von S_ACD
Das letzte Kapitel. Das allerletzte Kapitel.
Hach.
Was bleibt noch?
Ich hab keine(n) Beta-LeserIn, dem/der ich danken könnte, also...
Ein riesengroĂźes, von tiefstem Herzen kommendes DANKESCHĂ–N an all die Leute, die das hier gesehen und gelesen, die Fehler gefunden, Spekulationen angestellt, kommentiert und darĂĽber gelacht haben.
Dankedankedanke!
Ich werde jetzt nicht einzeln aufzählen (auch wenn ich die Aufrechten, die hier immer treu ihre Kommentare verfasst haben, wirklich extrem liebe - und ja, ihr dürft euch angesprochen fühlen =D), weil es vermutlich auch genug Leute gibt, die das hier gelesen haben, ohne zu kommentieren und die sich mit diesem Dankeschön auch angesprochen fühlen sollen.
(Soll kein Vorwurf sein, echt nicht. Ich bin selber DAS Negativbeispiel schlechthin, wenn's ums Kommentieren geht... furchtbar faul.)
Na denn... Vorhang hoch.
~-~-~-~
Die Auffahrt liegt im Dunkeln, der Eingang liegt im Dunkeln, die Fenster liegen im Dunkeln, kurz – so wie’s aussieht, liegt das ganze blöde Gebäude im Dunkeln.
Wir sind hinter diversen Abfallcontainern und ein paar kĂĽmmerlichen GinsterbĂĽschen in Deckung gegangen, die den Muggelparkplatz abgrenzen und halten nach einem Auroren Ausschau, der weit und breit nicht zu sehen ist.
Irgendwie logisch.
Wäre ja auch nicht allzu sinnvoll, wenn sie Miguel bei seiner eventuellen Rückkehr hierher verhaften wollen und dann kann er der Exekutive schon von der Haustür aus zuwinken.
Fred kramt den Tarnumhang hervor. „Was war das noch mal? Dritter Stock?“
Ich reibe mir den Nacken. „Dritter Stock.“
„Okay. Dann schlage ich mal vor-“
„Vergiss es.“
Er sieht mich halb verärgert, halb belustigt an.
„Du weißt nicht mal-“
„Du gehst da nicht alleine rein, Bruderherz.“
Er zieht fragend eine Augenbraue hoch, nicht ganz sicher, wie ernst er meine Aussage nehmen soll.
„Vorher kapituliert Wood freiwillig bei einem Quidditch-Match“, ist der eindeutigste Vergleich, der mir als Reaktion einfällt, um meine Aussage zu untermauren. (Was, objektiv betrachtet, weder besonders viel, noch besonders einfallsreich ist, aber es ist mitten in der Nacht und ich bin müde. Vermutlich werden wir langsam zu alt für so was.)
Er reibt sich die eindeutig klammen Finger, weil es nicht gerade zu den wärmsten Erfahrungen des Lebens gehört, in kalten Märznächten irgendwo in London hinter heruntergekommenen Büschen zu kauern.
„Dir ist aber schon klar – und es sei dir versichert, ich kann selber kaum glauben, dass ich das jetzt sage – dass Percy Recht hatte, oder?“
„Ja, schon…“, ich seufze entnervt, „Ich gehe.“
Die Antwort kommt sofort. „Vergiss es.“
Jetzt ist es an mir, eine Augenbraue hochzuziehen. „Ach?“
Ein paar Sekunden lang funkeln wir uns herausfordernd an – das keiner freiwillig nachgeben wird, ist noch offensichtlicher als Minerva McGonagalls Vorliebe für Karos.
„Schön“, knurrt Fred schließlich, „Na schön. Wir regeln das auf althergebrachte Weise.“
Ich krame bereits in meinen Taschen nach einem Sickel.
Wir werfen die MĂĽnze, Fred gewinnt.
Ich schlucke mein ungutes Gefühl hinunter und reiche ihm Miguels gefälschte Dokumente, auf denen schwarz auf weiß zu lesen ist, dass er das geschmuggelte Finsternispulver an Rosmarie Dowens weiterverkauft hat.
„Da.“
„Man dankt.“
Er wirft sich den Tarnumhang um und dann starren wir beide (meine Wenigkeit und sein… nun ja, frei über dem Erdboden schwebender Kopf) fasziniert auf die Stelle, an der sich vor kurzem noch sein restlicher Körper befunden hat.
„Abgefahren!“
„Also dann“, er grinst sein kriminell breites Grinsen, „Wird schon schiefgehen.“
Plötzlich ist er vollständig verschwunden, Schritte knirschen im Kies und dann- schlägt mir irgendwas gegen den Hinterkopf.
„Sehr witzig“, fauche ich in seine ungefähre Richtung, aus dem Nichts ertönt ein Lachen.
„Gib mir zehn, vielleicht fünfzehn Minuten“, sagt seine Stimme, bevor sich die Schritte entfernen und schließlich gar nicht mehr zu hören sind.
Ich lasse mich im Schneidersitz auf den kalten Untergrund fallen, lehne mich gegen die Container und stelle fest, dass deren Oberfläche sogar noch um einiges kälter ist als der Betonboden.
Warten.
Wenn es auf dieser Erde etwas gibt, das ich hasse, dann ist es warten.
Das ist so… so unaktiv.
Noch dazu alleine. Wäre Fred jetzt hier, könnten wir uns wenigstens darüber auslassen, wie sehr wir es hassen, zu warten.
Aber so- hey. Was war das?
Ich spitze die Ohren.
Mit einem Mal sind Stimmen zu hören. Uuuh, verdammt.
Nicht gut. Was zur Hölle ist jetzt schon wieder los?
Ich rapple mich vorsichtig auf und spähe unruhig über die bunten Plastikdeckel. Aber meine anfängliche Befürchtung – dass Fred erwischt wurde und sie ihn gerade nach draußen schleifen – scheint sich als überflüssig zu erweisen.
Ich meine, irgendjemand spricht, da besteht kein Zweifel, aber die Stimmen kommen nicht vom Eingang, sondern befinden sich ganz eindeutig irgendwo in der Nähe.
DrauĂźen auf dem Parkplatz.
Meine Unruhe besteigt den Zug nach Nirgendwo und winkt der aufkeimenden Neugier hinterher. Jetzt will ich wissen, was Sache ist.
(Und es ist ja auch nicht so, als ob ich irgendwas Besseres zu tun hätte.)
Innerhalb von zwei Sekunden bin ich auf den Beinen und husche absolut lautlos hinüber zur Hauswand. Der Eingang ist überdacht und reicht ein Stück weit ins Haus hinein. Rechts davon beginnt ein schmaler, von noch mehr kümmerlichem Grünzeug und ein paar Bäumen eingesäumter Betonweg, der direkt an der Hauswand entlang und – so wie es aussieht – einmal um den ganzen Gebäudekomplex herumführt.
Er grenzt direkt an den Parkplatz an, ist aber bei weitem zu schmal fĂĽr Muggelautos.
Die Stimmen sind ein gutes Stück näher gekommen und würden die verehrten Herrschaften in einer halbwegs normalen Lautstärke sprechen, könnte ich jetzt vermutlich sogar verstehen, was sie sagen – aber anscheinend hat man sich aufs Flüstern verlegt.
Ich schiebe mich an der Wand entlang, sorgfältig darauf bedacht, mich nicht von meinem Schatten verraten zu lassen. Mit einem Mal ist es still und ich halte vorsichtig inne.
Zu laut? Sie durch irgendwas anderes gewarnt?
Aber ich kann mir nicht vorstellen, durch was.
Ich meine, wie Fred und ich schon anno dazumal Harry erklärt haben: Die meisten Zauberer halten es zwar für überflüssig, diverse Muggeltricks zu lernen, aber Magie hin oder her – es ist einfach niemals falsch, ein paar Grundtaktiken zu beherrschen.
Sich ziemlich lautlos fortzubewegen, zum Beispiel.
Einfache Schlösser auch nichtmagisch mit Haarnadeln oder anderen spitzen Gegenständen aufzukriegen.
LĂĽgen ohne rot zu werden.
Mittlerweile stehe ich direkt an der Hausecke (der raue Verputz unter meinen Handflächen fühlt sich auch alles andere warm an) und warte darauf, dass das Gerede wieder losgeht. Vielleicht sind es ja auch bloß ein paar halbwüchsige Muggel, die heimlich ihre erste Zigaretten rauchen.
Aber nichts tut sich.
