von Reaver
Einen schönen Sonntag liebe Leser!
Ich entschuldige mich für die enorme Verspätung des Kapitels, aber der Bund hat mich im letzten Monat enorm viel Zeit gekostet. Mit Truppenübungsplatz und Einsätzen hatte ich kaum Zeit weiter an der Geschichte zu schreiben. Aber ich hoffe, dass es sich in naher Zukunft ändert, zumal ich nur noch einen knappen Monat unter der Fuchtel der Bundeswehr stehe. Euch wünsche ich viel Spass mit dem zweiten Teil des Kapitels und alf baldiges Wiederlesen euer
Tobi
„Silvenus!“, donnerte Harry, als sich Deans Finger auf das glatte, polierte Holz legten, das mit einem dünnen Eisfilm überzogen war. Eine Flut goldenen Lichts löschte jede andere Farbe aus, während der Blitz auf den in Schwarz gewandeten Zauberer zuschoss.
Die Hand erhoben fuhr der Schwarzmagier herum. Seine Züge schienen im Licht zu zerfließen, als beständen sie aus flüssigem Gold. Nur Millimeter vor Deans Brust prallte der Blitz an einem magischen Schild ab. Krachend zerschmetterte der Fluch Mauerwerk und Fliesen in einer Wolke aus Splittern.
„Niemand stellt sich dem Schicksal in den Weg, ohne bitter dafür zu bezahlen!“, rief Dean und die Tür hinter ihm zerbarst bei seinen Worten. Es sah aus, als hätte ein wütender Gott sie mit stählerner Faust hinweggefegt. Die gewaltigen Angeln ragten versengt und verbogen in den leeren Türrahmen hinein.
Flüche prasselten auf den Schwarzmagier ein. Ein magischer Sturm aus Blitz und Donner, Feuer und Eis. Neben Harry tauchte Hermine auf, einen tiefen Schnitt auf der Wange, aus dem hellrotes Blut zu Boden tropfte. Dean Schritt durch die Pforte hinein in den Raum der vielen Türen, die sich unablässig drehten.
Ein blauer Strahl aus Flammen zuckte wie eine glühende Klinge über Harrys Kopf hinweg. Schnell sprang er zur Seite und zog Hermine mit sich hinunter. Keine Sekunde später versengte ein weiterer Fluch den Saum seines Mantels.
Hoch erhoben stand einer der Todesser im Korridor, die Maske vor seinem Gesicht fast gänzlich zersplittert. Blut sickerte unter ihr hervor und ließ den schwarzen Stoff seiner Robe nass und schwer werden. Wahnsinn zusammen mit rasender Wut glitzerte in den aufgerissenen Augen des Mannes.
„Avada K...“, krächzte seine halb von Blut erstickte Stimme, bevor sie erstarb. Feine rote Tropfen stieben in einer kleinen Wolke in die Luft. In einer grotesk langsam anmutenden Bewegung führte der Schwarzmagier seine linke Hand zu dem Platz, an dem zuvor noch sein rechtes Auge gewesen war. Nun gähnte dort ein nässender, blutiger Krater. Der Todesser fiel auf die Knie, ohne dass ein Laut über seine Lippen kam. Er landete auf dem mit Trümmern übersäten Boden und tränkte den Staub mit seinem Blut. Hinter seiner Gestalt stand Tessa ihren Zauberstab immer noch erhoben.
Harry sprang auf die Füsse und zog Hermine mit sich. Flüche zuckten böse funkelnd über ihre Köpfe hinweg, als sie durch die zerborstene Pforte in den Raum der Türen eilten. Ein Bild der Verheerung zeigte sich ihnen, ein Abbild dessen, was jeden Menschen auf der Welt erwarten würde, wenn die Bedrohung nicht abgewendet werden würde. An diesem Ort gab es kein Oben und kein Unten mehr, keine Regeln des Hier und Jetzt, keine Naturgesetze. Nicht einmal die Zeit schien noch eine Bedeutung zu haben.
