von Krabbentaucher
„Der Meister ist zurück, um zu überwachen, wie das alte und führnehme Haus der Blacks zu seinem alten Glanz zurückkehrt.“
Kreacher verbeugte sich vor Harry.
„Ähm – ja, hallo Kreacher. War was in der Zwischenzeit? Seit das Haus für jeden sichtbar ist?“
Kreacher richtete sich auf und antwortete: „Die Muggel haben kaum hierhergesehen. Einige schienen allerdings zu tuscheln und haben auf die Hausnummer gezeigt. Und – einige Muggel haben sich mit bunten Zetteln genähert, sind dann aber weggegangen.“
„Ah ja, das waren bestimmt Leute, die Werbezettel verteilt haben. Wir haben ja noch keinen Briefkasten.“
„Wann wünscht der Meister zu speisen?“ krächzte der Hauself.
Harry sah Ginny kurz an.
„Ähm – Tee brauchen wir, glaube ich, nicht zu trinken. Ich – chrm – muß noch einen Zaubertrank brauen. Und... naja, jedenfalls, ich denke, daß wir erst später am Abend essen werden. Und vielleicht haben wir dann richtig Hunger, weil... hm... also, ich weiß nicht, ob man dann... aber ich könnte es mir vorstellen.“
Kreacher sah seinen Herrn verständnislos an, verbeugte sich und sagte: „Wie der Meister wünscht. Soll ich den Koffer raufbringen?“
„Nein, Kreacher, das mache ich schon. Danke.“
Harry brachte seinen Koffer hoch in sein Schlafzimmer und packte ihn aus. Ginny half ihm, nachdem sie ihr leichtes Gepäck in ihrem Zimmer verstaut hatte. Dann legte Harry die benötigten Zutaten in den Kessel und ging hinunter in die Küche. Kreacher saß am großen Tisch und machte sich offenbar Gedanken über die Speisefolge. Harry überlegte, ob er den Hauselfen hinausschicken sollte. Er sah dann aber ein, daß er Kreacher sowieso bitten mußte, zu einer bestimmten Zeit nicht zu stören. Außerdem würde der Geruch verraten, welche Art Zaubertrank er brauen würde. Harry machte sich an die Arbeit. Bald entströmte dem Kessel der charakteristische Geruch. Kreacher schnüffelte.
„Kreacher wird sich bis zum Abendessen nicht aus der Küche entfernen“, sagte er.
„Ähm – was ist, Kreacher?“ fragte Harry irritiert.
„Harry, der Trank ist fast fertig, er riecht schon vielversprechend“, mischte sich Ginny ein.
„Oh – ja...“
Harry überprüfte noch einmal den Trank und stellte fest, daß er gut gelungen war.
„So, fertig. Du kennst ja die Regel: Innerhalb vier Stunden muß er getrunken werden, und dann muß es innerhalb von vier Stunden geschehen“, verkündete er.
„Dann trinken wir ihn sofort“, sagte Ginny.
Kurze Zeit darauf standen beide in Harrys Schlafzimmer. Ginny fing an, sich zu entkleiden. Harry stand zunächst unschlüssig herum. Dann machte auch er sich daran, sich seiner Kleidung zu entledigen. Ginny kam ihm zur Hilfe, küßte ihn und zog ihn ins Bett. Er fühlte sich dieses Mal nicht im geringsten müde.
„Kreacher hofft, daß das Essen durch das Warmhalten nicht gelitten hat“, sagte der alte Hauself, als Harry mit Ginny die Küche betrat.
Auf dem großen Holztisch lag an dem dem Herd zugewandten Ende ein weißes Tischtuch. Darauf lagen zwei Gedecke an den gegenüberliegenden Seiten aus offensichtlich koboldgearbeitetem Silber. Dazwischen stand ein dreiarmiger silberner Kerzenleuchter, dessen Kerzen schon halb heruntergebrannt waren. Offensichtlich hatte Kreacher so etwas wie ein Candle-Light-Dinner aufgebaut.
„Wird schon nicht“, versuchte Harry seinen Diener aufzumuntern.
„Kreacher hat zwar versucht, abzuschätzen, wann der Meister sein Schlafgemach wieder verlassen würde. Aber es hat länger gedauert als gedacht. Kreacher hofft, daß alles zur Zufriedenheit des Meisters gelaufen ist.“
„Ähm – ja, Kreacher...“
Harry stellte sich vor einen Teller und wartete, bis Ginny sich hinter ihren Teller gesetzt hatte. Dann ließ sich auch Harry nieder.
