von S_ACD
Ein paar inhaltliche Anmerkungen/Warnungen, die euch vielleicht interessieren könnten:
1) Dieses Kapitel ist lang. Und damit meine ich wirklich saulang. Nicht jedes Kapitel wird so lang sein, das kann ich euch jetzt schon versprechen. ^^° Wenn es euch diesmal wirklich ZU lang sein sollte, dann nehmt euch kein Blatt vor den Mund… dann lass ich mir in Zukunft was einfallen!
2) Was die Namen von Scherzartikeln, magischen Tieren usw. angeht, werde ich mich an die deutschen Bezeichnungen halten – einzige Ausnahme ist der Name [i]Weasleys' Wizard Wheezes. „Weasleys Zauberhafte Zauberscherze“ klingt in meinen Ohren nämlich irgendwie… dämlich.
3) So richtig offensichtlichen Twincest wird es voraussichtlich nicht geben… zumindest ist er nicht geplant. Aber meine ewig zweideutigen Bemerkungen werde ich sowieso nicht lassen können… xD
4) Jaah… wie die meisten schon bemerkt haben, ist Fred nicht tot. Und das hat auch seine Gründe. Der Aspekt, dass er eigentlich schon lange gestorben sein sollte, wird aber nicht außer Acht gelassen.
5) Last but not least… ein riesengroßes Dankeschön für das geniale Feedback! *.*[/i]
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...Ob man es glaubt oder nicht – die Tatsache, dass sich in unserer Wohnung gerade ein gewaltiger Schwarm fliegender Plüschkugeln breitmacht, hat auch etwas Gutes:
Unsere KĂĽche ist so Minimuff-frei wie eine KĂĽche nur sein kann.
Mal abgesehen von einem einzigen, blassrosa Exemplar, das ĂĽber meinem Kopf einsame Kreise um den Lampenschirm dreht.
Fred hat die Tür vor zehn Minuten fachmännisch versiegelt – rein sicherheitshalber natürlich (auch wenn die unmittelbare Gefahr für Leib, Leben und Wohlbefinden bei einem Haufen flauschweicher Kügelchen eher vernichtend gering ist) und jetzt hört man alle paar Sekunden das leise, dumpfe Geräusch von Minimuffs, die gegen Holz klatschen.
Ganz offensichtlich haben sie den Dreh mit den FlĂĽgeln noch nicht raus.
„Merlinsch Underhosche noschmal!“, klingt es undeutlich von der gegenüberliegenden Tischseite an mein Ohr und ich werfe meinem beinahe-Spiegelbild einen raschen Blick zu.
Er sitzt im Schneidersitz auf seinem Stuhl, einen halb aufgegessenen Auberginenmuffin in der einen und seinen Zauberstab in der anderen Hand und starrt konzentriert auf einen massiven Handspiegel aus dunklem Holz – sein „Projekt“.
Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann die Geschichte mit diesem Spiegel ihren Anfang genommen hat – aber ich kann mich ziemlich deutlich daran erinnern, dass er sogar am Weihnachtsmorgen darüber gebrütet hat.
Tja.
Heiligabend war vor drei Monaten und schon damals war die Sache nicht mehr ganz neu.
Aber in den letzten Wochen hat sich sein „wissenschaftlicher Forschungsdrang“ immer mehr zu einer Art Besessenheit ausgewachsen, bei der ich mir im Moment noch nicht ganz sicher bin, ob ich mir einfach nur Sorgen machen oder doch eher intervenieren soll.
Der Mensch darf sich nicht dauernd mit seinen Fehlschlägen herumärgern.
Das ist unhöflich, ungesund und geht seiner unmittelbaren Umgebung auf die Nerven.
Die unmittelbare Umgebung bin, wie in diesem Fall ja unschwer zu erraten ist, ich.
„Furunkel“, murmelt er drohend und nimmt einen weiteren Bissen, „Grieschelkrätsche, Hegschenschusch, Maschern… irgendwasch!“
Ich angle mir einen zweiten Muffin und lehne mich seufzend zurück. „Wie läuft’s?“
„Groschartig“, er schluckt und mustert mich finster, „Sieht man das nicht?“
„Doch, doch… du machst den Eindruck vollkommenen Friedens, der Harmonie und der Glücksseligkeit.“
Der Tonfall seiner Antwort ist beinahe drohend… aber erstens kenne ich ihn zu lange, um mich davon beeindrucken zu lassen und zweitens bin ohnehin nicht ich gemeint, sondern das Ding, das vor ihm auf der Tischplatte liegt. „Ich krieg das hin.“
„Sicher“, sage ich, „Das bezweifelt auch niemand. Die Frage ist bloß: Kriegst du’s auch hin, bevor ich an Altersschwäche gestorben bin?“
Er sieht auf und grinst schief.