Gut – jetzt kann es natürlich sein, dass mich irgendjemand gehört hat und sie nur schweigend und mit Blick Richtung Ecke darauf warten, dass ich mich verrate.
Einatmen, ausatmen. Nachsehen, ja oder nein?
Was soll’s.
Ich hole tief Luft und luge um die Ecke.
~-~-~-~
Miguels Wohnung ist genauso unaufgeräumt, wie ich sie mir vorgestellt habe.
Schon das Vorzimmer sieht aus wie ein Schlachtfeld.
Ich schließe die Tür so leise wie möglich hinter mir und sehe mich zweifelnd um. Fred muss noch hier sein. Es gibt nur ein Treppenhaus und wenn ich auf dem Weg nach oben an ihm vorbeigekommen wäre – na schön, ich hätte ihn wahrscheinlich nicht gesehen (von wegen unsichtbar und so), aber ihm wäre wohl hoffentlich aufgefallen, dass er soeben an seinem Zwillingsbruder vorbei gerannt ist.
Aus irgendeinem der Zimmer ist leises Rascheln zu hören, dann ertönen gedämpfte Schritte. Ich grinse in mich hinein und frage mich sekundenlang, ob ich ihn wirklich dermaßen präzise an seinem Gang erkennen kann oder ob diese Sicherheit bloß von dem Wissen kommt, dass sich außer ihm so gut wie niemand hier in der Wohnung aufhalten kann.
Ich stehe am Eingang eines unordentlichen Raumes, der ursprĂĽnglich wohl mal als Wohnzimmer gedacht war.
„Was zum…?“, murmelt es mit einem Mal leise aus dem Nichts und ich lehne mich gegen den Türrahmen, „Diese gottverdammte…“
„Wer denn?“, frage ich so unschuldig wie möglich und in normaler Lautstärke.
Es kracht gewaltig und auf dem überfüllten Schreibtisch am anderen Ende des Zimmers poltern die Dinge so heftig durcheinander, als wäre jemand dagegen gestoßen.
„Scheiße!!“
Freds Kopf taucht auf, noch bevor er sich richtig umgedreht hat und als er mit einer flĂĽssigen Bewegung zu mir herumgewirbelt ist, hat er sich den Tarnumhang schon von den Schultern gerissen.
„Was-“, sein Gesicht ist eine Mischung aus Wut und Überraschung, „Was in Dreiteufelsnamen machst du hier?“
Ich zucke betont lässig mit den Schultern. „Nachsehen wo du bleibst?“
Er schnaubt. „Aber klar doch. Was ist mit dem Auror?“
Ich winke ab. „Kommt nicht.“
Er legt den Kopf schief, mustert mich argwöhnisch. „Weil…?“
„Sag ich dir gleich. Bist du fertig?“
Er nickt langsam.
„So ziemlich. Aber…“, er zögert einen Moment, greift hinter sich und zieht zielsicher ein paar Pergamentblätter aus dem Chaos, „Sieh dir das mal an.“
Ich gehe hinüber, er behält die Blätter in der Hand, dreht sie aber so herum, dass ich sie lesen kann. Ein paar Sekunden herrscht Schweigen.
„Da… da stehen unsere Namen drauf“, stelle ich fest.
„Yep.“
„Aber Miguel hat doch gesagt…“
„Ich bezweifle auch stark, dass das hier von Miguel ist. Irgendjemand muss das absichtlich hiergelassen haben, damit sie uns drankriegen.“
Ich starre auf das Pergament, während er mein Gesicht im Blick behält.
„Rosemarie steht unten und macht mit dem zuständigen Auror rum“, platzt es plötzlich aus mir heraus und kurz bin ich selber überrascht darüber, dass ich mich viel eher triumphierend als enttäuscht oder verletzt anhöre.
Jetzt klappt ihm doch tatsächlich die Kinnlade herunter.
„WAS?!“
Ich grinse und muss mir dabei nicht mal besonders MĂĽhe geben.
„Yep.“
„Du verarscht-“
„Kein Witz.“
„Nie im-“
„Ganz im Ernst“, unter seinem ungläubigen Blick hebe ich die Hände, „Ich schwöre hoch und heilig.“
„Das…“, es scheint ihm (und ihr könnt mir glauben, wenn ich euch sage, dass das wirklich, wirklich nicht oft passiert) ganz offensichtlich die Sprache verschlagen zu haben, „Das ist… ich meine, das… und dir geht’s gut?“
„Mir geht’s bestens.“
Und das ist sogar wahr.
