von Xaveria
Im leuchtenden Mondlicht warfen die beiden vor dem Fenster einen einzigen Schatten auf den Boden.
Ihr Blick, dem sie ihm zuwarf, war gefüllt mit unvergossenen Tränen und in diesem Moment sah er die Seele in ihnen, die vielleicht jeder gesehen hätte.
Nicht die Seele einer Heldin, die ihr Leben geopfert hatte, damit andere überlebten.
Noch war es die Seele einer Hexe, die ihr undurchsichtiges, verschlüsseltes Geheimnis in einer Art offenbart hatte, dass vermutlich nur er es verstehen konnte, eingefangen in einer Sprache, die nur er verstand.
Noch war es eine Seele am Rande des Wahnsinn, lediglich durch die Kraft ihres Willens an die Vernunft gebunden.
Nein.
Er sah die Seele einer Frau, die er weinend in seinen Armen hielt.
Hermine stöhnte und in ihrem Stöhnen lag die leere Verzweiflung einer Welt, die auf einer Lüge aufgebaut worden war.
Wäre die Ruhe unbedeutender gewesen, hätte nicht einmal er die Worte in ihrem Schrei gehört.
„Wie konnten sie?“
Ja. Das war die richtige Frage.
Er hielt ihren Kopf nahe seines Herzens, drückte seine Wange gegen die kalte Rauheit ihrer Haare und er schloss in einem vergeblichen Versuch seine Augen, um seinen Blick von der stechenden Klarheit des Mondlichts abzuwenden, welches die Wahrheit von Godric's Hollow auf den harten, beschneiten, ruhigen Gelände des Schlosses reflektierte.
„Wie?“
Wissend, dass sie eine Antwort verdiente, sich verzweifelnd wünschend, dass er eine bessere hatte, als die, die er ihr geben würde, öffnete er seine Augen. „Ich weiß es nicht, Hermine. Ich weiß es nicht.“
Ein Windhauch, der durch das gewölbte Fenster pfiff, verhakte eine ihrer Haarsträhnen und sie fiel auf ihre Wange und er beobachtete, wie sich ihr Blick nach innen kehrte, um dort die einzig wahre Antwort zu suchen, die sie bekommen konnte.
+++++++++++++++
Der Drachen schlug grazil seine Flügel zurück, als ob er versuchen wollte zu entscheiden, ob es sicher war auf der transparenten Schulter des kleinen Geistes zu landen.
Ihr Blick füllte sich mit Wärme und sie lächelte.
Ohne genau zu wissen warum, hörte Neville auf zu blinzeln, als er sie beobachtete.
Vorsichtig herabsinkend hielt der Drache seine Flügel für einen Moment ausgestreckt, bis er sicher saß. Dann, mit einem mitfühlenden, kurzen Blick, faltete er sie zusammen und sah hinüber zu Neville als wollte er sagen: „Nun, was hattest du erwartet?“
Neville lachte, ein lockeres Geräusch voller erfreuter Überraschung und der kleine Geist strahlte, streckte ihre Hand nach ihm aus.
„Wo gehen wir jetzt hin?“, fragte er, endlich blinzelnd.
Sie deutete in die Richtung des Krankenflügels und nach einem Augenblick riss er seine Augen auf.
Ihr Lächeln vertiefte sich und sie nickte, als sie so fest, wie es die nebelige Substanz und die Erinnerungen erlaubten, seine Hand nahm.
+++++++++++
Als Hermines Blick wieder klar wurde, erkannte Severus in ihren Augen eine Entschlossenheit, die, wie ihm deutlich wurde, seit seiner Rückkehr in das Schloss nicht vorhanden gewesen war.
Überrascht, traf es ihn erneut, als er sie kurz vor seinen Augen als seine ehemalige Schülerin sah, legte er dieses Bild schnell in seinem Hinterkopf ab, lediglich fragend: „Wie hast du dich entschieden?“
„Woher weißt du es?“
„Woher weiß ich was?“
Ein kurzes Aufflackern von Verzweiflung in ihren Augen. „Dass ich mich für einen Weg in Bezug auf Horace entschieden habe, natürlich.“
Ausgezeichnet. „Natürlich.“
„Obwohl ich Antworten auf die unzähligen Fragen wegen meines Fensters erwarten sollte – oder, um es genauer zu sagen, warum dein Zauber eine gegenteilige Auswirkung als seine übliche Wirkung zeigt.“
„Gewiss“, sprach er langsam, als etwas in seinem Herzen erwachte – etwas, was jeder andere Mensch vielleicht als Hoffnung erkannt hätte.
