von S_ACD
Hehehe... schneller als normalerweise von mir gewohnt, was? Immerhin - heute ist fast Samstag.
~-~-~-~
Ich verziehe mich unauffällig in eine dunkle Ecke und stelle erst nach meinem dritten „Bescheuerter Bastard!“ fest, dass mein Zufluchtsort eigentlich schon besetzt ist.
„Na, das hört sich ja nett an“, spöttelt Ginny, „Zoff?“
Ich weiche mit einer Gegenfrage aus. „Was tust du da?“
„Harry suchen.“
„Hier?“
„Ich bin auch nicht besonders erfolgreich…“
„Versuch’s mal in der Herrentoilette“, murmle ich abwesend.
Sie mustert mich und mit einem Mal klingt sie besorgt. „Geht’s dir gut?“
Ich lehne mich mit verschränkten Armen gegen die Wand.
„Bestens.“
Sie seufzt und wieder einmal stelle ich fest, dass Ginny der mit Abstand sensibelste Spross unserer Familie ist. „Willst du drüber reden?“
„Nein.“
„Sicher nicht?“
„Yep.“
Sie seufzt, als wollte sie sagen hoffnungslos.
„Okay, dann…“
„Männerklo ist links.“
„Ähm… danke. Vermute ich mal...“
Als sie weg ist, erlaube ich mir, ein paar Mal dumpf mit dem Hinterkopf gegen die Wand zu schlagen. Dann rutsche langsam zu Boden und entscheide, dass ich mich die nächsten Stunden hier nicht wegbewegen werde.
~-~-~-~
Der Heimweg ist unschön.
Wir wechseln kein einziges Wort miteinander, sondern stapfen die paar Läden zwischen Florish & Blotts und Weasleys’ Wizard Wheezes mit gesenkten Köpfen im kalten Nieselregen dahin.
Die Wand des Schweigens ist so massiv, dass man sie beinahe mit Händen greifen kann.
Klar, wir hätten auch apparieren können, aber die Herausforderung (oder der ungeklärte Streit, der technisch gesehen noch gar keiner ist… wie auch immer man es nennen möchte) hängt unausgesprochen in der Luft und obwohl ich im Augenblick gut und gerne auf meinen Zwillingsbruder verzichten könnte, wäre alles noch tausendmal schlimmer, wenn er gerade jetzt nicht in der Nähe wäre.
Es ist schwer zu erklären… aber dann würde ich vermutlich an meiner eigenen Wut ersticken oder so was.
Wir haben uns noch nie richtig gestritten. Nie!
Das hört sich vielleicht unmöglich an – unmöglich oder gelogen oder geheuchelt oder was weiß ich noch alles, dabei ist es die reinste aller Wahrheiten.
Fred und ich hatten bloß ein einziges Mal in unserem Leben wirklich richtig Krach miteinander. Da waren wir beide sieben und verdächtigten uns gegenseitig, das Süßigkeiten-Versteck in dem Verputzloch unter unserem Stockbett leer geräumt zu haben.
Einen ganzen Tag lang haben wir uns vollkommen ignoriert und ich weiĂź heute noch, dass es der mieseste in meinem ganzen bisherigen Leben war.
Letztendlich saßen wir beide heulend in jeweils einer Zimmerecke, zu stolz um den ersten Schritt zu machen und trotzdem viel zu einsam und erbärmlich, um alleine klarzukommen.
Irgendwann verpasste mir irgendjemand einen trotzigen Fußtritt in die Seite und als ich den Kopf hob stand da Fred – mit zerzausten Haaren, geballten Fäusten und genauso verheult wie ich.
Wir starrten uns mindestens fünf Minuten lang wortlos an – dann fielen wir uns um den Hals, gaben dem jeweils anderen die Schuld, schlossen der Sicherheit halber gleich Blutsbruderschaft mit einem von Dads abgebrochenen Schraubenziehern und logen hinterher einstimmig über die Herkunft der blutenden Kratzer.
(Wenn ich mich recht erinnere war irgendein Dornbusch der Hauptschuldige in unserer Geschichte…)
Ein paar Tage später stellte sich übrigens heraus, dass Bill unsere Schokofrösche entwendet, aufgegessen und sich dabei die ganze Zeit über heimlich ins Fäustchen gelacht hatte.
(Unsere Rache war grausam. Ungelogen. Sie ließ zwar eine Weile auf sich warten, aber dafür war sie eine unserer größten Kunststücke überhaupt.)
Ihr seht - ich KANN gar nicht mit Fred zerstritten sein, weil dieser Sachverhalt einfach außerhalb der Möglichkeiten liegt.
Die Ladentür ist kaum hinter uns ins Schloss gefallen, als wir auch schon beide wie auf Kommando innehalten. Er macht ein paar Schritte Richtung Tresen und baut sich mit verschränkten Armen vor mir auf.
Mach schon, sagt seine ganze Körperhaltung, los, mach schon!
Er braucht nicht lange zu warten. „Fred!“, lege ich los, „Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?!“
~-~-~-~
„Ohh, klasse“, sagt er und seine Augen sind dabei so schmal wie die einer Katze, „Klasse, wirklich. Jetzt ist der ganze Scheiß also meine Schuld!“
Das heiße Gefühl in meinem Magen wächst und wächst.
„Der ganze Scheiß ist deine Schuld!“, fauche ich aufgebracht zurück, „Nur für den Fall dass sich der hochwohlgeborene Herr nicht mehr dran erinnern kann, DU hast dich doch aufgeführt wie der letzte Arsch!“
„Ich hab gar nichts gemacht, klar? Ich bin nämlich nicht plötzlich verschwunden, nur um irgend so ’ne Tussi anzumachen!“
„Was?!“
Ich kann es nicht fassen. Ich kann es wirklich nicht fassen.
Das Beste an der ganzen Sache ist, dass er anscheinend auch noch wirklich glaubt, ich hätte Mist gebaut.
Er hat mir das Gespräch versaut. Rosemarie wird vermutlich nie wieder auch nur ein einziges Wort mit mir reden.
Er ist dazwischengegangen wie ein VerrĂĽckter.
Er hat doch angefangen.
Er ist MIR in den RĂĽcken gefallen, nicht umgekehrt!
„Und falls du’s wissen willst, du hast dich angehört wie ein Idiot!“
Es tut fast körperlich weh. Seine Stimme klingt so gehässig, als würde er mit Draco Malfoy reden und der Stich, der durch meine Eingeweide jagt, macht mich nur noch wütender.
„Damit hast du ja jede Menge Erfahrung, was?“
„Ich bitte dich…“, in seinen Augen blitzt es feindselig, „… ich meine, ich weiß ja, dass du’s wieder mal nötig hast, aber dass du so verzweifelt bist…“
Er macht ein abfälliges Geräusch, eine Mischung aus Zischen und Schnauben und mir wird schwindelig dabei, weil ich verdammt genau weiß, dass es einer seiner Ausdrücke für absolute Verachtung ist.
Die Sorte Zischen, die er früher ständig von sich gegeben hat, wenn er gezwungen war, einigermaßen ernsthaft mit Slytherins zu verkehren.
Oder wir endlose Vormittage bei Snape in Zaubertränke absaßen und die Zeit dabei viel zu langsam verging, um auch nur einen einzigen Witz darüber zu machen.
Als wir damals erfahren haben, dass Percy seinen Weihnachtspullover zurückgeschickt hat, hat Fred genau dasselbe Geräusch gemacht.
Und jetzt… mir ist schlecht.
Das Dumme daran, sich so absolut nahe zu stehen – zu wissen, was der andere denkt und dieser ganze Mist – ist, dass man auch genau weiß, wo man ansetzen muss.
Ein zweischneidiges Schwert.
Ein ziemlich scharfes zweischneidiges Schwert.
Und es tut weh.
Schlicht und einfach.
Ohne den ganzen Männlichkeitskram oder die wuschelweiche Gefühlsebene.
Es tut verdammt weh und einen Augenblick lang hasse ich ihn abgrundtief dafĂĽr.
Hasse ihn aus tiefstem Herzen – nicht nur, weil er mir gerade saumäßig wehgetan hat, sondern deshalb, weil er einfach die Macht dazu hat, mir ohne mit der Wimper zu zucken so saumäßig wehtun zu können.
Das ist kein schönes Gefühl – Hilflosigkeit ist kein schönes Gefühl.
Und sprachlos zu sein, auch nicht.
Trotzdem stehe ich einfach da, die Hände so fest zu Fäusten geballt, dass mir meine Fingernägel tief ins Fleisch schneiden (einen Moment lang überlege ich wieder ernsthaft, ihm mitten ins Gesicht zu schlagen) und kann nicht anders, als ihn wortlos anzustarren.
Er verschränkt die Arme vor der Brust, aber in seinen Augen flackert etwas – vielleicht Unsicherheit, vielleicht auch Reue.
Vielleicht hat er mitgekriegt, dass er gerade zu weit gegangen ist.
Vielleicht… ich wüsste es wahrscheinlich, wenn mir nicht allein schon das Atmen im Moment so furchtbar schwer fallen würde.
„Du…“
Mehr bringe ich nicht heraus, zum Teil auch deswegen, weil ich keine Ahnung habe, was ich sagen soll. Dann setze ich noch mal an.
„Ich kündige.“
Sein Kopf zuckt in die Höhe. Ich kündige… wow.
Ich habe keine Ahnung, wo das auf einmal herkam, aber es klingt gut.
Beeindruckend.
Und es ist schon fast eine körperliche Erleichterung, die aufkeimende Panik in seinen Augen zu sehen.
„W-was?“
„Ohhh… jetzt tu bloß nicht so, als wärst du ehrlich entsetzt, Freddie.“
Seine Schultern verkrampfen sich, als der Spitzname über meinen Lippen kommt, ätzend und giftig wie etwas, dass Neville unausgeschlafen und in panischer Verfassung im Zaubertrankunterricht zusammenbrauen würde.
Zweischneidiges Schwert…
„Du…du kannst nicht kündigen.“
„Und ob ich das kann.“
Jetzt bin ich derjenige, dessen Gesicht wie versteinert ist und eine Sekunde lang genieße ich förmlich, dass ich ihn schwer schlucken sehe.
Dann will ich plötzlich nur noch weg.
Flüchten und Fred eine verpassen und ihm sagen, dass es mir leidtut und wegrennen und mich verkriechen und im Erdboden versinken und ihm ins Gesicht brüllen, dass er ein gottverdammter Vollidiot ist und… und… und…
Alles auf einmal… und doch stehe ich da wie angewurzelt und kann mich nicht entscheiden.
Er hat ebenfalls die Fäuste geballt. In seinen Augen spiegelt sich die blanke Panik, aber der Rest von ihm steht so kerzengerade und unbeweglich da wie eine Statue.
Mit einem Mal habe ich das GefĂĽhl, zu ersticken.
Ich drehe mich hastig um, will zur TĂĽr, renne beinahe auf dem Weg dorthin.
„George?!“
Ich reiße die Tür auf – draußen regnet es inzwischen richtig – und knalle sie so heftig hinter mir zu, dass die ganze Fassade erzittert.
Und dann appariere ich so schnell, dass es mir beim Ankommen beinahe den Magen umdreht.
Der Geruch nach nassem Gras und noch etwas anderem, unverwechselbarem, steigt mir in die Nase. Ein paar Meter entfernt leuchten mir hell und freundlich die Fenster des Fuchsbaus entgegen.
Und obwohl es ansonsten etwas Tröstliches an sich hat, etwas, das Erinnerungen aus der Zeit herbeiruft, in der wir auf dieser Wiese noch fangen gespielt und Besenflug geübt haben, schnürt er mir jetzt die Kehle zu.
Die ganze Wut ist weg.
Plötzlich habe ich nur noch das Bedürfnis, mich in irgendeine dunkle Ecke zu verkriechen und – zum ersten Mal seit mindestens fünf Jahren – einfach loszuheulen.
Er ist MIR in den RĂĽcken gefallen, verdammt noch mal!
…
Warum nur habe dann das GefĂĽhl, mir gerade selbst furchtbar tief ins eigene Fleisch geschnitten zu haben?
~-~-~-~
Wie heißt es doch so schön? "Es muss immer alles erst schlimmer werden, bevor es besser werden kann..."
Übrigens... es gibt jetzt einen Thread zu dieser FF in der Kategorie "User-Fanficitons" - Weasleys’ Wizard Wheezes.
FĂĽr Neuigkeiten und derartiges Zeugs in Zukunft dort vorbeischauen. ^^
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel