von Xaveria
Er suchte in ihrem Gesicht, nicht sicher, nach was, suchte nach dem, von dem er annahm, dass er es sogar bewundern würde – und in ihrer außergewöhnlichen Ruhe fand er Angst, Reue und Entschlossenheit. Kein Zögern, nicht im Geringsten, aber da war noch etwas...
Erleichterung.
Und auf einmal wusste er, dass es für sie beide keine Rettung mehr gab.
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„Es ist schon lustig“, sagte sie, „dass wir für das, was wir getan haben auf die gleiche Weise enden werden, wenn auch...“ Sie wusste nicht, wie sie den Satz beenden sollte und schaute zu ihm hinüber.
„Wenn auch mein schlimmstes Verbrechen und die Kritik dafür öffentlich war.“
Ein kleines Lodern von Neid in ihren Augen.
Da ist es. „Ihr Neid ist fehl am Platz, Hermine. Meine Zeit in Askaban war zum größten Teil symbolisch, ein Allheilmittel für eine Welt, die es vorzieht weder die Bedeutung von Verlust zu verstehen, noch ihre eigene Hand auf dem Messer zu genau zu hinterfragen.“ Er hielt inne, strich seine Finger schon fast spekulativ über das Pergament. „Meistens war es friedlich.“
„Ich kann durchaus verstehen, wie das möglich ist.“
„Mein wirkliches Urteil begann schon viel früher, in Versuchung und Schuld, die sich in einer endlosen Kette umkreisten. Keines von beiden hat mich verlassen, keines von beiden wird es je tun.“
Nach einem langen Moment nickte sie.
„Ob sie uns nun in Askaban beerdigen oder uns auf einen Sockel stellen ist vollkommen egal, Hermine. Am Ende ist das Ergebnis für uns“, und ihre Stimme fiel in seine ein, „das gleiche.“
Schweigend betrachteten sie sich.
Letztendlich sagte sie: „Sie sagten, dass es Wege gibt sich gegen... einen Teil davon zu schützen.“
Ihre Stimme war in seinen Ohren höher als normal, aber nur etwas. Er staunte, wie gut sie das, von dem er wusste, was in ihr aufstieg, unter Kontrolle gehalten hatte, aber es war dort, wachsend und – der Schmerz in seiner Hüfte verstärkte sich und seine Lederkleidung quietschte, als er seine Seite beugte, um den Druck zu mindern. „Ja. Ein paar.“
Hermines Augen suchten automatisch nach der Quelle des Geräusches. „Und der Rest...? Das kann nicht verhindert werden?“
Er schloss kurzzeitig seine Augen, Vernunft und Instinkt kämpften für einen Moment gegeneinander. Es wäre so einfach die Hand auszustrecken, sich einfach das zu nehmen, von dem sie noch nicht wirklich verstand, was sie ihm anbot. Ein Muskel zuckte in seiner Hüfte und er konzentrierte sich für einen Augenblick darauf sich sehr, sehr ruhig zu halten.
Es war keine Frage, ob er ihr antworten würde oder nicht – sondern wie.
In der unmittelbaren Stille der Bibliothek konnte er ihre Fingerspitzen über den Tisch bewegen hören, hörte, wie sich die Bewegung in ein leises Pochen änderte, als ihre Geduld sich dem Ende zuneigte.
Aber das Buch des Severus Snape würde nicht so schnell gelesen werden.
Hermine beruhigte schließlich ihre Finger und murmelte: „Sie haben in diesen Angelegenheiten bereits Erfahrung...“
„In der Tat“, sagte er, öffnete seine verschlossenen Augen, erlaubte es ihr einen flüchtigen Blick auf eine Existenz zu werfen, nach der er sich sowohl sehnte, genauso wie er sie verachtete.
Hermine schnappte scharf nach Luft, nicht genau wissend warum.
„Es ist möglich etwas von dem Verlangen umzulenken, Hermine.“
Ihr Blick schwankte kurz und ihre Röte vertiefte sich, aber sie sammelte sich. „Ich vermute Ihre Wortwahl ist nicht zufällig.“
Ein langsames halbes Lächeln zierte sein Gesicht. „Ganz und gar nicht. Sie können die wachsende Versuchung aufhalten, wenn Sie sie auf eine andere Art befriedigen.“
„Ich verstehe.“ Hermine atmete langsam aus und das flackernde Licht der Fackeln, welches kurz zwischen ihnen loderte, schien das Sonnenlicht zu vertiefen.