Er mustert mich durchdringend, scheint zu exakt demselben Schluss zu gelangen und nickt langsam. Grinst.
„Schlampe.“
„Aber hallo. Und außerdem hatte sie anscheinend genau dieselbe Idee wie wir.“
„Tjaah“, er grinst ebenfalls und drückt mir die Unterlagen des Feindes in die Hand, „Wie heißt es doch so schön? Wer zuletzt lacht…“
„…hat’s nur nicht eher kapiert“, falle ich ihm ins Wort, ehe er mir mit abgedroschenen Sprichwörtern kommen kann.
Sein Grinsen wird breiter. „Sei so gut, Bruderherz… halt einfach die Klappe und verbrenn das hier, ja?“
Ich zücke meinen Zauberstab, während Fred unsere eigenen gefälschten Papiere mit Rosmaries Namen hervorzieht und auf den Schreibtisch fallen lässt.
Vorsorglich schiebt er ein paar andere Dokumente und einen Teller mit Essensresten darĂĽber, damit die ganze Sache natĂĽrlich aussieht.
Ich stecke das falsche Pergament mit einem Schnippen meines Zauberstabs in Brand. Es knistert und flackert und verbrennt schließlich vollständig. Asche rieselt auf den Fußboden.
Fred macht einen lässigen Schlenker mit seinem eigenen Zauberstab.
„Also“, sagt er dann, „War’s das?“
„Das war’s, Bruderherz.“
„Dann schlage ich vor, wir hauen ab.“
~-~-~-~
Schon in dem Moment, in dem ich aufwache, ist mir ziemlich klar, dass ich Schmerzen habe. Die ersten paar Sekunden lang liegt das Problem bloĂź in der Lokalisierung.
„Urgh…“, ich strecke die rechte Hand aus, um sie unter meinen Kopf zu schieben, weil mich mein Nacken gelinde gesagt umbringt und stelle bei der Gelegenheit fest, dass die Ursache für diesen Umstand schlicht und einfach darin zu suchen ist, dass ich die Nacht auf einem Schuh verbracht habe.
Meine Damen und Herren, hiermit haben wir offiziell einen neuen Tiefpunkt erreicht – George Weasley hat die Nacht über auf einem Schuh geschlafen.
Angeekelt werfe ich das Ding von mir.
Das nächste, was mir auffällt, ist die Tatsache, dass ich meinen linken Arm von der Schulter abwärts nicht mehr spüren kann. Den Kopf zu heben ist ohne Übertreibung eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die ich je in meinem ganzen Leben gemacht habe.
„Waszum…“, nuschle ich verschlafen.
Na, ganz toll.
Fred hat seine Kopfkissenwahl wohl um einiges sorgfältiger getroffen als ich (ich will nicht direkt sagen, dass er erfolgreich war, denn das wäre übertrieben) und benutzt für diese Zwecke ganz offensichtlich eine Mischung aus Teppichboden und meinem linken Oberarm.
Okay, noch mal ganz von vorn.
Wo sind wir?
Der erste Anhaltspunkt, den ich finde, ist der abgewetzte Teppich, auf dem wir liegen und der ganz eindeutig schon bessere Tage gesehen hat.
Der nächste ist schon aufschlussreicher – unser Oberstreber Percy, der gut zwei Meter weiter weg und einen halben Meter weiter oben auf einem Sofa liegt und – genau wie mein Zwillingsbruder – den Schlaf des Gerechten schläft.
Was tut Percy hier?
„Meine Fresse“, stöhnt eine bekannte Stimme und ich stütze mich so gut wie möglich auf meinen verbliebenen Arm.
Ein Stück weiter weg arbeitet sich ein zerzauster, vollständig bekleideter Lee Jordan unter seiner Bettdecke hervor und von einer Sekunde auf die andere sind die Erinnerungen wieder da.
Er starrt mich missmutig an. „Morgen.“
Ich werfe einen skeptischen Blick zum Fenster, durch das ganz eindeutig die späte Nachmittagssonne scheint, bevor ich beschließe, dass das jetzt wohl auch schon egal ist.
„Morgen. Wie spät…?“
Irgendetwas scheppert, als er in der Lade seines Nachtkästchens herumkramt.