„Ganz der Gentleman“, grinste sie.
„Aber immer“, antwortete er.
Kreacher trug eine Gemüsesuppe als Vorspeise auf. Harry probierte einen Löffel voll.
„Schmeckt wirklich gut, Kreacher, das hast du sehr gut gemacht.“
Kreacher verbeugte sich und entfernte sich.
„Nun, ist im Schlafgemach alles zur Zufriedenheit des Meisters verlaufen?“ fragte Ginny Harry noch immer grinsend.
„Oh ja, und ich hoffe doch sehr, daß auch die Freundin des Meisters zufrieden ist.“
„Sicher, auch wenn es so lange gedauert hat, daß Kreacher das Essen warmhalten mußte.“
Harry hob die Schultern.
„Was können wir dafür, daß es uns so viel Spaß gemacht hat, daß wir eine Wiederholung hingelegt haben?“
Da mußte Ginny losprusten. Harry stimmte ein.
„Nicht zu fassen“, sagte Ginny, als sie wieder Luft bekam, „da haben wir gerade unsere Unschuld verloren, und jetzt reden wir darüber, als kämen wir von einem offiziellen Empfang.“
Kreacher trug inzwischen die Hauptspeise auf. Es handelte sich um Roast Beef, geröstete Kartoffeln und Yorkshire Pudding.
„Vielleicht sollten wir diese Nacht nicht im selben Bett schlafen“, überlegte Harry. „Ich fand es so schön, daß ich es wahrscheinlich spätestens morgen nach dem Aufwachen nochmal machen würde, und dann haben wir keinen Verhütungszaubertrank genommen.“
Ginny war anderer Meinung: „Der Trank, den du gebraut hast, der doch erst knapp drei Stunden alt. Wenn wir ihn gleich nehmen, kann vor dem Einschlafen nichts mehr schiefgehen. Und morgen müssen wir wegen Mr Groinedvault sowieso so früh aufstehen, daß da ohnedies nichts passieren wird.“
„Du hast Recht, ja, richtig, heute Abend könnte nichts schiefgehen.“
„Außer natürlich, du wärst zu müde.“
„Damals war ich nicht zu müde, sondern nur zu entspannt.“
„Von mir aus auch das.“
Kreacher tischte nach einiger Zeit das Dessert auf. Es handelte sich um eine Siruptorte. Als Harry und Ginny auch damit fertig waren und jeder noch einmal Zaubertrank zu sich nahm, bemerkte der Elf: „Kreacher ist erfreut, daß der Meister nun auch das gemacht hat, was der Erhaltung der Zaubererrasse dient.“
„Ähm, Kreacher, wir haben einen Verhütungstrank genommen.“
„Sicher, aber der Meister hat sich mit der Tätigkeit an sich vertraut gemacht.“
„Ja, danke Kreacher – ähm – Ginny und ich gehen jetzt zu Bett. Morgen müssen wir alle früh aufstehen. Und – ähm – da wäre es gut, wenn du auch ins Bett gehst. Ja? Und wenn du heute Abend...“
Kreacher verbeugte sich und sagte: „Kreacher hat verstanden. Er wird in das Zimmer von Herrn Regulus gehen, das ihm großzügigerweise von Meister Harry zugewiesen wurde, und er wird es erst wieder morgen früh verlassen, um das Frühstück vorzubereiten.“
Der Wecker klingelte unangenehm laut. Harry tastete nach ihm, schlug ihn aus, griff nach seiner Brille und setzte sie auf. Dann wandte er sich zur anderen Seite um. Ginny reckte sich und blinzelte mit den Augen.
„Schon so weit?“ knarzte sie.
„Ja“, murmelte Harry ganz benommen. „Es ist halb acht. Wir müssen uns fertigmachen und dann frühstücken.“
„In Ordnung, Königstiger.“
Harry sah Ginny erstaunt an.