„Es hat seinen Preis, Hermine.“ Seine Stimme schien das flackernde Licht zu füttern, seine Bewegung zu verlangsamen, seine Tiefen zu glätten.
Sein Blick ruhte angespannt auf ihrem Gesicht, ein Mundwinkel zog sich hoch, halb reuevoll, halb vor...
Erwartung... innerlich atmete er durch.
„Nun, es muss seinen Preis haben, nicht wahr.“ Es war keine Frage.
Ein kurzer Ausdruck in seinen Augen bestätigte das, was verloren gehen würde, aber er beugte sich leicht vor, der Schmerz in seiner Hüfte schien zu schmelzen, sich langsam, stark auszubreiten. „Es ist nicht ohne eine Entschädigung. Wenn die Kontrolle ausreichend ist, dann gibt es Mittel und Wege die Versuchung zu ändern, die Dunkelheit in...“ Er wartete.
Ihr Mund wurde ganz trocken. „In?“
„In ein Leuchten zu verwandeln.“
Sie schloss ihre Augen, wollte loslassen, wollte sich der Befreiung aus der Schwere hingeben, sich endlich erlauben zu fallen. Sie war müde, so müde sich still gegen die scharfen, schneidenden Kanten zu halten...besser, vielleicht; wärmer, sicherlich, einfach nur zu bluten...
Und seine Stimme folgte ihr, trug die Glätte, die sie begehrt hatte. „Das Verlangen durch den Schatten in die Dunkelheit zu greifen, kann befriedigt werden, wenn die Berührung, der Verstand, das Sein des anderen von etwas Ähnlichem getrieben wird, ihre beiden Verlangen von einer ähnlichen Dunkelheit, in einem ähnlichen Verlangen, übereinstimmen. Wenn derjenige, der Sie berührt hinreichend, genauso dunkel ist, dann wird es nützen, sie zu berühren, von ihnen berührt zu werden wird nützen und zusammen werden Sie die Dunkelheit für und in einander ersetzen.“
Hermine tauchte selbst, als eine Warnung in ihrem Kopf laut wurde, eine Warnung, die sie zutiefst wünschte zu ignorieren, in das Versprechen seiner Worte ab. „Aber...“
Seine Stimme sanft, ein geduldiges Feuer. „Aber?“
„Aber Sie haben gesagt, dass ich versuchen würde die Seele... von wem auch immer ... zu zerstören...“ Mit ihren Augen geöffnet suchte sie einen Weg um das herum, von dem sie in ihrem tiefsten Inneren wusste, dass es wahr bleiben würde.
„Sie würden die Seele von fast jedem, mit dem Sie sich verbinden, zerstören, Hermine.“
Ihre Stimme angeschlagen von dem Krieg zwischen Verstand und Instinkt, schaffte sie ein gewürgtes „Dann wie?“ zu fragen.
Ihr Kampf so unmittelbar bevorstehend, dass er seine Augen schließen musste, um den kurzen Moment des Mitgefühls und der Qual zu bewahren. „Um es zu verhindern, müssen Sie es tun wollen, mehr als dass Sie atmen wollen, mehr als dass Sie leben wollen, mehr als dass Sie Ihr eigenes lebendes Herz in Ihnen schlagen hören wollen.“
Ihr Blick erlangte wieder etwas von ihrer Konzentration zurück und sie runzelte die Stirn, als ob er ihren Schlaf gestört hätte. „Das ergibt keinen Sinn.“
Er lachte leise. „Sie haben Derrida gelesen, Professor?“, zog er die Worte in die Länge. Die Genugtuung in seiner Stimme war unverkennbar.
„Habe ich.“
Sie starrte ihn zornig an und sein Lächeln vertiefte sich.
Köstlich.
Mit seinem Daumen berührte er die Kante des leeren Pergamentes, rieb fest und geräuschvoll darüber, aber vorsichtig genug, um es nicht zu bewegen. „Um die Versuchung etwas zu zerstören kontrollieren zu können, muss man beides wollen, es zerstören, aber noch genug Kontrolle haben, um einen selbst dieses Ende zu verweigern. Um es dort an der Grenze der Belastbarkeit zu halten – genau dort, nicht weiter. Versuchung ist Verlangen, Hermine. Nicht Befriedigung.“
Ihre Augen strahlten, als sich ihr das Verstehen darbot. „Befriedigung würde nur zu noch mehr Versuchung führen.“
„Genau. Und Sie, befürchte ich, sind dieser Aufgabe nicht gewachsen.“
Ein weiteres Aufflackern von Stolz; eine Warnung in ihrer Stimme. „Ich bin es gewesen.“
„Bis vor kurzer Zeit – sehr kurzer Zeit. Befriedigung entfacht Versuchung, Hermine, und mit jeder Befriedigung muss Ihre Versuchung wachsen.“
„Und Sie sind es, nehme ich? Der Aufgabe gewachsen?“
Seine Augen funkelten gefährlich. „Das bin ich.“
Bevor sie überhaupt die Möglichkeit hatte das zu hinterfragen, verweigerte er ihr eine Antwort. „Nein, auf einer elementaren Ebene ist es nicht Kontrolle, die Sie suchen, sondern Wissen.“
Ihre Augen verengten sich gefährlich und die Schatten um sie herum vertieften sich. „Wissen ist Kontrolle, Severus.“
Er schien seinen Daumen auf der Kante des Pergamentes zu beobachten. Allzu beiläufig entgegnete er. „Und wenn Ihnen Ihr Verstand entgleitet?“
„In den Wahnsinn?“
„In Ihrem Fall ist Schlaf ausreichend.“ Dämpfer.
Erstarrt sah sie ihn erstaunt an.
„Selbst in der sicheren Dunkelheit des Schlafes, Hermine, ist es Wissen was Sie suchen, nicht Kontrolle. Nein“, ein tiefes Rumpeln, das vielleicht ein Lachen hätte sein können, „um Kontrolle mit jedem Atemzug, jeder Berührung, mit jedem liebkosenden Gedanken, der sich nach Hautkontakt sehnt, zu erlangen, um einem anderen sein Verlangen vorzuschreiben... um ihnen das zu verweigern, von dem sie glauben, dass sie es wollen, nur um ihnen das zu offenbaren nach dem sie sich aus ihren tiefsten Träumen sehnen... um das zu begehren, um das von einem selbst zu verlangen und es dann auf seinen Partner zu übertragen, erfordert, dass wenn Ihnen Ihr Verstand entgleitet, Ihr ursprüngliches, treibendes Verlangen die ultimative Kontrolle ist – um Ihre eigene Lust, Angst, Ihren eigenen Schrecken und den Schmerz während des Erschaffens zu kontrollieren und um dasselbe Verlangen in Ihrem Partner zu verleugnen und zu leugnen... während mit einem einzigen Atemzug Sie wartend fortschreiten, auf entblößter Haut, beginnen Sie einen ersten Tanz mit dem Feuer, dem Licht und der Dunkelheit, wie es sich entfaltet, entsteht – und dann, wenn Sie so wollen, wenn Sie dem Wunsch nach dem Geschmack der Befriedigung nachgeben – ein kurzer, flüchtiger Geschmack; wie klein, wie verdorben, wie gefährlich er auch sein mag... nein, Hermine.“
Es war ein dunkles, leises Lachen. „Diese Art von Kontrolle liegt einfach nicht in Ihrer Natur.“
Ihr Atem war durch halb geöffnete Lippen flach, dennoch schaffte sie es irgendwie zu reden. „Woher wissen Sie das?“
„Weil es sehr wohl in der meinen liegt.“
Und eine deutliche Einsicht kehrte in ihren Blick zurück.
Ausgezeichnet.
„Also, das ist es dann?“
Sein Blick war fest auf sie gerichtet und sie hielt ihren Atem an. „Selbst auf dem Höhepunkt von Voldemorts Macht, gab es nur wenige, in denen der Makel der Dunkelheit gleichauf mit dem Verlangen war, und ja, ich bin einer von ihnen.“
Er sah sie so lange an, bis sie nickte.
„Aber Ihre Situation, Ihre Versuchung wird von Schuld verkompliziert; Schuld ist abgeschieden. Da gibt es die, die die Dunkelheit berühren und keinerlei Schuld empfinden – Lucius, Bellatrix, einige der anderen.“ Sein Blick wich kurz ab und sie bemerkte es.