„Warte- kurz nach halb fünf.“
„Umpf“, ich lasse meinen Kopf zurück auf den Teppich fallen, „Hey, Lee?“
„Was?“
„Nur aus Interesse… hast du’s bequem da oben?“
Man kann das Grinsen direkt aus seiner Antwort heraushören.
„Was denn? Mein Teppich nicht gut genug für euch?“
„Tse“, ich schnaube, „Asozialer Arsch. Du kannst dir nicht vorstellen, was für Schmerzen ich habe!“
„Ich zerfließe hier geradezu vor Mitleid, das kann ich dir versichern.“
„Mh-mh… Denkst du, Miguel ist schon dabei, Fiesta zu feiern?“
Die Bettfedern quietschen leise, als er sich ebenfalls wieder zurückfallen lässt.
„Klar. Eins ist sicher, der hat auf jeden Fall mehr Schlaf gekriegt als wir.“
„Wer hat mir Schlaf gekriegt als wir?“, murmelt es undeutlich vom Sofa her und ich lege den Kopf in den Nacken (was sich unangenehm nach tausend stechenden Nadeln anfühlt).
„Morgen, Perce.“
Er blinzelt erst verschlafen, dann perplex und in der nächsten Sekunde setzt er sich ruckartig auf.
„Wo bin ich? Was zum-“
Sein Gesicht verdüstert sich. „Oh.“
Das Erkennen dämmert sichtbar stückchenweise herauf.
„Ach, du heilige…!“
Ich kann es ihm nicht verdenken. Immerhin hat er gestern etwas getan, das ganz eindeutig gegen das Gesetz verstößt, er hat vertrauliche Informationen des Zaubereiministeriums weitergegeben und außerdem hat er einem flüchtigen Verbrecher dabei geholfen, außer Landes zu fliehen.
Alles in allem… würde mich nicht wundern, wenn er sich gerade fühlen würde wie frisch entjungfert.
„Das darf doch alles nicht wahr sein…“, er reibt sich die Nasenwurzel, „Das ist- Moment!“
Mit einem Mal sieht er richtig panisch aus.
„Wie spät ist es?“
Lee klingt absolut unbeeindruckt. „Halb fünf.“
Die Panik in Percys Stimme verdreifacht sich.
„Nachmittags?“
„Nein, vormittags“, ich grinse zu ihm hinauf, „Natürlich nachmittags, was denkst du denn?“
„Aber das…“, er setzt hastig die Beine auf den Fußboden, „Ich muss zur Arbeit.“
„Bisschen spät dafür, findest du nicht?“
„Bisschen sehr spät“, gibt mir Lees gedämpfte Stimme Recht.
„Tu dir selbst ’nen Gefallen und lass es bleiben“, sage ich und muss ob Percys verzweifelter Miene noch breiter grinsen, „Oder stell wenigstens das Rumgeflenne ’ne Stufe leiser.“
„Jahh“, macht Lee aus dem Hintergrund, „Wäre ich durchaus dafür.“
Ein paar Sekunden kauert unser Lieblingsbruder auf der Sofakante, dann tritt ein seltsam resigniert Ausdruck auf sein Gesicht und er schwingt mit einem abgrundtiefen Seufzen à la „Ist ja jetzt wohl auch schon egal.“ die Beine zurück in die Horizontallage.
„Nacht.“
Ich grinse in mich hinein. Na, wer sagt’s denn.
Es hat zwar Jahre gedauert, aber endlich, endlich, hier ist er – der Beweis dafür, das Percy Weasley doch so was ist wie ein menschliches Wesen.
Ich angle mir ein Bündel Stoff, dass etwa eine Armlänge von mir entfernt unordentlich auf dem Boden herumliegt und schiebe es mir unter den Kopf.
Erst dann fällt mir auf, dass das Teil wohl der Tarnumhang gewesen ist… aber mal im Ernst, was soll’s.
Was Harry nicht weiĂź, macht Harry nicht heiĂź.
Oder so ähnlich.
Ich schließe die Augen, um – diesmal einigermaßen komfortabler gebettet – meinen wohlverdienten Schlaf nachzuholen, aber selbstverständlich habe ich kein solches Glück.
Nach einer Weile (vielleicht sind es fünf Minuten, möglicherweise auch bloß zehn Sekunden, keine Ahnung, dafür bin ich eindeutig zu müde) sticht mich etwas auffordernd zwischen die Rippen.
„Was?“, knurre ich im Halbschlaf.
„George?“
„Hn?“
Wenn ich noch irgendeine Art von Gefühl in meinem linken Arm hätte, könnte ich wahrscheinlich feststellen, welche Art von Bewegung Fred im Moment genau durchführt, aber so bleibt mir nur eine vage Ahnung.
„Was macht Percy hier?“
Ich muss gegen meinen Willen grinsen, bevor ich mit der rechten Hand aushole und auf gut GlĂĽck mit geschlossenen Augen in seine Richtung schlage.
Seinem gedämpften „Umpf“ zufolge treffe ich ihn irgendwo am Kopf.
„Sei so gut und frag mich das noch mal, wenn ich wach bin, ja?“
Er gähnt unbeeindruckt.
„Arsch.“
„Man tut, was man kann.“
~-~-~-~
Ich falte den Tagespropheten zusammen. „Fred!“
Er steht an der Kasse und drückt einer Kundin ihr Wechselgeld in die Hand, während er gleichzeitig einem etwa zehnjährigen Jungen irgendwas über Nasch- und Schwänzleckerein erklärt.
Mit der freien Hand macht er eine ziemlich eindeutige Geste ĂĽber die Schulter in meine Richtung.
Verity ist damit beschäftigt, zwei Kleinkinder unter dem Tresen hervorzuzerren, deren Mutter gerade äußert fasziniert das Regal mit den Liebestränken betrachtet.
Ich schlendere zu meinem Bruder, als hätte ich alle Zeit der Welt und lehne mich lässig neben ihn an die Theke. Er knallt die Lade der Kasse zu, dass es nur so klirrt.
„George, ich möchte dich in deiner selbst arrangierten Mußestunde wirklich nicht stören, aber…“
Ich lege den Kopf schief und sehe ihn so unschuldig an, als hätte ich absolut keine Ahnung, worauf er hinaus will.
„Was genau willst du mir damit sagen, Bruderherz?“
Er funkelt mich an. „Mach dich nützlich!“
Ich schwenke den Tagespropheten vor seiner Nase herum.
„Das dürfte dich interessieren.“
Sein Gesichtsausdruck wird argwöhnisch. „Warum?“
„Lies einfach“, ich drücke ihm die Zeitung in die Hand, „Seite drei, die nationalen Angelegenheiten. Lass dir ruhig Zeit.“
Er ist schon auf dem Weg ins Hinterzimmer, sieht aber noch einmal auf und grinst breit.
„Da mach dir mal keine Sorgen. Das hab ich vor.“
Keine zwei Minuten später ist er aber schon wieder da.
Ich bin gerade dabei, Kartons in ein nahezu leeres Regal zu schlichten und zucke prompt erschrocken zusammen, weil ich ihn in dem herrschenden Gedränge nicht kommen gehört habe.
„Heilige Scheiße, Fred!“
Er packt den Karton, bevor auf dem Boden landen kann und hilft mir, ihn zurĂĽck aufs Regalbrett zu hieven.
„Verhaftet?“, seine Stimme klingt vorsichtig, aber der begeisterte Unterton ist unüberhörbar… wahrscheinlich geht das nur mir so, „Ernsthaft? Sie haben Rosemarie verhaftet?“
Ich nicke. „Yep.“
Sein Gesichtsausdruck wird noch vorsichtiger.
„Und du… ich meine, alles klar?“
Ich zucke mit den Schultern.
„Yep“, sage ich erneut und meine es dabei weitgehend ernst, „Das war doch der Plan, oder? Dass sie Rosemarie für uns drankriegen? Und klar, ich mochte sie, aber… du weißt schon…“
Wenn man mir die Wahl lässt zwischen Fred und dem Laden und ihr…
Tja. Man sieht ja, wie ich mich entschieden habe, oder?
Er nickt langsam. „Klar.“
„Mr. und Mr. Weasley?“, Verity hält mitten im Vorbeirennen inne, „Nur kurz ’ne Frage – was ist mit morgen?“
Wir runzeln gleichzeitig die Stirn.
„Was soll mit morgen sein?“
Sie guckt verwirrt. „Na ja, ich wollte bloß wissen… haben wir nun geöffnet oder nicht?“
Ich überlege kurz. Morgen ist… ein ganz normaler Wochentag.
