Hermine sprach für den Rest des Tages kein Wort mehr mit mir. In Kräuterkunde beachtete sie mich nicht, in Zauberkunst übte sie mit diesem dicken Jungen, der scheinbar Neville hieß.
Deswegen übte ich mit einem gutaussehenden Jungen aus Slytherin, der Blaise hieß. Komischerweise schien er mich nicht zu mögen.
Ich wusste keinen Grund, warum sie mich ignorieren sollte. Aber es war mir egal. Sollte sie doch eingeschnappt sein.
Spätestens nach dem Essen, in Verteidigung, als Hardy verkündete, die letzte Stunde habe uns allen so viel gebracht, dass wir heute in den gleichen Paaren weiter üben würden, vergaß ich Hermine. Ich hatte absolut keine Lust mehr auf diesen Soap-Heini.
„Na, fleißig geübt?“, fragte er mich. Wieder stand er zu nah, wieder sprach er mit dieser Stimme, die er offensichtlich für sexy hielt. „Kein bisschen“, sagte ich.
Er drehte sich wieder zur Klasse. „Heute versuchen wir anfangs noch einige Sprüche, in der zweiten Stunde werden wir uns dann paarweise duellieren.“
Scheiße, ja. Doppelstunde.
Hardy drehte sich wieder zu mir. Er grinste. Wir mir dieses Grinsen auf die Nerven ging.
Die erste Stunde ging quälend langsam um. Ich freute mich auf die zweite Stunde. Endlich konnte ich meine Aggressionen loswerden.
Das Duell zwischen mir und Hardy war sehr einseitig. Ich griff quasi ununterbrochen an, er wehrte meine Zauber ab. Schließlich, nach einer halben Stunde Dauerbeschuss, während der ich mir alle möglichen Leute vorstellte, die meine Flüche trafen, hatte er genug.
Er wehrte sich mit einem Zauber, keine Ahnung, was es war und ich wurde in die Luft geschleudert. Ich klatschte gegen die Wand und sank auf dem Boden zusammen.
Hardy schrie auf und kam geschockt auf mich zu.
„Julia? Julia, ist alles in Ordnung? Merlin, das wollte ich nicht“ Er legte seine Hand auf meine Schulter. Ich war nicht bewusstlos, nur ein bisschen durch den Wind.
„Alles gut“, murmelte ich. Hardy zog mich hoch, so, dass ich saß und legte meinen Kopf an seine Brust. „Scheiße“, flüsterte er.
Er schaukelte mich ein wenig. Langsam wurde ich wieder klar im Kopf. Ich wehrte mich gegen die „Umarmung“. „Mir geht’s gut... Autsch, das tat weh“, sagte ich mit erstaunlich klarer Stimme. Hardy sah mich an.
„Merlin sei dank, ich dachte schon... Vielleicht war es doch keine so gute Idee – es war ein ungleiches Duell. Es tut mir Leid“, entschuldigte er sich. Ich lächelte. Dann stand ich auf.
„Kein Problem, ich meine, natürlich dürfen sie sich wehren, in einem Duell.“
„Aber nicht so. Ich habe in meiner Ausbildung so einiges gelernt.“
„Ausbildung?“
„Ich bin – ich war Auror. Jetzt bin ich Lehrer, das hat mich schon immer mehr gereizt.“
„Auror, wow.“
„Ja.“ Er lächelte. Argh, warum sah dieser Arsch so gut aus?
„Ich bin froh, dass es dir gut geht“, sagte er und zog mich in eine Umarmung. Seine Hände wanderten gefährlich tief. Zu tief.
„Professor“, sagte ich. Er lies mich los.
Gegen halb sechs nahm ich meinen neuen Besen und ließ mich von Harry zum Quidditchfeld führen.
Außer uns waren noch einige andere Leute da. Einige Kinder aus der 3. oder 4. Klasse, ich schätzte die Jüngste auf 13 und einige aus meinem Jahrgang.
Unter anderem dieser Dean.
„Hallo, hört ihr mir zu?“, rief Harry über das Getuschel hinweg
Schlagartig wurde es ruhig. Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch. Harry als Autoritätsperson.
„Wie ihr alle wisst, spiele ich den Sucher“, fuhr er fort.
„Ron hier“, er deutete auf Ron, „ist Hüter. Und Gin ist unsere erste Jägerin.“ Ginny grinste.
Ich mochte sie wirklich nicht. Sie wusste, dass sie gut aussah, das war ihr Problem. Dabei fand ich sie nicht mal hübsch. Irgendwie sah sie aus wie diese Schauspielerin, Bonnie irgendwas.
„Das heißt wir brauchen noch zwei Jäger und zwei Treiber.“
Insgesamt waren 13 Leute da, alle mehr oder weniger begabt. Die ersten drei zogen schon nach dem ersten Test Harrys, wir sollten nur vom Boden aufsteigen und eine Runde ums Feld fliegen, von dannen. Schon das war zu viel für sie gewesen.
„Jetzt mal ein bisschen mehr Action!“, rief Harry, der ebenfalls in der Luft schwebte. Er gab Ron, der am Boden war, ein Zeichen. Selbiger ließ die Klatscher frei und warf Harry den Quaffel zu.
Ich, bewaffnet mit einem Schläger, bereitete mich auf das Schlimmste vor.
„Ihr werdet versuchen, mich mit dem Klatscher zu treffen“, sagte Harry schließlich, nachdem er den potenziellen Jägern eine Aufgabe gegeben hatte. Außer mir wollten noch vier andere den Job als Treiber haben. Ein Mädchen aus der 5. Klasse und drei Jungs aus den Klassen 3, 5 und 6.
„Bist du dir sicher, Harry?“, fragte ich besorgt. Ich wollte ihn ungern vom Besen hauen.
„Sicher, Jules, tue dir keinen Zwang an“, grinste er.
Es war offensichtlich, dass er immer noch nicht an mein Können glaubte. Ich würde ihm das Gegenteil schon noch beweisen.
„Auf geht’s!“, rief er und flog von uns weg. Die Klatscher jedenfalls attackierten uns sofort. Das Mädchen, sie hieß glaube ich Ella, schrie auf und flog zum Boden. Keine Spur von Treiberin in ihr.
Der Klatscher ließ von ihr ab und wandte sich mir zu. Ich sah kurz nach, wo Harry gerade war und schlug dann mit voller Wucht mit meinem Schlagholz auf den Ball ein. Dieser sauste in Harrys Richtung, der gerade die Jäger beim Spiel beobachtete.
„Harry!“, schrie ich. Er drehte sich in genau dem richtigen Moment zu mir, denn so verfehlte ihn mein Klatscher um Zentimeter. Er wurde blass.
Ich flog zu ihm.
„Wow“, murmelte er. „Wow.“ Er starrte mich an.
„Du hast es drauf“, war sein trockener Kommentar. Klar, Schlagen konnte ich schon immer.
Der Sechstklässler, der den anderen Posten als Treiber bekam, hieß Joshua Schmidt. Er war ziemlich nett und ziemlich gut. Er hatte Harry getroffen, allerdings nur am Fuß. Zu Harrys Glück hatte er sich nicht wirklich verletzt.
Komplettiert wurde das Team nun durch Dean Thomas und ein Mädchen aus der 5. Klasse, Chloe McNeil.
„Sehr schön. Ich bin wirklich stolz, dieses Team gefunden zu haben“, sagte Harry, als wir um acht Uhr endlich fertig mit den Auswahlen waren. Ron, Ginny, Dean, Joshua, Chloe und ich strahlten ihn an.
Durch dieses dämliche Auswahlspiel hatte ich das Abendessen verpasst und so ging ich mit leerem Magen, erschöpft vom Fliegen, zu Bett. Immerhin war morgen Samstag, immerhin konnte ich ausschlafen.
Und immerhin blieb diese Nacht Draco-frei. Das war ja auch mal eine Abwechslung.
Jedenfalls erwachte ich erst wieder, als es schon 11 Uhr war. Also war das Frühstück auch schon vorbei. Klasse. Außer mir war niemand mehr im Schlafsaal.
Ich zog mich an, damit ich wenigstens heute Mittag etwas würde essen können und stieg die Treppe hinunter, in den Gemeinschaftsraum. Harry und Ron saßen am Fenster und spielten Schach. Ich beschloss, mich zu ihnen zu setzen.
„Morgen Jules“, strahlte Harry. Er hatte irgendwie gute Laune. Mochte an gestern liegen.
„Morgen“, brummte Ron. Er hatte scheinbar keine gute Laune.
„Morgen, Jungs“, sagte ich und ließ mich auf einen Stuhl neben Harry sinken.
„Wo ist Hermine?“
„Weg“, sagte Ron. Seine Miene verfinsterte sich noch mehr.
„Gab es Streit?“, fragte ich.
„Frag nicht“, meinte Harry. Er klang gelangweilt.
„Hab ich doch schon.“
„Sie meint, ich wäre der faulste Mensch, den sie kennt. Nur, weil sie mich nicht abschreiben lassen will“, murmelte Ron.
Ich grinste. Die beide waren ja so süß. Stritten sich wegen jedem Mist.
„Oh. Na das ist ein Grund, sauer zu sein“, sagte ich. Irgendwie war ich auf Rons Seite. Immerhin hatte ich ja auch so eine Art Problem mit Hermine. Beziehungsweise sie mit mir.
„Und wo ist sie nun?“, hakte ich nochmal nach. Es interessierte mich einfach, wo die Leute waren, wenn sie nicht im Gemeinschaftsraum waren. Immerhin kannte ich nichts anderes.
„Bibliothek“, sagte Harry.
„Oh, ihr habt eine Bibliothek?“, fragte ich, ehrlich erstaunt. Okay, dass es in einer Schule eine Bibliothek gab war vielleicht nichts außergewöhnliches, aber ich wusste es ja nicht besser.
„Ja, willst du sie sehen?“, ertönte eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um. Es war dieser Joshua Schmidt. „Ich wollte jedenfalls gerade hin, ein paar Bücher zurückgeben.“
Ich überlegte kurz. Ja, es wäre gut mit Hermine zu sprechen. Vielleicht stellte sich ja dann heraus, was ihr Problem war.
Den Weg zur Bibliothek hätte ich allein nie im Leben gefunden. Ich war froh, dass Joshua, oder „Josh“, wie ich ihn nennen sollte, bei mir war. Aber nur deswegen. Denn, mal im Ernst, dieser Kerl hatte sie nicht mehr alle. Ständig sprach er von Sport, ständig von irgendwelchen Manövern im Quidditch.
„Hast du das Spiel letzte Woche Samstag gesehen, die Wespen gegen die Falken?“
Nein, letzten Samstag konnte ich nicht, da hatte ich Sex mit Snape.
„Ist ja auch egal, jedenfalls – ah, guck mal, wir sind da“, schloss er. Ich sah auf. Tatsächlich standen wir vor einem riesigen Durchgang, der in eine Bibliothek zu führen schien. Jedenfalls waren im Raum auf der anderen Seite der Wand nur Regale mit Büchern.
„Sei mir nicht böse, Jules, aber ich muss weg. Von hier an findest du Granger sicher allein“, sagte Josh. Er klang wirklich traurig.
„Ach, kein Problem, danke, dass du mich hergebracht hast“, erwiderte ich. Er lächelte mich noch kurz an, dann verschwand er zu einer Art Theke in besagter Bibliothek, schmiss die Bücher, die er bei sich gehabt hatte auf selbigen, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum wieder, nicht ohne mir freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen.
Ich betrat den Raum. Alles stand voller Regale. Kurz musste ich daran denken, wie groß das alles für die Erstklässler aussehen musste, denn immerhin waren sie ein ganzes Stück kleiner als ich.
Beim Streifen durch die Gänge suchte ich Hermine. Denn immerhin war sie der Grund meines Kommens.
Schließlich fand ich sie, ziemlich am Ende der Regalreihen. Sie saß an einem Tisch, der am Fenster stand und starrte hinaus.
„Hermine?“, fragte ich vorsichtig, scheinbar zu laut. Bibliothek, Julia. Ruhe.
Sie schreckte fürchterlich auf.
„Musst du mich so erschrecken, Julia?“, zischte sie wütend. Okay, sie war sauer. Vorsichtig näherte ich mich ihr und setzte mich auf den Stuhl ihr gegenüber.
„Was ist los mit dir?“, fragte ich, diesmal in diesem Bibliotheks-Flüsterton.
„Nichts ist los mit mir, was soll sein? Mir geht’s prima“, sagte sie mit gespielt ruhiger Stimme.
Ich seufzte.
„Du hasst mich. Warum?“
„Sei nicht albern, ich hasse dich nicht.“ Immer noch dieser giftige Ton.
„Was hab ich dir getan, verdammt?“ Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich HATTE ihr definitiv nichts getan. Dessen war ich mir sicher.
„Nichts. Aber es kann dich ja nicht jeder mögen“, zischte Hermine.
„Es reicht doch völlig, wenn dir Snape zu Füßen liegt“, fuhr sie fort. War sie sauer wegen Snape? Es entstand eine kurze Pause. Sie KONNTE nicht eifersüchtig sein, nicht auf Snape.
„Oder Harry. Oder Ron...“ Aha. Daher wehte der Wind. Ronald.
„Du bist eifersüchtig... auf mich? Wegen Ron?“, flüsterte ich, kaum hörbar, mehr zu mir, als zu ihr.
Ich war mich sicher, dass sie mich gehört hatte. Aber sie sagte nichts, starrte nur weiter aus dem Fenster. Also hatte ich Recht. Na toll. Da versucht man sich mit dem Einen gut zu verstehen, während der Andere dann eifersüchtig wird, wenn man dann wieder zu dem Ersten geht, wird der Zweite vielleicht eifersüchtig und – nein, stopp. Teufelskreis. Nicht gut.
„Ich will nichts von Ron. Nichts. Er ist nicht einmal wirklich mein Freund. Wir kennen uns erst sechs Tage. Und wie lange kennt ihr euch, wie lang seid ihr befreundet? Sieben Jahre. Da komme ich nicht zwischen, keine Chance. Ich will nichts von Ron.“
Klarer konnte man es nicht sagen. Jetzt sah Hermine mich an. Auf ihren Lippen lag ein erleichtertes Lächeln, ihre Augen zeigten, dass sie sich zusammenreißen musste, um nicht zu weinen. Warum auch immer.
„Ron und ich...“, fing sie an. „Ich weiß“, unterbrach ich sie. Das musste sie mir nicht sagen. Das sollte sie ihren Freunden sagen, Harry, oder dieser Rothaarigen Schlamp- ich meine, Ginny. Irgendwie fixierte ich meinen Rothaarigen-Hass komplett auf sie. Das war mir doch alles zu kompliziert.
„Kommst du mit zum Mittagessen? Ich finde den Weg nicht allein“, fragte ich sie.
Hermine kicherte. „Es wird Zeit, dass du das Schloss kennen lernst... Ich muss mal mit Harry sprechen, vielleicht mach er ja einen Ausflug mit dir und den Rumtreibern...“
Ich wusste nicht, wer diese Rumtreiber sein sollten, doch das war mir egal. Denn ich ging wieder mit Hermine zusammen zum Mittagessen. Und ich würde endlich etwas zu Essen bekommen.
Der Gryffindorsche Hausfrieden war in jeder Hinsicht wieder hergestellt.
TCB
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Aber ich habe gelernt, auf allen möglichen Arten von Papieren zu schreiben. Die Namen der Hogwarts-Häuser sind auf einer Flugzeug-Kotztüte entstanden - ja, sie war leer.