„Wer, Severus?“, fragte sie flüsternd.
Ein Schatten legte sich über sein Gesicht. „Narcissa. Narcissa Malfoy. Angst hielt sie vor der kompletten Erfahrung zurück“, sagte er mit leicht brüchiger Stimme. „Für Lucius war es natürlich ein Zeichen von Schwäche gewesen.“ Es gab keine Möglichkeit sie oder ihren Sohn zu retten, redete er sich ein, so wie er es schon viele Male zuvor getan hatte.
Er brachte die Gedanken, die er nicht teilen würde, wieder unter Kontrolle und kehrte in die Gegenwart zu der aufgewühlten Frau vor sich zurück. „Jeder der Todesser könnte die Versuchung ableiten, selbst die mit wenig Verstand. Es muss nicht erotisch sein, Gewalt erfüllt auch seinen Zweck. Aber Schuld... Schuld ist selten. Ein Gewissen zu haben, Reue zu kennen, sogar dann, wenn man tötet oder eine Seele zerstört, ist jedoch in einem größeren Schema nötig – es ist das Wissen, dass Schuld die Versuchung verdreht, sie abstuft. Ob sie als ein Verlangen nach Bestrafung manifestiert ist oder als Ablehnung nicht noch mehr zu wollen fungiert, ist, wieder einmal, zum größten Teil abhängig von der Persönlichkeit.“
Sie nickte langsam, ihr Blick ruhte auf dem Pergamentstapel.
Die Luft um sie herum zur Ruhe zwingend, bemerkte er: „Ich habe Ihnen auf dem Turm gesagt, dass ich nicht erlauben werde, dass Sie mich als Mittel für Ihre eigene Bestrafung benutzen werden.“
Ohne seinen Blick zu treffen, nickte sie erneut.
Seine Hand flach auf das Pergament legend, verringerte er den Abstand zwischen ihnen. „Ich habe nicht gesagt, dass ich es nicht für Sie tun würde.“
Augenblicklich traf ihr Blick den seinen.
„Können Sie es tun, Hermine?“ Sein Blick suchte ihn ihrem Gesicht. „Ihr erster Kontakt mit der Dunkelheit war aus einem Moment der Panik entstanden. Wenn diese Entscheidung, bewusst, freiwillig, systematisch getroffen wird... dann, selbst wenn die Vernunft dem Instinkt Platz macht, bewahren Sie sich einen inneren Kern von Eigentum, was Ihnen vielleicht anschließend wieder erlaubt, nachdem Sie Ihr Ende erreicht haben, zurückzukehren.“
„Vielleicht“, wiederholte sie.
Die Intensität seiner Ansicht schwankte nicht. „Es gibt immer einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt.“
„Und woher weiß man, wann man ihn erreicht hat?“ Sie erwartete nicht, dass ihr seine Antwort gefallen würde.
„Das tun Sie nicht. Bellatrix Lestrange war ziemlich wahnsinnig, schon lange vor dem Ende.“
Schweigend wartete er, während ihr Blick hastig über seine Hand auf dem Pergament fuhr, als ob er irgendeine Inschrift vor ihr verbergen würde.
Langsam glitt seine Hand zur Seite, legte sich flach auf den Tisch, und er bemerkte, dass ihr Blick seiner Bewegung folgte. „Sie sind vom Schildzauber direkt auf Horkruxe übergegangen, Hermine, Sie haben Jahre der Theorie und des Lernen übersprungen. Sie hätten nicht im Stande sein sollen es tun zu können. So mächtig sind Sie nicht.“ Er betrachtete sie für einen Moment. „Oder zumindest waren Sie das nicht.“
Er betrachtete sie weiter, lehnte sich dann zurück, seine Hand lag zwanglos auf dem Tisch zwischen ihnen.
Mit der Handfläche nach unten.
Noch immer ihrem Blick folgend, fragte er: „Sie waren ein niedliches Kind, nicht wahr? Großzügig, warmherzig, sensibel...“
Als ob sie von einer Erinnerung geschlagen wurde, zuckte sie zusammen und nickte dann allzu knapp.