„Wieso Königstiger? Ich kann mich ganz genau erinnern, daß wir -“
Ginny lachte: „Ja, schon recht, ich wollte dich einfach ein bißchen erschrecken.“
Harry brummte: „Schön, dann sollten wir jetzt aufstehen. Willst du zuerst ins Bad gehen?“
„Wieso ich zuerst? Wir können doch zusammen gehen?“
„Ginny, wir haben nichts an. Und im Bad, da -“
Ginny lachte jetzt noch lauter: „Harry, du bist echt süß, wenn es dich nicht gäbe, müßte man dich erfinden! Wenn ich jetzt richtig mitgezählt habe, haben wir seit gestern Spätnachmittag dreimal du-weißt-schon-was, und jetzt bist du zu schüchtern, mit mir ins Badezimmer zu gehen.“
Kreacher schien der Meinung zu sein, daß Harry und Ginny dringend einen großen Nachschub an Proteinen benötigten, denn er hatte ziemlich viel Rührei und Speck vorbereitet. So aßen sich Harry und Ginny durch das ziemlich gehaltvolle Frühstück, nachdem sie sich – gemeinsam – im Bad gewaschen und im Schlafzimmer angezogen hatten. Als sie so viel gefrühstückt hatten wie möglich, war es zehn vor neun Uhr. Weil an diesem Montag das Gerüst aufgebaut werden sollte, hatte Mr Groinedvault darum gebeten, daß Harry Muggelsachen anziehen sollte, da er sich gelegentlich außerhalb des Hauses aufhalten würde. Das war für Harry kein Problem, da er ohnedies meistens Muggelsachen trug. Er war gespannt, wie Mr Groinedvault die Sache organisieren wollte. Harry sah auf die Uhr. Inzwischen war es kurz vor neun Uhr. Da schellte es an der Tür, und die Vorhänge vor Mrs Blacks Gemälde flogen zur Seite.
„Gossenkinder! Dreck! Besudelt das Haus meiner Väter, hinfort mit Euch!“ rief sie sabbernd und augenrollend.
Harry sorgte mit einem Schockzauber für Ruhe und ließ die Vorhänge sich wieder schließen. Dann öffnete er die Haustür. Vor ihm stand, in einem blauen Overall, Mr Groinedvault mit zwei ebenso aufgemachten Helfern, die Harry sehr neugierig ansahen.
„Guten Morgen, Mr Potter, da wären wir.“
„Guten Morgen. Kommen Sie herein.“
Die drei Bauzauberer traten ein, wobei sich die Helfer intensiv umsahen. Mr Groinedvault sagte leise zu ihnen: „Dort oben hängt das Bild, von dem ich Ihnen erzählt habe. Also leise bitte.“ Und zu Harry gewandt fuhr er fort: „Wir haben draußen schon einmal die Gerüstteile aufgestapelt. Gleich werden wir die ersten Teile aufrichten, aber immer wieder Pause machen, damit sich die Muggel nicht wundern, daß es so schnell geht. Ich denke, daß wir am Nachmittag dann die Plane anbringen können, die alles verdeckt.“
„In Ordnung, machen Sie es so, wie Sie es für richtig halten“, bestätigte Harry.
Mr Groinedvault ging wieder hinaus, gefolgt von seinen beiden Helfern, die über die Schulter hinweg Harry anguckten. Harry entschloß sich, dem ganzen zuzusehen, und auch Ginny verließ das Haus. Draußen gab Mr Groinedvault seinen Leuten Anweisungen. Dann warteten sie, bis die Muggel, die gerade vorbeigingen, hinter der nächsten Ecke verschwunden waren. Harry kam der Gedanke, daß er ebenso gut im Zauberumhang hier hätte stehen können, ohne aufzufallen, denn die beiden Muggel hatten eine nicht weniger merkwürdige Aufmachung. Es handelte sich um Grufties, die wild geschminkt und in wehenden, zerrissenen Sachen durch die Straßen eilten. Das hier war Camden, einer der Stadtteile Londons, die von jeher besonders tolerant gegenüber jeder Form von merkwürdiger Aufmachung war und eine entsprechende Anzahl entsprechender Läden aufzuweisen hatte.
„Zuerst drei Rahmenstücke dort drüben!“ kommandierte Mr Groinedvault.
Die Bauzauberer hoben ihre Zauberstäbe, und schon richtete sich das erste Element auf und schwebte zur Fassade, wo es sich so hinstellte, als sei es dort befestigt worden. Dann folgten die beiden anderen Teile. Nach und nach fügten die Zauberer das Gerüst zusammen, indem sie die Rahmenteile an der Fassade aufstellten und durch Diagonalstreben miteinander verbanden. Dabei hielten sie immer wieder inne, wenn Muggel kamen. Außerdem legten sie die Gerüstbretter auf und bauten hier und da Leitern ein – und zwar in der Weise, daß die einzelnen Teile nach und nach von ihren Zauberstäben geleitet an ihre Stelle schwebten.