Warum um alles in der Welt sollten wir da schlieĂźen?
„Warum sollten wir nicht geöffnet haben?“, fragt Fred auch schon, bevor ich noch den Mund aufmachen kann.
Veritys Augen wandern zwischen uns beiden hin und her.
„Sie machen Witze, oder?“
„Nein“, sage ich gedehnt, „Eigentlich nicht. Was ist morgen?“
Sie stemmt die Arme in die HĂĽften.
„Meine Herren! Morgen ist der erste April.“
„Ja und? Was ist am-“, Freds Augen werden groß, „Uh. Woah.“
Mir dämmert der aktuelle Sachverhalt ebenfalls.
„Woah.“
„Jahh“, Verity grinst vor sich hin, „Das trifft’s ganz gut, wenn Sie mich fragen.“
Mit diesen Worten fährt sie herum und macht einmal mehr Jagd auf die beiden Kleinkinder, die gerade dabei sind, mit mehreren (nicht bezahlten) Minimuffs Wettrennen über den Verkaufstresen zu veranstalten.
„Fred“, sage ich langsam, „Wir haben morgen Geburtstag.“
Er nickt bedächtig. „Yep.“
„Hättest du da noch dran gedacht?“, erkundigt er sich dann, „Ich hab das irgendwie total-“
„Ich auch.“
Sekundenlang herrscht beeindrucktes Schweigen…
„Meine Fresse“, murmeln wir gleichzeitig.
„Übrigens“, sagt er, als wir uns wieder daran machen, zurück an die Arbeit und unserer inzwischen heillos überforderten Assistentin zur Hand zu gehen, „Wir haben ’ne Eule von Mum.“
„Was gibt’s?“
„Wir feiern.“
„Wir feiern?“
„Yep. Diesen Sonntag.“
„Was feiern wir?“
Er grinst mich an. „Harry und Ginny heiraten.“
Ich grinse zurück. „Na so ’ne Überraschung.“
„Nicht wahr?“
Mit diesen Worten schwingt er sich ĂĽber den Verkaufstresen und zurĂĽck hinter die Kasse.
Und mir fällt aus irgendeinem Grund wieder unser ruhmreicher, viel besungener Abschied aus Hogwarts ein.
Ich weiß noch, damals hatte ich – abgesehen von der tief sitzenden Genugtuung, Umbridge und Filch gerade mächtig eins reingewürgt zu haben und außerdem nie wieder einen einzigen Aufsatz für Geschichte der Zauberei schreiben zu müssen – irgendwie ein mulmiges Gefühl.
So, als ob eine Ära zu Ende gegangen wäre (was ja irgendwie auch der Fall war) und nie wieder irgendwas so toll sein würde wie unsere Zeit in Hogwarts.
Das richtige, echte, wahre Leben sah viel komplizierter, schwieriger und dĂĽsterer aus als die Zeit in der Schule (und irgendwie war das zu dem Zeitpunkt auch gar nicht so weit hergeholt, mit Du-weiĂźt-schon-wem und seinen Todessern im Nacken).
Und vor allem wirkte es furchtbar ernst.
Ich glaube, das war es, wovor mir am meisten graute. Dass Fred und ich so werden würden wie Hermine Granger – gewissenhaft, ernsthaft und seriös (und ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich dieses Wort hasse).
Dass unser Alltag jetzt, wo wir den Laden hatten und ins Geschäftsleben eingetreten waren, auch dementsprechend aussehen würde.
„George, zum Teufel noch mal! Pennen kannst du später!“
Ich fahre erschrocken auf. Ups.
Die Schlange an der Kasse ist gut und gerne endlos. Ich verfrachte die restlichen Kartons in die Ecke, bei der es am unwahrscheinlichsten scheint, dass jemand darüber stolpern könnte und springe ebenfalls über die Theke.
Eines habe ich jedenfalls festgestellt.
Lieber gehe dreimal die Woche um ein Haar nach Askaban, als dass ich einen einzigen Tag in „geregeltem Dasein“ verbringe.
Ernsthaft.
Und es sieht so aus, als hätte ich mich ohnehin getäuscht. Von geregeltem Dasein sind wir ganz offensichtlich mehr als ein beachtliches Stück weit entfernt.
Wollen wir mal hoffen, dass das auch so bleibt…
End.
~-~-~-~
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