobachtete Severus ihr Gesicht vorsichtig.
Nur langsam, erst der Verdacht und dann die Erkenntnis, erschienen auf ihrem Gesicht. Dann nickte sie, ihr Blick bohrend, versuchte sie in seinem Gesicht zu lesen, um seine Schlussfolgerung zu erraten.
„Vielleicht“, begann er, „hat es sich als unangenehm erwiesen ihre Patentante als Lehrerin zu haben...“ Er ließ den Satz in der Luft hängen.
„Sie ist von keinen von ihnen Patentante. Sie und Harry reden nicht miteinander.“
Etwas in seinem Gesicht loderte auf, bevor er seinen Blick auf seine Hände richtete und seine Fingernägel eingehend untersuchte.
Minerva musste seine Augen nicht sehen, um zu wissen, dass sie sich rasch hin und her bewegten, während er die Lage einschätzte. „Severus, werden Sie mir sagen was los ist?“
Seine Finger hielten in ihrer Bewegung inne und er drehte langsam seinen Kopf in ihre Richtung, um sie anzusehen, eine Hälfte des Gesichts wurde durch seine Haare verdeckt und reflektierte die sterbenden Flammen. „Warum?“
„Um Himmels Willen, Severus! Mit sechzig bringen Sie einen nicht weniger zum Verzweifeln als-“
„Warum reden sie und Potter nicht miteinander?“ Seine Stimme blieb leise, aber die starke Kraft hinter der Frage verblüffte Minerva.
Minerva seuzfte. „Sie wissen, dass er Ginny Weasley geheiratet hat?“
Severus nickte.
„Hermine schickte die Hochzeitseinladung ungeöffnet wieder zurück. Nach meinem besten Wissen hat sie seit zweiundzwanzig Jahren mit keinem der Weasleys mehr gesprochen.“
Severus richtete seinen Blick zurück auf das Feuer und beobachtete die glimmende Asche, als ein Windstoß über ihnen hinweg wehte. Willentliche Zufügung von Schmerzen gegenüber denen, die ihr nahe standen, die Unfähigkeit den Tod zu spüren und jetzt Slughorn, der im Sterben lag...
Er kannte jetzt den Umriss, wenn nicht sogar das AusmaĂź.
Er hatte so etwas erwartet. Aber es war noch schlimmer, als er gedacht hatte.
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