„So, um zwei Uhr kommen wieder zurück“, teilte Mr Groinedvault mit und disapparierte mit seinen beiden Helfern.
Es war Mittag. Die senkrechten Rahmenteile standen und waren durch Diagonalstreben stabilisiert worden. Bis auf die halbe Gebäudehöhe waren die Gerüstbretter aufgelegt worden.
„Laß uns reingehen, ich glaube, Kreacher hat etwas zu Essen gekocht“, sagte Ginny.
Nach dem Mittagessen warteten Harry und Ginny bereits vor der Tür. Pünktlich um zwei Uhr erschienen Mr Groinedvault und seine Mitarbeiter erneut und legten die letzten Gerüstbretter auf. Dann ließen sie mehrere Planen sich entfalten und nach und nach das Gerüst hochschweben, bis die gesamte Fassade mit dem Gerüst dahinter versteckt war. Als alles stand und keine Teile vor der Haus mehr übrig waren, war es bereits vier Uhr.
„Mr Potter, die erste Phase ist soweit geschafft“, verkündete Mr Groinedvault. „Die Außenwände werden wir jeweils an einem Tag sanieren. Aber da Langsamkeit und Lärm bei den Muggeln nunmal Trumpf ist, wenn sie bauen, werden wir es nicht sofort erledigen. Deshalb werden wir morgen früh ein verzaubertes Grammophon mit Baustellengeräuschen aufstellen. Es wird nicht notwendig sein, daß Sie uns empfangen. Ich kündige es nur an, damit Sie sich nicht wundern, wo die ganzen Geräusche herkommen. Ich würde sagen, wir kommen dann übermorgen um neun Uhr zurück und erledigen erstmal die Fassade.“
„Einverstanden“, sagte Harry, „aber würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn das Ding nicht die ganze Nacht läuft?“
„Kein Problem. Wir müssen den Lärm sowieso in den üblichen Pausen und am Abend oder besser am Nachmittag abstellen, sonst wundern sich die Muggel.“
„Bitte schon am Nachmittag“, sagte Ginny.
„Dann sollten Sie noch mit Mr Fuse Kontakt aufnehmen, Mr Potter“, fuhr Mr Groinedvault fort. „Er hat von mir schon Gebäudepläne bekommen, ich weiß nicht, wofür genau er sie brauchte. Er hat etwas von Leitungsplänen gesagt. Naja, wir müssen das ja abstimmen.“
„Mache ich morgen“, bestätigte Harry.
„Gut. Dann auf Wiedersehen bis Mittwoch, Mr Potter.“
„Auf Wiedersehen, Mr Groinedvault“, sagte Harry.
„Auf Wiedersehen“, sagte Ginny.
Als die Bauzauberer fort waren, meinte Harry: „Wir müssen heute früh zu Bett. Wenn Hermiones Eltern morgen um kurz vor halb sechs landen, dann sollten wir um vier Uhr aufstehen.“
Ginny sah auf die Uhr.
„Dann ist noch etwas Zeit für den Zaubertrank, für das danach und für das Abendessen.“
Draußen wurde es gerade hell, als der Wecker klingelte. Harry streckte sich und auch Ginny wachte auf.
„Morgen, Harry.“
„Morgen, Ginny.“
„Laß uns einfach ins Bad gehen, ohne vorher darüber zu diskutieren, ja? Ich bin zu müde dafür.“
„Okay.“
Etwas später saßen sie am Küchentisch, den Kreacher mit dem Frühstück gedeckt hatte. Harry hielt sich an seiner Kaffeetasse fest und wartete darauf, daß die Lebensgeister in ihm erwachten.
„Wir apparieren, ja?“ schlug Ginny vor.
„Selbstverständlich“, erwiderte Harry. „Wenn wir mit der U-Bahn fahren würden, hätten wir schon längst unterwegs sein müssen.“
Sie beendeten das Frühstück und gingen aus dem Haus. Es war viertel nach fünf, und die Sonne war bereits aufgegangen. Der Grimmauldplatz lag ausgestorben da.
„Also, Heathrow, Terminal vier. Am besten in die Ecke, von der aus wir damals nach unserer Rückkehr disappariert sind“, sagte Harry.
Sie drehten sich und tauchten wenige Augenblicke später in der etwas schmuddeligen, stillen Ecke außen am Terminal auf. Vom Flughafen her hörten sie das laute Rauschen einiger Hilfsturbinen.
„Laß uns reingehen“, sagte Harry.
Im Ankunftbereich des Terminals war schon einiges los. Harry und Ginny sahen sich um.