„Nanu, George? Eifersüchtig?“
„Wenn du wüsstest.“ Ich nehme einen großen Bissen.
„Isch wünschde wirklisch du würdeschd…“, als ich schlucke, muss ich unwillkürlich an das Gesicht denken, das Mum machen würde, wenn sie unsere aktuellen Tischmanieren sehen könnte, „ …auch mal versuchen, mir alle möglichen und unmöglichen Krankheiten an den Hals zu fluchen, anstatt es bei diesem alten Spiegel zu probieren.“
Ich werfe ihm einen herzzerreißenden Blick zu: „Ich bin einsam, Fred!“
Er prustet in seinen KĂĽrbissaft.
Als er endlich ausgehustet hat, schiebt er den Spiegel mit einer entschlossenen Handbewegung zur Seite. „Ach du meine Güte, Darling, hättest du doch früher was gesagt!“
Zwar muss ich bereits jetzt grinsen, aber mit einiger Willensanstrengung bleibt mein Gesicht todernst. Das hier ist eine Frage der Ehre.
Betrübt schüttle ich den Kopf. „Ach, weißt du, Schatz… ihr wart so glücklich zusammen. Das konnte ich doch nicht kaputt machen!“
Ein paar Sekunden lang sitzen wir einfach da und starren uns ungerührt in die Augen – dann müssen wir gleichzeitig grinsen.
Der letzte Minimuff ist inzwischen still und heimlich im Marmeladeglas gelandet.
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Eigentlich war die Sache mit der Wohnung über dem Laden ursprünglich kaum mehr als ein Mittel zum Zweck: Das Geschäft blühte und wir wollten Zeit sparen.
Dass wir Mums böse Blicke los waren – die uns in der ersten Zeit, nachdem wir aus Hogwarts abgehauen waren, wirklich auf Schritt und Tritt zu verfolgen schienen – war nur ein zusätzlicher Pluspunkt.
Ich meine, klar hatten wir vor, irgendwann auszuziehen.
Die konkreten Pläne in die Richtung waren bloß noch nicht besonders ausgereift.
Dann kam das vergangene Jahr, alles ging drunter und drüber und die ganze Familie – uns mit eingeschlossen – musste umziehen und untertauchen.
Da war verständlicherweise auch nicht viel los mit Wohnungsplänen.
Mittlerweile fristen wir unser Dasein wieder über Weasleys’ Wizard Wheezes, diesmal allerdings mit weitaus mehr Annehmlichkeiten als vorher: Magisch erweiterte Räume, (Das ehemalige Badezimmer, beispielsweise, war die reinste Katastrophe. Wir konnten uns NIE gleichzeitig die Zähne putzen – und das meine ich ganz ernst. Wir konnten nicht. Für mehr als eine Person war in diesem Kabuff kein Platz!), neue, selbstgekaufte Möbel (Und keine, die wir uns von diversen Verwandten zusammenklauben mussten. Die hatten in den meisten Fällen nämlich die unangenehmsten Angewohnheiten. Der Schuhschrank, der es beinahe geschafft hätte, mir zwei Finger abzutrennen, ist noch das harmloseste Beispiel.) und endlich ein paar Räume, in denen wir ohne Rücksicht auf Verluste herumexperimentieren können. (Erst hatten wir das ganze Zeug in der Küche aufgebaut und diese Lösung erwies sich anfangs auch als recht praktisch – zumindest bis zu dem Tag, an dem Fred es irgendwie schaffte, den gerade ausköchelnden Sud für die Füllung von Nasenblut-Nougats mit Suppe zu verwechseln…)
Im Augenblick besteht die Wohnung aus sieben Zimmern – Vorraum exklusive. Zwar sind diverse Erweiterungen geplant, aber dafür fehlt uns momentan schlicht und einfach die Zeit.
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Das definitiv Seltsamste an der ganzen Wohnungs-Sache war, dass ich plötzlich ein eigenes Zimmer hatte.
