von Xaveria
„…Hermine Jane Granger, Sie werden hiermit von der Mysteriumabteilung in Untersuchungshaft genommen.“
Ein Augenblick von erschlagenem Schweigen, in welchem Hermine erstarrte; in ihrem Schrecken, lächelte Shriver.
„Sie können nicht ernsthaft…“
Als sie ihren Unglauben preisgab, brach das Schweigen in Bewegung aus. Sie war sich flüchtig bewusst, wie Neville vor ihr flog, ein belangloses Hindernis für den Unsäglichen. Nur dezent sah sie den Baron durch die Tür schießen; unfreiwillig nach hinten stolpernd, sah sie, wie Poppy erstaunt nach dem Bettpfosten griff und dabei versehentlich Severus den Weg zu Hermine abschnitt, jeden Schuss, den er für Shriver übrig hatte, blockierte.
Automatisch beruhigte Severus Hand Poppy und zog sie hastig zur Seite, zurück in die Schatten an der Wand.
Poppy zischte, mehr gegen Shriver als gegen Severus, ihr Zauberstab war bereits auf den Unsäglichen gerichtet.
Hermine sah, wie sich Severus Hand über die der Heilerin legte, sah mehr als sie hörte, wie er sie murmelnd darum bat zu warten.
Sein Blick richtete sich aufmerksam auf Hermine und loderte in ihre Seele.
Wie aus seiner großen Entfernung hörte sie flüchtig Poppys Protest und Severus wiederholtes Bitten zu warten.
Sie sah in seine Augen und wusste, dass er bereit war zu kämpfen oder sie in die Hölle, die der Unsägliche für sie vorbereitet hatte, zu begleiten. Aber aus ihrem tiefsten Inneren spürte sie seine Hoffnung, dass sie ihre eigene Inhaftierung irgendwie abwenden könnte.
Nachdem sie ihn lange angesehen hatte, ließ Hermine ihren Kopf sinken, ihre Haare versteckten ihr Gesicht.
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Severus fluchte leise und fühlte wie sich die Hand der Heilerin um ihren Zauberstab anspannte.
„Warten Sie“, murmelte er.
„Severus, sie ist erschöpft – was wirklich kein Wunder ist.“
Er sah Poppy angespannt an.
Der Blick der Heilerin war zweifelnd, aber kein Fluch flog über ihre Lippen.
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Hinter ihrem gefallenen Haar wartete Hermine darauf, dass die Schreie, die ihre Dummheit beklagten, in ihrem Kopf verstummten.
Eine andere Stimme in ihrem Kopf, eine Stimme, die seit ihrer Kindheit nichts weiter als die Wahrheit gesprochen hatte.
Die sie Täuschung gelehrt hatte. Ehre. Rücksichtslosigkeit.
Und Grausamkeit.
„Bewusste Grausamkeit kann vorhergesehen werden, in ihrer Art wieder zurückgeformt und -gedreht werden… Um ihre Wunden zu überleben, ist es nur erforderlich nicht mehr unschuldig zu sein… Um zu siegen, muss man die Wunden erwarten und seinem Gegner noch viel größere zufügen…“
Ganz langsam nickte sie.
„…ist die Waffe immer bereit, bewusste Aufmerksamkeit für das Detail, für Kleinigkeiten, für Verrat der Verwundbarkeit…“
Hinter ihrem Haar öffnete sie ihre Augen.
„…und dann wird es in die schneidende Bemerkung gestoßen, die Ihr Gegner benutzen wird, um sein eigenes Herz zu gestalten.“
Und eine weitere Stimme – weder Severus‘ noch Rons – sondern die Worte, die sie klar und deutlich hörte: Du weißt, dass du es willst.
Und sie erkannte die Stimme als ihre eigene.
Sie hob leicht ihren Kopf. Neville schwebte noch immer zwischen ihr und Shriver.
Und in ihrem Kopf wurde aus Nevilles Tod Rons und Rons Tod wurde zu ihrem eigenen und das Licht, welches aus dem Tod und der Wahrheit geboren wurde, blickte sie mit neuen Augen zu dem Unsäglichen auf.
Im Vergleich zu dem, was Neville getötet hatte, war er nichts.
Im Vergleich zur Wahrheit, war er eine Lüge.
Und im Vergleich zu ihr, zu dem, was sie getan hatte, war er unschuldig.
Verletzlich.
Sie wollte ihn zerbrechen und sie wusste auch schon wie.
In der Dunkelheit, die sie einst aus verzweifelter Panik umarmt hatte, nahm sie ihren eigenen, bewussten Platz in Anspruch.
„Grausamkeit… ist ein langsamer, kunstvoller Tanz.“
Auf ihrem Gesicht ein Ausdruck von gelernter Reue, Angst… klein, leer, ängstlich hob sie unschuldig ihren Blick zu Shriver. „Nur damit ich es verstehe…“ Sie zögerte bewusst. „Was Sie wollen ist…“ Sie gab vor, schlucken zu müssen. „Für Ihre Nachforschungen wollen Sie mich benutzen… als…“ Sie täusche Überwältigung vor, zu groß, um den Satz zu beenden.
Shrivers Lächeln vertiefte sich. „Ich versichere Ihnen, unsere Nachforschungen sind rein theoretisch.“
Sie schüttelte mit gespielter Angst den Kopf. „Es gibt keine ‚reine Theorie‘ in den Dunklen Künsten – es ist ein zu gefährlicher Tanz. Wenn der Tanz einmal begonnen hat, gibt es kein Zurück mehr, Shriver.“
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In den Schatten beruhigte sich Severus Blick.
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Amüsiert betrachtete Shriver sie, schnappte sich dann seinen Umhang und drehte sich in Richtung Tür um. „Wenn Sie dann bereit sind, Miss Granger.“
In einem Flüstern murmelte Hermine schnell. „Neville – bitte – geh. Ich will nicht, dass du mich so siehst.“
Neville drehte sich in der Luft um, um seine Freundin zu betrachten. „Dich wie zu sehen? Ich lasse dich nicht alleine.“
Aber ihre Augen flehten ihn an und als sie seinen Blick hielt, betrachtete er ihre Augen näher.
Sie machte sich nicht die Mühe die Dunkelheit, von der sie wusste, dass sie für die Seele ihres transparenten Freundes sichtbar war, zu verbergen.
„Oh“, sagte Neville. „Verstehe.“ Sein Gesicht war entschlossen. „Was auch immer du tun musst,“, flüsterte er, „tu es. Aber ich lasse dich nicht alleine.“ Er flog zurück, um neben Severus und Poppy zu schweben.
„Ein Moment noch, Mr. Shriver“, sagte Hermine und erlaubte es, ein leichtes Zittern in ihre Stimme zu legen. „Bitte?“
Er drehte sich zu ihr um.
„Wenn Sie mich ‚Miss Granger‘ nennen, fühle ich mich wie ein Kind.“ Eine blasse Hand tauchte unter ihrem dunklen Gewand auf, als sie vortrat und eine flehende Hand auf Shrivers Arm legte.
Fasziniert verfolgte sein Blick ihre Hand.
Langsam um ihn herumgehend, griff sie nach der Tür, drehte den Schlüssel und ließ ihn schnell in ihrer Tasche verschwinden.
Sie schüttelte den Kopf, ihr Haar glitt aus ihrem Gesicht und ihr Gewand rutschte in einem leisen Rascheln von schwarzer Seide über ihre Schultern. Eine abrupte Zauberstabbewegung und die Nachttischlampe erlosch.
In dem gedämpften Licht, welches von Neville gespendet wurde, nahm ihre Haut die Farbe von Mondlicht auf Schnee an.
Shrivers Gesicht verriet ihn. Sein Blick fiel zu ihrem Hals, zu der Rundung ihrer Schulter, weiter hinunter--
Meins, dachte sie. Es ist das Meinige es zu tun, das Meinige zu entscheiden. Aber ihre Stimme war noch immer sanft, noch immer ein Flüstern, als sie sich an Shriver wandte. „Sie sagten, Sie wollten wirklich wissen, wann die Seele am verletzbarsten ist.“
Verzaubert beobachtete Shriver, wie ihre Hand durch ihr Haar fuhr, die Locken auflockerte, so, dass sie noch geschmeidiger auf ihre Schultern fielen.
Ihr Lachen ein Zerschellen von Glas, das auf Eis fällt. „Also, wie funktioniert es dann? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie der Typ Mann sind, dem es genügt, einfach nur zuzusehen.“
Er riss seine Augen auf und es kostete ihn offensichtlich Anstrengung, nichts zu sagen und er schluckte schnell.