„Wahrscheinlich kommen sie erst auf den letzten Drücker, wenn Mrs und Mr Granger durch den Durchgang kommen“, vermutete Ginny.
„Das sähe Hermione gar nicht ähnlich.“
„Ihr vielleicht nicht, aber vergiß nicht: Sie hat Ron im Schlepptau.“
Harry mußte zugeben, daß das ein Gesichtspunkt war. Ginny hatte es inzwischen unternommen, nach dem richtigen Durchgang zu suchen. Harry war zwar häufiger geflogen als sie, aber im Gegensatz zu ihr hatte er noch nie jemanden vom Flughafen abgeholt. Ein wenig Zeit hatten sie noch, denn auf der großen Anzeigetafel war für Flug BA 12 eine Verspätung von einer halben Stunde angezeigt. Harry sah sich noch einmal um und sah Hermione und Ron heraneilen.
„Hallo, Ginny und Harry!“ keuchte sie.
„Hallo Hermione und Ron“, antworteten Harry und Ginny.
„Hat ein bißchen länger gedauert, weil Ron -“, sagte Hermione, vollendete den Satz aber nicht und sah ihren Freund stattdessen böse an.
„Macht doch nichts, das Flugzeug hat sowieso Verspätung. Eigentlich hätte ich noch eine halbe Stunde länger schlafen können“, verteidigte er sich und gähnte herzhaft.
Um sechs erschien endlich der Hinweis „gelandet“ auf der Tafel. Die Spannung stieg, aber vorerst tat sich gar nichts. Harry erläuterte Ginny, daß zuerst das Gepäck ausgeladen werden und von den Passagieren vom Band genommen werden mußte. Nach einer halben Ewigkeit kamen die ersten Passagiere durch den Durchgang. Einige, vor allem die mit den teuren Anzügen und den kleinen Trolleys im Schlepptau, strebten sofort dem Ausgang oder den Mietwagenschaltern zu, andere wurden schon erwartet und von ihren Freunden, Angehörigen oder Gastgebern begrüßt. Dann endlich tauchten Hermiones Eltern auf.
„Mum! Dad!“ quiekte sie und warf sich ihnen in die Arme.
„Hermione!“ riefen sie.
Harry und die anderen standen etwas abseits und warteten ab. Hermione löste sich nach langer Zeit von ihren Eltern, die nun erkannten, daß ihre Tochter nicht allein gekommen war. Ron näherte sich ihnen als erster.
„Guten Morgen, Ron!“ begrüßte ihn Mrs Granger.
Dann begrüßten Hermiones Eltern auch Harry, der ihnen Ginny vorstellte: „Das ist Ginny Weasley, die Schwester von Ron – und meine Freundin. Ich glaube, ich habe sie schon erwähnt.“
Nach dem Händeschütteln verkündete Hermione: „Wir, also Ron und ich, haben schon mal das Haus vorbereitet, das heißt, dort gibt es Strom und Telefon, und es ist sauber und so weiter. Außerdem haben wir für später ein zweites Frühstück vorbereitet. Ich glaube, ihr hattet heute ziemlich früh gegessen.“
„Das ist ja wunderbar, Hermione“, sagte Mr Granger.
„Und Harry, Ginny, kommt ihr mit?“ fragte Mrs Granger.
„Ähm – nein, wir kümmern uns gerade um mein Haus, und da muß ich noch einiges organisieren“, sagte Harry verlegen, der fand, daß Hermione ihre Eltern mit möglichst wenigen teilen müssen sollte.
„Mum, Dad, wir werden wohl apparieren müssen“, sagte Hermione. „Es ist ein bißchen umständlich, mit dem Zug und so zu fahren, und ein Auto haben wir zur Zeit ja nicht.“
„Tja, apparieren...“, murmelte Mr Granger etwas unsicher.
„Keine Sorge, wir sind ja zu zweit da“, erläuterte Ron, „da nimmt jeder von uns einen von Ihnen mit, das wird kein Problem sein.“
Zusammen gingen sie aus dem Flughafengebäude raus. Hermione lief neben ihren Eltern her, so daß das Kofferschleppen an Harry und Ron hängenblieb. In der stillen Ecke draußen verabschiedeten sich Harry und Ginny von den Eheleuten Granger, Hermione und Ron. Dann disapparierten sie zum Grimmauldplatz.
In der Küche nahmen die beiden ein zweites Frühstück ein. Als sie in den Salon gingen, um es sich auf dem Sofa miteinander gemütlich zu machen, hörten sie von draußen allerhand Schleif- und Hämmergeräusche. Harry sah auf die Uhr. Es war halb zehn. Er stand auf und öffnete das Fenster. Die Geräusche kamen tatsächlich vom Gerüst, aber er konnte nicht sehen, woher. Es war niemand da. Das Geräusch schien in irgendeiner Weise von der Plane zu kommen, die den Blick auf den Platz verdeckte und ziemlich viel Licht schluckte.
„Irgendwo muß doch das Grammophon sein?“ murmelte Harry.
„Laß uns nachgucken, das will ich sehen“, erwiderte Ginny.
Sie liefen von Raum zu Raum und öffneten die Fenster. Recht bald wurden sie fündig. Von einem Fenster eines Raumes über dem Salon, vor dem in Kopfhöhe eine Etage des Gerüstes verlief, konnte Harry, als er nach unten blickte, auf Brettern vor dem oberen Teil der Außenwand des Salons ein Grammophon vor sich hindudeln sehen. Eigenartigerweise schien es nicht so, als käme der Ton von dem Grammophon.
„Weiß du was? Die haben die Plane so verzaubert, daß sie die Töne des Grammophon aufnimmt und streut“, sagte Ginny.
Harry dachte kurz nach und sagte schließlich: „Natürlich – das wäre sonst zu auffällig, wenn der Krach die ganze Zeit von einer einzigen Stelle kommen würde. Bin mal gespannt, wie das ist, wenn die Platte zuende ist. Grammophonplatten spielen normalerweise nur drei Minuten. Das hat Onkel Vernon irgendwann mal erwähnt. Und muß nicht irgendjemand das Ding hin und wieder aufziehen?“
Ginny grinste.
„Harry, schon mal was von Zauberei gehört?“
Harry fühlte sich ertappt.
„Ähm – jetzt, wo du es erwähnst...“
Er mußte nicht lange warten. Irgendwie zog der Tonabnehmer über die Platte zurück nach außen, ohne über die Rillen zu kratzen, dann ging es wieder los. Völlig gefesselt von dieser Darbietung sahen Harry und Ginny zu. Von Zuhören konnte keine Rede sein, denn sie hielten sich Ohren zu. Auf die Dauer war das Geräusch doch etwas nervtötend. Neben dem Grammophon stand eine Kiste, und hin und wieder schwebten selbsttätig Schellackplatten heraus und lösten die Platten ab, die schon abgespielt worden waren. Dadurch blieb das Geräusch nie dasselbe.
„Ich muß noch mit Mr Fuse telefonieren“, verkündete Harry.
Er rief von einer Telefonzelle in der Nähe aus Mr Fuse an und verabredete mit ihm, daß die Elektroarbeiten am nächsten Montag beginnen sollten.
Als Harry und Ginny am Freitagabend in den Fuchsbau zurückkehrten, waren die Fassade zum Grimmauldplatz und die linke Seitenwand bereits saniert. Die Tarnung funktionierte ganz gut, denn die Art, mit der sich die verbeikommenden Muggel zum Haus umdrehten, war typisch dafür, mit der sie üblicherweise an Gebäuden vorbeigingen, die gerade saniert wurden – nämlich mit einer Mischung aus Neugier und Genervtsein. So hatten sich wieder alle um den Tisch versammelt, um die Unmengen Essen zu verdrücken, die Mrs Weasley auffuhr. Harry und Ginny taten so, als sei die Baumaßnahme eine umfangreiche Sache, damit Mrs Weasley keine Bedenken kamen, ihre einzige Tochter so lange mit Harry allein zu lassen.
„Und wie ist es mit deinen Eltern?“ fragte Ginny Hermione.
„Oh – gut, sehr gut. Zwei Tage später waren wir dann noch mal am Flughafen, um das abzuholen, was nicht ins Gepäck gepaßt hat. Dazu haben sich meine Eltern einen Kleintransporter gemietet. Naja, ein Auto brauchen sie jetzt auch, erstmal ein gebrauchtes für den Anfang. Sonst lief alles prima, Strom, Wasser, alles da. Dann sind sie losgezogen, um sich Räumlichkeiten für ihre neue Zahnarztpraxis zu suchen.“
„Und wir haben solange den Haushalt gemacht, Sachen ausräumen und kochen und das alles“, mischte sich Ron ein.
Hermione maß ihn mit strengem Blick.
„Ich habe gekocht, Ron.“
„Aber du kannst nicht behaupten, daß ich versucht hätte, mich zu drücken.“
„Nein, aber warst einfach im Weg.“
„Ich hätte ja auch allein kochen können.“
„Ja, wahrscheinlich mit dem Telefon – Pizza-Taxi...“
„Diese Muggelerfindungen gefallen mir immer besser.“
„Mir auch“, mischte sich Mr Weasley ein, worauf seine Angetraute sehr kritisch guckte.
„Hermione hat ihr Mobiltelefon reaktiviert und hierher mitgenommen“, sagte Ron leise zu Harry und Ginny. „Dad kann sich vor Begeisterung gar nicht einkriegen, daß es die Dinger auch ohne Telefonzelle gibt. Jetzt hat Mum Angst, daß es nicht mehr bei Steckern und Batterien bleibt.“
„Und bleibt ihr jetzt hier oder geht ihr die Woche über zu Hermiones Eltern?“
„Zu Hermiones Eltern.“
„Sie wollen übrigens alle – also nicht nur dich, sondern auch Mum und Dad – einladen, wenn alles fertig organisiert ist.“
Harry warf einen flüchtigen Blick auf Mr Weasley. Er konnte sich vorstellen, daß er jedes einzelne Gerät im Haushalt der Grangers untersuchen würde.
Am nächsten Montag standen Harry und Ginny zeitig auf. Sie waren wie schon in der Vorwoche bereits am Sonntagabend zum Grimmauldplatz appariert. Da das Portrait von Mrs Black noch immer nicht unschädlich gemacht worden war, erwartete Harry Mr Fuse und Mr Groinedvault vor dem Haus. Beide erschienen pünktlich. Mr Fuse kam mit seinem Privatwagen, da er nur die Stellen zeigen sollte, an denen er die Wandschlitze benötigte.
„So, können wir dann?“ fragte Mr Fuse, nachdem man sich gegenseitig begrüßt hatte.
Er wirkte weniger nervös als beim ersten Zusammentreffen. Es dürfte eine Rolle gespielt haben, daß er nun kein unbekanntes Terrain mehr betrat.
„Ich werde dann, während Mr Groinedvault die Schlitze zaubert, dafür sorgen, daß das Haus seinen Anschluß von den städtischen Stromwerken bekommt.“
Sie gingen ins Haus, wo Mr Fuse seinen Plan entfaltete, auf dem er die Stromleitungen eingetragen hatte. Dann ging er mit Mr Groinedvault durch das ganze Haus, neugierig von Harry und Ginny und argwöhnisch gefolgt von Kreacher. Er zeigte, wo die Leitungen entlangführen sollten, während Mr Groinedvault mit dem Zauberstab auf die entsprechenden Stellen deutete. An den Wänden erschienen leuchtend gelbe Linien.
„Bitte nicht so enge Kurven hier, die müssen weiter sein“, sagte Mr Fuse an einigen Stellen, oder auch: „Hier muß ein größeres Loch hin für eine Verteilerdose... hier für eine Steckdose...“
Sie waren ziemlich lange beschäftigt, und am Ende wurde jede Wand des Hauses durch leuchtend gelbe Striche meistens in dreißig Zentimetern Höhe über dem Boden verziert, was Kreacher mit einem sehr mißbilligenden Blick zur Kenntnis nahm.
„So, ich werde dann mit meinen Männern am besten morgen wiederkommen und die Schlitze zaubern“, kündigte Mr Groinedvault zum Abschied an.
Es wurde eine staubige Angelegenheit. Zwei Assistenten hielten zur Orientierung eine Schnur in dreißig Zentimetern Höhe die Wand entlang gespannt, während Mr Groinedvault mit einem ungesagten Zauber den Zauberstab die Wand entlangführte und dabei einen Schlitz in der Wand hinterließ. Putz bröselte herunter und blieb auf Fußleiste und Boden liegen. Außerdem schwebten Staubteilchen herum. Während Harry und Ginny interessiert zusahen, wuselte Kreacher den drei Bauzauberern hinterher und wischte den ganzen Dreck auf.
Am Ende der Woche hatte Mr Fuse einen Minibagger organisiert, um für den Anschluß des Hauses an das öffentliche Stromnetz zu sorgen. Es dauerte einen ganzen Tag, bis der Graben hergestellt und – mit Zauberkraft – ein Loch in die Kelleraußenwand gebrochen war, durch die Strom- Telefon- und Fernsehkabel ins Haus geführt werden sollten. Als die Woche zuende ging, lag der Graben offen da und war mit Warnbaken abgesichert. Sämtliche Wände waren saniert, so daß das Gerüst nur noch zum Schein und als Aufstellort des verzauberten Grammophons vor dem Haus stand.