Aber Severus Snape war kein gewöhnlicher Mann und Hoffnung hatte keine Chance gegen unmittelbare Pragmatik. „Also, wie hast du dich entschieden? Ich vermute, wir sollten unsere noch verbleibende Zeit, bevor die Unsäglichen eintreffen, nicht damit verschwenden, die Beweise deiner…“ Ungewöhnlich für ihn, zögerte er, aus Furcht eine labile Balance zu stören.
„Meiner Seelenzerstörung verschwinden zu lassen?“, sagte sie, in ihren Augen funkelte eine Herausforderung auf seine Ausflucht hin auf.
Er nickte.
Sie hob leicht ihr Kinn an. „Lass sie es finden.“
„Sie werden wissen, dass du es warst“, wagte er neutral zu sagen, aber innerlich hielt er seinen Atem an.
Ein Funken von Stolz. „Wer sonst hätte es sein können?“
„Also…?“
„Es liegt in meiner Absicht, dass sie es wissen, Severus“, sagte sie in einem Ton, der so hart wie der gemeißelte Stein des Schlosses war. „Es liegt in meiner Absicht, dass sie es wissen.“
Ausgezeichnet. Er hob eine Hand zu der gefallenen Strähnen und verfolgte die Kurve auf ihrer Wange, ihrem Hals, strich seine Finger über ihren Nacken, um den Rest ihrer Haare von dem willkürlichen Knoten zu befreien.
Und sie schüttelte ihre Haare frei und sie lachte und obwohl es einen Hauch der Dunkelheit in sich trug, welches permanent in ihrem Sein verankert war, hörte er in ihrem Lachen einen Ton, den er nie erwartet hatte zu hören.
Hermine Granger war glücklich.
Sie ist verrückt.
Sie las seine Gedanken in seinem Gesicht und sah ihn ernst an. „Vielleicht bin ich verrückt. Vielleicht auch nicht. Ich denke, dass Wahnsinn, oder der Mangel dessen, stark von dem Kontext abhängt, findest du nicht?”
Ein spekulatives Leuchten wuchs in seinen Augen. „Genau.“
Sie deutete auf ihr Fenster. „Der Kontext kann sich verändern.“
Er nickte einmal langsam, seine Lippen verzogen sich in ein rücksichtsloses Lächeln.
Sie lachte erneut.
Er wusste so gut wie kein anderer, dass sie letztendlich begonnen hatte, sich mit dem Verlust, den sie sich durch ihr Schweigen auferlegt hatte, zu arrangieren, und dass sie jetzt weiterhin sich ihren Alpträumen gegenüberstellen würde, dass sie sich jetzt erinnern würde.
Er wusste es, da seine nächtlich zu ihm zurückkehrten.
Aber er kannte das Wort, welches sie beenden würde und schließlich war er ihr Lehrer gewesen.
Vereinbarung oder nicht, er wusste mit absoluter Sicherheit, dass er da sein würde, wenn sie schwitzend, zitternd aufwachte, nicht in der Lage, sich daran zu erinnern, dass die einfachsten Zauber am Ende die wichtigsten waren.
Dass Reparo nicht einen Riss der Wahrheit in der Fassade von Lügen verschwinden lassen konnte.
Und dass Lumos die einzige Heilung, wenn auch nur vorübergehend, gegen die Dunkelheit war.
Es gab noch andere, weniger wortgetreue Wege mit der Dunkelheit umzugehen.
Sein rücksichtsloser Blick vertiefte sich, passte sich dem arroganten Rascheln ihres Gewandes an, als sie durch die gewölbten Schatten ging.
Als er ihr hinaus auf den Korridor folgte, freute er sich sogar auf die Reaktion der Unsäglichen, wenn sie eine Antwort auf die Frage verlangten, wessen Wahrheit sie mit ihrer Kindheit zusammen vor zweiundzwanzig Jahren vergraben hatten.
++++++++++
Minervas kalter Blick bohrte sich schonungslos in Dumbledores. „Na schön; wir können diese Unterhaltung auch für ein Jahrzehnt oder so vertagen, während Sie Ihre Gedanken sammeln.“
Ein Schatten von Erleichterung drohte in ein süffisantes Funkeln umzuschlagen, aber es wurde durch ihre nächsten Worte davongewischt.
„Was passiert, Albus, wenn eine unwiderstehliche Kraft auf ein unbewegliches Objekt trifft?“
Dumbledores Portrait begann ein ganz klein wenig an zu schwitzen.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel