von Xaveria
Er steckte ihr den Ring an und er schrumpfte gemütlich, bettete sich in seinem Heim ein.
Ein Seufzen stieg aus den Tiefen des Schlosses auf.
Das lange Warten war vorbei.
Zum ersten Mal seit dem Aufstieg von Voldemort, entspannte sich der Sprechende Hut.
Von seinem Platz an der Wand aus blickte Dumbledore mit müden Augen durch altes Glas. Die fernen Zweige des Verbotenen Waldes standen dunkel gegen dem ewigen Mitternachtsblau, schienen hungrig nach den Sternen zu sein.
Die Baumwipfel erinnerten ihn an Besen.
Und die Wimpel des ehemaligen Quidditchfeldes, wo er einst den jungen Mann beschützt hatte, dem prophezeit wurde, gegen die Dunkelheit anzukämpfen – ihm und vor ihm seinem Vater.
Er hatte sein Bestes gegeben, um das Schloss und seine Schüler gegen die Dunkelheit zu schützen.
Hatte Tom Quidditch für Slytherin gespielt?
Er konnte sich nicht erinnern.
Er war so müde…
Und dann Severus… er hatte kein Quidditch gespielt, obwohl er ein ausgezeichneter Flieger gewesen war.
Hermine konnte es nicht ertragen zu fliegen.
Dumbledore runzelte seine Stirn, seine Falten vertieften sich in seiner blassen Haut, verschwanden in den langen Wellen seines Bartes.
Nein. Er hätte nur das tun können, was er getan hatte.
Und doch hatte das Schloss Hermine gewollt.
Etwas musste verrückt sein. Er wusste nicht wie oder wann. Er mochte es nicht.
Aber er konnte nicht wissen, dass zwischen ihnen, er und Tom die Welt geteilt hatten; konnte nicht wissen, dass das Schloss sie gleichermaßen tadelnswert hielt, gleichermaßen gefährlich, gleichermaßen falsch.
Er konnte nicht wissen, dass das Fundament gerissen war; er war ein Teil des Risses.
Er wusste nur, dass er müde war.
Er würde für eine Weile schlafen. Vielleicht ein Jahrzehnt? Wenn er erwachte, würde Hermine neben Minerva hängen und er würde keinen Frieden finden, bis sie beide ihn in eine Ecke gedrängt hatten.
Vielleicht auch zwei Jahrzehnte.
Mit einem letzten Blick hinaus auf das sich verdunkelnde Quidditchfeld, brachte er noch einen letzten Gedanken an Harry auf, bevor er seine Augen schloss.
Innerhalb weniger Augenblicke schnarchte er.
---
Hermine hielt ihre Hände vor sich und betrachtete den Ring an ihrem Finger.
Ein Feuer knisterte im Kamin, loderte rot und golden auf gelbem Metall und einem blutroten Stein.
Sie atmete leise aus und wirbelte ihren Zauberstab zu den Flammen. Sie verfärbten sich blau, ihr Licht gierte nach der Farbe des Ringes. Sie würde ihn in der Morgensonne genauer untersuchen, aber jetzt, jetzt schmerzte die Helligkeit in ihren Augen.
„Severus“, flüsterte sie.
Zur Antwort stellte er sich hinter sie, faltete sie in seine Arme, seine Hände umschlossen ihre, warm in der blassen Dunkelheit des typischen Feuers.
Sie lehnte den Kopf zurück und schloss ihre Augen.
Für einen langen Augenblick schwieg sie und er stand da, sein Atem sanft und gleichmäßig in ihrem Haar.
Schließlich murmelte sie. „Ich bin nicht bereit.“
„Ich weiß“, sagte er. „Ich weiß.“
„-ryone sagt es zuerst.“ Der Baron flog bei halben Wort durch die Wand. „Es ist am besten, wenn man das Gefühl nicht verliert.” Er schaute zu Severus. „Hat das Schloss schon mit ihr gesprochen?”
Severus schüttelte mit dem Kopf.
Noch immer gegen Severus Brust gelehnt, sah Hermine mit zusammengekniffenen Augen zum Baron auf. „Liegt irgendein Fluch auf der Position des Schulleiters, der die Menschen dazu veranlasst, lieber über einen, anstatt direkt mit einem zu reden?“
Der Baron betrachtete sie misstrauisch. „Seien Sie beruhigt, Schulleiterin, wenn Sie niemand direkt anspricht, dann ist alles so in Ordnung mit der Schule, wie es nur sein kann.“
Sie nickte. „Was haben Sie damit gemeint ‚gesprochen‘?“ Nur widerwillig gab sie ihren Platz in Severus Armen auf.
Der Baron deutete auf die Steinpfeiler, die die Wände hinaufliefen, die sich perfekt in der Wölbung über ihnen verbanden. „Das Schloss macht sich für jeden neuen Schulleiter oder neue Schulleiterin auf seine Art bemerkbar.“
Hermine lachte. „Ich glaube, auf eine Art redet es schon seit Jahren mit mir. Es fühlt sich irgendwie… ruhiger an.“
„Wenn Sie sich konzentrieren, dann sollten Sie die Unverzeihlichen fühlen, die Sie diese Woche gezaubert haben“, flüsterte der Baron.
Sie schloss ihre Augen und hörte undeutlich Severus Imperio und ihren eigenen Avada Kedavra. Sie nickte. „Ich höre es.“
„Hören?“
Hermine öffnete ihre Augen. „Ja. Ich habe sie gehört.“
Der Geist hob eine behandschuhte Hand zu seinem Gesicht und strich über seinen Schnauzer. „Merkwürdig.“
„Inwiefern?“
„Normalerweise ist es visuell.“ Er fuhr damit fort mit einem bedeckten Finger seinen Schnauzer zu verfolgen. „Vielleicht in Ihrem Falle auch nicht besonders überraschend, in Anbetracht Ihrer Blindheit… ja, das glaube ich.“
„Haben Sie eine Ahnung, warum ich keinen von euch sehen konnte?“
Er nickte in der Luft schwankend. „Sie sind verändert zu ihrem letzten Schuljahr zurückgekehrt. Wir scheinen für lebende Augen zu leuchten; Sie haben etwas Ähnliches für die toten angenommen.“
„Ich… ich leuchtete?“ Hermine trat aus Severus Armen, als ob sie Angst hätte ihn anzustecken.
„Nicht mehr.“
Verblüfft starrte sie ihn an.
Er lächelte, amüsierte sich über ihr Unbehagen. „Glaubten Sie etwa, dass die Lebenden die einzigen sind, die Seelen sehen können? Seit Jahren strahlte Ihre nach außen. Ihre Helligkeit war manchmal fast unerträglich.“
Severus murmelte ein paar Daten.
Der Baron sah ihn fragend an. „Ja… am schlimmste war es um diese Zeit. Woher zum Teufel haben Sie es gewusst?“
„Es würde dem folgen, dass die Intensität nach jeder Veröffentlichung einer neuen Arbeit etwas nachließ…“
„Ah“, stimmte der Baron ein. „Eingeständnis ist gut für die Seele.“
„Immer noch da“, murmelte Hermine. „Ich nehme an, ich leuchte nicht mehr?“
„Nein. Ich glaube, ich spreche für uns alle – nun, alle bis auf eine vielleicht – wenn ich unsere Erleichterung ausdrücke, dass Ihre Seele wieder zu ihren ursprünglichen Platz zurückgekehrt ist. Sie waren ziemlich anstrengend. Hat unseren Augen geschmerzt. Ziemlich schwer. Es war alles, was wir sehen konnten, wenn Sie in unserer Gegenwart waren.“
„Und niemand von uns konnte Sie sehen“, fügte Minerva traurig aus ihrem Rahmen hinzu. „Meine Liebe… es tut mir leid.“
Hermine nickte ihrer ehemaligen Hauslehrerin zu. Etwas an der Haltung ihres Kiefers sagte Minerva, dass ihr noch nicht vergeben war – aber vielleicht schon bald.
Hermine wandte sich bereits an den Baron. „Die… Die Seele hat einen ‚ursprünglichen Platz‘?“
„Natürlich. Für gewöhnlich können wir sie überhaupt nicht sehen.“ Bei ihrem Gesichtsausdruck, seufzte er dramatisch. „Fragen Sie mich nicht, wo sich der Platz befindet, Schulleiterin. Wir wissen es wirklich genauso wenig wie ihr.“
„Alle bis auf eine, sagten Sie?“, ging Severus flüsternd dazwischen „Die Kleine, nehme ich an?“
Der Baron nickte zustimmend. „Aus irgendwelchen Gründen fand sie das ungebührliche Leuchten der Professorin – Entschuldigung, der Schulleiterin – nicht so schmerzhaft, wie der Rest von uns.“
„Interessant“, überlegte Severus.
„Sie bricht auch unsere Regeln, Severus. Es ist unsere Hoffnung, dass sie als Schülerin besser lernt.”
„Eine Schülerin?“, wiederholte Hermine.
„Heute früh wurde sie für das Haus Hufflepuff gewählt. Wussten Sie das nicht?“
Hermine schüttelte ihren Kopf.
Der Baron unterdrückte ein wütendes Seufzen. Normalerweise nahmen die Schulleiter schneller die Möglichkeiten der Verbindung auf. Dennoch vermutete er, dass sie einige ziemlich aufregende Stunden hinter sich hatte. „Konzentrieren Sie sich…“
Hermine tat es und in ihrem Kopf hörte sie den Namen des kleinen Geistes und des Hauses so deutlich, als ob der Sprechende Hut mit ihr sprechen würde.
Sie schielte zu seinem gewöhnlichen Platz auf dem Regal.
Er zwinkerte.
„Ah.“ Sie lächelte mit einem entschlossenen Nicken. „Wir müssen uns darum kümmern, dass sie dann einen Zauberstab bekommt.“
„In Anbetracht der Tatsache, dass sie das Unmögliche auch ohne einen tun kann?“, erwiderte Severus gedehnt mit einem Blick, der halb Bewunderung und zum Teil Stolz verkündete. Es gab keinen Zweifel, an wen ihn die Kleine erinnerte.
Minervas Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln.
„Baron“, sagte Severus, „schlafen Geister?“
„Natürlich nicht“, antwortete der Baron mit einem leicht missachtenden Blick.
„Ich kann Ihnen nicht sagen, wie erleichtert ich bin, das zu hören“, erwiderte Severus. „Wer weiß schon, welche Wunder sie in ihrem Schlaf vollbringen würde.“
Hermine lachte leise. „Wir werden dafür sorgen, dass sie einen Zauberstab bekommt, aber ich sollte mich persönlich darum kümmern, dass ihr ihre unmöglichen Fähigkeiten nicht abhanden kommen.“
Etwas in Severus Blick wuchs zu Entschlossenheit, als sie sprach, aber nur der Baron sah es.
Hermine ging hinüber zum Schreibtisch, fuhr mit ihren Fingern über dessen Oberfläche, als ob eine Berührung Respektlosigkeit riskieren würde. Ihre Finger strichen über die tiefen Ritzen an seiner Kante, wo einer ihrer Vorgänger das Holz in einem Moment der vollkommenen Not umklammert haben musste. „Es überrascht mich, dass die Hauselfen nicht versucht haben, es zu polieren.“
„Sie haben es versucht“, sagte der Baron, „aber sind gescheitert.“
„So viele Schatten“, murmelte Hermine.
„In der Tat“, bestätigte der Baron.
Hermine schaute hinüber zu dem wuchtigen Stuhl, aber konnte sich nicht überwinden, sich zu setzen. „Ich muss mit Harry reden“, flüsterte sie.
„Morgen, Hermine. Morgen.”
Hermine blickte auf. Mondlicht erleuchtete Severus blasse Haut und sie meinte etwas in seinen dunklen Augen zu erkennen.
Der Baron räusperte sich höflich und deutete auf eine Tür, die Hermine zuvor noch nie gesehen hatte. „Ihre privaten Gemächer, Schulleiterin, sind durch diese Tür dort.“ Er verbeugte sich förmlich und zog sich zurück.
Sobald er verschwunden war, richtete sich Severus auf, blickte sie noch immer mit einer Intensität an, die sie nicht ganz zuordnen konnte.
„Was ist?“, fragte sie, während ihre Finger weiterhin über die Furchen des Tisches fuhren.
„Hast du ‚wir‘ gesagt?“
Ihre Finger erstarrten auf der Oberfläche und sie fand sich selbst, die Schatten untersuchend, die sie im Mondlicht warfen.
Schließlich flüsterte sie: „Ja.“
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel