von Xaveria
Und noch immer wartete es.
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Als sie schließlich weit unten auf die Schneewehe auftrafen, erzeugten sie so wenig Geräusch, dass man fast sagen konnte sie waren lautlos.
Fast keinen Laut – aber er hatte ihn gehört.
Aus den fernen Tiefen des Schlosses, wo er flog, wurde ein kleiner Blutfleck von einem feierlichen, leisen Zischen einer Fackel überdeckt, als er an ihr vorbeizog, hatte er es gehört.
Ein einfacher Zauber.
Ein Riss in der Struktur der Lügen.
Es hatte ihn gerufen und, als die Scherben von Hermines Fenster leise auf den Schneeteppich fielen, hatte er den Ruf in ihrem Fall gehört und er war ihm gefolgt.
Der Geist mit dem traurigen Blick hing bewegungslos über dem Schnee, wo ihr Fenster hingefallen war, und er schaute nachdenklich hinauf zum Mond.
Und während er nachdachte, fiel ein Tropfen, unmöglich, unbeachtet von seiner Hand.
In der dunklen Landschaft des blendenden Weiß fiel der Tropfen zwischen die Überreste ihres Fensters, nicht kälter als der Schnee, auf dem es landete, blieb es flüssig, geschmeidig an den Kanten des Glases.
Im Mondschein war er fast unsichtbar und er legte seine Hand an den großen Grundstein.
Er schien für einen Moment zu lauschen und lächelte dann.
Es war fast beendet.
Es hatte so lange gewartet.
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Ihr Lächeln vertiefte sich und sie nickte, als sie so fest, wie es die nebelige Substanz und die Erinnerungen erlauben würde, seine Hand nahm.
Der Krankenflügel war ruhig als Neville und der kleine Geist die Seitenlänge zwischen den Reihen von leeren Krankenbetten umherschwebten, in den hellen Flecken des Mondlichts verschwanden und in jedem einfallenden Schatten sanft leuchteten. Der kleinere Geist ließ Nevilles Hand los und schoss entschlossen auf eine kleine Eichentür zu, die fern in der Ecke lag. Sie hielt inne, beugte ihren Kopf zum Drachen hin, welcher wieder piepste und von ihrer Schulter flog und in einem Haufen von frisch gewaschener Wäsche wieder zum Vorschein kam. Der kleine Geist winkte dem Drachen zu und verschwand durch die Tür.
Neville neigte leicht seinen Kopf hinunter zum Drachen, neugierig darüber, wie es zu wissen schien, was sie wollte und folgte ihr dann in das Büro der Heilerin.
Poppy saß, umgeben von einem geringen Schein der Lampe, ohne ihre Haube tragend, an ihrem Tisch und starrte schweigend auf einen goldenen Ring, der auf ihrem Schreibtisch lag.
Der kleine Geist blickte flehend zu Neville und obwohl er nur widerwillig die Gedanken der Heilerin stören wollte, sprach er leise von den Schatten der Tür aus. „Madam Pomfrey?“
„Ja, Kind, wa-?“, begann Poppy automatisch, als sie aus ihren Gedanken aufblickte. „Du meine Güte. Longbottom.“ Sie blinkte einmal mühevoll und starrte ihn an. „Wo sind Sie gewesen?“ Sie schluckte. „Vergeben Sie mir. Sie haben mich erschreckt. Ich war…” Einen Blick auf den Ring werfend, stand sie auf. „Ich habe Sie seit Jahren nicht gesehen, Junge.“
„Nein, Ma’am“, stimmte Neville ihr zu.
Poppys Augen wurden groß. „Wie haben Sie Ihre Form zurückgefunden?“
„Ich…“, er zögerte entschuldigend. „Ich habe keine Ahnung.“
Der kleine Geist glitt zwischen die beiden, schaute mit großen, drängenden Augen von einem zum anderen.
„Aber sie scheint es zu wissen“, fuhr Neville fort, „und ich denke, sie muss mit Ihnen reden.“
„Muss sie das?“ Poppy schaute zu dem kleineren Geist, als ob sie versuchen wollte sie einzuordnen. „Also gut“, sagte Poppy sich an den kleinen Geist wendend. „Nur zu, Kind.“
Der kleine Geist lächelte leicht schüchtern, und schaute dann wieder zu Neville.
„Uh… oh. Genau. Haben Sie zufällig eine Feder? Sie zieht das Schreiben dem Reden vor.“
„Schreiben?“ Poppy blinzelte wieder erstaunt.
„Sie kann schreiben“, erklärte Neville leise.
Poppy nickte knapp und deutete dem kleinen Geist, sich an ihren Tisch zu setzen. Neville flog näher und flankiert von Heilerin und Freund, nahm der winzige Geist die Feder in die Hand und begann zu schreiben.
Ihre runden, kindlichen Buchstaben lasen: „Ich glaube, das hat es verursacht.“ Sie legte den Samen vorsichtig neben Minervas Ring auf die Ablage.
Poppy beugte sich vor, um den Samen genauer zu untersuchen, zog sich dann aber zurück, als die Kälte der beiden Geister sie erreichte. „Löwenzahn?“ Sie runzelte nachdenklich die Stirn.
„Leontodon taraxacum“, bestätigte Neville und lächelte als die Heilerin ihre Augenbrauen hochzog.
„Es scheint wohl noch alles mit Ihrem Gedächtnis zu stimmen, was, Longbottom?“ Poppy wandte sich an den kleinen Geist. „Nein, mein Kind, ich befürchte, das ist nur gewöhnlicher Löwenzahn. Weder eine magische noch medizinische Verwendung.“
Der kleine Geist drehte sich in ihrem Stuhl um, um Neville zum Sprechen aufzufordern.
Neville nickte. „Madam Pomfrey, ich weiß, dass es unmöglich ist – auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob sie es weiß – aber es hat einen zerbrochenen einmaligen Zauber wieder hergestellt. Ich habe es selbst gesehen.“
„Gewöhnlicher Löwenzahn kann nicht-“ Sie hielt inne, als der kleine Geist sie unterbrach, indem sie sie an ihrem Ärmel Richtung Tür zog. „Also wirklich!“, rief Poppy, als ihr gesamter Arm vor Kälte blau anlief.
Der kleinere Geist erbleichte und schoss hinter Neville, ihr Gesicht hielt sie in ihren Händen versteckt.
„Wenn Sie nur mit nach draußen kommen und es sich selbst ansehen würden, Madam Pomfrey. Wir konnten den Drachen nicht mit durch die Tür bringen“, sagte Neville und legte eine Hand auf die zitternden Schultern des winzigen Geistes. Er wandte der Heilerin seinen Rücken zu, um einen Finger unter das Kinn des kleinen Geistes zu legen. „Hab keine Angst. Sie ist dir nicht böse.“
Der kleine Geist bewegte ihre Hände, um skeptisch durch Neville hindurch zu schielen.
„Natürlich bin ich nicht böse“, sagte Poppy brüskiert und griff nach der Tür. „Zeigt mir diesen wunderbaren Drachen.“ Den Geistern bedeutend, dass sie vorgehen sollten, fragte sie: „Longbottom, hat das Kind einen Namen?“
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Severus folgte Hermines scharfen Schritten auf dem Steinboden, dem Gleiten ihres Gewandes, ihr Haar wehte sacht hinter ihr, als sie entschlossen den Weg durch das Schloss schritt.
Sie glitt an der Bibliothek vorbei.
Vorbei an der Treppe, die in den Kerker führte.
Vorbei an der Biegung, die sie zum Büro der Schulleiterin führen würde.
Als er ihr durch die langen, fensterlosen Korridore folgte, beobachtete er, wie das Fackellicht in ihren Haaren leuchtete, wie es lose auf ihre Schultern fiel, wie die Kälte in der Luft sich vor dessen Wärme zurückzuziehen schien.
Als er ihr durch die langen, hohen, offenen Säulengänge folgte, beobachtete er das Mondlicht, wie es auf ihrer Haut funkelte, wie die Schatten von ihr fielen.
Und dann gingen sie an der Tür zum Astronomieturm vorbei und er bemerkte es nicht.
Letztendlich kam sie oberhalb der großen Treppe, die hinunter in die Eingangshalle führte, zum Stehen.
Er stellte sich neben sie, ihre beiden Gewänder flüsterten in der ruhigen, ehrfürchtigen Stille und er wartete darauf, dass sie sprechen würde.
„Unsere Gäste sollten schon bald eintreffen“, sagte sie grimmig, ohne ihren Blick von der großen Schlosstür zu nehmen.
Bei dem Wort „Gäste“ hätte er schwören können, einen Hauch eines boshaften Lippenkräuselns gesehen zu haben.
„In der Tat“, sagte er langsam.
„Ich dachte mir, dass es nur angebracht wäre, sie zu begrüßen.“ Ihr Blick loderte – wild, konzentriert, tödlich.
„Aber gewiss doch, Professor Granger, lassen Sie uns ihnen die Ehre erweisen, die sie verdient haben.“ Er lächelte langsam, schelmisch und bot ihr seinen Arm an.
Ihre Fingerspitzen leicht auf seiner Armbeuge ruhend, aber ohne den Blick von der Tür zu nehmen, nickte sie und, als eine Einheit, schritten sie die Treppe hinab.
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Hannah wusste nicht, was die Fenster der Bibliothek zerstört hatte, noch war sie geblieben, um es herauszufinden.
Die Bibliothekarin saß an dem leeren Kamin in ihrem Büro, ihre Hände heftig am zittern, zu heftig, um ihren Zauberstab zu halten.
Sie hatte es geschafft die Tür zu schließen. Sich wiegend, hoffte sie, dass es reichen würde.
Aber sie kamen. Sie würden wieder alles in Ordnung bringen.
Und dann gab es da noch immer Harry. Harry, welcher sie alle schon zuvor gerettet hatte. Harry, bei dem man immer darauf zählen konnte, dass er stark sein würde, dass er wusste, was zu tun war. Harry, auf den die Welt schon immer geblickt hatte, auf den die Welt immer schauen würde, wenn Dinge aus der Dunkelheit drohten auszubrechen, um sie alle zu verschlingen.
Ihre Hände beruhigten sich.
Was waren diese Professoren – diese Mörder und… und sie … für 'Den, dem sie noch immer keinen Namen' geben konnte?
Nichts.
Absolut nichts für Harry Potter.
Er würde schon bald Zaubereiminister sein und die Unsäglichen würden für ihn arbeiten.
Sie würden es ihm sagen – sie mussten es. Und dann würde er es wissen.
Und wenn sie es nicht in Ordnung brachten, dann würde es Harry tun.
Natürlich.
Ihre Atmung beruhigte sich und bei ihrem dritten Versuch schaffte sie es das Feuer zu entzünden, auch wenn im Grunde nur eine Seite brannte.
Es war unwichtig. Sie würden schon bald hier sein.
Sie entriegelte noch immer nicht die Tür. Sie würde es wissen, wenn sie eintrafen; man konnte das Öffnen der großen Tür im ganzen Schloss hören.
Die Zeit verstrich und ein kleiner Fleck von Mondlicht schlich über den Boden, glitt unbemerkt auf die Seite von Hannas Kamin, der unberührt von ihrem schlechten Incendio dalag, um es zu umhüllen.
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Der Drache blickte fragend zu Poppy auf, als diese ihn untersuchte.
„Zerstört, sagten Sie?“
Neville schaute nach Bestätigung suchend zu dem kleinen Geist.
Sie nickte.
„Die Augen mit einem Film belegt?“
„Ja, Ma’am“, sagte er. „Ich habe es selbst gesehen.“
Sich aufrichtend lächelte sie hinunter auf den kleinen Drachen und wandte sich an den kleinen Geist. „Wer hat ihn zerstört, Kleine? Warst du es?“
Der winzige Geist schüttelte mit dem Kopf, ihre Haare eine blasse Wolke hinter ihr, als sie zurück in Poppys Büro flog.
Der Drachen folgte ihr.
Poppy und Neville folgten ihr langsamer.
„Sie kennen nicht ihren Namen?“
Neville schüttelte den Kopf. „Sie hat nur einmal geredet und hat sich dabei fast selbst rückwärts in die Wand befördert.“
„Interessant… nun, was hatte sie gesagt?“
„Sie sagte: ‚Ich.‘“
Poppys Mund zuckte. „Da kann man nicht viel mit anfangen, was?“
Neville runzelte die Stirn, aber er war zu höflich, um der Heilerin zu widersprechen. „Vielleicht nicht, Ma’am.“
Der kleine Geist hatte mit dem Schreiben aufgehört und Poppy beugten sich über ihre Schulter, um es zu lesen.
„Severus?“ Poppy schielte scharf zum Drachen hinüber, ihre Augen verengten sich, als sie versuchte sich an etwas zu erinnern. „Ach du liebe Zeit.“
„Was ist?“ Neville warf dem kleinen Geist einen beruhigenden Blick zu, wessen Hand schützend über dem Drache lag, welcher neugierig von der einen Sache zu der anderen auf Poppys Schreibtisch flog.
„Wenn ich mich nicht irre, dann war es ein Geschenk von Albus. Er hatte ihn immer damit aufgezogen, die Korridore wie ein großer Dr…“ Sie seufzte. „Oh je.“
Der Blick des kleinen Geistes glitt von der Heilerin zu Neville und wieder zurück.
Poppy schüttelte sich selbst aus der Erinnerung und wandte sich zurück an den Drachen, welcher jetzt über Minervas Ring schwebte. „Oh nein, das wirst du nicht, du kleiner Schlingel.“ Sie steckte den Ring zurück in ihre Tasche. „Jetzt will ich mir den Samen etwas genauer ansehen. Wenn ihr mich entschuldigen würdet, Kind…“
Der kleine Geist verscheuchte den Drachen und stand ebenfalls auf, um der Heilerin ihren Stuhl zu überlassen.
Der Samen lag auf der Seite der makellosen weißen Schreibunterlage.
Die Heilerin nahm zwei Zangen aus einer kleinen Ledertasche und hob den Samen vorsichtig auf.
Wo es gelegen hatte, hatte es eine kleine Blutspur hinterlassen.
Poppy und Neville starrten auf den Fleck und drehten sich dann erstaunt zu dem kleinen Geist um.
Sie sah sie beide ernst an und nickte.
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