„Ich war es nicht“, sagte er und ihn traf ein fragender Blick. „Niedlich“, lieferte er ihr die Antwort, als ob das ihre Frage gewesen wäre.
„Nein, ich hätte nicht erwartet, dass Sie das waren“, sagte sie, sich unsicher, auf was er hinaus wollte. „Aber sensibel...“ Abschätzend betrachtete sie ihn vorsichtig. „Ja“, entschied sie, „Sie müssen sensibel gewesen sein.“
Seine Augenbrauen zuckten. „Und auf was stützen Sie Ihre Folgerung“, hauchte er, „Professor?“
Eine Schulter hob sich in einem halben Zucken. „Mit Ihrer Moral hätten Sie sonst ein Verbrecher sein müssen.“
Seine Augen leuchteten mit dunkler Belustigung. „Richtig“, pflichtete er ihr bei. Er rutschte leicht und seine Hüfte protestierte. „Ich hatte kein freundliches Zuhause.“
Ihr Blick geschützt, aber dennoch neugierig, wagte sie es. „Der Gemeinschaftsraum der Slytherin war da sicherlich keine Verbesserung.“
„Ah, aber das war er. Sehen Sie, Hermine“, sagte er und verfolgte eine Verwachsung im Tisch, „wenn jemand Grausamkeit erwartet, dann gibt es Wege sie abzuwehren. Im Hause der Slytherins wurde Grausamkeit erwartet – schon fast sorglos.“ Sie verfolgte seine Finger und er beobachtete sie. „So ziemlich das genaue Gegenteil von der Grausamkeit, die Sie in Gryffindor erfahren haben.“
Sie blickte auf. „Ich habe nie...“ Aber Erinnerungen von ihrem ersten Monat an der Schule sickerten durch. „Oh.“
Er nickte, als ob er sie im Unterricht anerkennen würde und begann den Kreis in die entgegengesetzte Richtung zu verfolgen. „Bewusste Grausamkeit kann vorhergesehen werden, in ihrer Art wieder zurück geformt und gedreht werden. Es ist unmöglich sich anderen Grausamkeiten gegenüber -“ Er öffnete kurz seine Handfläche, „unbeabsichtigt, gedankenlos, leichtfertig – zu schützen. Nein“, fuhr er fort, sein Finger fuhr seinen langsamen, sorgfältigen Weg weiter um die Verwachsung herum, „bewusste Grausamkeit ist da weitaus wünschenswerter. Um ihre Wunden zu überleben, ist es nur erforderlich nicht mehr unschuldig zu sein. Um zu siegen, muss man die Wunden erwarten und seinem Gegner noch viel größere zufügen. Man muss immer in der Offensive stehen, aktiv in jedem Konflikt nach der Macht suchen, besonders wenn es nicht den Anschein hat, ist die Waffe immer bereit, bewusste Aufmerksamkeit für das Detail, für Kleinigkeiten, für Verrat der Verwundbarkeit – und dann wird es in die schneidende Bemerkung gestoßen, die Ihr Gegner benutzen wird, um sein eigenes Herz zu gestalten. Im besten Falle ist es ein langsamer, kunstvoller Tanz.
„Unschuld wird einen zumindest zum Teil von gedankenloser Grausamkeit abschirmen, bis man von seiner moralischen Überlegenheit überzeugt ist, bis sie stark genug ist, um das Bluten zu ignorieren, bis sie taub genug ist, um sich noch irgendwelche Sorgen zu machen. Um die bewusste Grausamkeit zu überleben, muss man sie nur erwarten“, sein Finger wurde langsamer und hielt inne, „und die Unschuldigen tun dies nie.“
„Der Fehler in Dumbledores Denken“, bot sie an.
„Genau.“
Sie richtete sich in ihren Stuhl auf. „Und um zu gewinnen?“
Ein kleiner Triumph wuchs in seinem Blick. „Um zu gewinnen, muss man zuerst angreifen. Sie haben den Dunklen Lord besiegt, weil Sie niemand als Bedrohung gesehen hat. Wenn Sie andererseits ein Ziel gewesen wären, dann hätten Sie es nicht überstanden.“
Sie blinzelte einmal, aber ihre Augen waren aufgerissen.
„Was sie bereits wussten. Gut gespielt, Hermine.“
Sie blinzelte erneut.
„Ich glaube wirklich, dass Ihre Moral, wenn Sie denn eine Wahl gehabt hätten, Sie davon abgehalten hätte es noch einmal zu tun, aber Sie haben es einmal berührt und die Versuchung bleibt, wachsend, unkontrolliert, bis es nicht mehr zurückgehalten werden kann. Sie haben sie, um ganz sicher zu gehen, tapfer begraben, aber das Fundament war unvollkommen und der leichteste Hauch auf dem Grundpfeiler lässt den höchsten Turm erschüttern.“
Sie zuckte zusammen, als ihr Blick nach oben flog und dann hinunter zu seinem fuhr.
„Auf der Ebene des Instinktes herrscht reine Neugier, nur eine Ebene höher, herrscht purer Zorn. Nichts von beiden ist gesittet und unbewusst haben Sie es wieder berührt. Und jetzt bleibt nur noch eine Frage übrig: Sind Sie bereit? Ich hätte vor dem Abend, an dem Sie nach mir gegriffen haben, bevor ich gefühlt habe, wie Ihre Haut unter meiner Berührung antwortete, gewettet, dass Ihre Persönlichkeit Sie hindern würde, dass Sie lieber blind in den Wahnsinn stolpern wollen würden, als...“ Seine Stimme verstummte.
„Als was?“, verlangte sie gegen das unkontrollierte Pulsieren in ihrem Hals zu wissen.
„Ich hätte gedacht, dass Sie Wahnsinn meiner Umarmung vorziehen würden, Hermine.“
„Und jetzt sind Sie anderer Meinung?“
„Das unsere ist ein gefährliches Spiel... eines, bei dem es vielleicht kein Zurück mehr geben wird.“ Für keinen von uns beiden, dachte er. „Der Makel reicht tief, Hermine, und hat Sie verändert.“
„Wie kommen Sie zu dieser Vermutung?“
„Ich vermute es nicht nur, ich weiß es.“
„Na schön.“ Sie gestikulierte verärgert, warf ihren Kopf zurück und ihre Haarsträhne streifte ihren Hals und die Erinnerung an ihre Haut wärmten seine Hände. „Woher 'wissen' Sie es?“
„Sie haben mir süße Träume gewünscht.“
Sie wartete, aber er sprach nicht weiter. Schließlich forderte sie: „Und?“
„Ihre Träume mögen Sie in windender Betäubung hüllen und Sie verausgabt zurücklassen – atemlos, erschöpft, ihre Haut verschwitzt, Ihr Körper geschunden, taub, brutal unter heißen, verhedderten Laken verdreht – aber irgendwie bezweifle ich, dass sie jemals 'süß' waren.“
Als er sie beobachtete, wurde ihr Blick fern und kehrte dann wieder zurück. Leer.
„Bewusste Grausamkeit, Hermine.“
Ihr Blick härtete sich, und der Schmerz in seiner Hüfte erstach ihn als Antwort.
„Gut gespielt“, kannte er an, kaum atmend. „Nichtsdestotrotz bleibt meine Frage bestehen.“ Er beugte sich nach vorne und murmelte. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“
Langsam öffnete er seine Hand und streckte sie in ihre Richtung aus.
Es lag keine Sanftheit in seinem Blick und keine in ihrem Lächeln, als sie ihre Hand über den Tisch ausstreckte, um noch einmal die sanfte, grausame Lieblichkeit seiner Haut auf der ihren zu spüren.
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In Hermines Turm schnappte der winzige Geist nach Luft, als eine heiße, echte Träne über das Abbild ihrer Haut glitt.
Es war das erste Geräusch, welches sie seit zweiundzwanzig Jahren von sich gegeben hatte.
Sich von ihrem Spiegelbild abwendend, flüchtete sie vor Hermines Spiegel, eine weitere Träne prasselte auf den Steinboden, als sie in den Korridor schwebte.
Ein Geräusch, eine Träne und ein winziger fedriger Blumensamen.
Sie hatte sie gepustet und sie war gefallen, von dem Stängel, geliehen durch ihren Atem und, als sich die Träne darunter formte, hing sie balanciert in der Luft, erhoben am Ende und ein einsamer, unberechenbarer Luftzug hob die Federn an, um es funkelnd und gesalzen im Schloss herumfliegen zu lassen.
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