„Möchten Sie zusehen, Shriver?“ Langsam ging sie auf ihn zu. „Severus und ich haben etwas herumexperimentiert, wissen Sie. Es hat einige Anläufe gebraucht, um mich… hm… unter Kontrolle zu bringen. Ich glaube nicht, dass es wirklich schön ist. Aber wir würden uns freuen, es Ihnen zu zeigen, wenn Sie möchten.“ Ihre Stimme sank. „Wollen Sie es?“
Er befeuchtete seine Lippen, doch antwortete nicht.
„Nein… wenn Scrimgeour Ihnen nicht im Weg ist, dann würde ich sagen, sind Sie eher der praktische Typ…“
In ihren Augen lag eine Erinnerung der Unschuld, eine Geschichte eines alten, weiblichen Versprechens.
Shrivers Atmung beschleunigte sich, aber dennoch schwieg er.
Hermine bewegte sich mit ausgestreckter Hand zu seiner Schulter auf ihn zu, ein zierlicher Finger fuhr eine Linie an seinen Arm hinunter.
„Miss Granger, was meinen Sie mit -“
Ein Finger ruhte leicht auf seinen Lippen. „Shhh…“
Seine Augen begannen merkwürdig zu glitzern und er gab ein keuchendes Geräusch von sich, aber startete nicht den Versuch zu sprechen.
„Sie wollen nicht wirklich, dass Severus dabei ist, oder? Sie wollen meine Verletzlichkeit nur für sich alleine, Sie wollen sie testen, sie beherrschen… sie über Ihrem Knie zerbrechen…“
Sie näherte sich ihm noch weiter. „Sie wollen es – Sie sehnen sich danach, nicht wahr?” Sie verstummte, hob ihr Kinn in einer heuchlerischen Überlegung. „Sie wollen mich packen, meine Kleider bis zu meinen Ellbogen hinunterreißen, um meine Arme zu verschränken, meine Beine zu spreizen, während Sie mein Gesicht auf Ihren Schreibtisch pressen und endlich, nach all den Jahren stoßen Sie hart vor, hungrig, brutal in die weiche, verbotene, verletzliche Dunkelheit zwischen meinen Beinen?“
Seine Atmung war flach. Schnell.
„Wollen Sie mich zum Schreien bringen?“
Sie drückte sich gegen ihn, ihre Brust streifte die Vorderseite seines Gewandes.
„Oder wollen Sie mich zum Weinen bringen?“, flüsterte sie, rieb ihre Brüste fester gegen ihn. „Aber andererseits konnte ich noch nie auf Kommando weinen… jedoch, soll ich Tränen herbeizaubern?“
„Sie würden es nicht vortäuschen müssen“, knurrte er, sein Atem heiß gegen ihr Haar.
Ein Mundwinkel zuckte nach oben.
Sehr langsam.
„Glauben Sie, Sie können mich zum Weinen bringen? Mit ihrer fetten, verschwitzten Hand, die glitschig meine Handgelenke umfasst, während Ihre andere mein Haar zerwühlt und meinen Kopf grob gegen die Splitter in Ihrem Tisch drückt, mein Atem verloren zwischen Ihren Memos, Ihren Akten, Ihrer Immunität?“
Er knurrte erneut und in der Dunkelheit ließ Severus Poppys Zauberhand los, um seine eigene zu heben.
„Hilflos, verängstigt und machtlos zu entkommen. Ein erschöpfter Teenager ohne Zauberstab. Das ist es, was Sie wollen, nicht wahr? Ich kann Ihre Versuchung schmecken. Sie liegt in der gesamten Luft.“ Langsam befeuchtete sie ihre Lippen und lächelte, als sein Blick ihre Zunge verfolgte, ihr Blick ein unergründlicher Schatten von steigendem, stummen, boshaften Lachen.
Gehalten von ihrem Blick, schnappte Shriver nach Luft.
„Kennen Sie das Geräusch, welches eine Seele macht, wenn sie zerbricht, Shriver? Ich schon…“ Sie streckte sich, beugte sich weit genug vor, um die Röte in seinem Nacken zu spüren. „Ich habe es nur einmal gehört. Ich weiß nicht, ob Ron es getan hat, und er konnte es mir nie sagen. Genauso wenig wie Horace – und da habe ich es verschlafen. Aber Sie – Sie kann ich fragen, nachdem Sie mich vergewaltigt haben, Shriver, und Sie können es mir sagen. Dann wird Ihre Seele verletzlich sein; Ich werde danach greifen und sie zerbrechen und Sie werden nicht in der Lage sein, mich aufzuhalten.“ Ein leises, dunkles Lachen entfloh aus der Tiefe ihrer Kehle und sie fühlte das Prickeln auf seiner Haut. „Ich brauche keinen Zauberstab.“
Der Knall ihrer Hand auf sein Gesicht brach den Zauber ihrer Stimme und Severus und Poppy waren augenblicklich an ihrer Seite, Shrivers Zauberstab flog in Severus Hand.
„Schlampe“, spukte Shriver, seine Stimme erstickt von frustrierter Fleischeslust.
Ihre Augen funkelten klinisch. „Haben Sie etwa weniger erwartet? Wie dumm. Wie überaus dumm.“ Sie öffnete ihre Hand. „Seinen Zauberstab, Severus.“
Severus legte ihn in ihre ausgestreckte Handfläche, aber sie schloss nicht ihre Finger.
Shrivers Zauberstab fiel klappernd rollend zu Boden. Hermine hielt ihn mit ihrem Zeh auf und ohne ihren Blick von Shriver zu nehmen zerbrach sie ihn unter ihrem Absatz.
„Er ist gefallen“, sagte sie endlich, ihre Stimme enthielt ein schneidendes Echos des Teenagers, der sie einmal gewesen war. „Welch eine Schande.“
Shriver starrte sie an.
„Genauso wenig konnte man von mir behaupten“, flüsterte Hermine und ihr Blick kehrte zu ihrer normalen Menschlichkeit zurück.
„Das wird Konsequenzen haben, Professor Granger.“
„Das tut es immer.“
„Und da ist immer noch das“, fuhr Shriver fort und hob den Horkrux Blumenstängel hoch. „Horkruxe sind illegal. Den Zauberstab von jemanden zu zerbrechen ist ebenfalls ein Verbrechen.“
Severus Gewand raschelte leise. „Ich glaube, sie hat gesagt, er sei gefallen.“
„Das hat sie“, verkündete Poppy klar und bestimmt. „ich habe es selbst gehört.“
Shriver schluckte schwer. „Glauben Sie wirklich, dass die Erschaffung eines Horkruxes unbestraft bleiben wird?“
Sie lächelte leicht. „Um mich dafür zu bestrafen, müssen Sie eingestehen, dass es möglich ist, eine Seele ohne Mord zu spalten. Ich denke, Sie müssen eine Entscheidung fällen.“
„Was für eine Entscheidung?“
Hermine fuhr fort, als ob er nicht gesprochen hätte. „Dumbeldore hatte immer wieder davon geschwätzt, wie die Entscheidungen, die wir treffen, uns zu dem machen, was wir sind, aber dann glaube ich, hatte er nie wirklich das Paradoxon gewürdigt.“
„Spucken Sie es schon aus, Mädchen.“
„Mädchen? Also wirklich.“ Sie zitterte. „Severus, denkst du, ich kann seine Seele spalten ohne ihn umzubringen oder ohne ihn zu berühren?“
„Es ist vielleicht möglich“, sagte er gedehnt. „Natürlich rein theoretisch gesprochen.“
Sie verspürte eine Ecke von dunklem, stummen Lachen in seiner Stimme und ihr Blick flog zu seinem Gesicht.
Gut gemacht, Hermine. Er sprach die Worte nicht aus. Sie konnte sie dennoch hören.
Der Hauch von Grübchen vertiefte sich auf ihren Wangen.
Stur starrte Shriver sie an, aber ihr Blick fiel auf den Horkrux, den er hielt und flog dann zurück zu seinem Gesicht. Seine Schultern sackten zusammen. „Was ist diese Entscheidung?“
„Es ist wirklich einfach“, flüsterte sie. „Werden Sie es Harry sagen oder soll ich es tun?“
Bevor Shriver antworten konnte, klopfte es heftig gegen die Tür. „Sir?“, hörten sie von draußen Billings rufen. Das Klopfen wiederholte sich beharrlich. „Sir? Hier draußen ist etwas, das sollten Sie sich ansehen…“
Billings verstummte, der Grund erschien durch die Wände, der Decke und dem Boden, als die Geister von Hogwarts leise in Slughorns Gemächer flogen.
Alle zusammen.
Auf die Geste des Barons hin, teilten sich die Geister, machten den Weg frei für die kleinste unter ihnen, die den Geist mit dem traurigen Blick an ihrer Hand führte.
Von seiner anderen Hand tropfte eine langsame Blutspur auf den Boden.
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