Alleine diese Formulierung: Ich hatte ein eigenes Zimmer.
Nicht wir hatten ein eigenes Zimmer. Ich hatte eines.
Ein ganzes Zimmer – nur für mich, für mich ganz alleine.
Und ich weiĂź noch, mein erster Gedanke war: Was soll ich damit?
Bis dahin hatte ich noch nie alleine in einem Zimmer geschlafen. Klingt vielleicht komisch, ist dafĂĽr aber wahr.
Wie denn auch?
Seit ich mich erinnern kann und noch viel länger – wenn man’s genau nimmt, schon seit ich geboren wurde – war da immer Fred.
Und das ist jetzt keine sentimentale Feststellung und auch kein genervtes Geständnis, sondern einfach eine Tatsache. Er ist da.
Punkt, Ende, aus.
Seit wir klein waren haben wir in ein und demselben Raum geschlafen. (Den wir uns nie bis ganz selten mit irgendjemandem teilen mussten, weil wir praktischerweise ja schon zu zweit waren.)
Jeder hatte sein eigenes Bett, schon klar – SO abgebrannt waren unsere Eltern dann doch nie – aber dass wir mal im selben Bett geschlafen haben, war auch keine Ausnahme. Vor allem nicht, als wir noch jünger waren.
Die Gründe waren unterschiedlich. Mal hatte ich ’nen Alptraum gehabt, dann war wieder Fred zu faul, um von meiner Bettkante zu verschwinden.
Oder wir mussten uns unbedingt noch irgendwas erzählen.
Wie oft Mum wutentbrannt zu uns reingestürmt kam, um uns zu sagen, wir sollten gefälligst die Klappe halten und um Gottes Willen endlich schlafen, lässt sich gar nicht mehr zählen.
Die Sache mit dem Schrank ist genau so seltsam.
Ich habe jetzt einen eigenen Schrank. Das gab’s bisher auch noch nie und direkt nach dem Einzug kam es mir richtig lächerlich vor.
Bisher hatten Fred und ich einen Schrank gehabt und das war’s.
Wozu hätten wir einen zweiten gebraucht?
Die Klamotten gehörten uns beiden gleichermaßen, ohne Ausnahme.
Okay, für Hogwarts hatten wir beide jeweils einen Schrankkoffer, aber das war’s dann auch schon. Und sogar die Dinger haben wir versehentlich immer wieder vertauscht.
Es war sowieso egal.
Was hätte wir bitte für uns alleine haben sollen? Socken? Pullover?
Komplett bescheuert.
Die Grenze zwischen seinem Zeug und meinem war fließend… und sie ist es immer noch.
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Eine halbe Stunde nach dem Frühstück haben Fred und ich eine wichtige Erkenntnis gewonnen: So niedliche und harmlose Geschöpfe Minimuffs normalerweise auch sein mögen – verpass’ den Dingern ein Paar Flügel und du hast Kreaturen aus der Hölle geschaffen.
Wir werden uns definitiv einen Käfig zulegen müssen.
Einen möglichst großen Käfig – mit möglichst wenig Abstand zwischen den einzelnen Gitterstäben. Am besten gleich irgendwas Magisches.
Aber jetzt, in diesem Augenblick, würde uns ein Käfig auch nicht viel nutzen – um nämlich die Minimuffs dort hineinstecken zu können, müssten wir sie zuerst einmal kriegen.
Nachdem sämtliche Erstarrungs- und Einfrierzauber allesamt nichts gefruchtet hatten und ein Minimuff nach meinem genervten Versuch mit Stupor einfach explodiert ist, kam Fred auf die glorreiche Idee, es mit einem Aufrufezauber zu versuchen.
Ich bin mir ziemlich sicher, er hat die Worte „Accio, Minimuff!“ schon in dem Moment bereut, in dem er den Mund zugemacht hat.
Hundertprozentig kann ich es natürlich nicht wissen, weil ich volle anderthalb Minuten ernsthaft damit beschäftigt war, vor lauter Lachen nicht zu ersticken, bevor ich ihm zu Hilfe eilen konnte.
Mittlerweile sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es wohl am besten wäre, die Biester einfach mit Knallgeräuschen und harmlosen Zauberstabfunken in einem Raum (genauer gesagt, in meinem Zimmer) zusammenzutreiben und uns dann irgendwas einfallen zu lassen.
Immerhin ist es fünf vor zehn – in ein paar Minuten sperrt der Laden auf und bis dahin sollte zumindest einer von uns beiden unten sein, um Verity zu helfen.
Zwar ist heute Sonntag, aber wie sich herausgestellt hat, ist gerade Sonntagvormittag bis –mittag die Zeit, in der all die Zauberer die Winkelgasse stürmen, die unter der Woche keine Zeit dafür haben, weil sie im Ministerium bei irgendwelchen langweiligen Büroarbeiten oder sonst wo festsitzen.
Neben mir knallt es gewaltig und eine weitere bonbonfarbene Wolke staubt panisch aus dem Badezimmer – direkt auf mich zu.
Fred kommt hintergeschlittert, rutscht auf dem Fliesenboden beinahe aus und fuchtelt mit dem Zauberstab. Rote Funken schauern aus der Spitze hervor, der Minimuffschwarm wechselt die Richtung und ich kann gerade noch verhindern, dass er im Wohnzimmer verschwinden (das leider Gottes keine Tür hat, die wir hätten zumachen können).
Hinter meinem Rücken knallt es wieder – Fred hat die restlichen Minimuffs in seinem Zimmer aufgescheucht.
Sie schwirren hektisch heraus, genau in die Richtung, in die wir sie haben wollen.
Ich hechte wie auf Kommando zu meiner eigenen Zimmertür und reiße sie blitzschnell auf, während Fred es noch mal knallen lässt – was die Plagegeister endlich dazu bringt, die Flucht nach vorne anzutreten.
Sobald das letzte violette KĂĽgelchen an mir vorbeigezischt ist, schlage ich lautstark die TĂĽr hinter mir zu und hoffe trotzdem, dass ich gerade keinen Minimuff versehentlich zerquetscht habe.
Wir keuchen und schnaufen wie Marathonläufer.
„George“, sagt mein Zwillingsbruder mit der leidenden Miene eines alten Kriegsveteranen, „Wir werden-“
„-einen Käfig brauchen.“
„Ganz genau.“
Die alte Standuhr im Wohnzimmer (eines von mickrigen zwei Überbleibseln aus unseren alten Möbelbeständen – und so ganz nebenbei auch das einzige Exemplar, das nicht irgendwann versucht hat, uns zu töten) schlägt zur vollen Stunden und wir verziehen gleichzeitig das Gesicht.
„Alsdann…“, murmle ich, als ich die Wohnungstür öffne.
„ …auf ein neues“, ergänzt Fred und wir poltern gemeinsam die schmale Holztreppe hinunter.
Im Hinterzimmer angekommen, angle ich mir einen der magentafarbenen Umhänge vom Garderobenhaken, während Fred unverzüglich damit beginnt, sämtliche Schubladen zu durchstöbern.
„Was suchst du?“
Er knallt eine Schublade zu und sieht sich suchend um.
„Die Liste.“
Wie überaus… aufschlussreich.
„Fred“, sage ich, „Hast du ’ne Ahnung, wie viele Listen wir haben?“
„Das Verzeichnis für die Junghexen-Artikel – aber das überarbeitete, nicht das alte. Und das allgemein Verzeichnis für die lagernden Bestände.“
Ich runzle die Stirn und werfe ihm auch einen Umhang zu.
„Das Lagerverzeichnis liegt vorne, neben der Kassa und die Jungehexen-Liste…“, ich überlege, „Die hatte ich doch gestern noch irgend- oh.“
„Oh…?“, er ist gerade dabei, in seinen rechten Ärmel zu schlüpfen, „Sag jetzt bloß nicht, die liegt-“
„Doch.“
„-in deinem Zimmer. Na wunderbar.“
„Jammer nicht, Bruderherz“, ich drücke ihm einen Stapel Kartons mit Nasch-und-Schwänz-Leckereien in die Hand, „Die fliegenden Minimuffs sind schon eingetragen.“
Auch wenn es unter Garantie noch ein paar Tage dauern wird, bis wir sie auf den Markt bringen können.
Er wirft mir einen gespielt schmachtenden Blick zu. „Was würde ich nur ohne dich machen, Georgie?“
Ein lautes Klopfen aus dem Eingangsbereich erspart mir die Erwiderung, dass er ohne mich wohl aufgeschmissen wäre und ich ziehe stattdessen los, um unsere älteste Mitarbeiterin hereinzulassen.
~-~-~-~
Der Laden ist mal wieder so gerammelt voll, dass sogar die einfache Fortbewegung zwischen den Regalen schwerfällt.
Verity hastet mit vollen Armen an mir vorbei und verschwindet im Gedränge, zweifellos in dem aussichtlosen Versuch, irgendein leer geräumtes Regal wieder aufzufüllen und ich wende mich abermals dem kleinen, untersetzten Zauberer vor mir zu.
Seit gut zehn Minuten bin ich dabei, dem werten Herren mit wahrer Engelsgeduld zu erklären, dass es selbst für einen Menschen mit dem Verstand eines Gartengnoms praktisch unmöglich ist, in einem Tragbaren Sumpf zu ertrinken – und trotzdem stellt er mir immer wieder dieselben Fragen.
Schön langsam kommt mir der Verdacht, dass der Intelligenzquotient dieses Menschen wirklich auf dem Niveau der magischen Plagegeister liegt, die wir früher immer in hohem Bogen aus unserem Garten geschleudert haben.
Entweder das oder er versteht kein Englisch.
„Entschuldigen Sie bitte?“
Enthusiastisch wirble ich herum, dankbar fĂĽr jede Art von Unterbrechung.
Vor mir steht eine junge Hexe, nicht älter als achtzehn, blond und alles andere als hässlich. Ich strahle sie an.
„Was kann ich für Sie tun?“
Sie mustert mich einen Moment lang ĂĽberrascht.
„Ähm… sind Sie nicht der Besitzer?“
„Einer davon, ja.“, ich schenke ihr mein charmantestes Lächeln, „Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Miss?“
Sie lächelt verschmitzt und deutet über ihre Schulter.
„Die Liebestränke dort hinten…“
„Wirkung für ungefähr 24 Stunden garantiert, jeweils abhängig vom Gewicht des betreffenden Zauberers und der Attraktivität der betreffenden Hexe…“, leiere ich herunter. „Aber ganz unter uns gesagt…“, ich zwinkere ihr verschwörerisch zu, „ …den Trank haben Sie gar nicht nötig.“
Jetzt lacht sie wirklich.
„Ist auch nicht für mich, Mr. Weasley, aber trotzdem vielen Dank.“
„Ach, nicht?“
Ja, ich weiß, dass ich flirte und ja, ich weiß, dass eigentlich noch andere Kunden warten und dass Fred und Verity meine Hilfe ganz gut gebrauche könnten… aber ihr Lachen ist wirklich süß.
„Nein“, sagt sie schelmisch, „Ich brauch’ ihn für eine Freundin.“
„Aha“, ich grinse unschuldig, „Hat ihre Freundin ihn denn nötig?“
„Werde Sie bloß nicht frech“, gibt sie vergnügt zurück, „Sie hat den Trank absolut nicht nötig – und außerdem heiratet sie morgen. Da soll sie heute noch einmal so richtig Spaß haben!“
Über die Köpfe von ein paar Menschen hinweg erhasche ich einen Blick auf Verity, die versucht, sich so höflich wie möglich durch eine Menschentraube zu boxen, drei Menschen im Schlepptau, die gleichzeitig auf sie einreden.
Mist.
„Ahh…“, mache ich wissend, „So ist das. Nun, wenn es Sie beruhigt… das Zeug wirkt, das schwöre ich Ihnen beim Leben meiner Großmutter.“
„Ich nehme mal an, Ihre Großmutter ist tot?“, kontert sie schlagfertig.
Ich mache ein zerknirschtes Gesicht.
„Yep. Aber ich versprech’s Ihnen trotzdem.“
„Wissen Sie was?“, sagt sie argwöhnisch, „Sie klingen beinahe so, als hätten Sie das schon mal ausprobiert.“
„Nur beinahe?“
„Haben Sie’s denn schon mal ausprobiert?“
Eigentlich nicht. In diesem Fall hat Fred getestet. Ich bin bloĂź hinterher gelaufen und hab aufgepasst, dass er sich nicht vollkommen zum Deppen macht.
Trotzdem grinse ich breit. „Tja, Miss… irgendjemand muss die Produkte ja testen.“
Sie lacht wieder… sie sieht beeindruckt aus.
Und genau in diesem Moment drängt sich Fred vorbei – eifrig damit beschäftigt, auf eine ältere Hexe mit drei quengelnden Kindern einzureden. Anscheinend wollen alle drei gleichzeitig in verschiedene Richtungen.
Die Mutter sieht dementsprechend ĂĽberfordert aus.
Was Fred natĂĽrlich nicht daran hindert, ihr Merlin weiĂź was aufzuschwatzen.
Aber dann sieht er mich, die blonde Hexe, sieht uns beide und im nächsten Augenblick erscheint ein zweideutiges Grinsen auf seinem Gesicht.
Ich rolle mit den Augen und keine zwei Sekunden später hat er sich bei der älteren Hexe für einen Moment entschuldigt (zwei ihrer Kinder haben mittlerweile ein Regal-Wettklettern gestartet), legt den Arm um meine Schultern und strahlt die blonde Hexe an, als wäre sie der Weihnachtsmann persönlich.
„Guten Tag, Miss! Sie kommen zurecht?“
Ihr Blick wandert zwischen unseren Gesichtern hin und her – es ist klar, dass sie unsere Ähnlichkeit vergleicht. Schließlich schüttelt sie verblüfft den Kopf.
„Bestens, danke“, sie lächelt schon wieder und sieht noch beeindruckter aus als vorher, „…ich möchte Sie nicht länger von der Arbeit abhalten. So voll wie es hier ist… Sie haben bestimmt eine Menge zu tun.“
Mit diesen Worten dreht sie sich um und verschwindet Richtung Liebestränke.
„Aber gerne doch!“, ruft Fred ihr hinterher, „Freut mich, dass wir helfen konnten…“
Sie hört ihn nicht mehr.
„Also, Bruderherz…“, wendet er sich mir zu, bevor ich überhaupt ein Wort sagen kann, „So sehr ich es auch begrüße, dass du dich endlich nach ’ner richtigen Freundin umsiehst und zugegeben – so hübsch dieses Wesen auch war… mir wäre es wesentlich lieber, du würdest auf Brautschau gehen, wenn der Laden nicht gerade aus allen Nähten platzt.“
„Du gönnst mir auch wirklich gar nichts“, sage ich gespielt empört.
Er grinst verschlagen. „Du betrachtest die Sache vom falschen Standpunkt aus, mein lieber George.“
„Ich würde sagen, Sir, das ist eigentlich unmöglich.“
„Mr. und Mr. Weasley?“, dringt Veritys Stimmte an unser Ohr – sie klingt höher als sonst und ein ganz klein wenig verzweifelt. „Könnten Sie mal ganz kurz…?“
Wir sausen gleichzeitig auseinander.
„George“, ruft mir Fred noch nach, „Hinterzimmer!“
„Was? Wieso?“
„Dringende Post!“
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Als ich das Hinterzimmer betrete, bin ich zuerst verwirrt. Nirgends ist eine Eule zu sehen.
Aber dann vernehme ich die leise, vage bekannte Mischung aus Husten und WĂĽrgen und ziehe den Schreibtischsessel ein StĂĽck zurĂĽck.
Errol sieht so zerzaust aus, als wäre er in das Unwetter des Jahrhunderts geraten und wenn er nicht immer so aussehen würde, würde ich mir vielleicht sogar Sorgen machen.
Ich nehme ihm den Brief ab und er sackt endgültig zusammen – ob aus Erleichterung oder Erschöpfung, lässt sich beim besten Willen nicht sagen.
Als ich den Brief aufreiĂźe, erkenne ich Mums Handschrift. Ich ĂĽberfliege die Nachricht einmal, zweimal und gleich noch ein drittes Mal.
Mein lieber Herr Gesangsverein!
Gerade als ich den Zettel wieder zurück in den Umschlag stopfe, um Fred zu suchen und ihm die Neuigkeiten brühwarm unter die Nase zu reiben, durchbricht ein jähes Geräusch das angeregte Murmeln und Raunen im Geschäftsbereich.
PFIIIIIIIIIIIHHHHHHHH…!
Ein lautes, durchdringendes und absolut nervtötendes Pfeifen schrillt plötzlich durch den Laden. Eine Sekunde lang stehe ich wie angewurzelt, dann fahre ich herum und stürme zurück in den Verkaufsraum.
DrauĂźen kommt mir Fred entgegen.
Wir werfen uns einen raschen Blick zu und wissen, dass wir ein und denselben Gedanken haben:
Was zum Teufel…?
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