Hermines Finger umschlangen Harry Hand, als ihre Augen begriffen was sie sahen. Die einst rotierenden Wände waren fast zu Staub zermahlen und gaben nun den Blick auf die versteckten Abteilungen der Mysteriumsabteilung frei. Mächtige Träger und Säulen, die einst die hohe, mit kunstvollen Mosaiken geschmückte Decke gestützt hatten, hatten sich verbogen, verdreht und zerrissen überall in den zerschmetterten Boden gebohrt. Dieser lag schräg unter Harrys Füssen, als befände er sich auf einem sinkenden Schiff. Ein Wald aus Rohren war aus den Platten hervorgebrochen, tödlichen Speeren gleich, die ihre Ziele gefunden hatten.
Nie hatte er solch ein Grauen erblickt. Niemand hier hatte eine Chance gehabt, keinen Augenblick der Hoffnung, als diese Hölle über sie hereingebrochen war. Harry hatte die Auroren nicht gekannt, deren Blut zwischen den Trümmern dessen, was sie schützen sollten, verrann. Vor ihm starrten die erloschenen Augen eines jungen Mannes ins Nichts. Selbst jetzt noch spiegelte sich Entsetzen, Schrecken und maßlose Angst in seinen zermalmten Zügen wider. Von einem rostigen alten Rohr gepfählt und an den Boden genagelt mochte es wenigstens schnell gegangen sein.
Harrys Augen richteten sich auf den schmalen Gang, der zum Raum des Schleiers führte. Sein Blick saugte sich daran fest, um nicht länger den Anblick ringsherum ertragen zu müssen. Er wusste, dass es Tessa war, die hinter Hermine und ihm stand, genauso fassungslos wie sie. Die Finger seiner alten Schulfreundin hatten sich um seine Hand gekrallt, als wollte sie das Blut aus der Haut pressen. Vielleicht wollte sie sich auch nur an etwas festhalten, das lebte im Angesicht dieses allgegenwärtigen Todes, der in jeden Winkel dieses Ortes herrschte.
Der Geruch von Blut, süßlich, dumpf und drückend ließ Harry würgen, als er sich einen Weg durch die Trümmer bahnte und Hermine einfach hinter sich herzog.
„Warum...?“, stammelte sie mit aufwallender Panik in der Stimme.
Harry suchte nicht nach einer Antwort, gestand sich keine Schuld ein, jetzt nicht, nicht an diesem Ort, an diesem Augenblick. Es musste heute enden. Hier war kein Platz mehr für Moral und Gewissen. Dean hatte ihnen den Abgrund gezeigt, in den sich seine Seele verwandelt hatte. Es galt nur noch zu verhindern, dass es noch mehr Leben in diese Tiefe reißen würde.
Er stürmte vorwärts, ungeachtet dessen, was auf ihn warten mochte. In seinem Kopf herrschte Leere, eine kalte Leere, als wäre seine Seele in jenem Moment erstarrt, als sein Herz erblickt hatte welche Schrecken sich ihm entgegenstellen würden. Er hörte Schreie aus dem Raum des Schleiers, dessen Stufen sich plötzlich vor ihm ausbreiteten. Dort war die Pforte, als hätte sie jemand aus seinen Alpträumen in die Realität gezaubert. Dean stand mit ausgebreiteten Armen vor dem wabernden Schleier. Stimmen wisperten aus den Schatten heraus und löschten jede Wärme aus. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Fünf Todesser standen hinter dem Schwarzmagier und wehrten den Hagel aus Flüchen ab, die auf sie niedergingen, während ihr Herr uralte Beschwörungsformeln rezitierte. Der Schleier wogte und waberte und manchmal meinte Harry schemenhafte Gestalten hinter der Pforte zu erblicken, die ihre Hände nach ihm ausstreckten. Schaudernd wandte er sich ab, aber das Wispern blieb.
Seine Augen sahen eine zersplitterte Maske Zu seinen Füssen, als er den Blick von der Pforte losriss. Blut klebte an den Überresten, das im gleißenden Licht der Flüche glitzerte. Er spürte Nichts. Kein Schrecken mehr, keine Furcht, nur ein Ozean der Kraft, aus dem er schöpfen konnte.
Er sprang die Stufen hinab, vorbei an kämpfenden Auroren und Todessern. Harry erblickte kurz Ginnys flammenden Haarschopf in dem Getümmel, gleich einem Leuchtfeuer in der Dunkelheit. Vielleicht auch Ron und Tyrion, aber nur sein Verstand sah sie, nicht sein Herz. Geschickt wich er einem gleißenden Blitz aus, der einige der Stufen unter ihm in eine Wolke aus Splittern verwandelte.
Hinter ihm flog ein schwarzer Schatten heran, unablässig Flüche schleudernd. Tessa duellierte sich mit mehreren Todessern gleichzeitig, wild, verbissen fast rasend.
Dann stand er vor ihm. Harry verharrte mitten im Sprung, als eine bleiche, schimmernde Gestalt vor ihm empor ragte. Sie standen sich gegenüber, regungslos. Stumm blickten sie einander an, die alten Feinde, Gegner bis in alle Ewigkeit. Voldemorts schlangenhafte Züge spiegelten den Wahnsinn in seinem inneren wider, waren zu einem raubtierhaften Grinsen verzerrt, während sein Gegenüber kühl in die zu Schlitzen verengten Augen sah.
„Heute ist der Tag aller Tage, Potter!“, zischte der Dunkle Lord in das Getöse des Kampfes hinein.
„Fast mein halbes Leben lang habe ich unter deinem Schatten gelebt, aber ich fürchte die Gespenster meiner Vergangenheit nicht mehr.“, erwiderte Harry und trat durch den Geisterhaften Voldemort hindurch. Ein Heulen erhob sich in der Halle. Wut und Hass spie der Dunkle Lord aus seiner Kehle heraus.
„Tötet ihn!“, kreischte seine überschlagende Stimme, als er sich seiner Machtlosigkeit bewusst wurde. „Vernichtet ihn! Ich befehle es euch!“
„Silvenus!“, donnerte Harry über das unheimliche Wispern hinweg. Goldenes Licht zuckte in einem gewaltigen Blitz zusammengeballt aus seinem Zauberstab heraus. Das Podest erstrahlte in hellem Licht, selbst die Pforte erschien für einen kurzen Moment wie aus Gold gehauen. Die Schemen auf der anderen Seite zuckten zurück, als würde sie das Licht versengen.
Der Augenblick war vorbei. Mit entsetzlicher Kraft fuhr der Blitz in den Körper eines Todessers. Wie eine Puppe schleuderte der Fluch den Schwarzmagier zu Boden, verkrümmt vor Schmerz und mit zerschmetterten Gliedern.
Ein Messer schien in Deans Hand, die Klinge stumpf von getrocknetem Blut.
„Blut von meinem Blut, erhöre die Rufe deiner Kinder in den tiefen Schatten, lass die Dunkelheit deinen Blick nicht trüben. Erblicke uns!“, rief der Dunkle Zauberer mit kaum mehr menschlicher Stimme. Seine Worte wogen über die Kämpfenden hinweg, bannten jeden unter ihre finstere Magie. Alle Augenpaare richteten sich auf die Pforte, den Kreuzweg, der in eine Welt führte fremd und doch untrennbar mit der ihren verbunden.
Harry stand auf der untersten Stufe, den Stab erhoben und trotzdem unfähig zu Handeln. Deans Hand ergriff einen Knochen aus dem Sarg zu seinen Füssen, grinsend, schrecklich. Der bleiche Knochen schien von Schatten umhüllt, als sei er nicht bestimmt von menschlichen Augen erblickt zu werden.
„Sacrendio!“, schrie Harry endlich, als unsichtbare Fesseln von ihm abfielen. Um ihn herum entflammte der Kampf von neuem, entsetzlicher als zuvor. Die Flamme aus seinem Zauberstab schoss auf Dean zu, der hoch erhoben vor dem Kreuzweg stand, reglos alte Beschwörungen murmelnd. Ein schwarzer Schatten warf sich dem Fluch in den Weg. Licht verzehrte den Todesser, riss ihn zu Boden und schleuderte ihn die Stufen hinunter. Mit schwelendem Umhang blieb der Mann liegen. Welcher Wahnsinn mochte ihn beherrscht haben sich für den Dunklen Magier opfern zu wollen.
Ein schneidender Schmerz zuckte durch Harrys Körper, als ein Fluch in seinen Rücken fuhr. Ein Schrei brach durch seine Lippen, als er spürte, wie Blut aus einem tiefen Schnitt seine Wirbelsäule hinab lief. Mit wenigen Schritten war er bei seinem ehemaligen Schulfreund, den Stab erhoben. Flüche schossen ihm entgegen, prallten aber wirkungslos an seinem silbernen Schild ab. Wie eine strahlende Rüstung umwogte ihn der Zauber.
„Lass ab von dem Wahnsinn!“, rief er an Dean gewandt, doch dieser murmelte uralte Formeln vor sich hin. Kälte ging von ihm aus, als zöge sich jede Wärme vor ihm zurück. Harrys Atem bildete kleine Wölkchen vor seinen Lippen, die schon bald wieder den Blicken entschwanden.
Die Schemen hinter der Pforte wurden dichter, stofflicher und auf eine erschreckende Art und Weise auch lebendiger. Ein eisiges Wabern und Wispern erfüllte den Raum, drang durch Wände und Decke, durch Fleisch und Blut. Gesichter mit weit geöffneten, schreienden Mündern wogten im Schleier auf und ab.
„Im Licht des brennendes Sterns rufe ich dich an!“, schrie Dean mit dröhnender Stimme, die klang, als würde sie von gefrorenen Stimmbändern zum Leben erweckt. „Verschmelze Blut und Knochen zu neuem Leben, das Heimstatt und Festung der wandernden Seele werden soll. Entsende deine Boten in diese Welt, auf das ein neues Zeitalter herrschen wird!“
Klinge und Schädel drangen durch den Schleier, lösten sich auf wie Rauch in der Luft, kaum mehr als ein flüchtiger Nebelschwaden. Verzerrte Schreie mischten sich in das unheimliche Flüstern und Wispern. Sie klangen wie die Laute gepeinigter Seelen, als würden die Pforten der Hölle selbst aufgestossen.
Ein silbriger Schemen jagte heran, triumphierend lachend, die roten Augen weit aufgerissen voller Gier nach neuem Leben.
„Nein!“, schrie Harry und stellte sich Voldemort in den Weg, eine sinnlose, aus Hilflosigkeit geborene Geste. Sein Zauberstab deutete immer noch auf Dean, der die Arme weit ausgebreitete dunkle Worte ausspie, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließen. Flüche zerschnitten die Luft, fanden ihr Ziel, oder zerschmetterten die uralten, ausgetretenen Steine der Stufen.
Der Geist Voldemorts, die von seinen fanatischen Dienern am Leben erhaltene Erinnerung, niedriger als jeder Spuk, glitt einfach Durch Harry hindurch. Kälte und sengende Hitze zugleich lohten durch seine Adern, setzten jeden Tropfen Blut darin in Brand. Reißender Schmerz durchzuckte seine Stirn mit der Narbe. Ein Schrei drang über Harrys Lippen, lang und laut, geboren aus Qual und rasender Wut zugleich.
„Avada....“, krächzte er, aber dort war noch ein zweiter Schatten, schwarz nicht silbern. Er flog an ihm vorbei und Voldemorts Lachen wurde ein Brüllen, in dem sich Triumph in Angst verwandelte.
„Tyrion! Was....“, vernahm Harry Tessas Stimme durch das Rauschen in seinen Ohren hinweg. Der junge Zauberer breitete im Sprung die Arme aus, als er auf den Kreuzweg zuschoss, hinter dem die schemenhaften Gestalten einen wilden Tanz vollführten.
Harry starrte in seine Augen, ein letzter Blick, bevor ihn der Schleier verschlang. Es lag keine Furcht in seinen Augen, kein Hadern, kein Zweifeln. Er war zu allem entschlossen. Uralte, weise Trauer spiegelte sich in seinen Zügen wider, als er seine Schwester betrachtete, die auf ihn zurannte, eine Hand ausgestreckt, doch ohne Chance ihn zu halten. Er gab sein Leben, um das unheilige, falsche durch das Blut eines Mädchens erkaufte Leben eines anderen zu verhindern. In diesem einen Moment gab er alles auf, was ihm jemals etwas bedeutet hatte. Harry starrte ihn fassungslos an. So viele Worte drängten hinter seinen Lippen, so viele Dinge, die ungesagt geblieben waren, aber es war zu spät.
Wie Sirius vor ihm stürzte Tyrion durch den Schleier, endgültig, unwiderruflich.
Es herrschte Stille, eisige Stille. Jeder starrte auf die Stelle, an der dieser mutige, viel zu junge Zauberer verschwunden war. Stumme Tränen rannen über Tessas Gesicht, die langsam ihre bleichen Wangen hinunter liefen und auf den staubigen Boden tropften.
Ein wütendes Brüllen durchschnitt das Schweigen, verwandelte es in ein Tosen und Branden. Voldemort kreischte, als das Begreifen über ihn herein brach, dass er in diesem kurzen Augenblick alles verloren hatte.
Etwas kleines, unscheinbares entglitt der Hand eines Todessers, drehte sich im Fall um die eigene Achse. Es sah aus, als wäre es von dunklem Feuer erfüllt, ein Stein, glühend in seinem tiefen Inneren. Das Haus einer verblichenen Seele, dem Tod entrissen durch die Erinnerungen seiner Diener, dem Sehnen nach ihrem gefallenen Herrn.
Harry starrte auf den Seelenstein, folgte seinem Fall.
Er zersprang auf den Stufen, zersplitterte in Myriaden winziger Scherben. Das Feuer in ihm war verloschen und im selben Augenblick kehrte auch Voldemort wieder in das Reich zurück, dem er für kurze Zeit entkommen war. Die silberne Gestalt verblasste und war einfach nicht mehr da, wie eine alte Erinnerung, die langsam in das Reich des Vergessens übergeht. Sein Klagen verhallte im Raum, ohne Gehör zu finden. Sein Streben war gescheitert und die Lakaien hinter ihm waren in diesem Moment der Erkenntnis endlich aufgewacht. Dieser Raum war zum Grab ihrer Träume und Hoffnungen geworden, verscharrt tief unter der Erde und den Strassen Londons.
Eine ungeheure Kraft fegte Harry von den Füssen und schmetterte seinen Körper gegen die unterste Stufe. Ihm wurde kurz schwarz vor Augen und ein Zittern durchlief seine Glieder. Der Mantel in seinem Rücken war nass und schwer von Blut. Vor ihm erhob sich Deans in Schwarz gehüllte Gestalt.
„Du!“, zischte er. „Wegen welchen deiner Worte ist der Junge der Verdammnis Einheim gefallen? Hast du ihn in den Tod geschickt, um meinen Plan zu durchkreuzen?“
„Nein...“, stöhnte Harry, der versuchte sich aufzurichten, aber weder Arme noch Beine vermochten es sein Gewicht zu tragen. „Niemand...“
„Doch!“, kreischte Dean. „Aber ich habe dennoch gewonnen! Sie werden kommen. Die Gezeichneten sind bereit und bald wird ihr Zorn jeden Widerstand hinwegfegen!“ Ein frostiges Lachen entrang sich seiner Kehle.
„Ich will nicht, nein, er darf nicht zurückkehren, nicht so!“, schluchzte Tessa. Ihre Züge spiegelten unsägliche Qual, aber der wahre Schmerz und das Begreifen würden erst später kommen.
Harry spürte, wie ihn jemand auf die Füsse zog. Ginnys von feuerrotem Haar eingerahmtes Gesicht blickte besorgt in das seine. Fahrig tastete seine Hand nach dem Zauberstab, der ihm aus der Hand gerissen worden war. Erleichtert schlangen sich die Finger um das polierte Holz, als begrüßten sie einen guten und vertrauten Freund.
Langsam löste sich wieder jeder aus der Erstarrung. Vorsichtig zogen sich die verbliebenen Todesser zurück unsicher und ihres Herrn beraubt. Unruhig, fast panisch glitten ihre Blicke von einem zum anderen. Nun, da es kein finsterer, fremde Wille sie mehr lenkte fürchteten sie um das einzige, das ihnen noch blieb: Ihr eigenes Leben.
Für die Lakaien des Dunklen Lord gab es nun nichts mehr. Sie hatten alles verloren, woran ein dunkler Teil ihrer Seele geglaubt hatte, wofür sie bereit waren zu töten und sich selber aufzugeben.
Harry stand zitternd vor ihnen, am Ende seiner Kräfte. Es kam ihm vor, als stürze sein Geist in einen tiefen, finsteren Brunnen, dessen Schwärze ihn gleich einem samtigen Tuch einzuhüllen begann. Die Wunde auf seinem Rücken hatte aufgehört zu bluten, aber er hatte dennoch zuviel von dem kostbaren Lebenssaft verloren.
Dean stand auf dem Podest über ihm und starrte böse grinsend auf die erschöpften letzten Verteidiger der magischen Welt. Sie waren keine Gegner mehr für ihn, würde er wirklich ihren Tod wollen.
Die Schatten umfingen ihn, aber Harry drängte sie entschlossen zurück. Noch war es nicht an der Zeit aufzugeben. Es wäre den Preis nicht wert gewesen, den sie gezahlt hatten, um bis hierhin zu kommen. Tyrions Opfer wäre umsonst gewesen, sein Leben sinnlos vergeudet in einem Krieg, der nicht der seine gewesen war. Nun mündete der Weg eines jeden, der hier stand in diesem Augenblick. Jeder ihrer Schritte auf dem langen Pfad führte in diese Kammer, hatte bestimmt, dass sie dem Bösen gegenüberstehen sollten.
Die Todesser hatten sich bis zur gegenüberliegenden Wand zurückgezogen, fast schien es, als duckten sie sich in die Schatten der rohen Mauer, um den Blicken des Ordens und der Auroren zu entgehen.
Das Licht der vielen Fackeln flackerte, wurde dunkler, als weiche es vor etwas zurück. Ein Windstoss fegte durch die Kammer, strich über Harrys schweißnasse Haut und ließ ihn frösteln. Etwas flüsterte mit der eisigen Luft, die über sie hinweg gebrandet war, drohende Stimmen mit Botschaft von Tod und Verdammnis, Schmerz und niemals enden wollendem Leid. Niemand verstand die Worte, da sie zu ihren Herzen sprachen, um sie erkalten zu lassen. Es schien, als zöge sich selbst das Licht mit der Wärme aus der Halle zurück, floh vor dem, was seine Hand nach dieser Welt ausstreckte.
„Spürst du es Harry?“, fragte Dean und drehte sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis. „Es beginnt!“
Was oder wer es auch war, der Schrecken ging ihm voran, gleich einem finsteren Leichentuch, das alles Leben erstickt. Sie wichen zurück, stolpernd, aber unfähig die Augen vom wogenden Schleier abzuwenden, nur der Dunkle Zauberer stand hoch aufgerichtet vor der Pforte.
Harry spürte die Kälte, den Hass, einen fremden Willen, der Jahrtausende alte Fesseln nun abschüttelte. Seine Macht war unbeschreiblich, das pure Böse rann durch die Adern der Kreatur. Sie gehörte nicht in diese Welt, was zu fremdartig, ein Wesen aus reinem Tod und Schrecken.
Es durchschritt den Schleier. Schwarze Schwingen, von dunklen Nebel umhüllt wuchsen aus seinem gekrümmten Rücken, lederartig, wie die einer gewaltigen Fledermaus. Scharfe Klauen, glänzend und tödlich, die sich unablässig lauernd bewegten, reckten sich der Gruppe von Zauberern entgegen. Gebannt unter den Blick des Dämons, der ihnen gesandt worden war. Die Augen waren das entsetzlichste, tiefe Abgründe, in denen Flammen aus Hass und Gier loderten, menschliche Augen, aber ohne den Spiegel darin, in den man einen Blick auf die Seele seines Gegenübers werfen konnte.
Die Kreatur verschwand, aber das Entsetzen blieb. Vor ihnen standen nur sechs in schlichte dunkle Umhänge gehüllte Gestalten, stumm und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Das Wesen war nur ihr Bote gewesen, ein Fluch, der ihnen einen Blick in ihr Innerstes gewährt hatte. Die menschlichen Körper waren nur Hüllen für die Dämonen, die nun in ihnen schlummerten.
Harrys Herz raste und sein Atem ging schnell und flach, als wäre er kilometerweit gelaufen. Das waren sie also, die Gezeichneten, ihr schlimmster Feind, zurückgekehrt in diese Welt, um ihr den Untergang zu bringen. Die uralte Magie der Pforte zwang sie in diesen Pakt, der nut mit dem Tod endete.
„Sirius.“, flüsterte Harry, in dessen Kopf ein Sturm von Gefühlen unablässig gegen die Mauern der Vernunft und Rationalität brandete. Dieser Teil sagte ihm, dass sein Pate tot war, unwiderruflich und die Kreatur dort unten keine Ähnlichkeit mehr mit dem Menschen hatte, der sie einst gewesen war. Die Hoffnung in ihm drängte ihn etwas anderes zu glauben, an die Rettung eines geliebten Menschen eine Chance etwas verloren geglaubtes wiederzufinden.
Reglos standen die Gezeichneten vor dem wabernden Schleier, gleich Boten kommenden Unheils.
„Du kannst nicht gegen das Schicksal selbst antreten und erwarten es zu besiegen.“, sprach Dean und schüttelte leicht den Kopf, als spräche ein gütiger Lehrer zu einem eifrigen, aber irrenden Schüler.
„Tyrion!“, ertönte Tessas Stimme, als sie auf das Podest zustürmen wollte, aber Hermine streckte Rasch eine hand nach ihrem Arm aus und hielt sie zurück.
„Nicht.“, sprach sie rasch. „Er ist nicht mehr der, den du kanntest.“
„Aber... Nein!“, schrie die junge Magierin und richtete ihren Zauberstab auf Dean. „Du... Es ist alles nur wegen dir!“ Eine unsichtbare, aber sengend heiße Klinge schoss aus ihrem Stab und grub eine blutige Furche in das Gesicht des Schwarzmagiers. Hellrotes Blut tropfte auf die Bodenplatten, aber aus der Kehle des Dunklen Zauberers drang nur ein frostiges, heiseres Lachen.
„Du langweilst mich kleine Hexe.“, zischte seine Stimme. Die Wunde begann sich zu schließen, bis nur noch ein dünner heller Strich auf seiner dunklen Haut zu sehen war. „Ihr alle!“ Die eisige Stimme hallte in der Halle nach, verklang langsam und ließ dabei ihre Herzen erkalten. „Ihr werdet nur den Tod finden, wenn ihr ihm folgt!“ Sein Finger deutete auf Harry, der nur noch mit Ginnys Hilfe stehen konnte. Er war zu erschöpft um etwas zu erwidern. Vor seinen Augen verschwammen die reglosen Gestalten, versanken in der Schwärze, die mit verlockenden Versprechen von Ruhe und Schlaf in seinen Geist einsickerte. In Gedanken sah er wieder den Dämon, spürte seinen Blick wie glühendes Eisen auf seiner Haut. Es versengte nicht nur sein Fleisch, sondern brannte auch tief in die Seele.
„Selbst wenn wir den Tod finden, dann weil wir uns für den richtigen Weg entschieden haben und nicht für den leichten!“, entgegnete Ron.
„Dann bist du ein Narr, ein narr wie alle anderen, die glauben es mit dem Schicksal aufnehmen zu können!!“, rief Dean lachend, ein grausames falschen Lachen. Hinter ihm rührten sich die Gezeichneten zum ersten Mal. Wie auf einen stummen Befehl hin wandten se sich langsam in Richtung Ausgang. Schatten umhüllten ihre Bewegungen und alleine sie anzuschauen schmerzte in den Augen.
Der Schwarzmagier drehte sich zu den sechs Zauberern um und für einen kurzen Augenblick blitzte Verwirrung in seinen Zügen auf, dann Zorn.
„Bleibt!“, donnerte seine Stimme durch die Halle, ein hasserfülltes Grollen.
Niemand drehte sich zu ihm um. Alle Blicke waren auf die finsteren Gestalten gehüllt, die gemessenen Schrittes den Raum des Schleiers verließen, dessen leises Wispern die Luft erfüllte.
„Ich befehle es euch!“, kreischte Dean mit sich überschlagender Stimme. „Ich bin der siebte von euch, das Kind beider Welten!“ Seine Hand schnellte vor wie ein Blitz, schloss sich um den Arm eines Gezeichneten und für einen kurzen Moment sah es aus, als fließe lebendige Dunkelheit seinen Arm empor. Der Dunkle Zauberer ließ los, als hätte er sich verbrannt. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er auf seine Finger, die rot und nässend, ihrer Haut beraubt im flackernden Licht glitzerten. Er taumelte. Seine Lippen bebeten, aber der Schrei dahinter brach nicht hindurch, zu groß war der Schrecken, zu überwältigend die Angst.
„Ich muss es sein!“, ächzte Dean, dessen Blick flackerte. Die verkrümmten Finger seiner verbrannten Hand hatten sich in den Stoff seines Umhangs gekrallt, während die anderen wie eine Klaue ausgestreckt auf den Gezeichneten deuteten. Er blieb weder stehen, noch blickte der Wiedergekehrte zurück.
„Ich habe es gesehen! Ich weiß was die Zukunft bringt!“, heulte der Dunkle Zauberer. Blitze brachen aus seiner Hand heraus.
„Nein!“, schrie Harry, stürmte los, aber jeder Schritt überstieg seine Kräfte. Er taumelte, verlor das Gleichgewicht. Gleißendes Licht tanze über die sechs Gestalten, vertrieb jede Dunkelheit. Es gab nur noch Licht, selbst die windenden lebenden Schatten flohen vor der Magie.
Der Boden stürzte auf Harry zu, als der Zauber mit aller Macht auf Dean zurückprallte. Die Gezeichneten standen die Arme erhoben in der nun wogenden Dunkelheit des Tunnels, der wieder in den Raum der Türen führte. Ein Schild aus lebenden Schatten umhüllte sie. Die Blitze trafen den Schwarzmagier mit grausamer Wucht und ein Wispern flüsterte mit der Luft, ähnlich dem in der Nähe des Schleiers, nur irgendwie realer, böser und kälter. Harry sah, wie Dean zu Boden geschleudert wurde, schreiend vor Schreck voller Unglauben vor dem, was gerade geschah. Im nächsten Moment schlug auch er auf den Bodenplatten auf. Die Welt verblasste, aber er hörte noch das Lachen in seinem Geist.
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