In der folgenden Woche – Harry und Ginny hatten das Wochenende wieder im Fuchsbau verbracht – verlegte Mr Fuse zunächst den Hausanschluß und schüttete die Grube wieder zu. Dann machte er sich an die Verlegung der Stromleitungen und Verteilungen im Haus. Das war auch die Zeit, in der gelegentlich Mr Weasley in der Mittagspause vorbeikam.
„Das ist ja hochinteressant, endlich sehe ich das mal richtig“, sagte er.
„Bitte nicht anfassen, sonst bringen Sie mir die Kabel im Sicherungskasten durcheinander“, sagte Mr Fuse.
„Faszinierend! Ich habe eine ganze Sammlung von Steckern!“
„Wo ist denn die Steckdose? Die lag doch eben noch hier.“
„Und das ist das Kabel für das Fernsehen, sagen Sie?“
„Ja, und wenn ich es dann bitte haben könnte...“
Harry hatte das deutliche Gefühl, daß Mr Fuse jedes Mal froh war, wenn Mr Weasley zurückkehrte zur Arbeit.
Als endlich alles installiert war, kamen noch einmal Mr Groinedvault und seine beiden Helfer, um die Schlitze zu schließen. Zuvor hatte Mr Fuse noch einen Funktionstest durchgeführt. Das war gar nicht so einfach, da er zumindest für einen Tag den Stromanschluß beim Elektrizitätswerk anmelden mußte. Außerdem verfügte Harry über kein einziges elektrisches Gerät, so daß eine Baulampe von Mr Fuse herhalten mußte. Außerdem hatte er Harry, Ginny und sogar Kreacher in den Gebrauch des Sicherungskastens eingewiesen, wobei der Hauself ein besonders unwilliges Gesicht zog.
„Jetzt müssen Sie nur noch ein Telefon anschaffen, dann können Sie auch telefonieren – allerdings müssen Sie einen Vertrag mit British Telecom schließen“, sagte er, als er die Rechnung überreichte.
Harry wollte die Rechnung einige Tage später ausgleichen, wenn er den Umrechnungskurs bei Gringotts erfragt haben würde. Die Zahlung sollte in Zauberergeld erfolgen.
Das Verschließen der Schlitze durch Mr Groinedvault ging schnell vonstatten. Für das Bild von Mrs Black und die Poster von Sirius wollte er sich jedoch mehr Zeit nehmen und kam anderentags wieder. Es wurde eine anstrengende Prozedur. Der Zaubertrank, den er braute und verwendete, stank fürchterlich nach den aggressivsten Lösungsmitteln, die Harry sich vorstellen konnte. Mrs Black war nicht begeistert.
„Niederes Gewürm! Laß er die Hände von diesem unersetzlichen Kunstwerk! Wage er es nicht, mich von meinem angestammten Platz vom Haus meiner Väter zu entfernen!“
Nach einigen zusätzlichen Zaubern löste sich das Bild schließlich von der Wand, und Harry trug es sofort hoch auf den Dachboden, wo er es mit einem Zauber zum Schweigen brachte und anschließend zudeckte. Dann wiederholte Mr Groinedvault die Ablösemaßnahmen in Sirius' Zimmer. Dieses Mal war es an Kreacher, den vormaligen Wandschmuck auf den Dachboden zu bringen. Ohne die Bikinimädchen sah das Zimmer von Sirius viel besser aus, das mußte Harry zugeben.
Am letzten Tag der Bauarbeiten entfernten Mr Groinedvault und seine Assistenten mit angemessener Umständlichkeit die Plane und das Gerüst, so daß den Muggeln, die am Haus vorbeigingen, nichts merkwürdig vorkam. Zum Abschied übergab Mr Groinedvault Harry seine Rechnung und erbat eine Zahlung Verlies-zu-Verlies.
Am letzten Freitag im Juli, einen Tag vor Harrys Geburtstag und gerade rechtzeitig vor ihrem Aufbruch in den Fuchsbau, fanden Harry und Ginny ihre provisorischen Fahrerlaubnisse in dem Briefkasten vor, den Harry wenige Tage zuvor hatte anbringen lassen.
„Auf in das nächste Abenteuer – die Fahrausbildung“, sagte er.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel